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2023-11-27

Gerne gelesen: Trudi traut sich!

Trudi ist eine sehr freundliche Kuh. Und: Sie wird von allen anderen Tieren sehr bewundert, weil sie so groß und stark ist!

Ich mag Trudi, denn wir haben meine Oma väterlicherseits, die eigentlich Gertrude hieß, auch immer so genannt. Trudi ist in diesen Zeiten ein viel zu seltener Name geworden.

Aber zurück zu Trudi, dieser unfassbar mutigen Kuh. Alle Tiere denken, Trudi hätte nie Angst und deswegen wird sie gerne von ihnen in kniffligen Situationen zum Schutz benutzt. Bis eines Tages klar wird, dass selbst so ein großes Tier wie eine Kuh durchaus auch ängstlich ist und Sorgen haben kann.
Trudi traut sich! ist ein sehr schönes Kinderbuch für Kinder ab 2 bis ungefähr 5, 6 oder 58 Jahre, das deutlich macht, dass gar nicht immer alles so scheint, wie gedacht. Und: wie wichtig es ist, über Sorgen und Ängste mit anderen zu sprechen. Oder muhen. Oder so. Und man sich nicht in Schubladen packen lassen sollte, weil man doch schon so groß ist.

„Trudi traut sich!”
Autorinnen: Katja Reider und Henrike Wilson
Verlag: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-649-63711-0

2023-11-24

Gerne gelesen: Die wundersame Suppe des Monsieur Lepron

Monsieur Lepron ist ein sehr stilvoller Hase, der sich gerne den Jahreszeiten angemessen kleidet. Er lebt im Wald und blickt aufgrund seines schon fortgeschrittenen Alters mit sehr viel Stolz auf eine große Schar Hasenkinder und Hasenenkel und sogar Hasenurenkel.

Monsieur Lepron ist aber auch ein begandeter Suppenkoch! Die Gemüsesuppe, die er kocht, die ist legendär! Einmal im Jahr ist es soweit, dann tragen seine Kinder, Enkel und die Urenkel alles Gemüse zusammen, das der Wald und der Garten hervorgebracht hat – und dann setzt Monsieur den großen Suppentopf auf.
Alle Bewohner – übrigens auch die Bauern – wüssten nur zu gerne, was das Geheimnis dieser großartigen Suppe ist. Ist es das Gemüse? Sind es besondere Gewürze? Oder liegt es daran, dass Monsieur Lepron, sobald die Suppe auf dem Herd steht, sich in seinen Sessel setzt und ein Mittagsschläfchen hält, das ihm fantastische Träume beschert?

Und es werden immer mehr Tiere und Menschen, sogar professionelle Köche, die das Geheimnis dieser wundervollen Suppe erfahren wollen. Das aber hat große, viel zu große Konsequenzen für Monsieur Lepron – und seine Träume, die gar nicht mehr so schön sind!
Die wundersame Suppe des Monsieur Lepron ist ein auf jeder einzelnen Seite wunderschön (!) gezeichnetes Buch mit einer sehr intelligenten Botschaft, die alle Kinder ab ungefähr fünf Jahren und viel, viel größere Kinder lesen können! Vor allem die Zeichnungen machen sehr viel Freude.

„Die wundersame Suppe des Monsieur Lepron”
Autorinnen: Giovanna Zoboli und Mariachiara Di Giorgio
Verlag: Bohem Verlag
ISBN: 978-3-95939-215-0

2023-11-22

Gerne gelesen: Ti Amo Roma

La Dolce Vita – keine andere Stadt steht für diesen italienischen Ausdruck so bestimmt, wie Rom. Wer denkt da nicht sofort an breite Straßen, viele Vespas, Bars auf der Piazza im Sonnenuntergang, schöne und stilvoll gekleidete Italienerinnen und Italiener?

Die Autorin und Fotografin Lisa Nieschlag (Blog: Liz & Friends) und der Illustrator Lars Wentrup haben sich gemeinsam auf die Spuren legendärer Rezepte aus der italienischen Hauptstadt und ihrer Region Latinum begeben. Sie reisen dabei mit den Leser:innen durch die legendären in Rom spielenden cineastischen Kassenschlager aus den vergangenen Jahrzehnten in dieser Stadt und ihrem naturgegebenen La Dolce Vita.
Es werden zum Aperitivo Cocktails wie der Americano mit Bruscchette calde oder Carciofi (Artischocken) alle romana serviert. Minestrone verde und Pasta al limone gefolgt von einer Zabaione semifreddo con amaretti e lamponi zum Abendessen – Cena in Famiglia. Als Street Food für den Spazierang durch Roms Straßen genießt man natürlich Pizza und in der Bar einen Affogato al caffè im Kapitel La Dolce Vita. Und später im Sonnenuntergang auf der Piazza – La Grande Bellezza – ein herrliches Risotto ai carciofi oder Gnocchi alla romana und dort einen Abschluss mit einem schmelzenden Sorbetto al limone.

Die allermeisten Rezepte in diesem Buch sind keine große Hexerei. Vor einer Zabaione, die halbgefroren serviert wird, muss niemand Angst haben.
Und die Zutaten sind längst auch in unseren Gefilden täglich zu bekommen. Die Rezepte werden im Buch begleitet von hübschen kleinen Geschichten und den filmischen Anekdoten rund um diese Stadt. Mutig die Fotografien, die im Stil herzlich in die Zeit der 60er Jahre zurückblenden – als sich ganz Deutschland aufmachte, Italien zu entdecken.
In diesem Kochbuch über diese eine Stadt steckt sehr viel Liebe. Es ist ein bisschen süß, ein bisschen frech, da ist ein bisschen Amore und dort eine Menge Passione, es ist sehr viel Italien! Man sieht, liest und riecht es – und wer einige dieser Rezepte nachkocht, schmeckt das auch! Und es hilft (sicher nicht nur mir!) ziemlich gut die Zeit bis zur nächsten Italienreise zu überbrücken!

„Ti Amo Roma” Italienische Rezepte und Geschichten aus der Ewigen Stadt
Autor*in: Lisa Nieschlag und Lars Wentrup
Verlag: Hölker Verlag c/o Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-88117-298-1

2023-08-30

Gerne gelesen: Geheimnisse meiner italienischen Küche von Anna del Conte

Es ist manchmal so. Da kommt jemand aus der Ferne und verliebt sich, wandert aus in ein anderes Land, erlebt dessen Küche … und schreibt dann einfach in der fremden Sprache Kochbücher über die Küche des eigenen Heimatlandes. So ist der Werdegang von Anna del Conte zu beschreiben – und sie ist mit ihren Büchern über ihre italienische Heimatküche weltbekannt worden. Del Conte hat die längste Zeit ihres Lebens in Großbritannien verbracht, geboren 1925 in Mailand, zog es sie mit 24 auf die grüne Insel. Und gilt derweil im englischsprachigen Raum als die Nonna der italienischen Küche.
„Geheimnisse meiner italienischen Küche” ist im Erscheinungsbild sehr italienisch. Einfach und reduziert. Wenig Fotos – um nicht zu schreiben: sehr wenige Fotos. Jedem Kapitel wurde eines spendiert, insgesamt also nur 20 gleichzeitig. Gleichbedeutend sind das sehr viele, eben 20, umfassende Kapitel!

Mehr naive Illustrationen, dafür viel Text zur Küche Italiens, über Zutaten und liebevolle, ausführliche Rezepte, die die sehr ursprüngliche italienische Küche vermitteln. Tatsächlich war der Mangel an Fotografie von allen Lesern, mit denen ich über dieses Buch sprach, der hauptsächliche Kritikpunkt. Mammamia! Und dann haben sie auch noch den Farbfilm vergessen!
Und wir wollen doch die Farben Italiens gedruckt sehen in einem italienischen Kochbuch – dafür sind sie doch schließlich da in all ihrer wunderschönen Pracht im Sonnenschein. Dieses gefühlte Manko verliert sich jedoch sehr schnell, steigt man tiefer in die Geheimnisse von Annas Küche ein, lauscht ihrem umfassenden historischen Fachwisssen zu Produkten, nimmt man teil an ihrer eigenen Entwicklung der Rezepte.
Ein Kochbuch soll über Rezepte funktionieren und das tut dieses Buch auf fast 330 Seiten mit großer Sorgfalt und Vielfalt. Mit del Contes „Geheimnisse meiner italienischen Küche” hält man ein derartig fundiertes Buch der italienischen Kochkunst in der Hand, dass es problemlos als einziges im Regal dieser vielfältigen Landesküche seinen Stellenwert behaupten kann, ohne jemals ausgelesen, nachgekocht oder überholt zu sein.

