2019-02-05

Grundrente

Es ist übrigens gänzlich falsch darüber zu diskutieren, ob es Deutschland zu teuer käme eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung zu bezahlen. Die muss ja stattfinden, denn soweit ich Herrn Heil verstanden haben, möchte man mit der Grundrente die Menschen gar nicht so sehr aus der Grundsicherung im Alter herausholen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht über 30 Arbeitsjahre hingelegt haben.

Hier wird also im Rahmen der Rente eine neue Unterschicht implementiert werden: die der Grundsicherungsrentner und die der Grundrentenempfänger. Bravo. Damit schafft man natürlich eine Sicherheitszone für Politiker in der nächsten Zukunft: wer nach unten treten kann, muckt nach oben nicht auf. Funktioniert derzeit im Niedriglohnsektor ganz wunderbar, man hat hier den ALG II-Empfänger als Element zum Frustabbau.

Übrigens waren Empfänger der Arbeitslosenhilfe von den Hartz IV-Konzeptionen noch rentenversichert. Das sind Arbeitslosengeld II-Empfänger seit 2005 nun nicht mehr. Wenn der SPD also nun Altersarmut in großem Maß um die Ohren haut, mag es ein Stück weit mit daran liegen, dass diese durchaus ein gutes Stück weit selbst verantwortet ist.

Jeder Politiker der regierenden Koalition, der nun übrigens heult, das Grundrentenkonzept mit seinen derzeit geschätzten fünf Milliarden Euro Kosten käme dem Staat zu teuer, sollte, meiner Meinung nach, mit zwei großen zur Schlagfläche hin benagelten Fliegenklatschen auf deren Rückseite groß und dick „CumEx” prankt in Grund und Boden geprügelt werden. Bis er/sie heult. Und dann Salz in die Wunden.

Übrigens gilt es mit der Grundrente Arbeitsarmut abzubauen. In Deutschland galt im Jahr 2018 statistisch gesehen, ein Single-Haushalt dann als arm, wenn dieser weniger als 892 Euro pro Monat zur Verfügung hat.”

Die SPD (und irgendwann auch die CDU wenn sie sich zu Ende empört hat) planen eine Grundrente in Höhe von € 900,— für Menschen, die ihr langes Leben gearbeitet haben, um deren Armut zu vermeiden. (In offensichtlicher Nichtberücksichtigung derer völlig verfehlten Wohnungs- und Mietpolitik der letzte Jahre.)

Und jetzt finden wir alle mal den Fehler!

Im übrigen wünsche ich mir künftig nur noch studierte Mediziner auf den Posten des Bundesgesundheitsministers bzw. -ministerin.

2019-01-27

Ländervergleich Italien vs. Deutschland

Die letzten Jahre mit meinen kurzen Pressereisen nach Apulien und Kalabrien, zwei der ärmsten Regionen Italiens immerhin, haben mir einige Unterschiede zum Heimatland – aus gänzlich subjektiver Sicht – aufgezeigt und mit denen möchte ich Euch heute gerne einmal langweilen bzw. sie zur Diskussion stellen:

Toiletten

Italien: Toiletten in Italien mögen häufig keine Toilettenbrillen haben und nicht immer sind sie modernisiert, dafür sie sind immer blitzblank und sauber. Es ist so, als wolle der Italiener die Nachwelt um keinen Preis der Welt seine kurze Existenz auf diesen Räumen beweisen lassen können.

Deutschland: Wir Deutschen sind in der Beziehung Schweine. Übrigens vor allem Frauen: das wird jeder Gastronom in Deutschland bestätigen – und das habe ich auch von Gastronomen solcher Restaurants gehört bei denen man meinen könnte, die Frauen wüssten sich stilsicher zu benehmen. Wir sind in diesem Punk „oben hui und unten pfui”. Ist so. Teilweise so eklig.

Sprache



Italien: In Italien gilt „Bellissimo”, „Che bello!” oder „Che bella!” Man scheut sich nicht, die Dinge wunderschön zu finden und kommentiert das gerne, laut und häufig. Hier trinkt man nicht einfach einen kleinen Caffè ohne diesen mit liebevollen Worten zu bedenken. Man freut sich gerne über die kleinen Dinge. Diese Freude wird geäußert. Das Glas, selbst die mit einem kurzen Caffé logischerweise nur halb gefüllte Espressotasse, ist hier immer halbvoll anstatt halbleer. Der Italiener ist begeistert über sein Land, dessen Geschichte, die eigene Kunst, die Liebe zu den eigenen Produkten ist groß. Das Wissen darüber enorm – bei jedem! Man steht hinter seinem Italien und freut sich, die guten Dinge dieses Landes sehen, erleben und genießen zu dürfen. Der Italiener redet total gerne. Man hat schnell für jeden – auch offensichtlich Fremden – den man trifft ein freundliches Wort parat. Keine Kommunikation ohne ein Bellisimo! Hier redet man noch sehr gerne miteinander. Es ist gar nicht vorstellbar, dass man einen Raum betrifft ohne längere Kommunikation miteinander. (Ausnahme im von Chinesen betriebenen 1-Euro-Geschäft.) Sie sprechen erstaunlich viel und lange und … sagen manchmal gar nicht so viel dabei. Kommunikativ läuft’s bei den Italienern.

Deutschland: In Deutschland sagen wir im Rahmen jeglicher Kommunikation sehr gerne: „Ja aber …”, allenfalls „Schön schön.” Der Genuss eines gemeinsamen Kaffees wird nicht kommentiert, Freude im Alltag gehört selten bis gar nicht kommentiert. Abgrenzung scheint wichtiger als Gemeinsamkeit. Kritik gilt vor Zustimmung. Alles, was uns gegeben wird an Schönem in diesem Land, es gehört unter den Scheffel gekehrt. Wir diskutieren darüber, ob wir stolz sein dürfen Deutsche zu sein – während es der Italiener einfach ist. Sehr selten sind die Dinge für uns gut genug. Wir reden genauso viel wie die Italiener, kritisieren dabei aber sehr viel mehr. Erzählen wir über Dinge, z. B. eine Reise, die wir erlebt haben – fangen wir zuerst bei dem an, was nicht gut war. Analyse ist Trumpf. Die Dinge zu relativieren, das ist uns sehr heilig.
Kurz: wir meckern viel zu viel. Und reden viel zu wenig nett miteinander – auch belangloses Zeug.

Das ich hier in diesem Blogpost vorrangig kommentiere, was wir Deutschen im Vergleich zu den Italienern alles nicht gut hinbekommen, spricht dabei natürlich für sich und ist in der landestypischen kritischen Sprache zum obigen Absatz Consens. Weiß ich.

Feminismus

Italien: Die Frauen Italiens feiern sich ohne Ende. Keine Veranstaltung bei der nicht eine Frau auf der Bühne steht und allen Anwesenden etwas von der Kraft, dem Können und Königsklasse der italienischen Frauen unter die Nase reibt. Dabei immer charmant. Immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sehr energetisch! Und die Männer halten das aus. Es geht also. Ich erlebe hier viel Schwesterlichkeit und das Wollen die Kunst der Frauen in allen Ebenen zu etablieren. Schmuck, Schminke, schöne Kleidung und Frisur sind dabei nichts, was für die Italienerin in ihrem Feminismus abgewählt gehört. Ganz im Gegenteil. Sie zelebrieren sich als die personifizierte Weiblichkeit mit all ihrer Intelligenz und vor allem ihrem Charme mit einem herrlich gesunden Selbstbewusstsein dem Patriarchat zu zeigen, was sie können. Frauen in Italien scheint der Feminismus großen Spaß zu machen.

Deutschland: Den deutschen Feminismus erlebe ich persönlich viel zu grau, zu vergeistigt und leider auch ganz häufig verbiestert, weil sehr rechthaberisch und verbissen – jede andere Idee und Meinung verkniffen wegbeißend. Ja, es gibt Ausnahmen. Sie sind noch zu selten. Viele junge Feministinnen, insbesondere Akademikerinnen, sprechen eine Sprache, die völlig vergeistigt ist, wenig Freude beim Lesen bereitet manchmal gar nicht mehr dazu verleitet – was aber am Allerschlimmsten ist – im Grunde einen ganz großen Teil der deutschen Frauen überhaupt nicht mehr erreicht. Ich kann mich mit dem deutschen Feminismus immer weniger identifizieren – auch wenn ich nach wie vor an seine Relevanz glaube. Aber so wie er hierzulande zelebriert wird, ist er nicht mehr oft noch meiner.

Tempolimit

Italien: Haben die Italiener bekanntermaßen. Auch in dem Land in dem der Rennmotorsport quasi erfunden worden ist, funktioniert die gesetzte Richtgeschwindigkeit. Mittlerweile bin ich bei den häufigen, teilweise stundenlangen Transfers vom Flughafen, viele Kilometer mit dem Auto gefahren – natürlich als Beifahrerin. Ich habe mich immer sicher gefühlt – obwohl die Italiener sicherlich sportlich fahren. Während meiner letzten Pressereise bin ich ab Bari bis nach Kalabrien vier Stunden in Italien im Auto auf der Autostrada unterwegs gewesen, hin- und zurück.
Es war entspannend. Von zwei Idioten abgesehen, die sich mit überhöhter Geschwindigkeit mit einem Abstand unter 20 Metern vor sich in ihren Autos deutscher Hersteller (Mercedes und BWM) auf der Autobahn abgeilen mussten, sind wir entspannt durch die Gegend gefahren. Man weiß vorher wie lange die Reise dauern wird, daher gibt es keinen Zwang diese Zeit zu unterbieten. Gerade bei viel Verkehr ist das Tempolimit die beste Variante für einen reibungslosen Verkehrsfluss. Sicherheitsabstände werden eingehalten, dadurch gibt es kein Stress beim Einfädeln, ein Gefühl von Sicherheit.

Italien hat allerdings auch ein Problem mit steigenden Unfallzeiten, Verletzten und Toten und ja, Italien verzeichnet deutlich mehr Verkehrstote im Jahr als Deutschland. Allerdings passieren dort statistisch gesehen 7 von 10 Unfällen in den Städten.

