Cesenatico – die bunte Perle an der Adria
Cesenatico heißt die einzige Küstenstadt der Provinz Forli-Cesena, die sich zwischen Ravenna und Rimini vor allem über das Hinterland der Emilia Romagna ergießt. Kaum bekannt, weil der Italien Urlauber lieber die schon genannten Hotspots anfährt, erlebt man in Cesenatico einen charmanten, bunten und schönen Ort mit fröhlichen Menschen und sehr viel Geschichte. Aber auch im Hinterland in den Hügeln von Forli-Cesena locken viele kleine Ortschaften mit spannenden Museen. leidenschaftlichen Bewohnern, die für langjährige Traditionen einstehen und Produzenten fantastischer Lebensmittel. Es lohnt sich einfach, diesem Teil der Emilia Romagna viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken!
Und warum nicht im Frühjahr noch außerhalb der Badesaison? Die Ruhe, die jetzt hier noch herrscht, spricht für sich. Die Weite der noch unbestuhlten ewig langen Strände entlang der Adria locken zu langen Spaziergängen, die Sonne lädt je nach Wetterlage zu einem ersten Sonnenbad ein. In Cesenatico selbst ist das ganze Jahr über urbanes Leben an der Tagesordnung, denn in dieser Stadt wird gelebt! Im Gegensatz zu so manch anderer Strandstadt entlang der adriatischen Küste, werden hier nicht außerhalb der Saison die Bordsteine hochgeklappt. Hotels können das ganz Jahr über gebucht werden, viele Restaurants haben ganzjährig geöffnet. Und ich habe mir sagen lassen, dass Cesenatico vor allem zur Weihnachtszeit besonders schön sein soll.
22 Kilometer liegt Cesenatico nur von Rimini entfernt. Mit dem Fahrrad fährt man etwas über eine Stunde, zu Fuß an der Küste entlang ist man gute viereinhalb Stunden unterwegs. Auch Ravenna liegt nur 35 Kilometer entfernt. Alle Orte sind ab Bologna bequem, günstig und regelmäßig mit Trenitalia zu erreichen. Für Besuche im Hinterland kann man die berühmten italienischen Minitransporte buchen – so kann hier auch grandiosen Urlaub machen, wer auf Auto fahren selbst verzichten möchte. Die Emilia Romagna ist ein Fahrradland. Hier kommen im Schnitt auf jeden Einwohner zwei Fahrräder. Dementsprechend sind die Straßen gut ausgebaut – und gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr wird hier gelebt.
Ich bin von Berlin nach Cesenatico angereist mit einem Direktflug nach Aeroporto Marconi Bologna. Der Marconi Express, ein autonom fahrender Elektrozug, der die Strecke zwischen Aeroporto Marconi zur Stazione Bologna Centrale in knappen zehn Minuten überwindet, hat mich mit großem Amüsement zum Bahnhof gefahren. Es fühlt sich ein bisschen rustikal an, wie Achterbahn fahren. Am Flughafen ist die Station unkompliziert ab dem Check-out in unter fünf Minuten Fußweg zu erreichen, Tickets kann man nur digital (aber auch online im Voraus kaufen).
Der Zug fährt in beide Richtungen alle sieben Minuten. Preislich ist er mit 11,— /einfache Fahrt etwas überambitioniert. Bei dieser Preisgestaltung ist man zu zweit mit einem Taxi schon besser dran, ob das wirklich smart kalkuliert ist?
Auf jeden Fall hat man seinen Spaß mit dem Marconi Express, man sollte sich die Erfahrung gönnen. Die anschließende Fahrt von Bologna Stazione direkt nach Cesenatico kostete übrigens nur € 10.80, um noch einmal streng auf den Preis der ersten Zugfahrt zu schauen. Mit Trenitalia dauert die Verbindung eine Stunde und 40 Minuten, mit namhaften Stopps (u. a. Cervia). Dieser Zug geht ungefähr einmal pro Stunde. Mein Ticket habe ich in der App noch im Marconi Express binnen einer Minute gekauft, weil ich dann wusste, welchen Anschlusszug ich bekomme. Der Fußweg von der einen Station zum Centrale (die Züge über Cesenatico nach Rimini fahren auf der oberen Plattform) dauert vielleicht fünf Minuten. Abfahrt pünktlich, Ankunft pünktlich. Und ich bin erstmals in einem Doppelstockzug der Trenitalia gefahren. Ich war wieder einmal begeistert vom Zugkomfort in Italien.
Berühmt ist Cesenatico für seinen Kanal. Der heißt Porto Canale Leonardesco – nach unserem guten allseits Bekannten Leonardo da Vinci. Gerne wird behauptet, da Vinci oder wie er hier liebevoll genannt wird: „Leo“, hätte den Kanal geschaffen, das stimmt so ganz nicht. Ausgehoben wurde dieser bereits im 14. Jahrhundert zu Verteidigungszwecken. Er verläuft gut einen Kilometer in die Stadt hinein. Aber der italienische Tausendsassa, das ist verbrieft, war am 6. September 1502 vor Ort und hatte zwei Skizzen von dem Kanal angefertigt, eine aus der Vogelperspektive und einen bemaßten Plan – beide Aufzeichnungen sind in seinem Notizbuch „Codex L“ festgehalten, das im Original Paris in der Bibliothek im Institut de France aufbewahrt wird. Im (sehr schönen) Museo della Marineria di Cesenatico ist aber eine Kopie zu sehen.