Ich mag es, wie sie zu vielen Rezepten über ihre persönliche Entwicklung in der jahrelangen Kochexpertise erzählt. Zum Beispiel, wenn sie entdeckt, dass ihre Maronensuppe in der seit Jahren gekochten Lieblingsvariante zu einer noch köstlicheren Version gerät, wenn man den Hauch von französischem Einfluss einer Crème double zulässt. Oder die „Salsa di miele e noci” – eine köstliche Honig-Senf-Sauce mit Walnüssen, die kalt zu Fleischgerichten serviert, erwachsener wird mit der Zugabe von Pinoli, Pinienkernen.

Anna del Conte veröffentlichte dieses Buch im Alter von 64 Jahren, nach einem Leben voller Küchenerfahrung, Geschmacksexpertise und Entwicklung der eigenen Kochkunst. Diese Substanz ihrer Erfahrungen ist nicht überlesbar.
Von dieser Expertise profitieren zu dürfen, das ist das besondere Geschenk ihres Werkes. Ihre Rezepte sind von einfach bis umfangreich gehalten und zur Kenntnis genommen, dass in del Contes Minestrone alleine 17 Zutaten verwendet werden – übrigens exklusive dem Pesto – der versteht, was genau der italienischen Küche diese Relevanz in den Küchen der Welt beschert hat. 17 Zutaten – von jedem Rezept irgendeiner anderen internationalen Küche, würde man von einem prätentiösen Rezept sprechen. Wer würde behaupten, eine Minestrone sei prätentiös?

Ich gebe zu, meine Vision der italienischer Küche hat sich mit diesem Buch komplett verschoben. Wie schön, an Annas Kochtalent partizipieren und mitwachsen zu dürfen!

Nebenbei lernt man derartig viele italienische Wörter und alle Produkte auch auf italienisch kennen, das Buch könnte glatt in seiner zweiten Bestimmung als Dictionary durchgehen. Und wenn Nigella Lawson, die so etwas wie die britische Martha Stewart next Generation ist, bekennt, dass Anna del Conte, neben ihrer eigenen Mutter, die wichtigste Einflussgeberin war für ihre Kochexpertise, ist das natürlich ein hübscher Werbespruch. Einer der wenigen der glaubwürdigen Sorte.

Dieses Buch ist schon 1989 im Original als „Secrets From An Italian Kitchen” erschienen und zu Recht nun endlich in Deutschland aufgelegt worden im Ars Vivendi Verlag. Anna del Conte wird 2025 (hoffentlich) ein ganzes Jahrhundert alt. Wir dürfen ihr vertrauen. Und dafür sorgen, dass ihr Kochbuch in den Regalen aller Fans italienischer Küche steht.


„Geheimnisse meiner italienischen Küche”
Autorin: Anna del Conte
Verlag: ars vivendi
ISBN: 978-3-7472-0413-9

2022-12-08

Gerne gelesen: nothing fancy von Alison Roman

Mein persönliches Lieblingskochbuch im Jahr 2022? Das ist definitiv „nothing fancy” von Alison Roman. Das Buch ist ganz klar gesetzt bei mir, das gebe ich nicht mehr her! Selten habe ich aus einem Kochbuch so viel nachgekocht.

Alison Roman, gebürtige Amerikanerin, lebt in Brooklyn und ist Food-Influencerin bei YouTube und Instagram. Sie schreibt mittlerweile in ihren Kolumnen für die New York Times Cooking und für Bon Appétit, ist in den USA eine Institution – die sich angenehm unprätentiös gibt und so auch kocht. Dementsprechend erlebe ich ihr neues zweites Kochbuch nach „Dining in”, das hierzulande bei Dorling und Kindersley (DK) erschienen ist.

„Entspannt kochen für Freunde” ist der Untertitel des Buches und das trifft es sehr gut. Konzeptionell geht es darum, liebe Freunde zu bewirten – das zieht sich von Einkauftipps bis hin zum Abwasch. So ist es keine so große Überraschung, dass sich die Gerichte gut vorbereiten lassen und ein großer Teil von ihnen im Ofen sich selbstgenügend ihren finalen Touch erhalten – oder bereits zwei Tage früher zubereitet werden können.

Sie serviert ihre Rezepte nicht abgehoben schickimicki ausdekoriert an Stoffservietten (nichts gegen Stoffservietten) am edlen Silber, sondern „as it is”: Sehr bunt, auf zusammen gewürfeltem Geschirr mit Leichtigkeit und einfacher Raffinesse. Alison bietet hierzu kurzweilige Histörchen, erzählt relativ (zu) häufig, dass sie dies oder jenes Produkt an sich nie mochte, nimmt aber damit den Lesern Argumente bei eigener Ablehnung und vor allem – das ist wohl das Wichtigste – auch Kochbeginner sehr charmant mit und serviert gute Problemlösungen.
Ihre Tipps am Anfang „Sich helfen lassen” sind so simpel wie logisch, um sich selbst den Stress als Gastgeber*in zu nehmen, denn die Party beginnt in der Küche – warum sollen Gäste nicht beim Salat zupfen helfen? In „Prioritäten setzen” räumt sie klar ein, dass es in einer Nicht-Profiküche (von der Ausstattung geredet) einfach verdammt schwer bis unmöglich ist alle Zutaten gleichzeitig perfekt und heiß auf den Tisch zu bringen.

Und „Nie um Verzeihung bitten” trifft genau im Kern, war vor allem hiesige Köchinnen (!) besonders gerne machen: Die eigene Leistung verbal selbst zu degradieren. Alisons simple Anweisung: „Es ist kein Restaurant – macht euch nicht den Druck, so zu tun, als wäre es eines.” Das ist so klug wie hilfreich und alleine dafür kann man Alison Roman verehren, sie hat mich so oft so smart aus meiner lähmenden Perfektion geholt. Das Buch ist wie ein liebevolles Coaching!


„Ein schönes Huhn zu braten, ist eine wunderbare Art, «Ich liebe euch», zu sagen.”

„nothing fancy” enthält viele Fisch- und Fleischrezepte: „Ein ganzer Fisch – Yes, you can!”, zu denen bin ich kaum schon vorgedrungen, weil ich immer noch im gemüselastigen Teil des Buches stecken geblieben. Die fantatstisch klingenden Hähnchen-Rezepte brennen mir unter dem Messer! Dennoch würde ich dieses Buch jederzeit auch Vegetarier*innen schenken. Es sind so viele fantastische fleischlose Rezepte darin, die neu sind, unvergleichlich lecker – und schlussendlich lassen sich Fleischanteile ersetzen oder subtrahieren. Sie hat mich auf jeden Fall mehr bekommen mit ihren grünen Rezepten, Salaten mit Crunch oder den Dips.

Alison Roman arbeitet sehr gewürzlastig auf internationaler Ebene, bedient sich hier an der orientalischen, dort an der asiatischen Küche. Man sollte sich gut eindecken mit Fleur di Sel, Chili, Kurkuma, Kreuzkümmel, Harissa, Hefeflocken, Soja Soße, Pul Biber etc. Eingelegte Sardellen im Glas werden als Würze gerne verwendet (sie gibt zu von Sardellen besessen zu sein.) Viele frische Kräuter sind ein Muss! Ein gutes Olivenöl ist auch wichtig in ihrer Küche – und auf jeden Fall: Zitronen. Zitronen setzt Alison oft und gerne ein als Geschmacksheber oder -veränderer. Was ich auch sehr gerne tue. Ich schwöre auf Zitronenspritzer! Unami ohne Zitrone gibt es nicht, möchte ich behaupten.

