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2025-03-28

Confetto Riccio – der süße Schatz von Francavilla Fontana

Süß wurden wir in Francavilla Fontana empfangen – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Innenhof des Castello Imperiali begrüßte uns Bürgermeister Antonello Denuzzo mit freundlichen Francavillesi. Eine Stunde liegt diese Stadt von Lecce mit dem Auto entfernt in der Provinz Brindisi im Dreieck Mesagne, Oria und Grottaglie. Wer Keramik liebt, kann in all diesen schönen Orten sehr leicht einem Kaufrausch verfallen.


Konfekt mit Locken

Den süßen Empfang aber bereitete vor allem Nicola Tardio, der sich der historischen Familientradition, frische Mandeln zu verzuckern, verschrieben hat, dem Confetto Riccio D.O.P. Wie schon sein Vater und seine Urgroßväter. In vier Generationen verzaubert die Familie die in der Provinz Brindisis geschätzten Mandeln zu köstlichem Konfekt.

Mandorla a Mazzetta und Tondina, letztere wird auch „Cinque Cinque” genannt, denn ihre Früchte reifen an den Ästen immer in Fünfergruppen. Beiden Mandel-Sorten ist gemein, dass sie geschält raue Oberflächen haben – so kann der Zucker besonders gut haften und sie zart ummanteln. Nicola tourt mit seiner heißen Installation Jahr für Jahr durch die Kindergärten und Schulen, um bei den Kindern ein Gespür für die besonderen Traditionen des Salento zu wecken.
Dieses Geschenk bereitete er uns also auch – und zudem verwöhnte er uns mit seinen süßen Köstlichkeiten. Menulli rizzi werden sie im Dialekt bezeichnet (lockiges Konfekt), langsam gebrannte Mandeln, die stetig mit sehr wenig Glucosesirup aus der Kelle beträufelt werden. Dabei werden die Mandeln in einer großen Kupferschale andauernd in Wellenbewegungen über glimmende Holzkohle geschwenkt.



Der Zucker schmiegt sich gleichmäßig um die Mandeln, umhüllt sie und versiegelt so ihre knusprige Frische. Hinterher sehen die Mandeln aus wie kleine weiße Ostereier. Es ist ein komplett anderer Vorgang, als wir das Karamellisieren von Mandeln auf unseren Weihnachtsmärkten kennen. Immer und immer wieder werden die Mandeln geschwenkt und beträufelt, geschwenkt und beträufelt …

Vier Stunden dauert alleine dieser Arbeitsprozess! Danach werden die Mandeln auf Baumwolltücher ausgebreitet und müssen komplett austrocknen. Nicht, dass sie nicht schon heiß und frisch aus der großen Pfanne genascht gut schmecken würden. Ich kann’s bestätigen!

Bessser als Krawatten kürzen

Traditionell wurden diese Süßigkeiten früher nur in der Karnevalszeit hergestellt und am Lu sciuitia ti li femmini (die Weiberfastnacht) – also am Donnerstag vor Aschermittwoch – von Frauen, ihren Freunden, Verlobten, Ehemännern und Vätern verschenkt. Sie gelten als besonderes Symbol für die Zuneigung, gar Liebe zur beschenkten Person. Also das süße Äquivalent zu unserem Krawatten-Diebstahl. Was wohl bei den Herren besser ankommt?

Heute wird das Konfekt auch am Tag der Schutzpatronin von Francavilla Fontana, der Madonne della Fontana am 14. September eines jeden Jahres verschenkt (dann übrigens umgekehrt – von den Männern den Damen überreicht.)

Aber finden wird man die Confetti ricci tatsächlich nur in dieser Stadt und in der sehr nahen Umgebung. Diese traditionelle Süßigkeit hat ihren Weg nie weiter hinaus in die Welt gefunden, was zu bedauern ist. Ihr bekommt Il Confetto Riccio aber auch das gesamte Jahr über an den Süßigkeit-Ständen in Francavilla Fontanta. Herzlichen Dank an Nicola Tardio und die Stadt für diese überraschende Begegnung mit einem Produkt der heutigen Slow Food Bewegung.