Deutschland: In Deutschland verunglücken auf Autobahnstrecken mit Tempolimit nachweislich weniger Menschen als auf den Teilstrecken mit freier Geschwindigkeitswahl. Was also ist eigentlich das Problem?

Musik



Italien: Obwohl ich nicht viel Popmusik höre, muss ich sagen, dass Italien eine gnadenlos gute und kreative Popmusikkultur hat derzeit. Guter Beat, starke Stimmen. Und – zumindest in Apulien – tanzen sie die Pizzicata, die sofort in die Füße geht.

Deutschland: Andrea Berg, die seit 20 Jahren immer ihren gleichen Song mit ähnlichen Texten selber covert. Florian Silbereisen. Und viele blasse schlimm männlich betroffene Singer-Bubis, die sich alle gleich anhören. Homophobe Sänger wie Andreas Gabalier cool finden. Dancestyle: Klatschen für DJ Oetzi & Co.

Technik

Italien: Freies WLAN gibt es fast überall. Der Italiener z. B. fragt selten im Restaurant nach dem Passwort, weil er offensichtlich mit seinem Vertrag gut bedient ist. Passwörter sind hier meistens vergleichsweise so lang, dass man den Eindruck bekommt, die haben das mit der Internet-Security im Großen und Ganzen verstanden. Jeder noch so kleine Laden ist im Kassenbereich mit modernster Kassentechnologie ausgestattet. Es wird der Preis gescannt und die Diebstahlsicherung gleichzeitig entcodet im kleinsten Ein-Euro-Geschäft. Bezahlen mit Geldkarten sind extrem schnelle selbstverständliche Vorgänge.

Der Italiener scheint in Facebook zu leben. Facebook/WhatsApp sind State-of-the-art. Die Präsentation des eigenen Business passiert auf Facebook, weniger auf der eigenen Homepage. Italiener befreunden sich sofort auf Facebook. Lädt Dich ein Italiener ein, auf Facebook seine Seite zu liken und Du machst das nicht sofort, hält er Dich für unhöflich – und Du kannst ihm damit den ganzen Abend verderben. Italiener lieben Facebook und haben dort sehr viel Spaß, präsentieren sich dort gerne auch privat und im Business in einem und dem gleichen Account.

Wenn ich in Apulien lande, wählt sich mein Smartphone bei Wind ein, dem italienischen Netzanbieter. Ich hatte einmal während einer Reise kontinuierlich kein WLAN, weil sich mein Smartphone in Kroatien einwählte aufgrund der geographischen Nähe, was ich aber erst am letzten Tag kapiert hatte. Sonst habe ich dort immer! schnelles! Netz. Ausnahme: Auf der Autobahn im Tunnel. Oder in den Bergen auf der Straße gelegentlich. Sobald man aber wieder in den Bergen in Ortschaften ist: Zugriff.

Italiener finden es völlig selbstverständlich ihre Umwelt mit Lärm aus ihren Smartphones zu nerven. Hauptsache laut. Egal, wo man ist. Egal, was andere gerade machen.

Deutschland: Ach Du meine Güte. Ganz ehrlich? Wir haben uns mittlerweile auch in diesem Punkt gänzlich abgeschafft. Und müssen da in Zukunft sehr vorsichtig sein nicht auch noch hier Dritte-Welt-Land zu bleiben. Manchmal gibt es im öffentlichen Raum freies WLAN. Sagen sie. In Berlin gilt das für die BVG eher nicht.

Trinkgeld

Italien: Unüblich. Kann tatsächlich nach hinten losgehen, wenn man es dennoch tut. Kann aber – wenn man es als Auszeichnung für einen Busfahrer gemeinschaftlich macht – auch Freude bereiten. Aber generell: eher unüblich.

Deutschland: Üblich. Oft sind wir viel zu geizig. Ich, da ich nicht viel Geld habe, gebe natürlich total gerne Trinkgeld, weil ich weiß, wie viel Freude ein paar Euro mehr in der Tasche machen können. Mir fällt es schwer nichts zu geben. Für den Busfahrer zu sammeln, habe ich allerdings mittlerweile in Italien aufgegeben. Dem Zimmerpersonal lege ich indes immer etwas hin.

Zeitverständnis

Italien: Kommste heute nicht, kommste morgen. Auch wenn es nicht ganz so schlimm ist – aber in der Zeitgestaltung werden die eigenen Bedürfnisse generell vor die der anderen gestellt und man lässt die anderen ungerührt warten. Kommt man irgendwo hin und die anderen sind noch nicht da, geht man wieder und lässt sie im Anschluss warten. Das nimmt stellenweise komische Ausmaße an, wenn ein Pressetermin im Raum steht, man dennoch befindet gerade getätigte Einkäufe doch noch mal schnell ins Hotel zu bringen. Auch wenn das 30 Minuten Zeit kostet – von allen und klar ist, irgendwo wartet jemand auf die Reisegruppe. Natürlich stehen Italiener nicht in solchen Momenten wie unsereins wartend in der Gegend rum, sondern sie finden immer jemanden zum quatschen – oder vergnügen sich bei Facebook. Zeit für einen kurzen Caffé nimmt man sich immer (das finde ich natürlich sehr schön und lässig.) Trotzdem: unter dem Strich bleibt bei Pressereisen dann weniger Zeit beim eigentlich relevanten Termin. Das muss man mögen.

Deutschland: Ich mag es nicht. Obwohl ich aus der Stadt des zelebrierten berühmten akademischen Viertels – und neuerdings des approbierten Nichterscheinens ohne Absage – stamme, bin ich gerne pünktlich, tue das wozu ich verabredet bin und nutze meine Zeit gerne lieber sinnvoll als mit dummen Rumhängen. Mich macht das manchmal echt sauer, denn gerade an anderen Orten könnte ich diese Zeit so sehr viel sinnvoller z. B. mit dem Fotografieren nutzen. Während meiner letzten Reise habe ich im Schnitt drei Stunden meiner knappen Zeit vor Ort auf irgendjemanden gewartet, weil ich immer pünktlich zum vereinbarten Termin vor Ort war. Am letzten Tag habe ich mich gerächt in dem ich am Abend einfach eine halbe Stunde später zum vereinbarten Treffen kam. Spaß macht mir das nicht aber vielleicht lerne ich es noch.

Essen

Italien: Vertrauen auf die eigene Küche und deren Qualität. Daraus resultierend: Liebe und Begeisterung. Oft fehlen (mir) Gewürze. Aber hier steht das Produkt im Vordergrund und zählt. In Italien (zumindest also in Apulien und Kalabrien) wird meiner bisherigen Erfahrung nach sehr viel seltener und weniger Knoblauch verwendet als von uns Deutschen gemeinhin vermutet.

Deutschland: Wir können auch kochen, haben aber verlernt wie gut eine einfache Kartoffel ohne viel Gedöns schmecken kann, wenn sie mit Liebe angebaut und geerntet wurde. Dafür würzen wir vielfältiger. Ständig schlimmste Überdosierung von Knoblauch. Außerdem haben die meisten von uns überhaupt keine Ahnung von der Vielfalt von Zitrusfrüchten.

Essen, die Zweite



Italien: Natürlich gibt es auch unter italienischen Journalisten mittlerweile Menschen, die sich fleischlos ernähren. Oder lieber Vollkornprodukte essen mögen. Die sagen kurz beim Kellner Bescheid, bekommen was sie wollen und damit ist das Thema erledigt. Der Rest ist dann meist Bellissimo!

Deutschland: Wurde bei den Pressereisen bisher ausgiebig mit viel Gedöns um Sonderbehandlung beim Essen gebeten, waren es immer nur und ausschließlich deutsche Journalisten. Echte Allergien beiseite gelassen, scheinen wir Deutsche zunehmend irgend eine persönliche Problematik allzu gerne auf unsere Nahrung zu projezieren. So als wäre die Unverträglichkeit der neue Brunnen für massive Aufmerksamkeit, die an anderer Stelle versagt bleibt. Dabei scheint es unmöglich zu sein, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit einfach zu haben: sie muss lang, breit und laut ausgiebig zelebriert werden. Das mutet stellenweise vor allem im Ausland schon sehr ulkig an für Beisitzende.

Umwelt

Italien: Hat den Plastikmüll im Meer täglich vor Augen. Wenn Plastiktüten mittlerweile beim Einkauf verwendet werden, dürfen es nur noch kompostierbare sein. Die halten nicht lange aber: kompostierbar. Bei den PET-Flaschen sind die Plastikverschlüsse nur noch halb so hoch wie hierzulande. Sie funktionieren trotzdem.

Deutschland: Tsja. Könnte Plastiktüten generell verbieten. Tut es aber nicht. Könnte PET-Flaschen längst verboten haben, tut es aber auch nicht. Erhöht generell gerne die Müllentsorgungspreise weil die Sortierung und Wiederverwertung von Rohstoffen angeblich so teuer ist, kassiert, aber wiederverwertet im ganz großen Stil dann doch nicht. Hält alle für doof, kassiert. Und zuckt dann mit den Schultern.

Kinder



Italien: Kommen zuerst und überall. Kinder sind immer süß und wichtig. Sie werden jederzeit und immer ernst genommen und es wird auf sie Rücksicht genommen. An jedem kleinen Zeitungskiosk nehmen 40 Prozent der Auslage Kinder Platz ein mit Geschenktüten, kleinen Aufmerksamkeiten, weniger Süßigkeiten für Minimenschen. Kinder werden hier sicherlich auf gehlikoptert. Aber von der gesamten Gesellschaft und es ist absolut üblich, dass die Gemeinschaft sich um anwesende Kinder sorgt und sie aber auch mit erzieht, falls es nötig ist. Und zwar ganz ohne, dass La Mama den giftigen Blick eines Stieres beim Anblick von Rot bekommt und sofort Strafanzeige stellen will. Trotzdem sehen sich Italiener bei aller überbordenden Liebe in der Lage ihre Kinder zu erziehen und, falls nötig, in Grenzen zu verweisen.