Was ich persönlich sehr schätze an Alison Romans Buch: Sie nervt mich nicht allzu viel mit Bio-Gedöns, wie es so viele deutschsprachige Kochbuchautor*innen immer noch auf oft übergriffige Weise tun. Alison tut’s lediglich bei Zitrusfrüchten, deren Schale verwendet wird im Gericht. Ansonsten glaubt sie offensichtlich, wir haben mittlerweile – in den letzten 20 Jahren – alle kapiert, dass es sinnvoll ist, dass wir Produkte möglichst regional und mit sehr guter Qualität einkaufen. So muss, wer sich nicht ständig Bio-Qualität leisten kann, kein schlechtes Gewissen haben. Lasst uns doch einfach froh sein, dass die Menschen selber kochen und nicht „Essen to go”-Verpackungsmüll produzieren.

Es kommt viel frisches Gemüse auf den Tisch. Auch Getreide. Fisch kommt schon mal aus der Dose. Aber sie hat ein riesengroßes Talent übliche Zutaten neu zu präsentieren und hat mich mittlerweile schon so oft aus meiner Kochroutine geholt und mir gezeigt, wie ich die ewig gleichen Zutaten anders zubereite, auf ein neues Level bringe. Ein Beispiel:. „Geröstete Radieschen mit Green-Goddess-Butter” hier wandern die Radieschen und junge Rüben einfach in den Ofen und werden auf einer fantastischen Kräuterbutter serviert, die unter den heißen Radiesern schmilzt. Oder gegrillte Garnelen, die mit kalten mit den Händen zerdrückten Tomaten und deren Saft (mit Olivenöl) serviert werden.
Dann werden Pistazienkerne in Butter mit vielen Gewürzen angesetzt und über im Ofen gebackene Kürbisspalten (oder welches Lieblingsgemüse – z. B. Kichererbsen, Beeten – auch immer) gegossen. Halloumi wird in der Pfanne gebraten und mit Honig beträufelt und mit gerösteten gehackten Pistazienkernen bestreut. Zerdrückte Erbsen mit Burrata und schwarzen Oliven (mit frischer Minze, Petersilie und Ruccola). Versteht ihr, was ich meine? Man kennt alle Zutaten und hier kommen sie neu, fantastisch gut! Und immer einfach auf den Teller gebracht.

Auch der Lachs, der langsam im Ofen gegart auf und mit in der Pfanne gebratenen und auch rohen Frühlingszwiebeln in einer Vinaigrette aus Sojasauce und viel Zitrusfruchtsäften serviert wird. Die Rezepte sind alle keine Hexerei. Tatsächlich sind sie meist erstaunlich einfach – schließlich gilt es sich vor allem mit den Gästen zu beschäftigen! Oft sind die Gerichte recht spicy – werden dann mit Milchprodukten abgemildert. Und es schmeckt alles so gut!

Meine Lieblinge bisher (beim zweiten Mal habe ich sie zusammen in den Ofen geschoben):


Klebrig geröstete Karotten mit Zitrus und Tahin
Die rote Zwiebel wird in Zitronensaft mit Salz und Pfeffer ca. 8 Minuten eingelegt. 500 Gramm kleinere Möhren werden mit dünnen Scheiben einer Blutorange und der abgegossenen Zwiebel auf ein Blech gelegt und mit einem Sud aus 1/2 TL Chiliflocken (oder 3-4 frische Chilischoten), 2 EL Ahorsirup (alternativ Honig), 4 EL Olivenöl begossen und bei 220 Grad Celsius ca. 25-30 Minuten karamellisiert.

4 EL Tahin werden mit 3  EL Wasser, Salz und Pfeffer verrührt und ein Teil davon auf eine Servierplatte angerichtet, darauf die fertigen Karotten und Orangenscheiben gelegt. Das restliche Tahin kann dazu gereicht werden (und ja, davon gleich mehr machen).

Alison würde die karamellisierten Möhren zu den geschmorten Short Ribs mit cremigen Kartoffeln aus ihrem Buch empfehlen. Short Ribs als Schmorgericht werden mein nächstes „nothing fancy”-Projekt. Hier wird die Querrippe vom Rind geschmort, wie spannend ist das? Bei uns landet die allermeist als Suppenfleisch in der Brühe! Die Kartoffeln werden mit der Schale übrigens direkt mit dem Fleisch geschmort – Alisons Küche ist halt wirklich einfach.

Auch verdammt gut:


Scharfer, karamellisierter Lauch mit frischer Zitrone
Dieses (von mir sehr geliebte) aber auch sehr diskutierte Gemüse wird so anders, einfach, dafür spannend zubereitet – und ist eine fantastische Beilage. Wer danach immer noch Probleme mit Lauch hat, tut mir leid. Ich liebe es! Die Lauchstangen halbieren und gut in Wasser abspülen – ihr wisst schon, Sandeinlage und so. Die sehr dunkelgrünen Anteile abschneiden (ab in eine Suppe damit) – aber bitte unbedingt die Wurzeln dran lassen! Nun längs in Streifen schneiden, ihr habt nun Lauch-Palmwedel. Die Wurzel hält sie zusammen.
Den Ofen auf 230 Grad Celsius vorheizen. 80 ml Olivenöl, 2 EL Harissa vermengen und schön mit den Händen in die Lauchstangen massieren, die in einer Auflaufform liegen. Mit wenig Salz und frisch gemahlenem Pfeffer würzen. Ab in den Ofen für 20-25 Minuten. Er darf etwas knusprig werden und an den oberen Enden gut bräunen. In der Zwischenzeit eine halbe Zitrone sehr fein hacken.

Den Lauch auf den Teller legen, die Sauce aus der Form darüber geben, wie auch die kleinen Zitronenwürfel darüber streuen und mit etwas Salzflocken garnieren.

Als ich den Lauch das erste Mal zubereitet hatte, hatte ich weniger Lauch als im Originalrezept genommen – aber die gleiche Menge Harissa. Kann man machen, sehr gut sogar – man sollte nur wirklich gar keine Probleme mit Schärfe haben.

Die Desserts im Buch überzeugen (mich) nicht sehr, es passiert nicht viel Neues mit den alten Dingen. Schokoladencookies bleiben Schokoladenkekse. Warum Schichtkuchen mit Löffelbiskuit, Mascarpone und Kaffee nicht direkt Tiramisu genannt wird, verstehe wer will. Auch die Fotos allesamt im Wolfgang Tillmanns-Style extrem hart ausgeleuchtet, strengen (mich) persönlich irgendwann an. Aber sonst …

… habe ich mich selten so glücklich und begeistert durch ein Buch gekocht. 150 Rezepte. Ich will sie wirklich alle, alle, alle machen!

„nothing fancy”
Autorin: Alison Roman
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4240-1

2022-11-30

Mamusia von Olia Hercules

Die Einflüsse über die Jahrtausende auf die ukrainische Küche sind vielfältig. Dass sie einher geht mit den typischen russischen Gerichten wie Borschtsch, Soljanka, Wariniki (Vareniki) ist logisch.

Ha! Stimmt gar nicht! Mit dieser allgegenwärtigen Annahme zum Borschtsch sollte ich gleich aufräumen: Dieser Eintopf ist nämlich ursprünglich ein ukrainisches Rezept, dass von den anderen europäischen Ländern übernommen wurde. Urheberrecht wem Urheberrecht gebührt!

Dennoch findet man in der ukrainischen Küche viele europäische Einflüsse aus ganz Osteuropa, z. B. der Türkei, Polen oder Ungarn. Kohl, Rote Beete, Fleisch, viele Kräuter – frischer Dill hat hier einen ganz besonderen Stellenwert – und deftige Teigwaren, die ukrainische Küche macht satt, stärkt für die extrem kalten langen Winter und verwöhnt mit Süßspeisen aus dem guten reichhaltigen Quark oder Teiglingen, die nicht selten zuvor ein Fettbad genießen durften, bevor sie die Gäste glücklich machen.
In ihrem Kochbuch „Mamusia” lockt Olia Hercules in die Küche und serviert 100 originale Gerichte aber auch solche, die dieser Küche die modernen Einflüsse sich hat entwickeln lassen zu der, die sie heute ist. So findet man hier durchaus georgische Gerichte, Köstlichkeiten aus Aserbaidschan oder Moldawien. Mit Olia reist man durch die Küche Osteuropas und lernt dabei auf den Fotos ihre Familie kennen und erfährt deren Geschichte in den Texten. Sehr überzeugend finde ich (der Homepage des Verlages entnommen) das Rezept für das Backhähnchen mit Backpflaumen und Walnüssen, ein Rezept aus Aserbaidschan.