Das Castello Imperiali

Nach der Knabberei ging es für uns hoch in das Kaminzimmer des dreistöckigen Castello Imperiali. Dieses Castello wurde 1450 n. Chr. von Giovanni Antonio Del Balzo Orsini, Prinz von Tarento in Auftrag gegeben – zum militärischen Schutz. 1547 gestalteten der Marquis von Oria und der Feudalherr von Francavilla Giovanni Bernadino Bonifacio das Castello in eine Wohnresidenz um. Die Fürstenfamlie Imperiali sicherte es sich im Jahr 1575 und lebte darin bis 1727, auch in dieser Zeit unterlief das imposante Gebäude stetigen Änderungen. Übrigens kehrte das Castello während des zweiten Weltkrieges nochmals zurück zu seiner militärischen Bestimmung, als einige Regimente dort untergebracht wurden.

Ein Saal – was für eine Pracht!

Der ehemalige Ratssaal, ein großer Saal mit einer mehr als imposanten Decke …
… im klassischen Barockstil von G. Vollone … gemalt und dem beeindruckenden Gemälde des letzten Abendmahls, fand seine letzte bauliche Veränderung in dem Einbau eines großen Kamins anlässlich einer relevanten Vermählung. Er trägt kunstvoll arrangiert die Wappen der sich vermählenden Familien.

Das letzte Abendmahl

Ihm gegenüber hängt das große Gemälde des letzten Abendmahls. Es ist beeindruckend! Man findet in dem Gemälde typische salentinische Speisen, wie das speziell geformte Pane di Altamura oder die Friselle (ganz links unten). Aber auch die große Kupferschale der Confetto Riccio lässt sich im Gemälde ausmachen – aus ihr trinkt in dem Gemälde ein Hund (rechts unten).
Ein österliches Lamm liegt zubereitet auf dem Tisch. Dieses Gemälde gilt im Salento als der Ursprung der italienischen Zero-Kilometre-Bewegung. Also die italienische Besinnung darauf, vorrangig regionale Produkte auf den Tisch zu bringen bzw. im Alltag zu verwenden.
Dass zu Füßen von Judas eine Katze liegt und sie somit als Ausdruck des Bösen gedeutet wird, kann ich nur vehement zurückweisen. Katzen als Ausdruck des Verrates – was für eine absurde religiöse Fehlinterpretation! Pah!

Prädikat: Für den Salento besonders wertvoll!

Carmen Mancarella nutzte diesen besonderen Ort und unsere Anwesenheit dafür, zwei junge Menschen aus Francavilla Fontana mit dem von ihr im Namen ihres Tourismusmagazin Spiagge neuen Prädikat als Eccellenze d'Italia auszuzeichnen. Marco Pappadà, Koch, und Simone Santoro, Winzer, sind junge und wirklich begnadete Talente ihrer Zunft, die mit den Produkten Apuliens und auf dem Terroir des Salento traditionelle Gerichte und hochklassige Weine auf den Tisch bringen. Und natürlich so die traditionellen Speisen der Region erhalten bzw. sogar in die Welt tragen.

Später am Tag durften wir uns alle von ihren Talenten überzeugen – und ja, ihre Auszeichnung haben sie völlig zu Recht erhalten.

Archäologische Museum im Castello Imperiali

In weiteren Räumen warten die frisch restaurierten Gemälde (sprich einen Tag vor unserer Ankunft erst wieder in die Räume zurückgelangt) auf ihre senkrechte Rückkehr an die Wände.

Auf der gleichen Etage schließt sich ein archäologisches Museum an, mit eindrücklichen Grabsimulationen.
Wir durften indes auch auf dem großen Balkon etwas Luft schnappen.
Er liegt an der Ostfassade des Castello im Barockstil und seine Gestaltung wurde in den Tuffstein von Lecce gearbeitet. Vier an die Wand angelehnte Bögen, in denen sich vier von kleinen Blättern umrahmte Fenstertüren befinden.
Ein weiteres kunstvolles Kleinod in diesem hübschen Castello Imperiali.

Die Kirchen von Francavilla Fontana – verhinderte Pracht

Eigentlich stand der Besuch der Basilica Minore del Santissimo Rosario auf unserem weiteren Programm.

