2025-05-28

Berlins Olympiabewerbung

Okay, also Berlin möchte sich wieder einmal mit anderen deutschen Bundesländern als Austragungsort für die Olympischen Spiele bewerben. Ob für 2036, 2040 oder 2044 ist dem regierenden Senat dabei wumpe. Hauptsache sich bewerben.

Nun, 2036 ist völlig (und unfassbar) geschmacklos. Aber so sind heutige Politiker eben. Null geschichtliche Kompetenz noch Feingefühl dem schwarzen Teil der deutschen Historie gegenüber.

Also … ich kann seit über sechs Jahren nicht in dem Schwimmbad, das ich fußläufig erreichen kann, schwimmen gehen. Weil es aufgrund der desolaten Schwimmbadsituation in Berlin (viele Bäder seit Jahren geschlossen wegen Sanierungsnotwendigkeit, deren Verzögerungen durch jahrzehntelange Sparpolitik sich nur rückwärts statt vorwärts bewegen) es ausschließllich für den Schul- und Vereinssport vorbehalten ist. Es ist ein öffentliches Schwimmbad. Ich kann dort nur schwimmen, wenn Ferien sind.

Berliner Schulkinder müssen seit Jahren mit der BVG in Schwimmbäder außerhalb ihrer Bezirke fahren, um im Schulsport Schwimmen zu lernen. Es gab da stellenweise auch Shuttle-Services, damit die Kinder wirklich Zeit die zugewiesenen Stunden im Schwimmbad verbringen können und nicht on the road.Die Shuttles werden jetzt gestrichen. Eine Folge der Sparmaßnahmen der von CDU und SPD regierten Stadt.

In Kreuzberg gammelt ein veräußertes Hallenbad herum, das alternative geplante Hallenbad im Prinzenbad ist nie gebaut worden – stattdessen hat man den Kids eine Schwimmhalle hingestellt. Energetisch der Obergau. Freibäder, z. B. das Strandbad Wansee, haben in diesem Jahr später geöffnet – wegen Sparmaßnahmen.

Schwimmen ist, soweit ich weiß, olympische Disziplin. Darf ich kurz auf den Umgang der Stadt mit dem SEZ – dem Schwimmzentrum im Ostteil der Stadt aufmerksam machen? Er ist traurig! Ein ganz kleines Beispiel, wie es aktuell in Berlins Schwimmbad-Situation aussieht, erzählt – nur ein kleines Fazit – dieser aktuelle rbb-Artikel.

Aber eine Olympia-Bewerbung raus hauen.


In ganz Deutschland – das ging gerade durch die Medien – dauern Neubauvorhaben im Schnitt sechs Monate länger als noch vor zwei Jahren. Baugenehmigungen werden deutlich später erteilt, mangels Personal und völlig aus dem Ruder gelaufener Bürokratie. Und wenn man Architekten und Bauleiter gefunden hat, finden die keine Bauarbeiter, noch Handwerker.

Die, die noch vor Ort sind in diesem Land, die schiebt die CDU lieber in deren Heimatländer ab.

In Berlin gibt es Bauprojekte – und das sind lediglich Straßenbauvorhaben – da benötigen alleine Bebauungspläne eine Bearbeitungszeit von mehreren Jahrzehnten.” Source

Aber eine Olympia-Bewerbung raus hauen.


Ich lebe in fußläufiger Weite von vier U-Bahnstationen. Davon wird bei einer, Heinrich-Heine-Straße, seit Monaten der Tunnel saniert – mindestens bis Ende des Jahres. Danach (!) soll dort endlich ein Aufzug eingebaut werden. Danach, nicht etwa simultan mit der aktuellen Großbaustelle.

Bei einer anderen Station, Märkisches Museum, ist seit über drei Jahren ein Bahnhofszugang still gelegt, neulich wurde die angekündigte Beendigung der Baustelle zum 25. Mai 2025 für sechs Monate nach hinten geschoben. Ich habe dort noch nie Bauarbeiter gesehen. Und ich komme dort häufig vorbei.

