2023-05-12

Faszinierend

Wir lernen im VHS-Italienisch-Kursus zur Zeit die Präpositionen, diese „a, da, di”, in der italienischen Sprache verändert werden je nach Artikel oder ob ein Singular oder Plural folgt – und natürlich unter Berücksichtigung bestimmert Artikelformen, die sich von der bestimmten Schreibweise der Substantiv am Anfang auch verändern dürfen.

Plötzlich stellt man fest, dass man nur noch Substantive kennt, die sich einen feuchten Kehricht kümmern, ob es regelmäßige Ableitungen gibt in der Bildung ihrer Artikel. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie sehr und flink sich plötzlich die von mir zu diesen Substantiven gelernten Artikel verstecken. Plötzlich sitzen sie in nicht einsehbaren Ecken, unter dem Tisch, hinter dem Sofa.

Sie sind überall – aber nicht mehr in meinem Gehirn.

Weg!

2023-05-10

So ein Tag!

Heute früh Shiina das Katzenfutter in einem meiner Lieblingskatzenfutterschalen zubereitet und dann knapp über ihr aus der Hand gleiten lassen. Aufprall, Scherben, verhungerte UND verschreckte Katze. Schlimm! Und das noch vor dem ersten Kaffee. Noch viel schlimmer!

So ein Tag ist heute.

Die gute Nachricht: Sie scheint mir verziehen zu haben.

Internet aufgemacht und lesen müssen, dass der alte SPD-Agenda2020-Fehlentwurfmann bei den Russsen in der Botschaft fröhlich Kriegsende gefeiert hatte. Mit Vertretern der unwählbaren Partei.

Nun bin ich wahnsinnig froh, dass wir in diesem demokratischen Deutschland Rechtsmittel haben, die verhindern, dass wir komplett nach rechts abgewanderte, demokratisch völlig entglittene Alt-Bundeskanzler nicht noch von Steuergeldern Büros und Security finanzieren müssen. Jetzt müsssen wir nur noch aufhören, ihm ständig mediale Aufmerksamkeit zu schenken. Was. Für. Ein. Honk!

Ich kann das Berliner Wetter heute sehr gut leiden. Es ist ein Marktwetter. Mit draußen Kaffeetrinken-Wetter.

Ich glaube, ich mache das mal!

2023-05-08

Cesenatico – die bunte Perle an der Adria

Cesenatico heißt die einzige Küstenstadt der Provinz Forli-Cesena, die sich zwischen Ravenna und Rimini vor allem über das Hinterland der Emilia Romagna ergießt. Kaum bekannt, weil der Italien Urlauber lieber die schon genannten Hotspots anfährt, erlebt man in Cesenatico einen charmanten, bunten und schönen Ort mit fröhlichen Menschen und sehr viel Geschichte. Aber auch im Hinterland in den Hügeln von Forli-Cesena locken viele kleine Ortschaften mit spannenden Museen. leidenschaftlichen Bewohnern, die für langjährige Traditionen einstehen und Produzenten fantastischer Lebensmittel. Es lohnt sich einfach, diesem Teil der Emilia Romagna viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken!

Und warum nicht im Frühjahr noch außerhalb der Badesaison? Die Ruhe, die jetzt hier noch herrscht, spricht für sich. Die Weite der noch unbestuhlten ewig langen Strände entlang der Adria locken zu langen Spaziergängen, die Sonne lädt je nach Wetterlage zu einem ersten Sonnenbad ein. In Cesenatico selbst ist das ganze Jahr über urbanes Leben an der Tagesordnung, denn in dieser Stadt wird gelebt! Im Gegensatz zu so manch anderer Strandstadt entlang der adriatischen Küste, werden hier nicht außerhalb der Saison die Bordsteine hochgeklappt. Hotels können das ganz Jahr über gebucht werden, viele Restaurants haben ganzjährig geöffnet. Und ich habe mir sagen lassen, dass Cesenatico vor allem zur Weihnachtszeit besonders schön sein soll.
22 Kilometer liegt Cesenatico nur von Rimini entfernt. Mit dem Fahrrad fährt man etwas über eine Stunde, zu Fuß an der Küste entlang ist man gute viereinhalb Stunden unterwegs. Auch Ravenna liegt nur 35 Kilometer entfernt. Alle Orte sind ab Bologna bequem, günstig und regelmäßig mit Trenitalia zu erreichen. Für Besuche im Hinterland kann man die berühmten italienischen Minitransporte buchen – so kann hier auch grandiosen Urlaub machen, wer auf Auto fahren selbst verzichten möchte. Die Emilia Romagna ist ein Fahrradland. Hier kommen im Schnitt auf jeden Einwohner zwei Fahrräder. Dementsprechend sind die Straßen gut ausgebaut – und gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr wird hier gelebt.