Nun war sie aber im Rahmen ihrer üblichen und durchaus ehrenvollen Aufgaben verständlicherweise verhindert. (Ich muss schon anmerken, italienischer Bestatter gestalten sich ihren Beruf angenehm mit dem Fahren unglaublich schöner Autos. Das hier ist ja nur ein Mercedes – aber googlet mal die Bestattungsfahrzeuge von Lancia!)
Der Ursprung der Kirche ist der Überlieferung nach mit der Entdeckung einer byzantinischen Ikone mit dem Bild der Madonna am 14. September 1310. Die römisch-katholische Kirche ist die größte Kirche des Bistums Oria. Das heutige barocke Gebäude mit der höchsten Kuppel des Salento mit einem Durchmesser von 13 Metern ist das Ergebnis eines Wiederaufbaus im Jahr 1743, nachdem ein Erdbeben einen Großteil der im 14. Jahrhundert errichteten Kirche zerstört hatte.

Auch die kleinere Kirche Matrice del Santissimo Rosario direkt nebenan, war unserem Besuch eher abgeneigt aufgrund ihrer räumlichen Kosmetikprozeduren.
Immerhin, der zuständige Pfarrer der Chiesa Padri Liguorini hatte mit uns ein Einsehen und schloss freundlicherweise seine Kirche für uns auf. Was für eine Pracht!
Wieder eine Kirche in der man Tage verbringen könnte, um alle Deckengemälde, …
alle Altäre, die Böden und Seitenschiffe …
auch nur annähernd in ihrer Kompleixtät bewundern zu können. Mir ein deutliches Stück zu viel an Pracht – ich fühlte mich völlig überfordert. Aber wunderschön ist sie ausgestattet! Sie gehört zum 1310 gegründeten Kloster der Liguorini Mönche.

Wer gerne Italiens Kirchen besucht und an barocker Pracht durchaus tiefe Freude empfinden mag, dem sei Francavilla Fontana auf jeden Fall empfohlen.
Wir durften auch den Kreuzgang des Klosters besuchen, das reich an Zitrusbäumen ausgestattet ist – was ein Duft!

2025-03-27

Palazzo Savino in Mesagne

Was für ein Aufenthalt in Mesagne! Die 69. Pressreise, von Carmen Mancarella organisiert, hatte uns durch drei hübsche Städte im Salento Apuliens geführt: Torre Santa Susanna, Francavilla Fontana und Erchie – wo wir den besonderen Feierlichkeiten des „Tavolo di San Giuseppe” am 18. und 19. März beiwohnen durften. Übernachtet aber haben wir im Centro Storico der pittoresken Stadt Mesagne – und dort im Palazzo Savino!
Jede Minute habe ich hier genossen, kann ich nur sagen. Der Palazzo Savino ist seit vielen Jahrhunderten im Familienbesitz der Familie. Und nun, nach einer gelungenen und liebevollen Umstrukturierung in ein B&B umgewandelt, begrüßt er seine Gäste zu einem besonderen Aufenthalt. Besonders schön.
Sechs Schlafzimmer zählt dieser Palazzo, alle sehr individuell eingerichtet und in ihren Größen recht unterschiedlich, eine wunderschöne Bibliothek und Lounge – der blaue Salon –
und einem Gemeinschaftsbereich mit angeschlossener Küche, wo das kontinentale als auch traditionelle salentinische, also süße Frühstück serviert wird, bieten den Gäst*innen jeden Komfort.
Mit dem reichhaltigen Frühstück war ich happy und freute mich (wie Bolle) über die sahnige Stracciatella zu den frisch aufgeschnittenen aromatischen Tomaten. Das Käseangebot offerierte alle Köstlichkeiten der salentinischen Küche. Und dann waren da noch feiner Prosciutto, Salami, Olio EVO oder auch frischer Joghurt mit apart angerichteten Cerealien und frischem geschmackvollen Obst.
Alles schmeckte einfach fantastisch! Und vom sehr freundlichen Service wurden wir sehr gut mit Café und Cappuccino versorgt.
Auf persönlichen Wunsch kann aber auch ein optional gebuchter Koch auf individuelle Wünsche eingehen. Der Palazzo Savino ist wandlungsfähig vom B&B zu einem Haus mit Hotelkommfort, auch mit Halb- oder Vollpension.