Zu Beginn des Angriffskrieges hat Olia Hercules, die heute als Köchin und Kochbuchautorin arbeitet und in London lebt, mit mehreren Unterstützern die Charity-Aktion #CookForUkraine ins Leben gerufen, der sich seit der Gründung Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität angeschlossen haben - darunter Spitzenköche, preisgekrönte Kochbuchautoren und Restaurantbesitzer.

Sie alle kochen in ihren Restaurants ukrainische und osteuropäisch inspirierte Gerichte, backen mit ihren Gästen, zu Hause mit ihren Freunden und teilen ihre Ergebnisse in den sozialen Medien mit den Followern. Über 1 Million Pfund sind dadurch bereits für Unicef gesammelt worden. Für ihr Engagement wurde Olia Hercules von der britischen VOGUE im August als eine der 25 einflussreichsten Frauen ausgezeichnet.
"Das hat meinen Glauben an die Menschheit gestärkt", sagt Olia Hercules über diese überwältigende Resonanz. "Auch wenn die Ukraine frei ist, werde ich meinen Aktivismus nicht aufgeben. Ich bin ein anderer Mensch geworden."

Dieses Buch hieß in seiner Erstauflage Mamuschka und wurde von dem Verlag DK (Dorling Kindersley) anlässlich der weltpolitischen Ereignisse im Sommer neu aufgelegt mit dem neuen Titel Mamusia. Von seinem Erlös gehen nun 4 Euro an ein ukrainisches Hilfeprojekt von der Autorin ausgewählt, in Deutschland an die Ukraine-Hilfe Berlin e. V. – an die man natürlich auch ohne Buchkauf gerne spenden darf.

„Mamusia”
Autorin: Olia Hercules
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4612-6

2022-11-28

Rezension: La Vita È Dolce von Letitia Clark

La Vita È Dolce – das Leben ist süß – ist ein Traum von einem Buch für alle Italienfans und natürlich für alle Menschen, die die Schönheit und Freude, die Desserts, Torten, Kekse und Gelato in unser Leben bringen können als solche erkannt haben und mit geöffneten Händen, Augen, Nasen und Mündern begeistert in ihr Leben lassen. Letitia Clark beschreibt das sehr treffend mit den Worten „Es lässt sich nicht leugnen, dass jeder Tag dazu gewinnt, wenn man weiß, dass man irgendwo in einem Schrank, einer Dose oder im Kühlschrank etwas zum Naschen finden kann.”

Und wer nun doch gleich wieder die Stirn runzelt und an die allzeit gegenwärtigen Gefahren des Zuckergenusses erinnern möchte, dem möchte ich die klugen Worte von Letitias Freundin Cecilia aus Neapel gleich noch hinterher zitieren: „Weißt Du, Letitia, das, was du gern magst, wird in kleinen Mengen auch guttun.”
Italien ist das Land, das der Passeggiata frönt. Die Italiener nehmen sich am Nachmittag die Zeit und genießen bei einem kleinen Spaziergang durch die Stadt oder entlang des Lungomare, der natürlich zufällig immer vorher an einer Gelatteria oder Pasticceria vorbei führt, etwas zartes Süßes auf die Hand. Man trifft sich, genießt den Sonnenschein, hält ein Schwätzchen mit den Nachbarn und genießt dabei ein Eis, Cannoli oder Zeppole, denn: La Vita è dolce! Dieser charmanten Leidenschaft ist dieses Buch gewidmet. Vielleicht wären wir hierzulande weniger verkniffen unterwegs, würden wir einer Passeggiata viel öfter in unseren Wochenalltag Einlass gewähren – und nicht nur auf den Sonntagsspaziergang vereinzeln?

Es ist ein kleines sehr intensives Studium der italienischen Dolci, dieses wunderschöne Buch mit zahlreichen Anekdoten. Die Autorin, gebürtige Britin und 2017 nach Sardinien ausgewandert, hat dabei den perfekten Blick dafür, welche Informationen für Menschen, die nicht die italienische Küche mit der Muttermilch aufnehmen durften, so wichtig sind und welche kleinen Geheimnisse sie sich erst noch erarbeiten müssen.

Letitia Clark lässt keine Hilfestellung aus, sie erklärt die Basis-Rezeptur sei es für die zarten Mürbeteigtartes, die karamellisierte Zitrus-Crostata oder Biskuit-Torten (Torta ricotta e pere),
Biscotti (Cannolli), Hefegebäck – gebacken oder frittiert, wie die wundervollen Chiacchiere: Natürlich fehlen die Rezepte für Gelato (Schoko-Toffee-Eis mit Mascarpone) nicht und für Dolci al cuchiaio – alles wofür man ein Löffelchen benötigt (Cappucino-Pannacotta mit Espressokaramell).

Man versteht endlich, warum es in italienischen Salumerien immer auch Manitobamehl gibt, wann man besser auf Mehl Tipo 0 oder 00 zurückgreift. Dass eine perfekte Pannacotta an das sanfte Wackeln der Brüste zu erinnern hat. Ach und Ricotta, wirklich: Ricotta ist doch so viel mehr als immer nur eine Ravioli-Füllung!
Ich liebe zum Beispiel ein Foto zu ihrem Tiramisu-Rezept. FÜNF Schichten Löffelbiskuit und Mascarpone! Mit den Fotos im Buch hat mich der Verlag sowieso bekommen: Available Light-Fotografie schmeichelt der rustikalen Stilistik im Foodstyling - ach, wie sehr schätze ich einen ordentlichen harteen HighNoon-Schattenwurf auf ungebügelter Tischdecke. Echte Lebendigkeit und der landestypische italienische Purismus wird beibehalten, ich mag das sehr. Habe mich übrigens auch schon dabei erlebt, wie den sehr schönen edel geprägten Einband streichele, in La Vita È Dolce steckt spürbar viel Liebe.
„Cantuccini, Cannoli & Cassata – die Welt der italienischen Süßspeisen” ist übrigens der Untertitel und ich fühl(t)e mich berufen für euch das Rezept der Cantuccini zu backen und mich euch zu teilen. Andiamo!

Wie uns Letitia erklärt, wird das Wort „Cantuccio” (verborgener Winkel, Ecke) gerne umgangssprachlich verwendet für Brot mit viel Kruste, also das, was wir in z. B. Berlin gerne einen „Kanten” nennen. Dieses Gebäck aus der Toskana ist wirklich einfach zuzubereiten – schmeckt den ganzen Tag über und hat das Talent einen Hunger auf Süßes sehr schnell unkompliziert zu bedienen, denn sie sind so herrlich haltbar und stehen daher immer zur Verfügung in ihrer Einfachheit!

Praktisch übrigens: Man kann den Teig komplett mit den Händen verarbeiten. Ich habe ihr Rezept auf 500 Gramm Mehl hochgerechnet. Aus Gründen.

Ach ja: Letitia hat hier – als eben nicht gebürtige Italienerin – untypisch das Cantuccini-Rezept mit blanchierten Mandeln verfasst. Nach meiner Recherche kenne ich nur Rezepte von Italiener*innen mit unblanchierten Mandlen, sie werden lediglich vorher im Ofen geröstet. Und nur wenn deutsche Bäcker*innen sich an Cantuccini versuchen, müssen die Mandeln plötzlich blanchiert sein.

Entscheidet es selbst. Ich halte es mit den Italiener*innen, nehme Mandeln mit Schale und röste sie vorher in der Pfanne. Die Mandeln sind nachher in den Cantuccini versteckt, es ist ihnen egal, wie sie aussehen – und im Zweifelsfall gilt auch hier wie immer: Womöglich steckt in der Schale das geschmackliche Gold?