Ich bin von Berlin nach Cesenatico angereist mit einem Direktflug nach Aeroporto Marconi Bologna. Der Marconi Express, ein autonom fahrender Elektrozug, der die Strecke zwischen Aeroporto Marconi zur Stazione Bologna Centrale in knappen zehn Minuten überwindet, hat mich mit großem Amüsement zum Bahnhof gefahren. Es fühlt sich ein bisschen rustikal an, wie Achterbahn fahren. Am Flughafen ist die Station unkompliziert ab dem Check-out in unter fünf Minuten Fußweg zu erreichen, Tickets kann man nur digital (aber auch online im Voraus kaufen).
Der Zug fährt in beide Richtungen alle sieben Minuten. Preislich ist er mit 11,— /einfache Fahrt etwas überambitioniert. Bei dieser Preisgestaltung ist man zu zweit mit einem Taxi schon besser dran, ob das wirklich smart kalkuliert ist?



Auf jeden Fall hat man seinen Spaß mit dem Marconi Express, man sollte sich die Erfahrung gönnen. Die anschließende Fahrt von Bologna Stazione direkt nach Cesenatico kostete übrigens nur € 10.80, um noch einmal streng auf den Preis der ersten Zugfahrt zu schauen. Mit Trenitalia dauert die Verbindung eine Stunde und 40 Minuten, mit namhaften Stopps (u. a. Cervia). Dieser Zug geht ungefähr einmal pro Stunde. Mein Ticket habe ich in der App noch im Marconi Express binnen einer Minute gekauft, weil ich dann wusste, welchen Anschlusszug ich bekomme. Der Fußweg von der einen Station zum Centrale (die Züge über Cesenatico nach Rimini fahren auf der oberen Plattform) dauert vielleicht fünf Minuten. Abfahrt pünktlich, Ankunft pünktlich. Und ich bin erstmals in einem Doppelstockzug der Trenitalia gefahren. Ich war wieder einmal begeistert vom Zugkomfort in Italien.



Berühmt ist Cesenatico für seinen Kanal. Der heißt Porto Canale Leonardesco – nach unserem guten allseits Bekannten Leonardo da Vinci. Gerne wird behauptet, da Vinci oder wie er hier liebevoll genannt wird: „Leo“, hätte den Kanal geschaffen, das stimmt so ganz nicht. Ausgehoben wurde dieser bereits im 14. Jahrhundert zu Verteidigungszwecken. Er verläuft gut einen Kilometer in die Stadt hinein. Aber der italienische Tausendsassa, das ist verbrieft, war am 6. September 1502 vor Ort und hatte zwei Skizzen von dem Kanal angefertigt, eine aus der Vogelperspektive und einen bemaßten Plan – beide Aufzeichnungen sind in seinem Notizbuch „Codex L“ festgehalten, das im Original Paris in der Bibliothek im Institut de France aufbewahrt wird. Im (sehr schönen) Museo della Marineria di Cesenatico ist aber eine Kopie zu sehen.
Verändert wurde der Kanalverlauf tatsächlich auch nicht nach der Vermessung von da Vinci. Er konstruierte aber die Technik, die die Stadt bei Stürmen vor Hochwasser im Kanal und in dessen Folge den Kanal vor Versandung schützen würde – und es heute noch, natürlich in modernisierter Form, immer noch tut. Diese Tatsache hatte die Cesenaticer so begeistert, dass sie den Kanal nach ihm benannten und hinsichtlich der dadurch generierten Aufmerksamkeit im täglichen Tourismusgeschäft, war das keine so schlechte Idee!
Porto Canale Leonardesco ist heute Lebensmittelpunkt der Stadt, Ort der Genüsse, an seinem Ende liegt das Schiffsmuseum (teilweise als Freilichtmuseum) und der heute noch aktive Fischmarkt, der mitten in der Stadt liegt. An ihm liegt die Piazza Piscana mit dem Garibaldi Denkmal, nebenan das Haus in dem der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi mit seiner Ehefrau Anita wenige Stunden auf der Flucht verbrachten.