Es gibt einen großen Terrassenbereich mit einem grün bewachsenen Rundumblick auf Mesagne – zur richtigen Jahreszeit mit dem Duft der Zitronen umspielt. Ebenso einen kleineren, überdachten Outdoor-Bereich (der zu meinem Zimmer führte).
Charmante verwinkelte Ecken, spannende Treppen, die immer zu neuen hübschen Räumen führen – die ihre eigene kleine Geschichte erzählen. Ein 24/7-Concierge-Service ermöglicht die direkte Lösung privater oder technischer Probleme.

Palazzo Savino ist ein Symbol für zeitlose Eleganz, ein einzigartiger Rückzugsort, an dem sich Geschichte und moderner Stil harmonisch verbinden. In seiner jetzigen Präsenz hatte er im Juli 2024 seine Räume für seine Gäste offiziell geöffnet!
Beeindruckender Spaß beginnt direkt, nachdem man die imposante Tür in der Via Geofilo 1 geöffnet hat. Empfangen wurden wir von einer imposanten, dabei traumhaft schönen Teppe aus Marmor. Was für eine Schönheit!
Im ersten Stock liegt der Empfangsbereich in einem Salon mit Maisonette, die Treppe führt zur Bibliothek.
16 Gäste finden im Palazzo und in zwei Appartements (mit Küche) in anliegenden Nebengebäuden Platz. Jeder Raum für sich erstaunlich privat gelegen.
Eines der ebenerdig liegenden Appartements führt zu einer sehr kleinen Nebenstraße, die eine Sackgasse ist – lediglich mit Katzenverkehr!

Was mich besonders begeistert hatte, war die zaghafte Methodik in der neuen Gestaltung dieses Palazzos. Zurückhaltend wurde modernisiert, gleichfalls ist an vielen Stellen die Geschichte wertgeschätzt und die Vergangenheit bewahrt worden. Keine herzlose neue Modernisierung, auch nicht übertriebener Luxus – sondern geschmackvolle und zurückhaltende Anpassung an die heutige Zeit – aber die Gestaltung hat uns zum Beispiel im Frühstücksraum erlaubt, mit den Brokat-Tapeten der früheren Bewohner zu frühstücken. Die Böden wurden erhalten – ich mag das sehr.
Ich hatte im Bad noch frühere Fliesen in der Dusche, wir würden es wohl Shabby Chic nennen. Aber sie waren sauber und charmant, passend zum Kontext des Zimmers. Eingefasste Stellflächen für die Kosmetika, kleine, smarte und gut durchdachte Eigenheiten.

Dass ich um Reparatur des Ablaufes vom Waschbecken gebeten hatte, möge man mir nachsehen. Wie konnte ich wissen, dass altmodisch designte Waschbecken mit neuer Stöpsel-Drucktechnik ausgestattet sind und der Hebel hinter dem Hahn funktionslos war? (Wer hat überhaupt diese bescheuerte neue Technik und warum erfunden? Niemand will doch in seiner Rasiersuppe nach dem Waschstöpsel fummeln müssen, oder?) Wir haben gut gelacht, die Concierge, der Haustechniker und ich – keiner kannte das vorher.
Toll war es, jeden Morgen so weit oben in meinem Zimmer namens "Ester" von einem wunderschönen Vogelkonzert geweckt worden zu sein. Ester, war eine der femininen Vorfahren, die in dem Palazzo hoffentlich lange glückliche Jahre leben durfte! Übrigens tragen alle Räume weibliche Vornamen.
Dieses Zimmer erforderte durchaus Flexibilität in der Überwindung unterschiedlicher Treppen im Palazzo bis ich es erreichen durfte – ob ehemaliger Dachboden, Zimmer der Dienstmagd oder lediglich früherer Taubenschlag?
Auf jeden Fall hatte ich einen eigenen Balkon mit Blick auf die im Salento übliche Illumination in der Nacht.
Und sowieso einen traumhaften Blick über die Altstadt Mesagnes.
In jedem Zimmer überraschten neue Kunstobjekte, die sich in der Gestaltung mit dem teilweise antiken, teilweise modernen Mobiliar und den alten Steinböden einfügten.
Es war wirklich eine visuelle Freude, durch diesen Palazzo zu wandeln.
Wir wurden großzügig begrüßt an unserem ersten Abend von der Geschäftsleitung Lucca Vece (links), dem mit seinem Vater Giorgio dieser Palazzo gehört und Rainero Lomatiere (rechts), der Hoteldirekter und gleichzeitig auch Designer ist. (Pugliamore)
und dem wirklich charmanten Team, das uns ein schmackhaftes Buffet mit typischen apulischen Köstlichkeiten bereitet hatte.
Dass uns zum Empfang der wundervolle Susumaniello als Rosé von der Cantina Li Veli ausgeschenkt wurde, zeugt von dem exklusiven Geschmackssinn der Besitzer.
Lange Rede: ich habe mich im Palazzo sehr wohlgefühlt. Das lag auch in seiner zentralen Lage inmitten der Altstadt. Die relevanten Sehenswürdigkeiten und guten Restaurants sind in drei bis fünf Minuten zu Fuß von dort aus zu erreichen – und trotzdem genießt man in den Räumen wohlverdiente Ruhe!