Verändert wurde der Kanalverlauf tatsächlich auch nicht nach der Vermessung von da Vinci. Er konstruierte aber die Technik, die die Stadt bei Stürmen vor Hochwasser im Kanal und in dessen Folge den Kanal vor Versandung schützen würde – und es heute noch, natürlich in modernisierter Form, immer noch tut. Diese Tatsache hatte die Cesenaticer so begeistert, dass sie den Kanal nach ihm benannten und hinsichtlich der dadurch generierten Aufmerksamkeit im täglichen Tourismusgeschäft, war das keine so schlechte Idee!
Porto Canale Leonardesco ist heute Lebensmittelpunkt der Stadt, Ort der Genüsse, an seinem Ende liegt das Schiffsmuseum (teilweise als Freilichtmuseum) und der heute noch aktive Fischmarkt, der mitten in der Stadt liegt. An ihm liegt die Piazza Piscana mit dem Garibaldi Denkmal, nebenan das Haus in dem der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi mit seiner Ehefrau Anita wenige Stunden auf der Flucht verbrachten.
Einige Legenden wurden aber auch in Cesenatico geboren. Die Köchin Marcella Hazan – mit weltweitem Ruf – stammt aus Cesenatico. Als Marcella Polini schloss sie in Ferrara ihr Biologiestudium mit Promotion ab und heiratete dann nach Amerika, wo sie in späteren Lebensjahren große Berühmtheit als Köchin und Vertreterin der italienischen Küche erlangte. Julia Child beschrieb sie als Mentorin in allen Dingen der italienischen Küche und Wolfram Siebeck lobte eines ihrer Kochbücher „Die klassische italienische Küche“ in der Zeit: „Da ist mehr gesunder Menschenverstand im Spiel, als Kochbücher im Allgemeinen vermitteln.“
Und erinnert ihr euch an den italienischen Klassiker „Quando, Quando, Quando“ – gecovert von unzähligen Musiklegenden? Emilio Pericoli sang diesen Song 1962 auf dem San Remo Festival. Auch er war ein Kind Cesenaticos.
Der Kanal trennt Cesenatico in zwei Zonen: Ponente nördlich und Levante südlich. In dem Kanal, an dessen Ufern man nicht nur angenehm flanieren kann, sondern auch in pittoresken Geschäften einkaufen und sehr leckeren Restaurants speisen kann, ankern im grünen Wasser nicht nur die Schiffe der professionellen Fangflotte, diverse Motorbootschiffe und als besonderer Blickfang die historischen und farbenfrohen Schiffe, die zum Freiluftbereich des Museo della Marineria gehören.
An meinem ersten Vormittag in Cesenatico schien die Sonne und ich habe mir Cesenatico und den Kanal von der Adria aus erstmals erwandert, dann nimmt einen diese entzückende Stadt auf sehr charmante Weise an die Hand und bereitet … einfach viel Spaß!
Zum Beispiel auf der Piazza Spose dei Marinai, das Denkmal für die Familienangehörigen, die auf ihre Seenmänner – leider manchmal vergeblich – warten. Ich durfte es positiv erleben, am Morgen hatte sich tatsächlich ein ungefährdeter Fischer ins Bild geschmuggelt. Entlang des Kanals auf der nördlichen Seite, warten die privaten farbenfrohen Fischerhäuser mit ihren großen Reusen.
Hier trifft sich die ältere Generation der Cesenaticensi zu einem morgendlichen Spaziergang und Austausch, es wird an den Häusern gearbeitet und die eine oder andere Reuse mit dem Versuch ein Mittagessen zu fischen herunter gelassen.
Sehr charmant hinter den Häusern die maritime Bemalung der Steine, die die Promenade vom Meer abgrenzt. Ich war noch keine zwanzig Minuten am frühen Morgen unterwegs und hatte schon so gute Laune, währenddessen kehrten die ersten Fischerboote in den Hafen zurück und die Traghetti fingen an zu fahren.
Den Kanal queren nämlich nur zwei Brücken, auf seiner gesamten Länge etwas wenig. Daher gibt es hier das Traghetto, quer fahrende kleine Fähren, die sich in Privatbesitz befinden und seit Generationen vererbt werden. Es gibt zwei davon, die am Tag (bis 19 Uhr) in nicht einmal einer Minute Einwohner und Touristen mit Rad oder Gepäck für nur 50 Cent über den Kanal bringen: „Mirko” und „Giovanni d‘Arco”. Letztere fährt in Höhe des Hafenmeisterbüros, die andere auf der Höhe des Fischerhafens. Ich hatte mit den Spaß gegönnt und bin mit „Giovanni” auf die Levante-Seite Cesenaticos gewechselt.
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