Jedes von öffentlichen Geldern finanzierte Museum, jeder Nationalpark ist offensichtlich darauf ausgerichtet, Kinder zu unterhalten; Schulklassen die größtmögliche Bildung zu bieten. Mit nachträglicher Broschüre in dem die Kinder ihr erworbenes Wissen ausmalen können oder anderweitig verarbeiten können. Hier wird Geld in Kinder investiert. (Ausnahme: von Banken finanzierte Museen.) Kinder sind heilig und König. Und erzogen. Deswegen kann man Kinder in Italien echt super finden.

Jede halbwegs öffentlich Toilette besitzt, wenn nicht sogar eine Kindertoilette, wenigstens ein Kinderwaschbecken auf geringerer Höhe angebracht.

In geschlossenen Räumen dürfen Kinder so laut sein wie sie wollen. Auch mit elektronischem Gedöns. Wenn man auf Flügen 120 Minuten lang laut von elektronischen Stimmen „Little finger, little finger, where are you? I am here, I am here, I am with you!” und das wahlweise alle Finger durch, hören muss, ist die Deutsche in mir von der Rücksichtslosigkeit maximal genervt. Zumal selten nur ein Kind fliegt.

Deutschland: Hier brüllt schon mal der Busfahrer durchs Mikrofon ein Kind soll den Mund halten, wenn es lauthals singt. Immer wieder das gleiche Lied. Kinder werden hier entweder vernachlässigt oder auf unnatürliche Weise verhätschelt: egal, ob sie mit ihrer Verwöhntheit bei Mitmenschen Schaden anrichten. Irgendwie scheinen Kinder hier gar keinen normalen Stand mehr haben zu dürfen. Mit fremden Kinder in der Öffentlichkeit zu kommunizieren, scheint mittlerweile ein Gesetztesverstoß zu sein. Was es teilweise auch schwer macht Kinder noch zu mögen. Andererseits fühlen sich wiederum andere Eltern in dieser Gesellschaft als Eltern nur noch gegängelt und ihnen bricht der Schweiß aus, wenn im öffentlichen Raum ein Kind altersentsprechend laut und bockig ist. Das Verhältnis ist teilweise zunehmend schwierig. Wir sollten aufwachen. Auf allen Seiten.

Autos



Italien: Piaggio Ape. Und Diesel ist ziemlich teuer.

Deutschland: Smart. Und lässt sich von Autobauern jahrzehntelang vorführen.

Inklusion



Italien: Gelebt. Z. B. auf großen Straßen, im öffentlichen Raum wird die Blindführung einfach mit Hartgummiplatten auf die Straße geklebt. Basta. Auch in den Schulen sind Kinder mit Handicap in die normalen Klassen integriert. Ja, auch wenn Kinder Aufführungen für Journalisten machen, sind die Kinder mit Handicap dabei und werden gleichwertig gefordert. Noch mal Basta!

Deutschland:  Landet man z. B. in Berlin Schönefeld hört die Blindenführung vor der Treppe rechts bzw. links auf dem Übergang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln auf. Unten im Tunnel geht sie ein kleines Stück weiter bis zu den Bahnsteigen der S-Bahn. Danach Niemansland. Wahrscheinlich Streit um das Erbrecht der Tunnelböden. Wie ein Blinder beispielsweise zu den Regionalzügen kommt … bleibt mir ein Rätsel. Es muss Verantwortlichen herzlich egal sein. Die BRD bekommt jedes Jahr neue finanzielle Strafandrohungen seitens der EU, weil hier Inklusion nicht in dem Rahmen vorangetrieben wird, wie gesetzlich vereinbart. Im Gegenteil, NRW zeigt gerade, wie man sie abschafft in Schulen. Deutschland zahlt lieber Strafzölle an die EU anstatt Menschen mit Handicaps eine gemeinsame Teilhabe zu ermöglichen.

Zitrusfrüchte



Italien: Die Vielfalt von Zitronen ist in Italien unfassbar groß! Alleine bei diesem Aufenthalt habe ich sechs verschiedene Sorten gekauft von denen noch zwei für mich nicht identifiziert sind.

Deutschland: Primofiore, Eureka.

Fußball

Italien: Flogen gar nicht erst zur WM 2018

Deutschland: Flogen ziemlich schnell wieder zurück.

2019-01-18

Erste! (Ostern 2019)



(Foto vor zwei Wochen aufgenommen.)

2019-01-17

Weia …

Habe gerade festgestellt, dass dieses Blog am 3.1.2019 satte 13 Jahre alt geworden ist. Dreizehn Jahre!

Unglaublich, dass Ihr mich solange ausgehalten habt! Mein ganz besonderes Dankeschön an alle, die bis heute durchgehalten haben – ist es nicht unglaublich, wie lange wir uns schon teilweise alle kennen und unsere Blogs lesen?

Ich meine – als ich angefangen habe zu bloggen, da hieß es ohne Diskussion das Blog. Das Wort SEO gab es für Blogs noch gar nicht. Wir kommentierten noch in Blogs – nächtelang. Wir weihnachtswichtelten – nur so – ganz ohne Hintergedanken hinsichtlich des Traffics. Rechtlich waren wir (fast) vogelfrei – und wenn jemand mit seinem Blog bzw. sich selbst als Bloggerpersönlichkeit Geld verdienen wollte, haben wir ihm auf die Finger gekloppt.

Ihr habt mit mir meine Mama, meine Tante und drei Katzen beerdigt; meine Launen ertragen, meine Krankheiten sowieso. Die sehr sehr dunklen Zeiten. Wir haben uns persönlich getroffen – tun das heute noch.

Ach … Ihr alle … *schneuzt sich die Nase*

13 Jahre.

2019-01-16

Mein Geburtstagsessen: Pekingente im Orania

Eine sehr liebe Freundin hatte mir zum Geburtstag ein feudales Essengehen geschenkt. Ich durfte mir etwas aussuchen. Einzige Voraussetzung: es sollte etwas Besonderes sein. Ich schlug einige Restaurants vor und da mich beim Besuch von Robert bei dem uns Chefkoch Philipp Vogel erzählte, wie schwer es war, die richtige Entenrasse für die perfekte Pekingenten-Haut und den richtigen Produzenten für diese Enten zu finden, sein Menü der XBerg Duck im Orania schon sehr fasziniert hatte – zumal das Restaurant von unseren Dockingstationen fußweit gelegen ist, Frau maske_katja eh mal wieder einen Fuß nach Kreuzberg setzten (s)wollte, war die Entscheidung vergleichsweise schnell getroffen. Zudem das XBerg Duck-Menü gerne für zwei Personen serviert werden möchte. Wir haben durchgezählt: eine Frau maske_katja, eine Frau creezy = zwei sehr neugierige Menschen mit Hunger.

Der Termin dafür wurde jedoch häufiger vertagt. Reise hier, Erkältung dort, Dienstpläne da, zwischendurch das sehr feine Essen im Volt (und ich bin durchaus der Meinung, dass ein großartiges Essen im Monat genügen sollte, das Jahr hat bekanntermaßen noch so viele andere traurige Monate im Jahr, die durch ein feines Essen aufgewertet werden möchten) im November, gefolgt von selbst produzierten Enten-Menüs im Dezember aus festlichen Gründen. Ich behielt meinen Essengutschein wie einen heiligen Schatz. Letzten Samstag war es dann doch so weit. Wir fielen quasi einmal quer über den Oranienplatz und waren schon dort.



Bei der Tischreservierung hatten wir bereits unser Interesse am Pekingentenmenü angedeutet (das Orania schätzt hier Voranmeldung für eine gewisse Mengenkalkulation), wurden freundlich empfangen bei Kaminfeuer und freuten uns an dem von uns gewählten Aperitif, einem Riesling-Sekt. Ich versprühte mein halbgares Wissen über Perlage und Gläser. Da aber unser Menü gesetzt war, wurde meine Gastgeberin schnell verschont und es ging alsbald los mit den einzelnen Gängen –



selbstgebackenes Brot mit Nussbutter und Salz als zurückhaltender Begleiter.



Der Enten Dashi mit einem Dim Sum, gefüllt mit den Innereien der Ente. Sehr intensiv im Geschmack. Und – wie nur ein Dashi das nun mal kann – gleich das Gefühl von Unsterblichkeit vermittelnd. Es gibt Lebensmittel, die wirken sofort, jenseits der Tatsache, dass sie sehr fein schmecken.



Dann wurde unsere Ente an den Tisch gerollt. Der Anblick rollender Enten sollten uns noch sehr häufig begegnen an diesem Abend, denn der zweite Gang im XBerg Duck-Menü wird am Tisch zelebriert.

Unsere Ente wurde am Tisch hauchdünn komplett ihrer Haut entledigt und mit Crêpe (oder wie wir in Kreuzberg sagen: Eierkuchen) tiefdunkler Hoisinsauce, Rettich und Frühlingszwiebeln, eingelegtem Ingwer bastelt man sich mit der Haut der Ente vorzügliche Crêpes selbst.



Begleitet von sehr würzigen Gurkenscheiben, kräftig in einer Knoblauchmarinade mit Nuss serviert. Der Gang ist spektakulär und sehr fein!



Währenddessen erzählten Frau maske_katja und ich uns unsere eigenen Histörchen zum ehemaligen Kaufhaus Brenninkmeyer, dem Haus, in dem das Hotel Orania mit seinem Restaurant heute residiert. Ich als Westgirlie konnte von Kreuzberger Nächten im Seitenflügel des heutigen Hotels erzählen, wo in den Achtziger Jahren in der Bauruine ein Club existierte namens Trash. Dort hatten Westberliner Grufties ihr Zuhause und ich bin damals gerne raus gegangen mit meinem damaligen Freund. Dorthin, weil dort viel elektronische Musik gespielt worden ist. (Wir und die EBM-Szene hatten ja damals nix.) Ich kenne das Haus also vergleichsweise lange. Frau maske_katja indes lernte den Platz aus stadtgeschichtsbekannten Gründen – als Mauer bekannt – die Seite Berlins leider erst nach der Wiedervereinigung kennen und konnte von Einkäufen im dortigen Penny-Supermarkt erzählen. Ein besonderer Genuss, den ich irgendwie nie in Anspruch genommen hatte.