Auch am dritten Bahnhof, Moritzplatz, ein Platz mit vier Zugängen) sind seit sechs Jahren jahrelang im Wechsel zwei der Zugänge verschlossen. Werden sie wieder geöffnet, fragt man sich, was dort überhaupt passiert ist. Ein Fahrstuhl oder eine Rolltreppe an diesem komplett nicht barriefreien Bahnhof jedenfalls wurde in den Jahren nicht installiert. Man sieht … nichts. Nicht einmal neue Fliesen oder irgendeine Veränderung. Nichts. Nada.

Der S-Bahnzugang in meiner Nähe, Jannovitzbrücke, dort ist die Rolltreppe, wie jeden Sommer, schon seit Monaten defekt. Hier können Menschen mit Behinderungen immer nur hoffen, dass nicht auch noch der Fahrstuhl ausfällt.

Von der aktuellen völlig desolaten Personalsituation im und dadurch auch der des öffentlichen Nahverkehr Berlins, reden wir mal nicht.

Aber eine Olympia-Bewerbung raus hauen.


Berlin steht seit Jahrzehnten in einem kompletten Wohnkollaps. Gebaut werden immer noch vorrangig Büro- und Hotelflächen. Erstere stehen in dieser Stadt in riesigen Mengen leer! Wohnraum wird kaum noch gebaut. Wirklich finanzierbarer Wohnraum für normale Bürger schon gar nicht.

Wir wissen alle, was solche Sportgroßveranstaltungen in den jeweiligen Ländern, deren Städten mit den Menschen dort gemacht haben: Sie sind massiv verdrängt worden. In Berlin könnten derzeit selbst Bauarbeiter aus anderen europäischen Ländern gar keinen Wohnraum finden.

Aber eine Olympia-Bewerbung raus hauen.


Ein Snippet aus dem Internet zu der seit Jahren diskutierten dringend notwendigen (Neubau hatte man schon ad acta gelegt mittlerweile) Vollsanierung des Olympiastadions in Berlin:
(Und nein, ich möchte genau dort keine Olympischen Spiele 1936 ausgetragen sehen. No fucking way!) Ach, und weil es gerade so schön passt auch eines zum geplanten eigenen Stadion von Hertha BSC:
Nichts gegen Olympia. Aber sollten wir nicht erst einmal die Realität betrachten und diese Stadt so fit machen, dass sie Olympische Spiele überhaupt auch nur ansatzweise auf die Beine stellen kann? In ihren Bauvorhaben, in ihrer Infrastruktur? In ihrer personellen Leistungsfähigkeit? Man mag ja die Bewerbung noch hinbekommen – aber die Stadt und die Menschen werden die Ausrichtung nicht realisiert bekommen.


Einfach mal keine Olympia-Bewerbung raushauen. Zumindest, wenn man die realen Bedürfnisse einer Stadt so schon nicht geregelt bekommt.

2025-05-26

Der kurze polarisierende Ziehsohn von Merz …

Carsten Linnemann reformiert das deutsche Rentensystem – in dem er diese faule Pack von Rentnern wieder arbeiten schickt.

Super Partei haben die deutschen Rentner da gewählt mit der CDU. Vermutlich nun zum letzten Mal.

2025-05-24

Küchenschlacht

Die letzte Woche war der Knaller. Zuerst einmal Viktoria Fuchs als Moderatorin. Ich weiß nicht, ob sie das früher schon gemacht hatte, ich habe sie jenseits des Jury-Stuhls zum ersten Mal verliebt und war schockverliebt. Was für eine großartige, eloquente, herzliche Moderation.

Und dann diese Kandiaten! Wenn jeder Juror sich wirklich an jedem einzelnen Tag schwer tut jemanden abzuwählen – das spricht schon für eine besonders kompetente Truppe.

Diese Woche hatte mir unfassbar viel Spaß gemacht!

2025-05-23

Il Sesto Quarto – Private Fine Dining bei Salvatore Mammano

Beeindruckend im kalabrischen Rocca Imperiale: Die Ausflüge in die Restaurants dieses kleinen Borgos, die wir während unseres kurzen Aufenthaltes besucht haben. Völlig unterschiedlich im Style – von grandioser, traditioneller oder modern interpretierter lukanischer Küche über Pizza bis Fine Dining. Nie sind wir enttäuscht worden von der Handwerkskunst der Köche und ihren Teams!