Einige Legenden wurden aber auch in Cesenatico geboren. Die Köchin Marcella Hazan – mit weltweitem Ruf – stammt aus Cesenatico. Als Marcella Polini schloss sie in Ferrara ihr Biologiestudium mit Promotion ab und heiratete dann nach Amerika, wo sie in späteren Lebensjahren große Berühmtheit als Köchin und Vertreterin der italienischen Küche erlangte. Julia Child beschrieb sie als Mentorin in allen Dingen der italienischen Küche und Wolfram Siebeck lobte eines ihrer Kochbücher „Die klassische italienische Küche“ in der Zeit: „Da ist mehr gesunder Menschenverstand im Spiel, als Kochbücher im Allgemeinen vermitteln.“

Und erinnert ihr euch an den italienischen Klassiker „Quando, Quando, Quando“ – gecovert von unzähligen Musiklegenden? Emilio Pericoli sang diesen Song 1962 auf dem San Remo Festival. Auch er war ein Kind Cesenaticos.
Der Kanal trennt Cesenatico in zwei Zonen: Ponente nördlich und Levante südlich. In dem Kanal, an dessen Ufern man nicht nur angenehm flanieren kann, sondern auch in pittoresken Geschäften einkaufen und sehr leckeren Restaurants speisen kann, ankern im grünen Wasser nicht nur die Schiffe der professionellen Fangflotte, diverse Motorbootschiffe und als besonderer Blickfang die historischen und farbenfrohen Schiffe, die zum Freiluftbereich des Museo della Marineria gehören.
An meinem ersten Vormittag in Cesenatico schien die Sonne und ich habe mir Cesenatico und den Kanal von der Adria aus erstmals erwandert, dann nimmt einen diese entzückende Stadt auf sehr charmante Weise an die Hand und bereitet … einfach viel Spaß!
Zum Beispiel auf der Piazza Spose dei Marinai, das Denkmal für die Familienangehörigen, die auf ihre Seenmänner – leider manchmal vergeblich – warten. Ich durfte es positiv erleben, am Morgen hatte sich tatsächlich ein ungefährdeter Fischer ins Bild geschmuggelt. Entlang des Kanals auf der nördlichen Seite, warten die privaten farbenfrohen Fischerhäuser mit ihren großen Reusen.
Hier trifft sich die ältere Generation der Cesenaticensi zu einem morgendlichen Spaziergang und Austausch, es wird an den Häusern gearbeitet und die eine oder andere Reuse mit dem Versuch ein Mittagessen zu fischen herunter gelassen.



Sehr charmant hinter den Häusern die maritime Bemalung der Steine, die die Promenade vom Meer abgrenzt. Ich war noch keine zwanzig Minuten am frühen Morgen unterwegs und hatte schon so gute Laune, währenddessen kehrten die ersten Fischerboote in den Hafen zurück und die Traghetti fingen an zu fahren.
Den Kanal queren nämlich nur zwei Brücken, auf seiner gesamten Länge etwas wenig. Daher gibt es hier das Traghetto, quer fahrende kleine Fähren, die sich in Privatbesitz befinden und seit Generationen vererbt werden. Es gibt zwei davon, die am Tag (bis 19 Uhr) in nicht einmal einer Minute Einwohner und Touristen mit Rad oder Gepäck für nur 50 Cent über den Kanal bringen: „Mirko” und „Giovanni d‘Arco”. Letztere fährt in Höhe des Hafenmeisterbüros, die andere auf der Höhe des Fischerhafens. Ich hatte mit den Spaß gegönnt und bin mit „Giovanni” auf die Levante-Seite Cesenaticos gewechselt.