Das Haus stand dann eine sehr lange Zeit leer, wurde teilrestauriert bis den vormaligen Besitzern das Geld ausgegangen ist; stand wieder lange Zeit leer mit kurzfristigen Zwischennutzungen für Kunstausstellungen und öffnete grundsaniert mit viel Elefant im Dekor im August 2017 seine Pforten als Luxushotel. Somit hat es in Kreuzberg natürlich keinen leichten Stand, was teilweise leider auch einer unglücklichen, bisschen zu arroganten Außenkommunikation der Geschäftsführung geschuldet war. Lange Rede: natürlich fliegen in Kreuzberg in Gegenwehr zur Gentrifizierung Steine. Hätte man aber vorher wissen können, wenn nicht immer jeder, der von Außerhalb Berlins käme, glaubte, die Stadt bräuchte an allen Ecken Kommerz und man müsse ihr nur zeigen, wo es lang geht.

Trotzdem bin ich froh, dass dieses Haus nun wieder eine Seele hat; wer es sich leisten kann, ist dort sicherlich ganz wundervoll über Nacht untergebracht. Es gibt fast jede Nacht an der Bar Live-Musik und das Haus ist trotz allem der Umgebung angemesssen unprätentiös: man fühlt sich auch als Nichtbewohner ebenso an der Bar bzw. Lounge willkommen. Ganz hervorragend aber ist das offene Restaurant zu (fast) jeder Tageszeit unter der Leitung des nicht nur ungemein talentierten, sondern auch extrem netten Philipp Vogel, der schon sehr früh ein Verfechter der Nose-To-Tail-Küche war. Bei ihm habe ich vorvergangenen Jahr erstmals Schweineschwanz essen dürfen. Überzeugt.



Nächster Gang: Brust – von der Ente in Pfeffersauce dazu einen fantastischen Pak Choi, gedünstet mit frischem grünem Apfel und Pfeffer. Die Ente supergut,



dieser Pak Choi zum niederknien – nur leider definitiv eine vielvielviel (!!!) zu kleine Portion für zwei Personen.



Gefolgt „Dit Been” („Lange Beene hat die Kleene”) von knackigem Bratreis mit dem Fleisch der Entenkeule und einem Eigelb. Fantastisch würzig und knackig.



Frau maske_katja entschied sich zum Dessert für Tapioka.Passionsfrucht.Tamarine – und fand es sehr lecker.



Mich machten Topfenknödel in Semelbröselbutter, ein Vanilleeis auf Marille unglaublich glücklich.



Was für ein wunderschöner Abend! Was für ein tolles Geburtstagsgeschenk – und wie wunderschön eigentlich es im Januar nachgereicht zu bekommen!

Eine absolute Empfehlung, Vogels' XBerg Duck sollte man sich auf alle Fälle gönnen.

2019-01-14

Rückenschmerzen?

Ich habe die letzten Tage mal wieder gelitten. Rückenschmerzen. Eine nervige Begleiterscheinung der Alterwerdung, die mich in jüngster Zeit immer häufiger heimsucht. Einerseits kann ich froh sein, dass mich das insbesondere bei meiner Körpergrößte erst spät begleitet. Anderseits macht Schmerz immer unfroh und ich weiß natürlich, dass sie auch eine Konsequenz sind von viel zu oft sitzen. Und sie sind eine Reaktion darauf, dass ich durch die Schmerzen der anderen Diagnose definitiv zu wenig Sport gemacht habe in den vergangenen drei Jahren. (Nicht, dass ich gar keinen gemacht habe aber zu wenig. Schmerz macht einen nicht aktiv.)

Nun habe ich mir mit großzügiger Hilfe vieler liebevoller Weihnachtsfrauen – nachdem ich die Weihnachtsfeiertage auch wieder mit massiven Rückenschmerzen verbracht habe – eine neue Matratze gegönnt. Die tatsächlich diese Rückenschmerzen auch sofort abstellte.

Donnerstag war ich mit dem kleinen Großcousin im Friedrichstadtpalast und wir haben uns die Kindershow nochmals angesehen. Der kleine Mann zog es dabei vor auf meinem Schoß sitzen zu wollen, aus sicht- und kuscheltechnischen Gründen. Diese dann doch etwas verkrampfte Haltung in Kombination mit dem einzigen Kritikpunkt am Friedrichstadtpalast: viel zu enge Sitzreihen mit viel zu unbequemen Sitzen – für große Menschen wie mich, brachten mir erneut Rückenschmerzen. Massive Rückenschmerzen. Uncoole Rückenschmerzen, die, das setzte ihnen die Hörner auf, nicht mal Lust hatten von Schmerztabletten Notiz zu nehmen.

Neues Feature dabei: sitzen ging gar nicht mehr. Stehen auch. Liegen auf der Matratze auf dem Rücken. Im Prinzip ein unpraktischer Ort, um schmerzfrei den Alltag zu bestreiten. Also Verzweiflungsgrad recht hoch, Laune ziemlich niedrig, Selbstmitleidskala kurz vor Sprengung.

Viel mir ein, dass ich neulich im Vorbeigehen zwei interessante Menschen auf dem roten Sofa der Sendung „DAS!” gesehen habe: Dr.med Petra Bracht und Roland Liebscher-Bracht, die gemeinsam gegen Rückenschmerzen für das Allgemeinwohl arbeiten. Was die beiden so erzählten über die Entstehung der wohl am häufigsten vorliegenden Gründe, warum es in unserer Zivilisation zu Rückenschmerzen kommt, erschien mir stimmig. Verkürzte Muskulatur im vorderen Hüftbereich sorgt – vor allem gerne bei kühleren Außentemperaturen – gerne für Verspannungen im hinteren Hüftbereich, also dem Rücken. Weswegen es sinnvoll erscheint bei Rückenschmerzen die Wärmflasche vorne aufzulegen als im eigentlichen Schmerzbereich.

Die verdeutlichen auch die Problematik des im Sitzen schlafen. Hä? Ja. Gehören im Prinzip alle Seitenschläfer dazu.

Das klingt alles stimmig. Und sie zeigen in dem Interview vier Übungen, die völlig trivial sind. Von denen drei problemlos im Alltag zu integrieren sind. (Lediglich eine Übung findet mit Faszienrolle auf dem Boden statt.) Alle Übungen sind völlig trivial. Diese übungen habe ich mir gestern noch einmal genauer angeguckt. Und dann durchgeführt, schon nach der ersten Runde am Vormittag waren die Schmerzen deutlich weniger und ich konnte wenigstens wieder in der Küche stehen, fast ohne Schmerzen. Nach der zweiten Runde am Nachmittag war ich beschwerdefrei. Was für eine Wohltat – für so wenig Aufwand (im Grunde sogar kaum körperlichen Einsatz vergleichsweise.)

Wollte ich Euch wissen lassen – wir kämpfen ja doch meist gegen dieselben kleinen fiesen Feinde im Körper. Also klare Anguck-Empfehlung!
Die Schmerzspezialisten geben ihr Wissen auf YouTube weiter.

2019-01-12

Machtmissbrauch

Ich hatte gestern keine Termine. Also habe ich mich heute früh mit Katze und Kaffee noch einmal zurück ins Bett verzogen. Man muss Winterwetter huldigen, wenn es gehuldigt gehört. Diese vergnügliche Kraulen meinerseits von Shiinas Bauch hatte das Frühprogramm des Fernsehers begleitet und nachdem ich den Nachrichten entnehmen durfte, dass nicht sehr viel mehr passiert ist auf der Welt außer AfD-Gedöns, dem die Öffentlich-Rechtlichen Sender weiterhin eine mir völlig unverständliche Priorität einräumen und … Schnee, blieb ich bei einer Dokumentation über den Sachverhalt zum Sexmissbrauchskandal in Hollywood, namentlich unter Harvey Weinstein geführt, hängen. Macho, Macht, Missbrauch – Der Fall des Harvey Weinstein.

Diese Sendung gehört im Grunde in den Bereich Bildungsfernsehen sortiert – für Männer und Frauen gleichfalls, damit vor allem junge Generationen von Menschen nie wieder auf solche verdammten Kackärsche (pardon my french) reinfallen müssen – und somit dauerhaft in die Mediathek der Öffentlich-rechtlichen Sender sortiert. Insbesondere weil TV-Sender sich im gleichen Metier bewegen und es diese Form von Machtmissbrauch, aka Couchbesetzung, hierzulande genauso gegeben hatte. Und weiterhin geben wird, dmüssen wir uns nicht schön lügen.

Mir ist beim Sehen dieser Sendung, der darin geschilderten Sachverhalte, nicht nur einmal noch mehr bewusst geworden, welche unfassbare Dimension Weinsteins Handeln hatte. Alleine nur die Nennung seiner vielen vielen Opfer über die Jahre – ohne deren Beigeschichte – würde die übliche Sendezeit einer Dokumentation von 45 Minuten sprengen! Bei Wikipedia werden alleine 88 Frauen genannt, die bekannt gegeben haben, von Weinstein mindestens sexuell bedrängt worden zu sein. Schlussendlich hat sich dieser Mann neben seinen eigenen strafbaren Handlungen von Frauen auch der Zuhälterei schuldig gemacht: er hat von Frauen verlangt für Rollen als Bettgespielinnen seiner Kumpel zu dienen.

Die große Lüge im Rahmen der Aufklärung dieses einen Falls ist also, die reine Konzentration auf den einen Namen Harvey Weinstein. Er hat viele andere Weinsteins über seine Macht sexuell beglückt in dem er Frauen unter Druck setzte und weiter vermittelte. Es gehören viel mehr Namen genannt und vor Gericht gestellt.

Am meisten aber hatte mich heute schockiert, was dieser Mann hinsichtlich seiner Sexsucht für eine – ja, man kann es so sagen – unsagbar große Industrie im Grunde entwickelt und bezahlt hatte. Es müssen Millionen geflossen sein, weil dieser Mann seinen Schwanz nicht wegstecken wollte. Weil dieser Mann – dieser abgrundtief von allen Seiten hässliche Mann – seine Machtposition so dermaßen auslebte und sich dabei über jegliches Recht, über jeden Anstand, jede Form von Humanität hinweg gesetzt hatte. Offensichtlich Freude daran empfunden hatte, Frauen zu dominieren, zu verletzen und schlussendlich damit in Kauf nahm, sie zu zerstören.