Den Anfang machte am ersten Abend Salvatore Mammano mit seinem kleinen Restaurant Il Sesto Quarto.

Ein besonderer Abend, denn während wir noch unseren Aperitivo in der Bar „Borgantico Revolution” in der Hauptstraße Corso Federico II di Svevia einnehmen und pünktlich als die Damen aus der Chiesa di Madre nach dem Abendgottesdienst nach Hause schlendern, melden die Smartphones die Wahl des neuen Papstes. Noch wissen wir nicht, wer es ist – aber in Italien zu sitzen, während in der Vatikanstadt alles für die Präsentation des neuen Papstes vorbereitet wird – wann erlebt man das schon einmal als Tourist?
Es ist ein kurzer Weg hoch zu Fuß in Salvatores Il Sesto Quarto.
Ein geradezu privat wirkendes Refugium, wo er das Konzept Private (und) Fine Dining lebt. Ein Raum, in dem ca. zehn Personen Platz haben an dem gemeinsamen Tisch, die offene Küche – eine kleine Terrasse – das ist es! Der Fernseher läuft – aber bitte bedenken: Il Papa! Er entwickelt jeden Monat zwei neue Menüs, kocht und öffnet auf Wunsch bzw. Reservierung – mit Unterstützung von Pino, einem sehr charmanten Tausendsassa!
Wer zu Salvatore kommt, bringt Zeit mit. Denn er genießt das Kochen für seine Gäste genauso, wie die Gäste seine Gänge genießen sollen – mit Hingabe. Keine á la Carte-Küche, Salvatore serviert im Monat zwei Menüs für ca. 35-40 Euro, eines für Fisch-Liebhaber, das andere für Fleisch-Enthusiasten. Wer sich für andere Ernährungsformen entscheidet, ist zumindest bei den Menüs draußen bzw. muss auf eine Gnocchi oder Pasta-Lösung hoffen. Generell sollte reserviert werden.
Uns serviert Salvatore eine Fleisch-Komposition. Die Vorspeise ist ein zum Gemälde angerichtetes Tartare di Podolica al Limone di Rocca Imperiale IGP, Rafano, Ravanello, Asparagi all’agro. Tartar vom Podolica mit Limone di Rocca Imperiale IGP.
Das Podolica-Rind ist ein graues Tier, das vorrangig im südlichen Italien (Apulien, Kalabrien, Basilikata) gezüchtet wird. Früher vor allem als Zugtier auf den Feldern im Einsatz, wurde es nebenbei natürlich auch als Milchlieferantin und in der Fleischproduktion verwendet. Das ist auch heute noch so, wenn sich auch die Bestimmung dieser Tiere komplett umgekehrt hat. Den Tartar begleiten zarte Radieschen, aromatischer Meerrettich und sauer eingelegter Spargel. Olio bildet mit der Zitrone eine Liaison.