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Cesena – mit dem Rad entdeckt!
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2023-05-04

Gerne gegessen: Il Piccolo

Berlin hat ein italienisches Küchenschätzchen mehr! Il Piccolo Pasta and Wine Bar bietet in der Gärtnerstraße 15 im Friedrichshain ab sofort italienische Küche, Pasta, Risotto und vor allem Fisch (aber auch Fleisch) mit einer hervorragenden Weinbegleitung. Mit dem Augenmerk darauf, dass alle Produkte D. O. P. – Denominazione di Origine Protetta zertifiziert sind. Und die Weinkarte kommt immerhin mit sieben italienischen Naturweinen!
Serviert wurden uns gestern ein gelungenes Potpourri der Speisekarte. Als Entrée aus den Antipasti erwärmter Mozarella Caprese,
Tagliere mit Salami, Proschiutto und einer fantastischen Käse-Auswahl, gefolgt von dreierlei Variationen von Bruscchetta (mit Oliven, Pilzen mit Trüffel-Aroma und Tomaten). Es gab einen herzhaften – fantastisch anzusehenden – Käsekuchen mit einem knusprigen Taralli-Boden und Garnelentartar, tolle Idee!
Risotto und Pasta-Gerichte waren wunderschön angerichtet, mein persönlicher Liebling waren die blauen Cacio e pepe blu da estratto naturale, die Färbung mit dem Pulver der Clitoria ternatea (Blaue Klitorie) erzeugt.
Risotto (mit Rotkohl und Gorgonzola) und die Pasta hätten für mich mit etwas mehr italienischem Selbstbewusstsein körniger bzw. mehr al dente sein dürfen. Aber vielleicht groovt sich das nette Team um Chefkoch Matteo Finetti und Francesco (beiden gehört auch das Partenope 081 um die Ecke) noch ein!
Wieder ein fantastisches Farbenspiel mit der auf Salz gebackenen Garnele mit einem Kartoffelpüree mit knuspriger Haube in einem Sellerie-Sud und sehr deliziös: Die Pannacotta al Basilikum!
Die Preise für die wunderschönen und farbenfroh angerichteten Pastagerichte liegen zwischen 10-18 Euro, die Hauptgerichte zwischen 15-22 Euro.
Genießen durften wir nach dem Aperol Spritz (süffig) einen Verdeca Mailoche 2021 (Tenuta Viglione, Apulien), der wundervoll zum Menü passte. Später haben wir noch den Chardonnay aus der Karte der offenen Weine probiert, den ich zu gefällig fand. Aber ich verstehe sowieso nicht, warum Restaurants immer noch diesen meist banalen Wein anbieten.

Wie schön wäre es, wäre das Il Piccolo mutiger und würde einige der spannenden Weine aus dem Flaschenbereich der Karte auch im Glas offerieren – man könnte hier ein Vorreiter für das Vermitteln fantastischer italienischer Weine sein! Sie haben wirklich ambitionierte Weine von Sardinien und Sizilien – und natürlich Apulien – auf im Programm. Wer braucht da langweilige Pino Grigios oder Chardonnays?

Il Piccolo Berlin Pasta and Wine Bar
Gärtnerstraße 15
10245 Berlin
Öffnungszeiten:
Montags bis Freitags von 17:00 – 22:00 Uhr
Samstag und Sonntag von 12:00 – 22:00 Uhr

2023-04-21

Casa Museo Remo Brindisi in Lido di Spina

Von Ravenna aus sollte man unbedingt Comacchio (Provinz Ferrara) besuchen, das ca. 40 Kilometer an der Küste entlang entfernt liegt. Entlang der Küstenroute folgt nach Bellocchio der Strand Lido die Spina – in dessen Hintergrund sich ein kleiner gleichnamiger Ferienort entwickelt hat, der im Oktober, da die Besitzer wieder in ihren Alltag nach Mailand oder Rom zurück gekehrt sind, etwas verschlafen wirkt. Aber hier wartet ein echtes Juwel auf an Kunst interessierte Menschen!