Zutaten

500 g Mehl (Tipo 00, ersatzweise 405)
3 Eier ((ein Eigelb zum Bestreichen)
200 g Zucker
100 g weiche Butter
200 g Mandeln
Schale einer abgeriebenen Orange (ersatzweise Zitrone)
1 kleines Gläschen Marsala (ersatzweise Amaretto, non-alcohol: 5-6 Tropfen Bittermandelöl)
1 Prise Salz
1 TL Backpulver

Zubereitung

Den Ofen auf 170 Grad Ober-/Unterhitze erhitzen und die Mandeln 8-10 Minuten rösten, herausnehmen und abkühlen lassen. Den Ofen nun auf 180 Grad (150 Grad Umluft) stellen

Das Mehl mit dem Salz und Backpulver sieben und beiseite stellen.

Die Eier, geriebene Orangenschale, Marsala in eine Schüssel geben und verquirlen, die Butter zerlassen und hinzugeben, alles mischen. (Ich zerlasse die Butter nicht wie Letizia, gebe alle Zutaten [außer Mehl] in eine Schüssel und vermenge alles mit den Händen.) Nach und nach das Mehl mit den Händen hinzu geben und unterkneten, das macht alleine schon so eine duftende Freude, wie sich der Teig unter den Händen verändert.

Bekommt der Teig langsam die festere Konsistenz, dann die Mandeln hinzugeben und zwar mit einer Hand voll Mehl auf ihnen. Damit die Mandeln leicht umstäuben bevor sie in den Teig geknetet werden.

Tipp: Das Mehl um die Mandeln gelegt sorgt dafür, dass die Mandeln beim Backen nicht auf den Boden sinken! Den Tipp kann man sich auch für Clafoutis, Stollen etc. merken. Ein Hauch Mehl oder Speisestärke um die Früchte bewirkt schwebende Wunder.

Den Teig zu einer großen Rolle formen, davon vier Teile abstechen und diese zu Rollen formen, die ca. 4-5 cm dick sind und ungefähr so lang, wie sie auf ein Backblech passen. Alle Rollen mit etwas Abstand auf das Backblech (auf Backpapier) legen und mit dem einen verquirlten Eigelb bestreichen. (Habe ich übrigens, wie man auf den Fotos perfekt sehen kann, vergessen!)

Das Besondere an Cantuccini ist, dass sie, wie Zwieback oder Friselle, doppelt gebacken werden.
In der ersten Runde backen wir sie bei 180 Grad Ober- und Unterhitze (150 Grad Umluft) 30 Minuten. Dann aus dem Backofen nehmen, etwas abkühlen lassen und in leicht schräge Scheiben schneiden. Nochmals im Ofen bei gleicher Temperatur ca. 10-15 Minuten backen. Wie lange, das entscheiden die Bäcker*innen je nachdem wie knusprig und dunkel die Cantuccini werden sollen.

Luftdicht verpackt halten sie theoretisch ewig lang. Tun sie aber nicht. Aus Gründen. Schon gar nicht, wenn sie auf ein Glas Vino Santo treffen. Oder einen Caffè oder …

Ach gönnt euch dieses Buch! Es hat das Zeug zu einem italienischen Dolce-Klassiker.

„La Vita È Dolce”
Autorin: Letitia Clark
Verlag: Dorling Kindersley Verlag (DK)
ISBN: 978-3-8310-4341-5

2022-07-22

Rezension: Der Tag war groß – eine Reise durch die Nacht

… von Gina Ruck-Pauquèt mit (wunderschönen) Bildern von Ulrike Mühlhoff.

Ganz klar: Dieses Einschlafbuch besticht durch seine wunderschönen Illustrationen! Sie sind einmalig reich und zart gezeichnet und eine große Freude – auch für mich als Erwachsene! Ein kleines Kind träumt sich mit seinem Kuscheltier, einem Zebra, in einer Nussschale auf einen Fluss durch die Nacht und begegnet dabei in der farblichen Haptik der blauen Stunde vielen zauberhaften Wesen – bis alle gemeinsam einschlafen. Begleitet wird diese Reise von den poetischen kurzen Texten „Es reisen Enten und ein Schwan … sie brauchen aber keinen Kahn.

Das Hardcover-Buch im Großformat lässt Kinder ab drei Jahren ganz viel erleben – mit der Gewissheit, dass auch der kommende Tag ganz wundervoll werden wird. Unvergesslich schön!

„Der Tag war groß”
Autorin: Gina Ruck-Pauquét und Ulrike Mühlhoff
Verlag: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-649-61508-8

2022-07-11

Rezension: Die Geschichte von Bodri von Hédi Fried

Bodri ist der Hund der Kindheit von Hédi und Livia. Der beste Freund und Beschützer der Geschwisterkinder, die in Rumänien geboren werden. 1944 wird die Familie in die Konzentrationslager nach Ausschwitz und Bergen-Belsen deportiert. In Ausschwitz werden ihre Eltern ermordet. Der Gedanke an Brodi trägt Hédi über diese grausame Zeit des Holocausts.

„Die Geschichte von Bodri” (Original: „Historien om Bodri”) vermittelt in kurzer Form und sehr einfacher Sprache das Erleben eines jüdischen Kindes dieser fürchterliche Verbrechen in der Zeit der Nazi-Diktatur. Sie erzählt, verurteilt dabei aber nie. Es ist kein Buch, das man einem Kind einfach geben kann. Dieses Buch liest man gemeinsam mit den den Kindern und Erwachsene sollten es nicht ohne eigene Vorbereitung verschenken. Hierbei hilft übrigens vorbereitend das Nachwort für Erwachsene von Dr. Margret Karsch, das mögliche Fragen der Kinder vorab in den Raum wirft. Daher: Ruhig dieses Buch zuerst von hinten lesen – als großer Mensch. So kurz aber eindringlich ist wohl selten das Erleben eines Opfern im Holocaust dargestellt worden. Die plakativen Zeichnungen von Stine Wirsèn unterstreichen die Wirkung des einfaches Textes. Empfohlen wird „Die Geschichte von Bodri” für Kinder ab acht Jahren.

Hédi Fried kam gemeinsam mit ihrer Schwester nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen nach Stockholm, hier lebt sie auch heute noch, schreibt und unterstützt im „Café84” Überlebende der Shoa. Die dreifache Mutter arbeitete als Psychologin und Therapeutin, hatte mehrere Bücher über den Holocaust geschrieben, dieses hier ist ihr erstes Bilderbuch. Auch dieses Buch mit dem Blick darauf, so ein Grauen in Zukunft zu verhindern und immer mit der Mahnung, dass Menschen so viel Böses aber auch so viel Gutes tun können. Denn, so Hédi Fried: „Wir haben alle die Wahl. Wir können das Gute wählen.”

Eine Empfehlung!

Die Geschichte von Bodri
Autorin: Hédi Fried
Verlag: BOHEM
ISBN: 978-3-95939-203-7

2022-07-10

Rezension: Der kleine Raubdrache von Dagmar H. Mueller

Oder: Das vorschriftsmäßige Rauben von Prinzessinnen. (<– verlinkte Leseprobe)

Aufruhr in der traditionellen Prinzessinnen-Drachen-Prinzen-Welt! Was machste eigentlich, wenn die vom Drachen entführte Prinzessin von vorneherein am Mut des Prinzen, der sie befreien soll, zweifelt? Und was passiert, wenn Prinzessin Caramella (von Tiefentauch und Perlensee) gar nicht dem üblichen Prinzessinnenentwurf – wie Prinzessin Poppy es tut, nämlich hübsch, niedlich, brav und unauffällig zu sein – entsprechen möchte? Sondern viel lieber vorlaut, frech und ganz gesund eigensinnig ist? Und sie generell Befreiungen von Prinzen für eher überflüssig findet? Weil sie sich viel lieber bei den Drachen häuslich einrichtet?

Und was geschieht mit einer Geschichte, in der der Prinz, der entführte Prinzessinnen im Kampf mit dem Drachen lieber nicht befreien will? Weil wirklich einfach nicht mutig genug? Und die Aussicht, aus sich gegebenenfalls Lakritzeintopf machen zu lassen, eher unattraktiv findet? Und schlussendlich, was passiert mit allen Prinzessinnen-Drachen-Geschichten, wenn die Drachen eine Sinneskrise bekommen und überhaupt keinen Sinn mehr darin erkennen können, Prinzessinnen zu entführen? Weil sie am Ende nur vom Prinzen eine auf die Nase zu bekommen, um schlussendlich verkloppt dafür ohne Prinzessin immer als Verlierer der Geschichte darstehen? Solche sicheren Aussichten lassen sogar einen Drachenlehrling an der Autorität des Drachenlehrers zweifeln.