Damit wären wir aber bei dem Hauptmerkmal der Küche von Salvatore, es kommen nur die Produkte aus der unmittelbaren Region und in ihrer jeweiligen Saison auf den Tisch – „Zero Kilometre” lässt grüßen. Bemerkenswert ist die Liebe zum Detail von ihm.
Der Primo ein klassischer Pastagang. Die Rasciatelli, die wie lang gezogene, nicht umgedrehte Orechiette aussehen, sind aus Carosella del Pollina DOP gefertigt, eine uralte Weizensorte, die schon von den Römern verwendet wurde. Sie stammt aus der Basilikata. Vergessen wir es bitte nicht, wir speisen gerade 20 Kilometer hinter der Grenze dieser Provinz – zu der Rocca Imperiale bis zur Gebietsreform noch gehörte. Angebaut, gedroschen, gemahlen und verpackt wird dieses Getreide in den Höhenlagen des Pollino-Nationalparks auf einer Höhe von 7 bis 800 Meter über dem Meeresspiegel. Diesen Nationalpark teilen sich Kalabrien als auch Basilikata. In dieser Region wirkt Pasta oft rustikaler, denn sie wird ohne Eier nur mit Wasser und einer Prise Salz zubereitet.
Sensationell die Sugo mit der uns Salvatore diese Pasta serviert, ein würziges Ragout vom weißen Perlhuhn mit schwarzem Pollino-Trüffel. Rustikal im Teller, aber ein sehr edler Geschmack. Ein köstlicher Gang – und ich, die überhaupt keinen Trüffel mag, bin zum ersten Mal angetan von diesem intensiven Pilz. Er passt fantastisch! Rascatielli di grandi antico Carosella del Pollino con Ragù bianco di Faraona e tartufo nero del pollino – ein selten guter Primo!
Salvatore verwöhne uns im Secondo mit einem klanghaften Gebilde Stracotto di Manzo Podolico su Vellutata di Patate Silane e Demiglace al Bergamotto – auf einem sehr feinen Kartoffelpüree sortieren sich erneut Stücke vom Podolico. Das Rind wurde stundenlang geschmort und zerfällt direkt an der Gabel, schmeckt intensiv und aromatisch. Die zitronige Demiglace mit dem besonderen Geschmack der Bergamotte steht dem Fleisch mit einer herben, frischen Note zur Seite, dazu die ausgleichende süßliche Kartoffelcreme. Dieses Schmorfleisch war eine besondere Begegnung.
Das Dessert: Eine der feinsten Ricotta-Tartes, denen ich je in Italien begegnet bin. Der Ricotta sind aromatische Birnenwürfel zugefügt, ruht auf zartem Teigboden und der Faden Safran-Honig darüber – natürlich aus dieser Region, die auch ein Safran-Anbaugebiet ist – ist deliziös.

Ich kann nicht anders, dieser sensationelle Honig muss mit! Honig und Safran – das ist doch ein Geschenk Gottes!
Wie angenehm es ist, mit Köchen (hier Cibi, Koch in und mit Pino (und Tina) Gesellschafter der Trattoria a Muntagnola) zu reisen, eröffnen sie einem doch einen anderen Zugang in fremde Küchen. Denn nach dem Dinner wurde es spannend, ein Teil ging in die Küche und wir ließen uns von Salavatore in seine famose Küchenwelt einladen – um mit ihm und der Zitrone zu experimentieren.

Wer mit der aromatischen Limone di Rocca Imperiale IGP groß wird, hat diese große Vielfalt an Zitrusfrüchten im Zugriff, deren Spektrum ihrer Zubereitung unendlich ist. Denn hier werden auch die frischen oder getrockneten Blätter der Zitronenbäume in seiner Küche verwendet!
Salvatore zeigt uns, wie er aus den Blättern schnell das aromatischste Pulver macht. Pino, der Altenpfleger, Florist, Charmebolzen und Kellner gleichzeitig ist, dieses Gesteck ist von ihm:
… zauberte frische Zitronenblätter eines Baumes her und hatte Spaß mit Cibi.
Salvatore legte sie für drei Minuten in die Mikrowelle und mörserte die angetrockneten Blätter zu Pulver. Dies zusammen mit etwas Olivenöl zu frisch aufgeschnittenen Gurken gegeben, schenkt dem knackigen Gemüse einen tiefgründigeren zitronigen Geschmack, ganz ohne die Aufdringlichkeit von Zitronenzesten.
Spannendes Gaumenerlebnis, insofern mein Tipp: Ein Zitronenbaum auf dem Balkon lohnt sich zweifach!
Unser erster Abend in Rocca Imperiale war besonders köstlich, zitronig und fantasievoll, dabei erstaunlich leicht – in einer ruhigen und gelassenen Atmosphäre. Begleitet hatten unser Essen natürlich die Vini aus Kalabrien. Weiße Weine, die mit ihrer Würze und ihrem trockenen Ausbau perfekt auch zu diesem Fleischmenü passen. Und zwar aus der Region rund um Consenza.
Er kredenzt uns den Vino Bianco Arintha der Cantine Giraldi & Giraldi. Chardonnay und Grecco Bianco tummeln sich im Glas, wobei für meinen Geschmack der Chardonnay zu dominant ist. Aber der Wein hat wiederum (auch trotz des Chardonnay-Anteils) ausgewogene Tiefe.
Er entstammt den Böden der kalabrischen Provinz Consenza ebenso wie der zweite Wein, der Azienda Terre del Guffo. Wir genießen den Alysso IGP Calabria Bianco. Die kalabrischen autochthonen Trauben Grecco Bianco, Mantonico Bianco und Vujno werden in unterschiedlichen Reifegraden geernet und bringen einen üppigen, sehr trockenen und goldenen Wein ins Glas.
Da ist viel Wald im Glas, Pilz und gute Mineralität – ein ebenbürtiger Partner zum Podolica. Und: mein Favorit des wirklich gelungenen Abends bei Salvatore Mammano.


