Ich bin Fan! Diese Frau gibt mir viel Zuvertrauen in einen sehr großen Teil unserer heutigen Jugend – und ich liebe es so ganz nebenbei ihr dabei zuzusehen, wie absolut souverän und extrem eloquent sie in der Öffentlichkeit auftritt.
Das öffentliche Auftreten von ihr und anderen dieser jungen Aktivisten generell, habt Ihr auch zur Kenntnis genommen wie sehr souverän sie und andere junge Leute heute ohne Zettel frei vor großen Massen sprechen? Unaufgeregt. Inhaltsfixiert.
Während sich die ewig lange schon im Job befindliche deutsche Politikerriege steif und an Zetteln festhaltend, eine Sprache längst vergangener politischer Tage spricht, der niemand mehr zuhören mag, weil sie sich nicht mitentwickelt hat mit dem Denken und Handeln des restlichen Volkes über die Jahre. „Zap mich weg!”-Langeweile.
Da gibt es einen Umbruch und ich mag sehr diesem beizuwohnen. Auf unsere vielen jungen Menschen in diesem Land!
Freitag donnerte es durch die Presse und Sozialen Medien, publiziert von Siemens, man – in Person Siemens-Chef Joe Kaeser – hätte Luisa Neubauer das Angebot gemacht, künftig im Aufsichtsgremium der Siemens AG zu arbeiten und so unter anderem speziell an weiteren Gesprächen zum Köhleförderprojekt Carmichael-Mine in Australien teilzunehmen. Für das Unternehmen geht's um den Auftrag der Schienensignalanlage im Projekt. In dem Kohlebergwerk sollen nach Inbetriebnahme bis 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr (!) abgebaut werden, die teilweise über das Naturreservat Great Barrier Riff abtransportiert werden sollen. Ökologischer Wahnsinn par excellence.
Die Entscheidung zu diesem Projekt muss so kurzfristig erfolgen, dass hier fachliche Beratung gar keine ernsthafte Wirkung noch auf die Vertragsgestaltung haben dürfte. Das Siemens-Angebot darf schon alleine deswegen als faules Ei betrachtet werden.
Aber generell war diese Offerte anbiedernd und unüberlegt. Das Projekt Carmichael-Mine ist unter normalen Umständen schon ein sehr schwieriges Thema in der heutigen Zeit – wer am Kohleabbau mitverdient, setzt sich nun einmal in das stachlige Nest einer Energiegewinnung, die als extrem das Klima gefährdend längst als Schwarzer Peter ausgemacht ist und als weit überholt gilt. Die Bilder der ehemaligen Natur von Gegenden in denen Kohle abgebaut wurde, sprechen genauso ihre Sprache. Auf die Idee zu kommen, sich an dieser Stelle der deutschen Klima-Aktivistin bedienen zu wollen – als prestigeträchtiger Coup, hat man dann doch auch die Guten mit ins Boot geholt – ist eine durchaus gängige Form im Lobbyismus. Und einkalkuliertes Schmankerl für spätere Pressearbeit aber man hätte ahnen können, dass hier diese Mechanismen nicht mehr funktionieren würden.
Zunächst einmal ist gegen solche Angebote nichts zu sagen, üblicherweise holen Unternehmen auch Kritiker von Projekten mit in die Verhandlungen, Lobbyismus funktioniert genauso von unten nach oben wie von oben nach unten.
Siemens hat das auch schon immer so praktiziert, kauft Kompetenzen extern ein. Auch kritische Stimmen. Man möchte vorbereitet sein, ggfs. bei Projekten frühzeitig erkennen, wann Umstände einen besser frühzeitig (also bevor zu viel Geld verbrannt wurde für nichts) aus einer Projektplanung aussteigen lassen. So spart Fachexpertise der Gegenseite durchaus Geld. Praktisch ist dann aber auch, dass man natürlich die kritischen Stimmen vertraglich durch die üblichen Stillschweigeklausel ruhig stellen kann. Sogar übergeordnet vom etwaigen Auftraggeber, Siemens wäre sehr fein raus gewesen damit. Neubauer als prominente Person der Gegenseite mit an Bord – mit Maulkorb.