Ja, Feuer, Qualm und Schuppendreck – dann haste den Salat! Denn dann helfen dem kleinen Raubdrachen oder Prinzen nämlich auch die ganzen Ratgeber und Handbücher wie „Das vorschriftsmäßige Leben mit Prinzessinnen” oder „Das vorschriftsmäßige Kämpfen mit Drachen” so gar nicht mehr weiter. Die Welt steht einfach Kopf! Und das liest sich nicht nur für Kinder ab fünf Jahren, sondern auch für Erwachsene Mitte 50 ganz entzückend weg, kann ich persönlich bestätigen! Die Illustrationen zum Buch von Sabine Rothmund mag ich auch sehr sehr gerne (große Liebe für die Rattinchen.)

Dieses Buch räumt sehr charmant mit doofen Rollenklisches auf. Tolles Buch! Verschenkt das mal!

„Der kleine Raubdrache – Das vorschriftsmäßige Rauben von Prinzessinnen”
Autorin: Dagmar H. Müller
Verlag: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-649-63612-0

2021-04-22

Rezension: Kommissar Duval „Lange Schatten über der Côte d'Azur”

Mit „Lange Schatten über der Côte D’Azur” ermittelt Kommissar Léon Duval im achten Kriminalroman der deutschen Schriftstellerin Christine Cazon, der in diesen Tagen neu erschienen ist.

Léon Duval findet sich auf dem großen Friedhof „Le Grand Jas” in Cannes wieder. Der vor einigen Tagen aufgefundene Leichnam liegt längst in der Kühlung und Duval nutzt pragmatisch seine Ermittlungen vor Ort, um gleich ein paar bürokratische Änderungen in eigener Familiensache vorzunehmen.

„Allen Getöteten, allen Überlebenden” – lautet die tiefsinnige Widmung im neuen Krimi von Christine Cazon und sie bekommt im Laufe des Buches eine viel tiefere Bedeutung als man bei der ersten Kenntnisnahme sich vorstellen kann. Duval ermittelt mit seinem Team weit zurück in die dunkle Zeit der Wehrmacht, der französischen Résistance und muss sich im Speziellen mit dem Thema der Kollaboration der französischen Polizei mit den Deutschen im Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen.

Der getötete junge Mann, im jüdischen Teil des Friedhofs aufgefunden, war selbst Jude, ein vermeintlicher Kunsträuber – und die Tatsache, dass man ihn auf einem Grab findet, in dem nie jemand bestattet wurde, macht Duval das Ermittlungsleben auch nicht leichter. Während die Untersuchungen wie üblich von oben erschwert werden, weil man das Fass Judendeportation durch die eigenen Kollegen im letzten Jahrhundert nicht gerne aufgemacht sieht, entwickelt sich die Geschichte schlussendlich über die Verbindungen zweier Familien und einen Mordfall später in eine ganz neue Richtung.

Währenddessen hilft Duvals Lebenspartnerin Annie ihm mit eigenen Ermittlungen auf die Sprünge und zwingt ihm mehr Beschäftigung mit seiner jüngsten Tochter im Babyalter ab, als ihm lieb ist.

Soviel zum Inhalt. Ich bin dieses Mal nicht ganz begeistert vom Buch, aus Gründen. Mir ist im Buch zu viel Klischee behandelt, immer nur gestriffen, weil man es halt heute thematisieren sollte. Vorzugsweise passiert es in den Dialogen von Duvals Team. Aber einen echten Mehrwert gibt es in den Streitigkeiten nicht zu erlesen, wenn sich Leroc und Villiers zu den Themen Sexismus, Rassismus oder queeres Leben abarbeiten. Zu bemüht, zu wenig inhaltliche Substanz, die das Bemühen rechtfertigt.

Mein zweite Problem mit dem Krimi: Wer bei diesem Krimi erstmals in die Reihe der Duval-Krimis einsteigt, wird nicht verstehen können, worin der besondere Charme des Hauptprotagonisten Kommissar Duval tatsächlich liegt, dass man ihm eine achte Ausgabe widmen wollte. Man erliest sich das Tagwerk eines grummeligen, übermüdeten Mannes, der mit seiner erneuten Vaterschaft nur hadert und dem übel wird, wenn er auch nur einmal die Windel seiner Tochter wechseln soll (Bitte?!). Der Satz im Vorwort „… Freundin Annie hat Probleme, Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen” umschreibt ziemlich klar, welche Einstellung hier gelebt wird – und mich seine Figur dieses Mal sehr ablehnen lässt. Seine Lebensgefährtin hätte diese „Probleme” gar nicht, würde er sich wie ein moderner Vater verhalten und mit seiner Freundin den Alltag gleichberechtigt gestalten. Mein gleichberechtigtes Ich will so etwas nicht mehr lesen müssen. (Jedenfalls nicht in einem Werk, dessen Erstauflage 2021 erschienen ist.) Ach, würde sich Duval doch auch etwas entwicklen und neu gestalten können! Das ist alles nicht neu, noch interessant, noch weltbewegend. Was schade ist, weil man z. B. junge Leser mit dieser Figur kaum noch begeistern können wird.

Sehr gelungen sind die vielen Ausflüge und Beschreibungen des riesengroßen Cimetière Le Grand Jas mit seinen vielen Unterabteilungen und immer einen Blick auf das Meer. Ihm einen Besuch abzustatten bei einem nächsten Besuch in Cannes, ist für mich beschlossene Sache! Ach … und überhaupt … dieses Frankreich! Und ja … die Familiengeschichten dieser besonders schrecklichen Zeit haben es in sich und zeigen, wie sehr das Schweigen der Menschen über die damalige Zeit bis ins Heute noch Schaden anrichten können. So viele offene Fragen!

Schlussendlich legt dieser Kriminalroman den Finger in die sehr große Wunde, die heute (noch oder wieder) all zu gerne in vielen Ländern Europas unter den Tisch gekehrt wird. Oft wurde – zumindest in den Anfängen des Krieges – mit den Deutschen gemeinsame Sache gemacht beim Thema Judenverfolgung. Nicht nur in Italien. Auch in Frankreich.

Und überhaupt, so schön mal wieder in Frankreich gewesen zu sein!

„Lange Schatten der Côte d'Azur
Autorin: Christine Cazon
Verlag: Verlag Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-00116-7

Blog der Autorin Christine Cazon

2020-11-30

Rezension: Die Kunst des Foodpairing Peter Coucquyt, Bernhard Lahousse, Johan Langebick

Dieses Buch ist der Wahnsinn. Oder seine Autoren sind wahnsinnig. Die Kunst des Foodpairing spielt in einer Liga der Kochliteratur, die ihresgleichen sucht. Und wer der Kochkunst persönlich mit Wahnsinn begegnet, wer sich beim Thema Essen chemisch aber auch philosophisch in höhere Sphären begeben möchte, dem sei dieses besondere Buch wirklich ans Herz gelegt. Ich fürchte nur, dass hinterher im Kochleben einiges verrückt sein dürfte – verrückt in seiner psychischen als auch geographischen Bedeutung.

„Grün und Blau, trägt (schmückt) die Sau.” Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Kleidungsstil sich von Konventionen einengen ließ. Es gab Farbkombinationen, die galten generell als verpönt.

Das ist heute glücklicherweise anders. Getragen wird, was einem gefällt und wonach einem der Sinn steht. Der französische Staatspräsident hat den braunen Schuh zum blauen Anzug salonfähig gemacht. Und auch rothaarige Menschen tragen heute die Farben, die ihnen gefallen ohne ständig im gesund-konträren Grün erscheinen zu müssen, weil Grün halt „so gut” zur Haarfarbe passt.

Alles geht, nichts muss.