Der Maler, Bildhauer und Kunstsammler Remo Brindisi (1918-1996)
hatte sich hier einst seinen persönlichen Traum erfüllt und in seiner – nach seinen Ideen gebauten – Sommerresidenz ein Atelier und Kunstmuseum eingerichtet.
Es ist nun nach seinem Tod als Museum für zeitgenössische Kunst als Casa Museo Remo Brindisi für die Allgemeinheit geöffnet. Für dieses Geschenk an die Gemeinde durfte Remo Brindisi im Garten seines Traumhauses beerdigt werden.

Dieses 1970-1973 vom Architekten Nanda Vigo im Bauhaus-Stil gebautes Haus ist schon Kunst für sich. Außen geschachtelter Kubus. Die Innenarchitektur des Hauses, alleine das weiß gekachelte von den im Kreis führenden das Foyer beherrschenden Treppen mit der zentralen Sitzinsel, ist beeindruckend. Viele Wände in diesem Haus sind rund gestaltet.
Alles an diesen Haus und was in diesem Haus steht und hängt, ist Kunst.
Sie wird immer wieder im Wechsel gezeigt. Man kann es in Anbetracht der Vielfalt kaum glauben, tatsächlich wird hier lediglich die Hälfte seiner über 2000 Kunstobjekte fassenden Sammlung präsentiert. So begegnet man den Originalen von Chagall, Modigliani, Picasso
Dali, Fontana, Moranid und Boccioni in einem Wohnumfeld, das atmosphärisch für sich einzigartig wirkt. Andy Wahrhol ist in der illustren Runde genauso vertreten wie ein Max Ernst. Brindisi schwärmte vor allem für die Mailänder Kunst der 70iger Jahre, wo er nach seinem Einsatz als Soldat hingezogen war und sich als Künstler etablierte.
Er selber kreierte vor allem abstrakte Kunst – diese große Sammlung schaffte er übrigens vor allem im Tausch seiner eigenen Skulpturen bzw. Zeichnungen.

Die Menge, Vielfalt an Kunst im ehemaligen Wohnumfeld des Maestro Brindisi, das größtenteils unverändert geblieben ist nach seinem Tod, hat mich extrem beeindruckt. In seinem Atelier warten die Pinsel auf seine Rückkehr und das Geschirr in der offenen kleinen Küche möchte auch wieder benutzt werden, dient sich solange als Ausstellungsort an,
wie auch sein Schlafzimmer.
Der Ausflug in dieses Museum war eine unerwartete Bereicherung für mich. Architektonisch ein Ausflug in die Moderne des letztes Jahrhunderts, künstlerisch mit einer großzügigen Vielfältigkeit, die ihresgleichen sucht. Wie die Liebe und Leidenschaft zu etwas von einer einzigen Person noch so viele Jahre später andere Menschen einfach glücklich macht!
Casa Museo Remo Brindisi
Via Nicolò Pisano, 51
44029 Lido di Spina FE
web:Remo Brindisi

2023-04-20

Let's face the truth!

Benjamin von Stuckrad-Barre hat ein Buch geschrieben, einen Roman namens „Noch wach?”, und wie es die Welt der Publizisten will, geht das gerade bei ihm nicht ohne sehr viel Presse und Meinung vorher ab. Tatsächlich aber hatte der Verlag im Vorfeld das Werk nur sehr wenigen Medien zur Rezension überlassen worden, um nicht ggf. juristisch gezwungen vorab die gedruckten Werke schwärzen zu müssen, weil sie zu nahe an der Wahrheit liegen könnten.