Was aber auch dem Ganzen die Krone aufsetzt, Weinstein hatte so – und das sollte vielleicht auch jedem anderen kunstschaffenden Mann in Hollywood hoffentlich mittlerweile klar geworden sein – jede Form von freier künstlerischer Entfaltung im Filmbusiness in Amerika unterbunden. Freie Kunst entsteht nicht, wenn man einer einzelnen Person auf welchen Ebenen auch immer, dienen muss, wie er das befiehlt. Wenn namhafte Schauspielerkollegen und -kolleginnen schweigen, wenn eine andere Kollegin in Folge einer Vergewaltigung leidet. Wenn sogar die ihre Angst nicht ernst nehmen, das Geschehene dulden oder dem Opfer gegenüber negieren, dann, wie im Beispiel von Matt Damon und Ben Affleck, ist deren Kunst nicht frei. Deren Dasein als Mensch schon mal gar nicht mehr. Sie haben sich nämlich von Weinstein in ihrem menschlichen Dasein genauso missbrauchen lassen.

Wobei man hier eine Sache dennoch deutlich festhalten muss: wird eine Frau vorsätzlich vergewaltigt, hatte sie keine Chance gehabt eine freie Entscheidung zu treffen. Wenn Männer vorsätzlich eine Vergewaltigung, von der sie Kenntnis genommen haben, verschweigen bzw. verniedlichen, als „ist halt so” abtun, haben sie immer eine Chance für sich selbst das Unrecht zu erkennen und dagegen anzugehen. Die Entscheidung, ob man einem Opfer hilft oder den Täter schützt, diese Entscheidung trifft immer noch jeder Mann/jede Frau für sich selbst.

Es ist erschreckend, wie viele Profiteure und Mitwisser aus dem Umfeld von Harvey Weinstein offensichtlich weiterhin sicher im Sattel sitzen. Deren Verhalten als Kavaliersdelikt abgetan wird, weil man jetzt den Oberschuldigen vermeintlich (ding-)fest gemacht hat. Die tun weiterhin, was sie immer getan haben – und sehr viele haben eben nicht nur vertuscht, viele haben jahrelang in seinem Umfeld gearbeitet und von diesem Mann gelernt, dass es völlig legitim ist, Frauen (und auch Männer) zu benutzen, zu nötigen, zu missbrauchen, schlimmstenfalls zu vergewaltigen, körperlich und seelisch zu verletzen.

Und die sind alle von heute auf morgen plötzlich geläutert? Wenn die Firmen Weinsteins ihren Geschäftsführer nun entlassen und ersetzt haben, dann ist das allenfalls ein Machtspiel und selbstverständlich der Reinigungsversuch der Unternehmungen. Denn natürlich werden die Gerichte erkennen, dass Weinsteins Verhalten innerhalb der Unternehmen bekannt gewesen sein müssen und werden sich höchstwahrscheinlich Person dafür verantworten müssen, dass sie sein kriminelles Handeln vorsätzlich gedeckt und vertuscht haben. Die Opfer wurden immer wieder mit Gelbbeträgen still gestellt. Es gab Mitwisser, daran besteht kein Zweifel.

Denn, das ist mir beim Sehen dieser Dokumentation so sehr verdeutlicht worden: Dieser Mann hatte für sich ein Unternehmensimperium geschaffen, dass ausschließlich dafür sorgte, sein kriminelles Verhalten unter den Tisch zu kehren. Da waren AssistentINNEN damit beauftragt, sein Verhalten zu verschleiern; Menschen in der Produktion, am Set wurden – wie auch immer, ob nun mit Geld, Versprechen und mindestens mit Drohungen – still gestellt, Anwälte, die Opfer still stellten, Weinstein soll selbst zwielichtige Unternehmen beauftragt haben, die als Dienstleister dafür bekannt sind, Opfer physisch und psychisch direkt unter Druck zu setzen, dass diese ernsthaft um ihr Leben fürchten mussten. Schlussendlich weiß man nicht einmal, wie viele seine Opfer womöglich nicht mehr leben. Da ist in diesem Amerika eine ganz Industrie entstanden, alleine zum Zweck der Vertuschung der Taten eines einzigen übermächtigen Mannes! Es müssen Millionen von Dollars geflossen sein, um hier Unrecht vor Recht gelten zu lassen.

Der erste verlautbare – offen dokumentierte – Hinweis über sein Handeln eines seiner Opfer erfolgte bereits 1998.

1998! Ich bin nicht der Meinung, dass Menschen von denen bekannt ist, dass sie so lange mitwissend geschwiegen haben, auch nur einen Fuß noch in Hollywood vor eine Kamera setzen sollten. Deren Mitschuld an dem Erlebten, den fürchterlichen Konsequenzen für die Opfer, das ist kein Kavaliersdelikt mehr.

Dass nun in Hollywood im Grunde nur zwei Männer (Weinstein, Kevin Spacey) aufgrund ihrer Verfehlungen offiziell der Prozess gemacht wird, ist nahezu lächerlich. Es ist offensichtlich, dass es viel mehr Schuldige auf einer so viel sehr breiteren Ebene gegeben haben muss, dass man im Grund von Farce sprechen sollte. So viele Nutznießer Weinsteins sind weiterhin in Amt und Würde.

Selbst die Ehefrau von Weinstein, Gorgina Chapman, die sich vergleichsweise schnell von ihm trennte als das Ausmaß der Beschuldigungen ihm gegenüber ans Licht kam, kann, meiner persönlichen Meinung nach, hier nur die Unwissende gespielt haben. Wenn Weinstein über Jahre dafür sorgte, dass Schauspielerinnen in den Kleidern ihres Labels zu erscheinen hatten, wer will da noch bitte schön an die gänzliche Unschuld und Naivität einer gestandenen Geschäftsfrau wirklich glauben?

2019. Es hat sich viel zu wenig verändert hinsichtlich der Übergriffe von Menschen mit Macht anderen Menschen gegenüber. Der Fall Weinstein ist nicht alleine eine Problem der Filmindustrie.

Musikindustrie, Fotoindustrie, Castingindustrie – überall dort, wo Menschen etwas für sich im Beruf erreichen wollen und dabei auf die direkte Unterstützung anderer Menschen angewiesen sind, werden sie von Machtinhabern missbraucht werden.
Man wird ihnen nicht glauben wollen. Weiterhin.
Man wird ihnen, wenn sie sich doch einmal trauen, sich zu wehren, Mitschuld unterstellen. Weiterhin.
Damit wird somit weiteren Opfern den Mut nehmen, sich auch zu wehren. Weiterhin.

Dabei hat m. E. hierbei gerade in Deutschland die Agenda 2010, haben die Hartz-Konzeptionen, dem immer ungleicheren Machtverhältnis von Arbeitgebern Arbeitnehmern gegenüber durchaus Vorschub geleistet. Wer über maximalen Existenzdruck die Menschen in sogenannte zumutbare Arbeitsverhältnisse zwingt – ohne als Verantwortlicher überhaupt die Ressourcen zu haben, die Legalität dieser Arbeitsverhältnisse zu überprüfen, ja, nicht einmal den unbedingten Willen hierfür signalisiert – ist an solchen Verhältnissen mitschuldig.

Sich an solchen Verhältnissen mitschuldig machen wir uns übrigens auch alle als Verbraucher, wenn wir dieser Tage Erdbeeren (natürlich nicht nur außerhalb der Saison) aus Spanien oder Italien kaufen. Überall auf Europas Obstplantagen gibt es heute noch diesen Machtmissbrauch gegenüber Menschen, allermeist gegenüber Frauen! Auch hier wird Frauen in maximaler Existenznot, werden Erntehelferinnen von Männern mit Macht gedroht. Sie werden zu schlecht bezahlt für harte körperliche Arbeit, sie werden genötigt, vergewaltigt und es geschieht mit ihnen viel schlimmeres. In Deutschland werden Flüchtlinge in die Prostitution vermittelt – von Menschen, die in Flüchtlingslagern eigentlich für die Sicherheit dieser Menschen sorgen sollen.

Weinstein ist nicht 1989 oder 2017 und nur Hollywood.
Die Weinsteins dürfen auch 2019 immer noch illegal Macht missbrauchen. Überall. Weltweit. In unvorstellbaren Dimensionen.

Die Dinge sind mitnichten besser geworden, nur weil ein Harvey Weinstein entmachtet, ein Kevin Spacey vorgeführt wurde; Frauen bei den Golden Globes wieder Farbe tragen, die Dieter Wedels Deutschlands von Medien weitestgehend in Ruhe gelassen werden.

Nein. Ihr könnt da nichts gegen tun? Doch. Aktuell braucht Ihr kein Obst oder Früchte kaufen aus Produktionen in Ländern, wo Übergriffe gegen ErntehelferInnen bekannt sind. Und: vor allem kann man seinen Händler (also Discounter) anschreiben und kommunizieren, warum Ihr bei denen solche Produkte nicht im Handel sehen möchtet.

Wir leben im Neoliberalismus. Konsumverzicht ist die härteste Waffe, will man Machtmissbrauch die rote Karte zeigen. Das müsste nur einmal von vielen Menschen mehr begriffen werden.

2019-01-08

Der Bullshit-Job

Seit ich in dieser Wohnung lebe, habe ich gestern den vierten Toilettendeckel erworben. Den ersten habe ich aufgegeben, weil ich ihn (vermutlich aufgrund der Verwendung von Reinigungsmitteln) unschön verfärbt hatte. Ich sinnierte damals schon darüber ob wir mittlerweile soweit sind, dass in Kunststoffmassen extra Substanzen eingemixt werden, die solch einen wenig hübschen farblichen Effekt hervorrufen. Ich möchte Euch visuelle Einzelheiten in diesem Punkt ersparen – und nein, ich pinkele nicht auf die Unterseite von Toilettenbrillen, dass es irgendein Grund gäbe sie so aussehen zu lassen. Ich schämte mich für diese Toilettenbrille, sie musste ausziehen obwohl sie funktionsmäßig top in Form war – und ihre Halterung astrein hielt.