Siemens hat bei der Carmichael-Mine zusätzlich zum schwierigen Thema Kohleabbau nun als zusätzlichen Gegner die schrecklichen Bilder der aktuellen Brand-Apokalypse in Australien an der Backe. Die unfassbaren – längst nicht mehr menschlich greifbaren Zahlen – von riesigen Flächen verbranntem Land, Milliarden von getöteten Tieren. Aber auch komplett vernichtete Tier-Populationen – was noch einmal etwas anderes ist als verbrannte Tiere – denn hier sind Tier- und Insektenarten en masse vernichtet worden, nicht mehr reproduzierbar. Von den in den Bränden verletzten, getöteten Menschen und deren vernichteten häuslichen Existenzen ganz abgesehen.
Die Umwelt massiv schädigende Projekte in Australien dürften in nächster Zeit die Aura eines Unternehmens nicht positiv wirken lassen.
Die Vorzeichen sind so mies in dieser Sache, dass ein kluger besonnener Kopf jetzt sagen sollte: „Wir lassen das.” Oder zumindest „Wir vertagen das.” Dummerweise hat Australien einen Premierminister, der offensichtlich nicht sonderlich helle ist und, was die Klimaproblematik anbelangt, ein Leugner. Man hier also politisch auf Unterstützung hinsichtlich taktisch kluger (wenigstens) Aussetzung dieses Projektes, nicht hoffen kann. Siemens steckt also im Schlamassel.
Sie können das Projekt ablehnen und in den sauren Apfel beißen, da Konventionalstrafen zum aktuellen fortgeschrittenen Zeitpunkt des Projektes fällig würden. Oder auf die Idee kommen, Deutschlands derzeit bekannteste Klimaaktivistin mit ins Boot zu holen für ein bisschen Imagepflege. Das tut man indem man dieser Person ein Angebot macht, von dem Siemens glaubt, das könne sie gar nicht ablehnen. Hier ein bisschen Consulting für die gute Sache, dort einen etwaigen Aufsichtsrat-Job in Aussicht stellen – wie man das halt so macht. Angebote bei denen Politiker mit wedelnden Fahnen herzlich gerne zugreifen üblicherweise, ist es doch gängiges politisches Versorgungsmodell in der heutigen Zeit.
Solche Angebote macht man üblicherweise im Stillen. So, dass etwaige Verhandlungen im Stillen geführt werden können, man die Eckpunkte sauber ausarbeiten kann, so dass jede Seite – auch die politische – im sauberen demokratischen Stil das Gesicht wahren kann.
Angebote dieser Art macht man nicht laut – und man geht vor allem nicht mit solchen Angeboten in die Öffentlichkeit, bevor die andere Seite davon überhaupt Kenntnis und dazu Stellung nehmen kann. Siemens tat das Freitag genauso. Es steht dabei zu vermuten, sie taten es auch mit dem Kalkül, dass es ein besonders cooler PR-Coup wäre, es genau am letzten Freitag zu tun an dem Die Grünen ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Neubauer ist hier Partei-Mitglied.
Was für ein unfassbar schlechter Stil von Siemens. Nahezu dilettantisch zu nennen. Der wird so öffentlich schlecht nicht einmal im Fußball-Business praktiziert. Es war so unfassbar jämmerlich schlecht inszeniert von Siemens, dass mir gerade die deutsche Herkunft des Unternehmens als Deutsche peinlich ist. Was hat die da nur geritten? Bilden wir ernsthaft an unsere Universitäten die Eliten aus, um solche peinliche Schüsse ins eigene Bein abzugeben? (Der Fachkräftemangel muss wohl gravierend sein in diesem Land.)
Die Antwort von Luisa Neubauer – Freitag Abend im TV auf der Geburtstagsfeier der Grünen vom ZDF interviewt – war dann auch so deutlich, wie von ihr zu erwarten, wie für das Unternehmen Siemens hoch peinlich. Sie forderte Siemens zunächst einmal auf, aus diesem Kohleförderungsprojekt in Australien auszusteigen – bevor sie sich überhaupt nur auf etwaige Gespräche einlassen wolle. Weil es die einzige sinnvolle Möglichkeit ist – zu dieser Zeit, vor allem in diesem brennenden Land. Das war so kompromisslos öffentlich kommentiert, wie es Siemens übrigens vorher hätte klar sein können, dass dies ihre einzige Antwort sein könnte nach diesem Jahr des straßenpolitischen Kampfes und der weltweiten Klimasituation weltweit.