Worum geht's? Im Roman werden lt. Rezensionen die Machenschaften in einer großen Chefredaktion beschrieben. Überhebliche Männer, Seilschaften von Kerlen im Amt, Koks, Nutten und wohl auch Nötigung von Frauen im Beruf. Benjamin von Stuckrad-Barre spricht von Fiktion. Ehemalige Chefs und Redaktionsmitglieder (männliche) im Springer Verlag lassen sein Werk anwaltlich prüfen. Im Grunde wird hier vermutlich nichts Neues erzählt werden als das, was seit Jahren durch die #MeToo-Debatte öffentlich wurde, als Realität von niemanden wirklich angezweifelt wurde. Und deutlich zu lange als gegeben hingenommen wurde.

Der Autor hat bekanntlich viele Jahre freiberuflich für die spannendsten deutschen Redaktionen geschrieben (taz, Stern, Rolling Stone) und als Gag-Autor für die Harald Schmidt Show gearbeitet. Polarisierte von Anfang an als gehyptes schreibendes Talent mit großer Liebe zur Öffentlichkeit und hatte später seine persönliche Kokain-Sucht zugegeben, öffentlich thematisiert und bereits niedergeschrieben. Er ist einer von außen, der in der Clique der bekannten Springer Verlag-/Bild Redaktion-Fratzen wohl gelitten war und dem man somit Insider-Wissen wohl unterstellen darf. Er war jung, talentiert, erfolgreich und hat das Spiel Sex, Drugs und Rock 'n Roll mitgespielt, bis er ausgebrannt war. Und für sich die Reißleine gezogen hatte.

Vor diesem Insider-Wissen haben nun bestimmte Herren Angst. So prüfen derzeit die Anwälte von z. B. Julian Springer, sorry, Reichelt (und vermutlich auch Mathias Springer, ups, Döpfner), wie von Reichelts Anwalt bestätigt, sein neues Werk auf zu große literarische Nähe zu ihrem Mandanten. Diese peinliche Blöße muss man sich auch erst einmal geben. Nichts anderes ist man von Reichelt gewohnt.

Nun regt sich das Internet auf, respektive regen sich vor allem Frauen im Internet auf, weil sie dem Autor vorwerfen, er würde sich ihr Thema #MeToo zu eigen machen. Ich finde das nachvollziehbar wie auch schwierig, denn wir können uns sehr sicher sein: Hier geht es um noch so viel mehr als alleine um den Missbrauch von Frauen im Job. Der Machtmissbrauch dieser Männer geht darüber weit hinaus. Haben wir im Fall Döpfner letzte Woche doch erst mitbekommen. Dass seine SMSe passend eine Woche vor Erscheinen dieses Romans geleakt worden sind, gehört eben auch zum Spiel namens Macht. Haben halt jetzt andere die Fäden gezogen.

Lesen wir das Buch doch bitte erst einmal, setzen wir nicht auf Klappentexte und Rezensionen, bevor wir uns über Inhalte aufregen – die wir noch gar nicht kennen können zum allergrößten Teil. Immerhin ist das Buch seit gestern überhaupt im Handel erhältlich. Ich mag diese verfrühte Aufregung nicht, wenn klar ist, dass die allerwenigsten Personen den Inhalt dieses Romans wirklich kennen können.

Und: Ja! Dieses Buch, wollen wir unterstellen, dass es tatsächlich weniger fiktiv ist, als es dem Autor in der Berichterstattung vorab unterstellt wird, kann tatsächlich leider nur ein Mann schreiben. Es tut mir wahnsinnig leid, Frauen können dieses Buch gar nicht schreiben, weil sie in der erlauchten Runde dieser Redaktionen und Geschäftsführungen tatsächlich nur als Verbrauchsobjekte anerkannt waren. Frauen haben hier nie ernsthaft mitgespielt. (Die, die etwas mitbekommen haben, haben sehr sicher Verschwiegenheitserklärungen im Arbeitsvertrag unterzeichnet.)

Alles andere würde auch eher wundern, die verkokste toxische Männlichkeit hätte Frauen in dieser Runde nie Macht eingeräumt. Da braucht es einfach jemanden, der in dieser Runde als Mensch mit Talent aber vor allem Fehlern, hier also jugendlicher Leichtsinn, Sucht nach Öffentlichkeit, falscher Liebe und Drogenkonsum bis zur Abhängigkeit wohlgelitten war. Der auf der anderen Seite miterlebt hat. Selbst Friede Springers einziger aktiver Beitrag war wegzugucken.