So ähnlich verhält es sich mittlerweile auch in der Geschmackswelt. Wild wird gemischt, was man früher niemals in einem Kochgefäss zur gleichen Zeit zusammen gerührt hätte. Die Globalisierung hat uns unsere Küchenwelt viel weiter göffnet, unsere Geschmacksnerven sich entwickeln lassen. Und Mut zugesprochen, neue Kombinationen von Zutaten ermöglicht und aufgezeigt, dass andere, ungewöhnliche Gewürzkombinationen an alten Hauptzutaten, z. B. einem Fleischgericht eine völlig neue Grandessa auf dem Teller erlauben. Unendliche Weiten …

Wann hatte das eigentlich angefangen? Als ich Grundschulkind war, hatte ich eine Schulfreundin, deren Papa aus dem Irak kam. Er war der Kochmann zu Hause und oft war ich nach der Schule zum Essen eingeladen und lernte dort schon mit sieben oder acht Jahren, dass Zimt nicht nur in den weihnachtlichen Keks oder an das Apfelkompott gehört, sondern auch dem Hackfleisch (oft gemeinsam mit Okraschoten und Tomaten geschmort) geschmacklich eine fantastische Geschmacksnuance mit auf den Weg gibt. Sich deutlich unterscheidend von der Bolognese meiner Mutter, bei der es das Hackfleisch lediglich mit viel getrocknetem Oregano an Spaghetti Bolognese gab. (Was man damals sich unter Spaghetti Bolognese hierzulande vorstellte.) Von dieser kindlichen sehr glücklichen Geschmackserfahrung mit Zimt als vollständiges Gewürz profitiere ich heute noch. Ich habe damals wahnsinnig gerne bei dieser Familie gegessen und dem Papa beim Kochen zugeschaut, dem Duft mir unbekannter Gewürze (Arabischer Pfeffer) vertraut.

Als ich das erste Mal Mitte der Neunziger Jahre mit einem stärkeren Blick in die französische Küche (ich liebte es, wenn deutsche TV-Köche französische Gerichte kochten) erlebte, wie – ich glaube, es war Witzigmann – zum Entenbrustfilet eine Sauce aus Sauerkirschen serviert wurde, war das für so manch einem deutschen Gaumen ein mittelgroßer Skandal. Aber Frucht, auch süßlich, am Fleisch, das war für mich vom ersten Moment an eine absolut logische Kombination. Und wie viel weiter hat sich in den letzten Jahrzehnten unsere Experimentierfreudigkeit in der Küche entwickelt?

Foodpairing.com

Das Unternehmen foodpairing hat sich zur Aufgabe gemacht, Hauptzutaten, Gewürze in differenzierten Garprozessen zu analysieren und mit Hilfe dieser Prozesse ganz neue Zusammenführungen einzelner Zutaten zu entwickeln – und zu dokumentieren. Herausgekommen ist dabei die größte Aroma-Datenbank der Welt, basierend auf mittlerweile über 3000 Zutaten. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht. So gibt es zu jeder dieser 3000 Zutaten ein eigenes Aromaprofil, das auf logische Weise die passenden Sparingspartner finden lässt – und Kombinationen generiert, auf die man alleine hätte kaum kommen können. Dem Fachwissen von Foodpairing vertrauen heute weltweit schon eine halbe Million Köche, Bartender und Barista sowie Industrieproduktionsunternehmen. Die drei Gründer Bernard Lahousse (Ingenieur), Peter Coucquyt (Koch und Sommelier) und Johan Langenbick (Industriedesigner) haben sich gefunden und sind mit der Idee, das verschiedene Zutaten durchaus aromatische Verbindungen haben, in dieses große Abenteuer der Aroma-Analyse gestartet. Nach nun über zehn Jahren Forschung und Entwicklung haben sie dieses großartige Verzeichnis in Buchform heraus gebracht, das sich wie ein kulinarischer Krimi liest – obwohl es gänzlich abstrakt aufbereitet ist.

Der Geschichte des Die Kunst des Foodpairing ist ein Vorwort von Heston Blumenthal vorangestellt, Chefkoch im „The Fat Duck”, der 3-Michelin-Sterne hält. Er bekennt sich dazu, dass er mithilfe von Foodpairing seine eigene Kreativität in der Küche viel weiter entwickeln konnte.

Dieses erste Kapitel sorgt für ein DéjaVù unseres Chemieunterricht. Dieses Mal recht kurzweilig. Wir begegnen flüchtigen organischen Verbindungen, Molekülen oder Schlüsselduftstoffen, ohne dass es sich allzu wissenschaftlich abgehoben liest. Interessant in diesem Buchteil ist die physiologische Erklärung, wie Geruch und Geschmack gemeinsam funktionieren – auch ein Laie versteht nun, warum ein Sommelier merkwürdige Mundbewegungen beim Verkosten macht. Gefolgt von der eigenen Aromabibliothek wird deutlich, wie subjektiv geschmeckt wird und wie man mit Übung der eigenen Geschmack-Sensorik sich völlig neue Welten erarbeiten kann.

Ich ziehe meinen Hut vor dieser fantastischen Fleißarbeit!

Denn schon steigen wir LeserInnen ein in die wundersame Welt des Foodpairings. Dabei helfen die Aromaräder. Die einzelne Schlüssselingredienz wird farblich gecodet ihren 70 Aromadeskriptoren und 14 Aromatypen zugeordnet. Am Beispiel des Pilsner Bieres ist hier die immense Dimension visuell herausgestellt, die ein Bier geschmacklich abbilden kann. Andere Aromaräder erscheinen deutlich eintöniger. Ich als Nichtbiertrinkerin habe erstmals die große gustatorische Macht eines Bieres begriffen. Dem Aromarad vorangestellt, werden die einzelnen Zutaten in ihrer natürlichen Entstehung, chemischen Produktion und typischen Einsatzgebieten (z. B. Chilis in der Peruanischen Küche). Hier und da kommen namhafte Köcher zu Wort und verraten einige ihrer besonderen Zusammenstellungen – ein echtes Rezeptebuch ist Die Kunst des Foodpairing dabei allerdings an keiner Stelle.

Nachfolgend der Aromaräder gibt es unzählig viele Kombinationsraster, die visuell klare Geschmacksdominanz der Ingredienzen (in unterschiedlichen Zuständen) in Kombinationen an Fleisch, Käse oder Früchten präsentieren – dabei aber auch unterschiedliche Texturen reflektieren.

Korianderblätter an Edamame lassen diese Bohnen geschmacklich kräftiger erleben, während sie zu Möhren diesen deutlich mehr Frische im Geschmack verleihen. Ananassaft an Matcha hebt dessen Karamellnoten hervor. Kardamom vermittelt den Nordseekraben eine zitrusartige Note, ganz ohne den Einsatz von Zitrusfrucht und so weiter, so unendlich weiter. Das Verzeichnis der Zutaten am Ende des Buches umfasst alleine 14 Seiten – um die umfangreiche Dimension der in Foodpairing aufgezeigten Kombinationen zu verdeutlichen.

Kommen wir noch einmal zurück zum Barista. Jeder, der schon einmal einer Kaffeeverkostung beiwohnen durfte, weiß, wie sehr unterschiedlich Kaffee bei unterschiedlichen Temperaturen schmeckt und wie differenziert Speisen zum Kaffee schmecken – ob Schokolade, Brot, Kuchen. Kaffeebohnen unterschiedlicher Sorten, ihr Röstgrad, Brühmethode, Temperatur beim Trinken – alle Varianten wirken auf den Geschmack ein. Und zack – eröffnet sich selbst für den normalsterblichen Kaffeekonsumenten eine völlig neue geschmackliche Weite!

Am Beispiel Kaffee wurde überlegt, da sein Aromaprofil – viele karamellartige, käsig-butterige und auch fruchtige Aromastoffe – sehr ähnlich dem braunen Bratensatz vom Kalbsfond ist – ob man dann aus Kaffee nicht eine vegane Variante zum Rinder- oder Kalbsfond machen kann? Die Antwort gibt das Buch: Kann man! Mit etwas Doengjang (koreanische fermentierte Sojabohnenpaste) oder Sojasauce. Wie schnell steht man da selber als LeserIn am Herd und probiert es selber aus?