Die zweite Brille musste gehen, weil ihre Halterung kaputt ging.

Die dritte Brille musste gehen, weil ihre Halterung sich ständig löste und in der Konsequenz auch die Absenkautomatik aufgab. Man gewöhnt sich vergleichsweise schnell an leise schließende Toilettendeckel. Ich habe eine Katze, die ist sensibel. Ich bin sensibel. Es gibt überhaupt keinen Grund sich von unsensibel laut schließenden Toilettendeckeln auf Toilettenbrillen die Harmonie schreddern zu lassen!

Meine ungefähr seit drei Monaten andauernden Unternehmung „neuer WC-Deckel”, scheiterten entweder an zu teuer, Angebot im Laden dann doch nie existent oder Angebot im Griff so günstig, dass mein Ego und das Portemonnaie nein dazu befinden mussten, weil dann doch nicht so günstig in weiser Voraussicht. Oder: falsche Farbe. Hat schon jemand über geschmackliche Gestaltung von Toilettendeckeln promoviert?

Jedes Mal, jedes verdammte Mal, hatte ich bei der Installation irgendeine neue technische Variante des Anbringens des Toilettendeckels. Zwei Löcher in einem Toilettenbecken, die verfügbare Vielfalt von Halterungen muss mittlerweile unendlich sein!

Von einfach: Schraube oben unten Mutter, die man mit üblichem Werkzeug relativ schnell fest anbringen konnte über Plastikschrauben mit unterer Spezialmutter für die man ein bestimmtes Plastikwerkzeug brauchte, um diese feststellen zu können, das im Lieferumfang beilag und das man tunlichst gut aufbewahren sollte über Jahre (und sich ebenso tunlichst gut merken, wo!), um den Deckel auch wieder losschrauben zu können (und generell nicht wirklich lange hielt) damit bis hin zur Metall-Plastikombi, die wie im letzten Fall alle drei Wochen der ganzen Installation ordentlich Spiel und dem WC-Deckel viel Freiraum einräumte.

In der gestern bei einem Discounter im Angebot erworbenen neuen Toilettenbrille gibt es jetzt eine Art Dübelkonstruktion mit unterer Gegenschraube aus Plastik, die man mit keinem handelsüblichen Werkzeug festhalten kann, während man oben mit einem Kreuzschlüssel die Schraube hinein dreht. Die Plastikunterlage ist denkbar dünn und hält erst, wenn die ganze Chose vergleichsweise festgedreht ist. Die man aber erst festdrehen kann, wenn der Toilettendeckel an der Befestigung ausjustiert ist und dazu sollten die Plastikunterlagen fest sitzen (das System möchte offensichtlich aufgrund der in den letzten Jahren am Markt zugenommenen Vielfalt von Toilettendeckeln omnitauglich sein), diese sitzen jedoch erst fest, wenn man festgeschraubt hat. Natürlich kann man das Ganze nur wirklich richtig justieren, wenn der Deckel aufgebracht ist – dann kann man aber nicht mehr schrauben.

Lange Rede: ich habe gestern nach 45 Minuten Installationsversuchen einfach den Toilettendeckel beiseite gestellt und vertagt.

Ich pflege auch hier im Blog schon seit langen Jahren einen großen Groll gegen Verpackungsdesigner. Diese Menschen sitzen in ihren Jobs, die längst erledigt und zu Tode erfunden wurden. Und weil sie ihre Existenz rechtfertigen müssen, designen sie an Verpackungen herum. Nun sind schätzungsweise 85 Prozent aller Verpackungen bereits zur Perfektionen erfunden worden. Die restlichen 15 Prozent der Verpackung sind so notwendig wie Zahnschmerzen, während man im Packeis festsitzt. Ein Beispiel: ich benutzte relativ konsequent seit Jahren das gleiche Haarshampoo an dem inhaltlich der Hersteller seit ebenso langer Zeit nichts verschlimmbessert hat. Aber wir sind mittlerweile bei der dritten Verpackung. Beim letzten Verpackungswechsel verordnete man den Flaschen einen Deckel, der es unmöglich macht, die Flasche auf den Kopf zu stellen möchte man das zur Neige gehende Shampoo nach unten laufen lassen. Verpackungsdesigner. Meiner Meinung hohl wie Stulle und so notwendig wie … die notwendige Wurzelspitzenresektion im Packeis ohne Personal vom Fach.

Verpackungsdesigner, leider auch zunehmend Produktdesigner laufen bei mir – die Pest hat seit kurzem einen neudeutschen Namen – Bullshit-Jobs. Jobs, die bzw. deren Ergüsse keiner braucht. Aber sie sind da, weil man in einer Welt, die zunehmend von Maschinen bearbeitet wird, Alibijobs braucht. Denn anderenfalls müssten die Menschen ja jetzt schon auf die Straße gehen und sich gegen die nächste industrielle Revolution aufregen. (Die größtmögliche Anzahl von Alibijobs werden neben dem Verpackungsdesign übrigens unter den Absolventen von betriebswirtschaftlichen Studiengängen vergeben.)

Also verpacken sie lieber Produkte bis zur grenzenlosen Sinnlosigkeit und vor allem Unerreichbarkeit derer Benutzer. Oder sie gestalten Toilettenbrilleninstallationsmechanismen, die man nicht mehr installieren kann ohne eine Bedienungsanleitung lesen zu müssen, herkömmliche Werkzeuge nicht helfen können und man bitte schön ohne eine zweite helfende Hand nicht mehr die eine Toilettenbrille installieren kann.

Ich vorhersehe in fünf Jahren die mehrteilige Toilettenbrille. Deswegen erfunden, weil sonst irgendwo auf dieser Welt einer nichts zu tun hat und seine berufliche Existenz an den sinnvollen Nagel hängen müsste, denn er hat einen Bullshit-Job. Bullshit-Jobs stecken immer dahinter, wenn Euch Menschen in Callcentern erklären wollen, Dinge würden nicht geregelt werden können (pragmatische Dinge, die seit Jahrhunderten problemlos machbar waren) weil es „das System nicht hergibt.”

Interview mit David Graeber, Autor von „Bullshit-Jobs”. Lesenswert!

Ich nutze derzeit meine Toilette ohne Aufsatz. Habe heute keine Lust. Danke der Nachfrage.

2019-01-06

Erste! Prima Weihnachtstipp für Weihnachten 2019: Karlsruhe!

Disclosure: Auf Einladung von Karlsruhe Tourismus durfte ich während einer Pressereise das erste Adventswochenende 2018 in Karlsruhe verbringen. Im Folgenden werde ich wohl hier und dort namentlich auf Läden, Unternehmungen u.v.m. erwähnen, zeigen, sogar verlinken, das könnte man als Werbung verstehen. Im übrigen ist selbstverständlich meine Meinung zu Karlsruhe aufgrund dieser Einladung berührt und verändert worden, denn ich hatte vorher zu Karlsruhe ehrlich gesagt kaum eine.

Ihr dürft mich natürlich für verrückt halten, dass ich Euch – so knapp kurz nach Weihnachten – schon im Januar den Besuch eines Weihnachtsmarktes in diesem noch ganz frischen Jahr nahe lege, doch a) sind die Weihnachtsmärkte in Karlsruhe eine Reise wert! Und b) sind deswegen die Hotes dort zur Adventszeit schnell ausgebucht. Insofern ist eine frühe Planung ein so verkehrte Sache in diesem besonderen Fall sicherlich nicht. Außerdem c) ist Karlsruhe selbstverständlich das ganze Jahr über einen Besuch wert – und das kann man nicht früh genug im Jahr behaupten, nicht wahr? Also kommt, ich nehme Euch mit!



Karlsruhe zu Weihnachten hat mich im vergangenen Jahr oft berührt und mein kurzer Aufenthalt dort, hat mich ganz glücklich gestimmt. Ob dieser entzückende kleine Mittelalterliche Weihnachtsmarkt in Durlach vor der Burgkulisse mit Schwertspieler, Feuerkünstlern und Gauklern – der übrigens 2002 zur Unterstützung der Flutopfer des damaligen Elbehochwasssers ins Leben gerufen wurde und nun eine Tradition geworden ist. Klein, dafür sehr fein und gemütlich.

Oder der weitläufigere Karlsruher Christkindlessmarkt in der Karlsruher Innenstadt, säuberlich geographisch getrennt durch imposante Stadtbauten rund um den Friedrichsplatz: die kleine weihnachtliche Partymeile vor dem Rathaus mit Riesenrad und Fahrgeschäften und um die Ecke gelegen der schöne große und trotzdem beschauliche Weihnachtsmarkt mit den Kunstständen, Krippenbildnissen für Kinder und die wunderschöne hohen Pyramide (mit Restaurant, rechtzeitig reservieren) und dem wohl besten Glühwein, den ich jemals auf einem Weihnachtsmarkt trinken durfte.



Nun, mittlerweile fliegt auf fast jedem Weihnachtsmarkt in Deutschland der Weihnachtsmann oben am Himmel auf dem Schlitten spektakulär ein – nur: in Karlsruhe habe ich Pipi inne Ojen. Die Stimmung macht's. Sie stimmt hier noch. Das mag daran liegen, dass hier die Leute so nett sind – selbst noch im schlimmsten weihnachtlichen Gedränge. Kein Gepöble, Gegröle. Übrigens findet an den Adventswochenenden auch im Karlsruher Rathaus in dessen Gewölbe ein kleiner Weihnachtsmarkt statt, wo ausschließlich Kunsthandwerker ihre Waren verkaufen – allerdings schließen hier die Pforten bereits um 19 Uhr.