Der Palazzo Savino gehört zur EPOCA Collection, einem Zusammenschluss mehrerer privater geführter Unterkünfte mit dem Wunsch, die Gäst*innen des Salento exklusiv begrüßen zu dürfen. Dieser Zusammenschluss ermöglicht es Gäst*innen optional Massagen, Personal Trainer, Tourguides, Organisation von Exkursionen, Bootstouren oder die Vermittlung von Leihbooten und Flughafen-Shuttle buchen – und trotz eines Aufenthaltes in einem B&B – Hotelfeeling haben zu können.

Palazzo Savino
Via Geofilo, 1
72023 Mesagne
e-mail: info@palazzosavino.it

2025-03-25

Mesagne – Cuore, Charme, Geschichte

Mesagne liegt in Apuliens Salento nur 20 Minuten mit dem Auto von Brindisi, der Provinzhauptstadt entfernt, nach Lecce ist man knappe 50 Minuten unterwegs. Besucht diese Stadt unbedingt, wenn ihr einmal im Salento unterwegs seid. Mesagne mit ihren ca. 26.000 Einwohnern, ist eine lebenslustige Stadt mit einem wunderschönen Stadtschloss, einem spannendem kulturellen und historischen Angebot. Und mit einem großen Herzen!

Mesagne – Herzenssache

Ich habe direkt mein Herz an diese aparte Stadt verloren bei meinem ersten kurzen Besuch dieser Stadt im vergangenen Jahr. Das ist kein Wunder, denn das Centro Storico von Mesange, das historische Stadtzentrum, ist in der Form eines natürlichen Herzens angelegt. Die Aorta ist das Porte Grande, das große Stadttor, durch das man die hübsche Altstadt betritt.
Überall werden uns ab diesem Moment Herzen in unendlicher Vielfalt begegnen, spielt es als Symbol in Mesagne logischerweise eine besondere Rolle. In den Straßen hängen große Herzen mit liebevollen Zitaten und vermitteln die Liebe zum Leben. Die Liebe zum Herzen zieht sich hier durch in das praktische Leben – in keiner Stadt Italiens habe ich so viele Defibrilatoren hängen sehen!
Im Briefkasten der Liebe kann man Liebesbriefe einwerfen. Die kleinen Gassen mit hübschen Geschäften und Restaurants lassen uns Besucher*innen sofort unser Herz an diese Stadt verlieren. Mesagne ist nicht auf dem Reißbrett entworfen worden und präsentiert viele kleine und große Piazzi voller Leben, umrahmt von alten Palazzi und Kirchen mit beeindruckenden Fassaden.

Historische Schönheiten Mesagnes

Das normannisch-schwäbische Castello Normanno Svevo di Mesagne mit der gleichzeitig von seinen Stadtmauern umfassenden Porta Grande erlaubt den Zutritt zur Stadt durch dieses imposante Tor und ist gleichzeitig Treffpunkt der Mesagnesi. Es ist das besondere Symbol von Mesagne. Die alten Stadtmauern umarmen ihre süditalienische typische Schönheit mit den lebensfrohen Plätzen, traumhaften Palästen und einer fundamentalen Architektur mit ihrer historischen Geschichte.
Die Kirchen Chiesa Matrice (die Tutti i Santi), Santa Maria in Betlem (liegt direkt neben dem Rathaus) und nicht zu vergessen die Kirche der Madonna del Carmine, der Schutzpatronin dieser Stadt, locken mit barocker Architektur und kunstvollem Reichtum. Es wundert nicht, dass sich Mesagne mit so viel historischer Exzellenz im Jahr 2023 den Titel „Kulturhauptstadt Apuliens” sichern konnte. Auch wer kein Faible für Religion hat, sollte sich deren Kunstwerke nicht entgehen lassen. Enthusiasten der italienischen Küche können jeden Mittwoch in Mesagne den schönen Wochenmarkt besuchen.