Vermutlich ist dieses Buch nicht komplett auszulesen, denn man möchte wirklich immer gleich testen, kombinieren, ausrobieren und experimentieren – und vor allem schmecken. Darüber kann man bei der schieren Menge der hier in Foodpairing aufgezeigten Möglichkeiten relativ alt werden. Wer sich, seiner Geschmackswelt, seiner Kocherfahrung neue Erlebnisse schenken möchte, die eigene Urteilsfähigkeit schulen möchte, Essen neu erleben möchte – dem sei dieses wunderschöne Grundwerk unbedingt für Bibliothek empfohlen.

Immerhin 10 000 Geschmacks- und Aromakombinationen stellt uns für den Anfang Foodparing vor. Wie ich oben schon anmerkte, das Buch ist der Wahnsinn!

„Die Kunst des Foodparing
Autoren: Bernard Lahousse, Peter Coucquyt und Johan Langenbick
Verlag: ZS Verlag
ISBN: 978-3-96584-072-0

2020-11-26

Rezension: Welcher Pilz ist das? (Kosmos Kindernaturführer)

Ich habe in den letzten Jahren das Pilzsammeln für mich entdeckt. Die neu entfachte Wanderlust führt natürlich dazu, dass man plötzlich öfter im Gehölz über die hübschen und teilweise sogar essbaren kleinen Waldbewohner stolpert. Und da sich eine meiner liebgewonnenen Wanderbegleitungen mit den Pilzen hervorragend auskennt, bleibt es nicht aus, dass man sich zur Saison mehr zum Pilzesuchen als zum Wandern verabredet.

Dies führt selbstverständlich auch dazu, dass sich mein Leseinteresse zwecks Pilzkundebildung auf die hiesige Fachliteratur der Funguswelt richtet. Und einige Exemplare möchte ich in der nächsten Zeit hier vorstellen, mir geht es sicher nicht alleine so. Und Pilzbücher sind für Neuinteressierte, wie mich, sicherlich eine feine Geschenkidee.

Fangen wir an mit einem meiner absoluten Lieblinge: Dem Pilzführer „Welcher Pilz ist das?” aus dem Kosmos Verlag, der mit seinen Kindernaturführern wirklich tolle Bücher im Programm führt, die Kindern aller Altersklassen die Natur entdecken hilft. Mit dem gleichen Titel gibt es im Kosmos Verlag noch einen Pilzführer, der sich an die Erwachsenen richtet. Aber ganz ehrlich, dieses Buch hier machte mir selber als Große zum Einstieg die allermeiste Freude. Es lohnt sich absolut, hier noch einmal Kind zu sein – denn im Buch wird der Spezies Pilz viel experimentierfreudiger begegnet als in den Pilzverzeichnissen der Erwachsenen – und das tut so einer erwachsenen Seele auch sehr gut!

Geschrieben ist das Taschenbuch von Bärbel Oftring, die Diplom-Biolgin ist und über 150 Sachbücher, insbesondere für kleine Naturentdecker, schon geschrieben hat und zudem Lektorin für Sachbuchliteratur ist. Als Illustratorin ist Tanja Böhning die kreative Autorin dieses Buches, sie hat die wundervollen Pilzzeichnungen beigesteuert.

Im Buch werden 85 heimische Pilzarten vorgestellt, wobei gleich auf der ersten Umschlagseite den essbaren Exemplaren ihre giftigen Doppelgänger gegenüber gestellt werden. Ohne den Kindern Angst zu machen, werden sie darauf aufmerksam gemacht, dass beim Thema Pilz durchaus auch etwas im Busch sein kann. Auf den weiteren Umschlagseite wird die Pilzwelt unterschieden zwischen Röhren-, Lamellenpilze und den Pilzen, die mit ihrer Form komplett aus dem Rahmen fallen, beispielsweise die Krause Glucke. In der Rubrik andere Pilze begegnen die kleinen Leser aber auch dem Echten Rosentaupilz über den unappetitlichen Brotschimmelpilz bis hin zum Backhefepilz vielen Pilzarten, die sich der üblichen Pilzdarstellung im Wald entziehen. Da wird die Welt des Soors gleich größer. Abschließend werden ein Teil der Pilze nach den Jahreszeiten ihres Erscheines sortiert dargestellt. Die einzelnen Pilzsorten sind farblich codiert, so dass man beim Beobachten in der Natur sehr schnell weiß, wo man in etwa im Buch aufgrund der äußeren Merkmale nach ihnen suchen kann. Im Innern des Buches hat jeder der Pilze seine eigene Seite, auf der er mit seinem Aussehen, Wuchs, bevorzugten Aufenthaltsort und seinen besonderen Bestimmungsmerkmale, vor allem im Vergleich zu ähnlichen Pilzarten, vorgestellt wird. Ob Pilze essbar, nicht essbar oder giftig bis sehr giftig sind, signalisieren kleine Icons. Ähnlich ist auch der Lebensraum der Pilze bildlich gecodet, also ob man ihn im Nadel-, Laub-, Mischwald oder eher auf Wiesen findet.

Die Größenangaben stehen ebenso zu jedem Pilz vermerkt und super praktisch dabei ist auf jeder Seite unten eine Zeitskala, in welchen Monaten dieser Pilz üblicherweise zu finden ist. Dabei ist die Timeline nämlich zentimeterweise abgebildet – so haben die NaturentdeckerInnen prompt auf jeder Seite auch ein Zentimetermaß, um die Größe des Pilzfundes gleich vor Ort bestimmen zu können. Dieses kleine hilfreiche Feature finde ich persönlich echt super! Und dann geht es ans Eingemachte, jedem tollen Pilznamen steht auch die lateinische Bezeichnung daneben. Und das ist schon ein großer Spaß, sich mit Kindern über Pilzbezeichnungen auszutauschen – funktioniert ja auch bei den Erwachsenen immer wieder. Die Pilze werden selber immer als Zeichnungen präsentiert in denen die jeweiligen Merkmale gut heraus gestellt sind, hier und da werden den Pilzen auch Fotos gegönnt. Manchmal erfährt man, warum Pilze ihren Namen erhalten haben.

Zu den essbaren Pilzen gibt es Verwertungstipps. Da habe ich z. B. gelernt, dass für die sich nach Berührung blau färbenden Stellen am Flockenstieligen Hexen-Röhrling die im Pilz enthaltene Variegatsäure verantwortlich ist, die auf Sauerstoff reagiert und dass sich diese Verfärbung bei Kontakt mit Essig bzw. beim Kochen wieder zurückfärbt. Hat mir bisher keines der Pilzbücher für Erwachsene erklärt. Und ja, natürlich habe ich das dann sofort zu Hause ausprobieren müssen.

Der Spaßfaktor ist auch für den Erwachsenen durchaus hoch bei diesem Kinderbuch. Super finde ich auch den Tipp, dass man beim zerfließenden – von mir immer etwas als eklig empfundenen – Schopf-Tintling (lat. Coprinus comatus, ich liebe es!) durchaus dessen Verwesungsflüssigkeit einsammeln sollte und mit Arabischem Gummi aus der Apotheke vermengt als echte Tinte aufbereiten kann. Mit dem Pilz wurde nämlich früher tatsächlich geschrieben! Auch dieses Fachwissen haben mir die Bücher für die Großen bisher verweigert. Wusstet Ihr, dass Eichhörnchen den für uns nun wirklich den Tod bringenden Grünen Knollenblätterpilz problemlos essen können?

Und es gibt tolle Experimentiertipps (Geruchsbestimmung, Sporenbilder) – also mit dem Buch hat man auch nach dem Sammeln noch viel Freude, wobei am Ende das Verzeichnis der hiesigen Pilzgiftnotrufzentralen die Komplexität des aufmerksamen Pilzsammelns noch einmal verdeutlicht.

Also über das Buch freuen sich wirklich nicht nur Kinder. Ich habe als Pilzsammeleinsteigerin oft einen Nutzen für mich entdecken können. Dieses kleine intelligente Buch, vielleicht mit einem Pilzmesser – oder einem Pilzaufzuchtset, wie man sie mittlerweile für viele Speisepilze erhält – eignet sich als Geschenk für junge Naturinteressierte jeden Alters hervorragend.

„Welcher Pilz ist das?” Kosmos Kindernaturführer
Autorinnen: Bärbel Oftring und Tanja Böhning
Verlag: Kosmos Verlag
ISBN: 9-783440-160367