Aber richtig begeistert hat mich die wunderschöne Eisbahninstallation vor dem Karlsruher Schloss! Sie führt die Eisläufer auch durch einen Teil der Baumallee des Schlosses und das ist schon mehr als romantisch vor allem in der Dunkelheit mit all den Lichtern. Dagegen können die die Eisbahnen auf den Berliner Weihnachtsmärkten einpacken. Ach, noch einmal jung sein. Und verliebt sein. Im Winter – und dann hier Schlittschuh laufen … Aber auch hier sollte man – zumindest am Wochenende – abendliche Eislaufrunden vorab besser reservieren.



Aufwärmen kann man sich nach dem Eislaufen im Multi Kulti, einer geräumigen Studentenkneipe an der Ecke, wo ich den bisher besten Flammkuchen meines Lebens serviert bekam, heiß, knusprig und vor allem satt belegt. Man sollte nicht in Karlsruhe gewesen sein ohne hier einen Flammkuchen gegessen zu haben. Das Bier- und Weinangebot ist alles andere als übersichtlich – sehr netter Laden!



Der Heimweg führt uns über den Platz der Grundrechte. Die Lichtinstallation und die Schilder berühren und machen nachdenklich auf vielen Ebenen.



Übrigens Wein! Ich bin begeistert, man bekommt hier überall so leckere Tröpfchen serviert. Offene Weine zum Niederknien feine Weine! Selbst dort, wo man eine tiefgründig Weinkarte gar nicht vermutet, beispielsweise im Vogelbräu, einer urigen Kneipe nahe der Durlacher Altstadt, haben wir so gute offene Weine kosten dürfen – und einen vorzüglichen Wurstsalat.



Die traditionellen Gerichte schmecken eben doch dort am Besten, wo sie herstammen. Dass nun Baden-Württemberg sich auf die Weinproduktion versteht, ist allgemein bekannt … aber diese hohe Weinkunst glasweise in Speisekarten angepriesen, ich vermisse das in Berlin sehr.

Angereist bin ich mit der Bahn von Berlin über Frankfurt mit einem Umstieg in Mannheim. (Es gibt aber auch Direktverbindungen). In knapp fünf Stunden kann man dort sein. Eine Havarie auf der Bahnstrecke, für die die Deutsche Bahn nichts konnte, zerlegt uns am Anreisetag die Zeitplanung leider etwas. Zu wenig Zeit bleibt uns deswegen auch für die entzückende Altstadt von Durlach, dem größten Stadtteil von Karlsruhe an unserem ersten Abend. Doch die Stadt und wir sind flexibel …



Es fängt schon mit unserem ersten leckeren Termin nach unserer Ankunft im wunderschönen Café Jack an, leider bleibt wenig Zeit das große Torten- und weihnachtlichen Keksangebot zu genießen, Kaffeezeit ist um achtzehn Uhr halt vorbei. Trotzdem, die von mir ausgesuchte weihnachtliche Schokoladentorte ist ein schöner gustatorischer Einstieg in mein Karlsruher Wochenende.

Durlach war ab 1565 bis 1718 Residenzstadt der Markgrafschaft Baden-Durlach. Von aus ihr ging 1715 die Gründung Karlsruhes hervor, Durlach wurde dann 1938 eingemeindet. Immerhin konnten wir auf dem Mittelalterlichen Weihnachtsmarkt noch die Feuerkünstler sehen, die Schwertspieler ließen mich Schutzhelm, -kleid und Schwert ausprobieren. Der Verein Badische Schwertspieler pflegt die alte Waffenkunst, die Sportler schützen sich natürlich mit viel Metall vor den Schwertern. Keine leichte Angelegenheit am Mann und an der Frau – beeindruckend.

Das Leonardo Hotel in fußläufiger Nähe zum Bahnhof war eine gute Wahl für uns. Das Mittelklassehotel liegt denkbar zentral. Gäste werden mit einer Flasche Wasser im Zimmer empfangen und im Foyer je nach Tageszeit Wasser oder Kaffee/Tee gratis offeriert. Die kleinen Dinge sind’s, die einen als Gast besonders willkommen fühlen lassen. Das Hotelbuffet zum Frühstück ist umfangreich eingedeckt – Lachs, frisches Obst, warme Speisen – auch besondere Wünsche wurden gerne und schnell erfüllt. Für das Leonardo spricht ebenfalls, dass es direkt gegenüber dem Zoologischen Stadtgarten liegt. Einmal über die Straße in nicht einmal fünf Minuten Fußweg kann man in der Therme Vierordt Bad, einem historischen ehemaligen Wannenbad, 1873 eröffnet, schwimmen oder saunieren. Bus-Haltestellen mit direkter Verbindung in die City liegen direkt vor der Hoteltür.



Am Samstagvormittag führen uns die beiden Konzeptkünstlerinnen Ana und Anda unter dem Aspekt des nachhaltigen weihnachtlichen Einkaufens durch die Karlsruher Südstadt. Eine schöne Idee, so lernen wir die Stadt und ihre alternativen Shopping-Möglichkeiten jenseits vom mittlerweile überall üblichen Mall-Kommerz kennen.



Wir besuchen den Zuckerbecker – das Paradies: ein Laden voller guter Schokolade, Tee und Kaffee.



In unmittelbarer Nachbarschaft die Ladengalerie von Tom Boller, hier gibt es Design und Kunst vom Ladeeigner selbst und vielen anderen Karlsruher Designern – zu bestaunen und zu kaufen.



Mich beeindrucken die kürbisgroßen Auberginen im daneben gelegenen italienischen Supermarkt sehr viel mehr als das Angebot eines ebenfalls besuchten Bio-Ladens.



Die Südstadt mit ihrem besonderen Flair, den die früheren italienischen Gastarbeiter in die Stadt gebracht haben, hat viel Charme. Beeindruckend das Filmtheater Schauburg mit seinen Alternativprogrammen …



… und erhaltener Innenarchitektur der 50iger Jahre. Gerade rechtzeitig rettet mich ein guter Café in der Röstbar.



Die klitzekleine Kaffeebar ist ein echtes Raumwunder in der dennoch eine Röstmaschine steht und wo unverschämt viel frisch gerösteter Kaffee angeboten wird. Dem Besitzer, Klaus Hebenstreit, hätte ich gerne sehr viel länger zugehört, da lebt einer für die Sache von fairem und gutem Kaffee – doch wir müssen weiter zum Weltladen und noch einigen anderen alternativen Produktionsstätten, die die Fair Trade-Stadt Karlsruhe (zum vierten Mal in Folge dazu gekürt) zu bieten hat.

Und, das muss man Karlsruhe auch lassen, nicht alle Plätze sind schön – aber der fröhliche Charme dieser Stadt ist omnipräsent!





Wir sind eingeladen zum Mittagessen in der Oberländer Weinstube in der Akademiestraße nahe dem Kaiserviertel, einem gemütlichen kleinen Restaurant mit viel Liebe eingerichtet und mit langer Tradition (seit 1918). Die Weinkarte ist imposant im Vergleich zur kleineren Speisekarte. Die Küche beschreibt sich selbst als bodenständig – aber kreativ – und so ist sie sehr gut beschrieben, finde ich.



Ich bestelle das Carpaccio vom Rind, hauchdünn geschnitten und von hervorragenden Zutaten begleitet.



Es folgen das Juvenil Ferkel mit Rosenkohl und die Crème brûlée.



Der Chefin überlasse ich die Wahl meiner Weinbegleitung zu meinem Menü, denn schließlich ist hier die Wein-Kompetenz zu Hause. Für mein Vertrauen werde ich mit einem Rosalinde Cuvée vom Weingut Ellermann-Spiegel, 2017, belohnt. Vielleicht sieht man mir meine tiefe Zuneigung zum Rosé mittlerweile an der Nasenspitze an? Das Essen ist mehr als vorzüglich, das Schwein so sehr zart! Dieses Restaurant versteht sich auch vorzüglich auf Gerichte mit Fisch – und die Teller, die unseren Tisch erreichen sehen nicht nur wundervoll aus, wie die anderen Gäste bestätigen.



Unser Aufenthalt ist kurzweilig und angenehm – ich hätte hier noch Stunden verbringen können. (M)Eine absolute Empfehlung für einen Karlsruhebesuch! Das Lokal ist nicht sehr groß aber sehr wertgeschätzt. Reserviert also besser auch hier.

Das Nachmittagprogramm in Karlsruhe ist nun unserer freien Gestaltung überlassen. Ich gehe – ÜBERRASCHUNG – nicht ins Katzencafé



Dafür schlendern wir in kleiner Gruppe durch die betriebsame Karlsruher Innenstadt und besuchen das eine und andere kleine Geschäft – ich bin ein bisschen verliebt in die Atmosphäre dieser Stadt.



Der andere Teil der Gruppe geht ins ZKM (Zentrum für Kunst und Medien) – und kommt sehr begeistert zurück. Nee, mehr als begeistert – sie schwärmen dermaßen, dass ich mich im Nachhinein doch ein bisschen darüber ärgere mich anders entschieden zu haben. Wenn mich mein Weg nochmals nach Karlsruhe führt, dann mit Sicherheit auch dorthin!

Unser Abendprogramm führt uns in die oben bereits beschriebene zauberhafte Weihnachtsmarktwelt der Stadt. Und was den Genuss von Glühwein anbelangt, bin ich nun für alle Zeiten verdorben. Ich lege mich fest: der wohl beste Glühwein (und zwar auch als Weißwein) wird auf dem Karlsruher Weihnachtsmarkt serviert: Und zwar beim Glühwein-Treff der Familie Keth! Der Stand ist immer umlagert – aber sie bedienen in einem Tempo, dass die Schlangen dennoch immer kurz sind. Und diese Atmosphäre dieser wunderschönen Eislaufbahn! Und die Menschen in Karlsruhe sind so charmant. So nett zueinander. Das alles macht wirklich Lust auf ein Wiederkommen. Im Frühling oder Somme zum Radfahren durch die Weinberge. Im Herbst zur Weinernte. Oder zwischendurch … beispielsweise zur Mykene-Austellung, die noch bis Juni im Karslruher Schloss zu sehen ist. Aber der widme ich ein eigenes Blogpost – denn den Sonntag verbrachte ich im Karlsruher Schloss!