Die Heimat von Mesagne liegt in der messapischen Zivilisation an der Via Appia. Die historische Straße, die Brindisi mit dem antiken Rom verband und nun zum UNSESCO-Weltkulturerbe und zum Parco Archeologico di Muro Tenente gehört, ist ebenfalls einen Besuch wert. Der Park liegt lediglich fünf Kilometer vom heutigen Mesagne entfernt.
Somit ist auch der Besuch des archäologischen Museums Civico Ugo Granafei in Mesagne meine Empfehlung. Wunderschöne Räume mit typischen italienischen Design-Elementen der Möbelierung.
In Sonderausstellungen kann man in den Räumen des Castello Normanno Svevo di Mesagne antike Maler oder zeitgenössische Kunst in wechselnden Ausstellungen bestaunen. So hatten wir im letzten Jahr das große Vergnügen, noch in den letzten Tagen ihrer dortigen Existenz, eine Ausstellung großer italienischer Maler besuchen zu dürfen, die anlässlich des G7-Gipfels im Salento installiert worden war. Wir standen vor famosen Kunstwerken von Michelangelo, Giotto und Leonardo da Vinci – und waren dementsprechend hin und weg!
In anderen Räumen des Castellos besuchen wir das archäologische Museum, die Funde erzählen aus der messapischen, römischen und mittelalterlichen Vergangenheit und von der langen Geschichte dieser Region.
Einige, gar nicht mal so wenige übrigens, der besonderen Fundstücke sind als Replik maßstabgetreu nachgebildet und möchten auf jeden Fall berührt werden.
Denn im Rahmen gelebter Inklusion soll auch Menschen mit Sehbehinderung das Erfassen der Unikate ermöglicht werden. Alle Informationstafeln in Mesagne sind in der Braille-Schrift unterlegt.
Die historische Freiluft-Ausgrabungstätte „Site Archeologico di Vico Quercia” unweit des Castello Normanno Svevo … … mit Stele und Nekropolen kann kann zu jeder Tageszeit bei einem Spaziergang besucht werden.

Ein Bürgermeister mit deutschen Wurzeln

Der Bürgermeister von Mesange, Toni Matarelli, übrigens in Krefeld geboren und im zarten Alter von acht Jahren mit seinen Eltern in deren Heimat zurückgekehrt, zeigt großes Interesse daran, vor allem die Jugend in seiner Stadt halten zu wollen.
Er ist übrigens auch der Präsident der gesamten Provinz Brindisi und ein durchaus nachgefragter Mann, wie wir bei unserem Besuch in seinem Büro erleben. Seit 2019 in Dienst ist er kürzlich mit 95 % in seinem Amt bestätigt worden, er scheint einiges richtig zu machen. Unter seiner Leitung unterstützt die Stadt spannende Projekte.

Cinema piccolo Ken Loach

Eines ist das Cinema piccolo Ken Loach. Ein kleines Kino gegründet 2022 von jungen Menschen im Alter von 11 bis 18 Jahren, das regelmäßig in der Altstadt kostenlos Kinofilme zeigt. Gestartet haben sie damals mit drei Kurzfilmen für Kinder. Die Kinder organisieren das Programm und den Ablauf und zeigen heute jeden Freitag und Samstag ihre Auswahl.