Von Stuckrad-Barre jetzt vorzuwerfen, dass er diesen Part übernimmt, als jemand, der in der deutschen Öffentlichkeit aufgrund seines Standing nicht mehr von den Mächtigen weg zu redigieren ist, trifft den Falschen. Schließlich kann er sein Thema aus der Sicht eines Mitspielers, der nahe genug dran war, erzählen. Die (peinliche) Offenheit solcher Männer unter Männern ist einfach die größere, man gönnt sich alle Peinlichkeiten – die man sich Frauen gegenüber nie leisten würde.

Machen wir uns nichts vor, Bücher von Opfern müssen immer auch ein Stück weit anklagen, machen wenig Spaß zu lesen – werden Aufmerksamkeit dieser Art nie erhalten können. Deren Bücher werden auch nie von denjenigen gelesen werden, denen man die Übergriffe vorwirft und sogar beweisen kann. Für diese Art – aus deren Sicht – Trivialliterataur hat man schließlich seine Anwälte. Die blendet man aus.

Aber Benjamin Stuckrad-Barre blendet man nicht mehr aus in diesem Land. Er hat sich schon so oft so nackig gemacht hinsichtlich seiner Fehler, Probleme, Süchte: er hat sich damit absolute Glaubwürdigkeit erarbeitet. Dieses Buch einen Roman zu nennen, ist seiner Genialität geschuldet. Ein Roman dieses Inhalts von Benjamin Stuckrad-Barre können wir sehr sicher sein, dass die Reichelts, Döpfners und Porchardts, sorry, Springers dieser deutschen Redaktionszunft seinen Roman lesen werden respektive schon gelesen haben werden. Falls sie überhaupt noch lesen können, vielleicht hören sie auch nur das Hörbuch. Vielleicht kapiert der eine oder andere von ihnen, was für elendige Mistmaden sie im Grunde bloß sind. (Glaube ich nicht daran.) Vielleicht lernen daraus künftige Chefredakteure, was man tunlichst nicht macht: Nämlich Macht missbrauchen oder sich von Macht missbrauchen zu lassen, was ja kein reines Frauenthema nur ist.

Vielleicht wacht nach der Lektüre endlich das Umfeld auf, dass solches Verhalten ausschließlich toleriert hatte.

Friede Springer, Sie meine ich!

2023-04-17

A-ha The Movie

Frühlingsputz. Ausmisterei. Schweren Herzens. Verstanden in diverse Kleidung nicht mehr zu passen und so sortiere ich sie endlich aus. Das ist verbunden mit viel Leid, weil man bei jeder Berührung eines dieser Kleidungsstücke weiß, da ist zum einen Geschichte mit verbunden und zum anderen wird es solche Kleidung in der Stoffqualität kaum noch zu finden sein.

Das ist natürlich zwangsläufig in der letzten Woche viel Gewasche und auch hier und da etwas Gebügele gewesen. Beim Bügeln habe ich nebenbei den Film über A-ha (A-ha, The Movie, 2022) laufen lassen, der gerade in der arte-Mediathek rumdümpelt. Den hat sich die Band (gefühlt als Schlussstrich) ihrer gemeinsamen Arbeit zur letzten Tournee geschenkt. Man weiß es halt nicht, sie haben ihre Tournee 2022 beendet. Ich habe vom aktuellen Album ”True North” nicht so viel mitbekommen. Aber ein Film, in dem sich die Protagonisten eher nicht gemeinsam in einen Raum setzen, spricht eine ausreichend klare Sprache.

Er wirkt anfänglich leicht anstrengend, weil man mit einer krude geschnittenen, viel zu großen Bildermenge konfrontiert wird. Gemäß dem Motto, alles muss rein. Aber später verläuft sich das auch wieder, wenngleich ich im Schnitt die einzzige Schwachstelle im Film sehe.