Was hat Siemens geglaubt? Was sollte die dumme Idee, man könnte eine der deutschen Leitpersonen der Klimaaktivisten simpel mit etwas geschäftspolitischer Großzügigkeit einsammeln und für die eigenen Geschäfte gefügig machen? Dabei den PR-Deal des Jahres landen? Haben die immer noch nicht kapiert, dass es diesen jungen Menschen um etwas ganz anderes geht als um Prestige, Geld und Seelenverkauf?
Was hat sich Siemens da für einen Diletantismus erlaubt? In aller Öffentlichkeit? (Man wollte beinahe „How dare you?” bemühen an dieser Stelle, wäre es nicht sogar für mich als einfache Bloggerin zu platt.)
So mochte ich sehr gerne sehen wie Luisa Neubauer gestern höflich souverän im TV (!) das Siemens-Angebot abschmetterte. Und im Hintergrund die Grünen-Party abging. Die Party, deren Anlass Siemens hier dummdreist für sich instrumentalisieren wollte für die eigene Sache und die nun herrlich höhnische Kulisse einer öffentlichen Ohrfeige, einer sehr berechtigte Ohrfeige, Neubauers an Siemens war.
Ich feierte, wie sie klipp und klar definierte, dass es für sie nur einen Zugang für weitere Gespräche gäbe im Sinne der Siemens AG, nämlich den völligen Rückzug aus dem Projekt Carmichael-Mine. Der Umwelt, dem Klima zuliebe. Sie somit höflich distanziert indirekt erklärte für übliche Polit-Spielchen der Siemens-Vorstände nicht zur Verfügung zu stehen und sie sich vom Konzern nicht vertraglich den Maulkorb verpassen lassen wollte. Sie generell solche Posten für sich ausschloss.
Wie konnte Siemens diese Frau nur so unterschätzen?
Stattdessen muss sich der Konzern nun in einem viel weiteren öffentlichen Kontext zu diesem geplanten Geschäft stellen. Vielen Deutschen war bis gestern Abend noch gar nicht klar, worum es in der Sache eigentlich ging. Das hatten übrigens auch einige deutsche Medien interessanterweise im Zusammenhang mit dem Neubauer-Angebot versäumt zu berichten. Für mehr als „Siemens böte Neubauer einen Aufsichtsratposten an”, hatte es bei denen inhaltlich nicht reichen wollen. So spannte auch die Presse gänzlich unreflektiert (weil sie in Person zu dem Zeitpunkt nämlich unbefragt) Luisa Neubauer vor den Siemens-Karren, dass man von professioneller journalistischer Tätigkeit wirklich nicht mehr sprechen kann.
Luisa Neubauber argumentierte, dass ihr immer mächtiger werdender politischer und – im Moment – einzig richtiger Aktionismus der von der Straße sei! Und es für solche personellen Angebote durchaus bereits klar definierte Experten bei Science for Future gäbe, denen Siemens das Angebot antragen könne. Und, das wiederholte Neubauer mehrfach im Interview, es für Fridays for Future es keine Alternative als den Ausstieg Siemens aus dem Projekt gäbe.
Nur guckt nun eine deutlich breitere deutsche Öffentlichkeit drauf als Siemens es vermutlich je lieb gewesen wäre. Den Schlamassel haben sie sich selbst eingebrockt.
Wer meint, Menschen in der Öffentlichkeit unter Druck stellen zu dürfen, borniert und denkbar uncharmant, der bekommt hier und da umgekehrt von gefestigten Persönlichkeiten in Antwort die Pistole auf die Brust gehalten. Auch öffentlich. So kann es gehen. Und womöglich müssen die Unternehmen in dieser Welt langsam begreifen, dass die jungen Menschen auf der Straße gar nicht mehr zu käuflichen Art ihrer Rasse gehören. Das nichts mehr so einfach sein wird in ihrer bornierten Welt des Kapitalismus. Es muss weh tun.
Man ist nie zu alt, um noch umlernen zu können – das macht die Spezies Mensch aus, dass sie das kann. Und hier wäre es sogar für die gute, nämlich existenzielle Sache.