Ihr Engagement widmen sie dem britischen Regisseur Ken Loach, den sie gemeinschaftlich mit ihrer engagierten Lehrerin, Floriana Pinto, für seinen Einsatz eines sozialen Miteinanders verehren. Der berühmte, hochbetagte Regisseur weiß um dieses Projekt, steht mit den Kindern in Kontakt, konnte es aus gesundheitlichen Gründen noch nicht vor Ort besuchen. Mittlerweile drehen die Kids auch selber Kurzfilme – und, das wundert nicht, einige von ihnen möchten später in der Filmwelt beruflich Fuß fassen.
Uns haben sie so mutig in perfektem Englisch von ihrem Projekt erzählt, und das war für mich einer der spannendsten Termine während dieser Reise. Dieses Projekt hat mittlerweile in Italien für Aufsehen gesorgt und konnte auch einen hoch dotierten Wettbewerb gewinnen. Die Stadt Mesagne unterstützt das Projekt, in dem das Kino in einer Gewerbefläche an der zentralen Piazza kostenlos residieren darf.
Die Kinostühle entstammen dem ältesten Kino – und letzten Kino – Mesagnes, das schon seit 1992 nicht mehr existiert. Nicht nur darauf sind die Kids besonders stolz. Sie wünschen sich mit ihrem Engagement, anderen Kindern in Italien und Europa Mut zu machen, es ihnen gleichzutun: Die junge Generation weg von den Streamingdiensten wieder zurück in die Kinos zu locken und zu einem integrativen Element zwischen jungen und alten Cineasten zu machen.

Ein Juwel des Jugendstils: Die Farmacia Antonucci

Ein entzückendes Kleinod Mesagnes ist die kleine Farmacia Antonucci, also Apotheke, an der Piazza Municipio (Via Albricci) unweit der Chiesa matrice di Tutti I Santi. Die Apotheke ist im wunderschönen Jugendstil eingerichtet und wurde im Jahr 1840 von Oreste Antonucci, einem Absolventen der Universität von Neapel, eröffnet. Nachdem die Apotheke, die in Süditalien schon immer als besonder Treffpunkt und Ort des Austausches galt, in größere Räume umziehen musste, ist dieser eine kleine Raum heute als Museum erhalten worden. Die Farmacia Antonucci gilt als älteste Apotheke im Salento und überrascht mit vielen charmanten kleinen Besonderheiten.
Besonders schön ist ihre Innenausstattung, die der Nachkomme Orestes, Osvaldo Antonucci, dem lokalen Handwerker und Meister Cavaliere anvertraut hatte. Die beeindruckenden Möbel mit Schiebetüren und perfekt eingefassten Schubladen aus dunklem Nussbaumholz, die elegant gearbeitet sind, werden durch Vitrinen mit Spiegeln und Schlangenfriesen mit Köpfen, die einige schöne mesanesische Mädchen der damaligen Zeit darstellen, verschönert. Ein Meisterwerk!
Die Fenster sind im reinen Jugendstil gehalten und mit Mohnblumen und Frauengesichtern verziert. Dabei wirkt die Einrichtung dank hervorragender Pflege wie neuwertig. Auf dem höchsten Teil des zentralen Regals befindet sich eine runde Uhr, die auf beiden Seiten von zwei Drachen getragen wird. An den Seiten befinden sich zwei kleine Regale mit der Aufschrift „Veleni” (Gifte) und „Erotici” (Erotik).
Ein bisschen Gruselkabinett ist auch dabei: Uralte medizinische Instrumente „Made in Solingen” kann man bestaunen.
Und sogar einen Elektro-Schocker – eine Electric Maschine For Nervous Diseases! Natürlich sind die Vitrinen anschaulich und sehr zahlreich mit typischen Apothekergefäßen befüllt.

Sie besuchen zu dürfen, für mich eine besondere Freude. Dafür bin ich dem freundlichen Herrn, der mir das ermöglicht hatte, sehr dankbar. Lange Jahre hatte er in Deutschland gearbeitet, erzählte er mir auf Deutsch. Nun ist er als Rentner wieder in seiner Heimat und lebt zu seiner Freude im eigenen Haus und spricht in seiner Freizeit freundlich Menschen an, die staunend vor der Apotheke stehen und lädt sie zu einem Besuch darin ein.

Mesagne mit dem Zug erreichen

Der kleine Bahnhof von Mesagne liegt einen Kilometer vom Centro Storico entfernt. dort halten im Schnitt drei Züge in der Stunde. Je nach Verbindung erreicht man Mesagne mit Trenitalia ab Bari in 1,5 bis 2,5 Stunden. Von Brindisi sind es knapp 30 Minuten. Es gibt also keinen Grund, nicht mindestens einen Ausflug in die entzückende Stadt Mesagne zu machen.