Hier scheinen drei Menschen ihrem Job nachzugehen und sich ansonsten nicht mehr viel zu sagen haben. Der Film ist so interessant, weil wirklich auch anders in seinen Aussagen als von mir erwartet – er ist nämlich so gar keine Werbesendung für ein Stück Musikkultur und hebt sich damit sehr deutlich von üblichen Werken ab, die sich mit der Geschichte von Bands auseinandersetzen, dass ich ihn tatsächlich empfehlen möchte sich anzusehen. Selten so viel Selbstkritik in einem derartigen Medium erlebt, kritische Auseinandersetzung mit dem Erfolg, Abwesenheit von Leidenschaft zu dem, was man gemeinsam schafft. Und auch immer noch auch Selbstzweifel an dem eigenen Talent. Ich weiß nicht, ob das typisch norwegisch ist? Aber all das vermittelt im Film eine eigene Art der Tiefe dieser Band.

Mir ist dabei aufgefallen, wie wirklich sehr viele Songs ich von der Band kenne. Ich konnte die Musik von A-ha immer gut aushalten. Dabei war mein Zugang nicht so leicht. Ich konnte, als sie mit „Take on me” die Charts erklommen und in unser europäisches Musikbewusstsein eindrangen, nicht so viel anfangen. Das Video war super für die damalige Zeit und hatte sehr sicher einen großen Anteil an dem Erfolg des Songs. Morten war mir zu schön. Unheimlich aufdringlich, kitschig schön. Interessant zu hören, wie er nach 35 Jahren erzählt, wie sehr ihn selber belastet hatte, das Aushängeschild dieser Band zu sein aufgrund seiner Physiognomie, für die er nichts konnte – und im übrigen auch, wie sehr alle das Teenie-Band-Image verabscheut hatten. Insofern ist dieser Film auch ein exzellentes Lehrbeispiel für ambitionierte junge Musiker, Dinge nicht mit sich machen zu lassen.

Mich hatten damals A-ha übrigens gecatcht mit dem Cover von „Crying In The Rain” (Everly Brothers) und dem wunderschönen, zum Song so gut passenden Depri-Video. Eines der besten Cover aller Zeiten, für mich. Damals gebraucht beim großen A. gekauft, das mir danach noch ein ganzes Jahrzehnt übrigens Alben der Band empfehlen sollte. Sonst hatte ich nie das Bedürfnis Alben zu kaufen bzw. auf eines ihrer Konzerte zu gehen.

Ich hatte sie einmal erlebt in Berlin bei dem LiveAid-Konzert im Jahr 2005. Hingegangen war ich eigentlich wegen Audioslave, A-ha spielten sehr zeitnah danach – und die waren so schlecht abgemischt, dort jedenfalls, wo ich stand – dass ich vor Mortens Stimme geflüchtet bin. Sie tat so weh im Ohr. Und das hatte mich für alle Zeit geheilt, denn tatsächlich ist seine Stimme besonders und schön. Aber wenn da irgendetwas schiefgeht, sei es seine Gesundheit oder üble Technik, dann kann die sehr schnell zu einer Qual werden.

Dann fand ich doch faszinierend, dass in einer Szene des Films bei Proben zu neuen Tonaufnahmen, er das selber klar für sich definiert, in dem er sagt, er könne den Song nicht durchgehend in der gleichen Tonhöhe singen. Nicht etwa, weil er es nicht könne, sondern weil ihn seine eigene Stimme dabei nerven würde.

Der Film vermittelt einen neuen Blick, einen interessanten und nachvollziehbaren Blick auf die Band und ihre Mitglieder, auf echtes Bandleben eben auch mit seinen großen Nachteilen. A-ha haben mich seit meiner Jugend begleitet. Vermutlich auch eure? Schon deswegen kann ich diesen Film empfehlen, sich anzusehen.

Morten Harket ist immerhin jetzt 64, Pål Waaktaar-Savoy, 62, und Magne Furuholmen, 61. Alle drei Musiker sind erstaunlich gut gealtert. Und ich habe gelernt, dass Magne ein außerordentlich talentierter bildender Künstler ist.