Ach ja, klitzekleiner Hinweis falls ich Euch jetzt auf nette Gedanken gebracht habe: Weihnachten findet in diesem Jahr erstaunlicherweise am 24. Dezember 2019 statt! Der Weihnachtsmarkt in Karlsruhe sowie der Mittelalterliche Weihnachtsmarkt in Durlach an der Karlsburg öffnen ihre Pforten in der Woche vor dem ersten Adventssonntag. Denkt an die Hotelzimmer!

2019-01-05

No-Plastiktütenmisere

Ich finde die noch halbwegs neue Regelung, dass wir für Plastiktüten bezahlen müssen, sehr gut. Noch besser fände ich ein generelles Plastiktütenverbot – so wie es uns einige sogenannte Dritte-Welt-Länder erstaunlich lässig vormachen. Mich ärgert, dass einige befreundete türkische Supermärkte hier in dieser Stadt sich über die neue Gesetzregelung immer noch hinweg setzen und Tüten einfach an ihre Kunden kostenlos abgeben.

Trotzdem … bei mir sieht die Mehrfach-Tragetaschen-Situation mittlerweile so* aus:



Nicht mehr ganz so übersichtlich. Gut, als Food-Blogger und gelegentliche Messegängerin bin ich da vielleicht anders umsorgt als andere Menschen. Aber einem gewissen Gefühl von „langsam ertrinke ich in diesen Taschen”, dem kann ich mich nun doch nicht mehr entziehen. Was mich übrigens auch sehr ärgert: man kann die meisten dieser Taschen nicht waschen (ist bei mir schon nötig, weil ich sie auf dem Rad benutze, da werden sie schnell mal schmutzig). Die Stoffe sind fast nie vorgewaschen und somit schrumpfen die Taschen bei einer 40 Grad-Wäsche in eher kaum noch nutzbare Größen. Unpraktisch. Irgendwie dem Sinn der sehr häufigen Mehrfachverwendung entgegenwirkend.

Also liebe Marketing-Leute, die ihr solche Taschen für Eure Firmen bedrucken lasst: Achtet doch bitte stärker darauf, dass die Stoffe vorgewaschen sind. Wascht sie testweise selbst, wenn die Lieferung kommt. Gebt sie zurück, wenn der Lieferant sich in dem Punkt versprochen hat. Es ist schließlich für diese besondere Sache, unsere Umwelt!

*typisches Januar-Entrümplungsfoto

2019-01-04

Pro Panzerglas!

Als mir vor einigen Jahren eine liebe Freundin zu Weihnachten ihr gebrauchtes iPhone 6 schenkte (immer noch sehr große Freude, liebe Ute, auch immer noch mit und über die Kamera), folgte ich dem Rat des besten Freundes der Welt und kaufte die vielleicht nicht hübscheste Schutzhülle der Welt für dieses Smartphone, dafür eine deutlich robust wirkende und vielleicht auch eher meinem Stil entsprechende, unter asozialen Bedingungen produzierte (sehr sicher) und die deutsche Wirtschaft mit Füßen tretende (ebay, China-Export) Schutzhülle. Schwarz pur. Natürlich.

Die Schutzhülle kam für mich unerwartet mit einer Folie (Panzerglas), die ich auch brav auf dem Display mäßig schön aufbrachte – denn ich mag es wirklich nicht solche Displayschutzmaßnahmen zu installieren, weil es bei mir immer schief, schlimm und grottig aussieht und ich mich noch Monate später über die Lufteinschlüsse ärgere, die sehr deutlich signalisieren: „Du hast das Display nicht anständig gereinigt vorher, bist eh zu doof für solche trivialen Tätigkeiten und überhaupt: selber schuld!”

Vor einigen Monaten fiel mir tatsächlich das Smartphone auf einem U-Bahn-Bahnhof hinunter und es hatte Abplatzungen, eher Abschürfungen, unten in der Ecke – trotz des wirklich sehr robusten Oben-Drauf-Chassis. Wie es manchmal so ist, der dümmste anzunehmende Aufprall passiert nämlich auch. Die Art der Abplatzungen haben mich davon überzeugt, dass das der blödeste Schaden ever sei: zwar kleinflächig aber an Folie und darunter liegendem Display. Ich ärgerte mich, war aber dennoch sehr froh über meine vorher getroffenen Schutzmaßnahmen, denn der Sturz wäre sonst maximal blöder ausgegangen. Für das iPhone. Und für mich.

Mit der Zeit zogen sich von dieser Display-Verletzungsecke zwei größere Glasbrüche über das Display. Irgendwie fühlbar, was eigentlich für Schaden an der Folie, nicht am Display sprach – aber irgendwie auch nicht fühlbar. Ein Gravis-Akkustausch-Sonderangebot konnte ich deswegen im letzten Jahr leider nicht in Anspruch nehmen, denn die machen das nicht, wenn das Display kaputt ist. Natürlich hatte ich Hoffnung, es sei gar nicht das Display kaputt, sondern die Folie – traute mich aber nie darunter nachzusehen, denn noch funktionierte das Display einwandfrei. Die Sorge, dass es doch Schaden genommen hatte und dies nicht mehr so sein könnte hinterher, die Folie den Schaden quasi im Rahmen hielt, war groß.

Zwischendurch hatte ich mir YouTube-Tutorials angeguckt, ob man so ein Display selbst austauschen könnte. Die Idee ab Minute Fünf ungefähr wieder im Einklang mit meinem inneren Frieden und mit viel Selbstfürsorge ad acta gelegt. Mail-Schriftverkehr mit dem besten Freund signalisierte die Richtigkeit dieser Entscheidung, denn selbst er, der Bastler vor dem Herren, hat Displayaustausche für seine Technik (und die seiner Familienmitgliedersmartphones) mittlerweile auch abschlägig beschieden. Für den Weltfrieden. Vorrangig seinem.

Bei manchen Dingen soll man wirklich Profis ranlassen – und diese angemessen dafür bezahlen. Habe ich vor vielen vielen Jahren einmal beim Dielenabschleifen gelernt. Display-Austausch bei 80%ig verklebten Smartphone-Modellen gehört eindeutig dazu. Und lasst Euch nicht von vollmotivierten Technik-Youngstern auf YouTube und deren geiler voll motivierenden Mukke im Clip etwas anderes erzählen.

Gestern war ich am Alex unterwegs und wollte eigentlich über das Nikolai-Viertel nach Hause gehen, weil ich dort etwas besorgen wollte, was ich dann aber schon vorher am Hackeschen Markt auf dem Markt einkaufen konnte. Was ich aber beim Zurücklegen der einen S-Bahn-Stationstrecke prompt wieder vergessen hatte. Außerdem hat das Decathlon am Alex eine passable halbwegs öffentliche Toilette. Und: täglich eine Stunde laufen! Vom Alex zu meiner Docking Station sind es – sehr gemütlich gelaufen – 30 Minuten.

Also war ich am Alex in der Passage und dort gibt es einen Smartphone-Schnellreparateur und sonstige Dienstleistungen rund um kleine dünne Geräte anbietenden Dienstleister. Habe ich mir in einem mutigen Moment beim vorbei gehen gesagt, „Da gehste jetzt hinein und fragst, was ein Display-Austausch bei denen kosten würde.”

Bin ich also hinein gegangen, habe nach sehr kurzer Wartezeit und einem verfolgten Gespräch mit einem Kunden, dessen neueres und größeres Smartphone nicht durch eine Folie und Chassis geschützt wurde und interessanterweise genau die gleiche Eck-Abplatz-Problematik hatte, wie mein Smartphone nach dem Sturz – er ging dann, nicht ganz glücklich über die finanziellen News, die er erhalten hatte – mein iPhone auf den Tisch gelegt.

„Was ist das für ein Modell?”
„Keine Ahnung, 6 oder 7.” (So bin ich mittlerweile verkommen in technischen Fragen.)
„Hm, beim 7er ist die Kamera größer, meine ich. Kann ich es auspacken?”
„Klar!” (Im innerlichen Hintergrund tiefe Sorge, dass das Rausholen aus dem Chassis [Druck] mehr Ärger am Display anrichtet.)
„Hm, sind Sie sicher, dass das nicht nur die Folie ist, die kaputt ist?”
„Naja, hatte ich anfänglich gehofft – aber die Brüche?
„Nun, die Folie ist ja auch Glas, Panzerglas … soll ich sie einmal abnehmen und nach gucken?”
„Hm … na guuuuut.” (Jetzt riesengroßetiefe Sorge im innerlichen Hintergrund, dass nun alles vorbei ist.)

Der Dienstleister fummelte die alte Folie ab, wobei fummeln nicht der richtige Ausdruck ist. Es walteten schon leichte Kräfte. Zeigte mir (m)ein iPhone mit einem völlig intakten Display.

„Boah, da fällt mir aber gerade ein Stein vom Herzen! Sie versüßen mir ehrlich den Tag!”
Er nickt still, routiniert verständnisvoll.
„Möchten Sie eine neue Folie?”
„Sehr sicher!”

Er holte die passende Folie, reinigte das Smartphone sehr sorgfältig, klebte die Folie perfekt und ohne jeglichen Lufteinschluss auf. Ich guckte ihm wahnsinnig bewundernd dabei zu, was er natürlich nicht sah, verkniff mir ihn laut dafür zu bewundern, denn ich trug Sorge, er könnte sich leicht veräppelt fühlen. Dann bezahlte ich zehn Euro und ging innerlich ein wenig glücklich angeregt nach Hause.

Zu Hause dem besten Freund der Welt gleich eine Dankes-E-Mail wegen den damaligen Hüllen-Tipp geschrieben.

Also: Nutzt Eure Smartphones nie ohne Panzerglas-Folien! Zehn Euro beim Dienstleister sind immer günstiger als alles, was schlimmstenfalls danach kommt. (Ich hatte damals für das Chassis und Folie auch nur einen Zehner bezahlt, mittlerweile ist es noch günstiger geworden.) Beim Smartphone-Kauf gleich mit kaufen! Smartphones nie ohne so eine Folie verschenken.

Die. Dinger. Sind. Wirklich. Sinnvoll.