Il Sesto Quarto
Inhaber Salvatore Mammano
Via Federico Svevo 1, Rocca Imperiale
Phone: +39 371 477 6812
e-Mail: Ilsestoquarto@libero.it

2025-05-21

Matera – immer eine Reise wert!

Regelmäßige Leser*innen dieses Blogs haben schon verstanden: Ich habe einen leichten Crush auf Matera. Diese einzigartige Stadt in der Basilikata zu besuchen, macht mich immer happy. Als sich anlässlich unserer Reise nach Rocca Imperiale in Kalabrien am ersten Tag zumindest ein halber Tag in Matera in unser Programm schmuggelte – es lag auf dem Weg – waren meine Emotionen natürlich mehr als freudig gestimmt. Es gab einen kurzen Moment der Ekstase, durch einen Happy Dance ausgedrückt. Aber es ist so: Ich setze den Fuß in diese Stadt und bin voller Frieden.
Das Flugzeug landete nach einem sehr frühen Start um kurz vor neun Uhr in Bari. Eine knappe Dreiviertelstunde später waren wir in Matera, blauer Himmel, Schäfchenwolken und eine dezente Brise – perfektes Reisewetter! Eingeladen waren wir von Michele Brucoli, der uns gemeinsam mit Claudio Latorre die Zeit in dieser wundervollen Stadt mehr als angenehm bereitete. Claudio führte uns zuerst durch Matera – und entpuppte sich später als profunder Sommelier, der uns einige spannende Rebenschätze der Region vorstellte. Aber zuerst nahm er uns mit zur Panificio Il Forno di Gennaro der Familie Perrone.
Diese Bäckerei zelebriert ihre Backkunst seit dem Jahr 1890 – in den aktuellen und jüngst modernisierten Räumen schon seit 1960 – und nunmehr in der vierten Generation.

Panificio Il Forno di Gennaro

Nicola startete das familiäre Geschäft Ende des 19. Jahrhunderts am Holzofen, gefolgt von seinem Sohn Giuseppe, in dessen Fußstapfen später Enkel Gennaro in den 40igern im letzten Jahrhundert trat.
Eine unzählbare Menge Pane di Matera wurde seither gebacken, heute ist der Betrieb immer noch Familiensache und wird von Gennaros Töchtern und Enkeltöchtern sehr modern geführt.
Seit 2000 vertreiben sie ihre Backwaren auch in der Distribution – und ein Seminarraum ist auch in die Bäckerei eingezogen.
Patrizia und Sabrina bieten neben dem besonderen Brot saftige Focaccia und die berühmten Friselle an. Bei den doppelt gebackenen Friselle musste ich zuschlagen, einfach weil sie so eine schöne dunkle Farbe hatten.
Enzo – der seit 62 Jahren hier das Pane di Matera im Holzofen backt – zeigte uns gemütlich, wie souverän und gelassen, dennoch rasant schnell er das Pane faltet, schneidet und – für uns Zuschauer – stempelt – und in den Ofen schiebt. 1000 dieser Brote verlassen täglich die Bäckerei!
Enzo schien sehr in sich zu ruhen – ich glaube, Brot backen ist ein sehr medidativer Prozess. Das Brot, mit der fast ebenso alten Mutterhefe Lievito Madre, angesetzt, erhält eine lange Teigführung und ist daher sehr bekömmlich. Das von Il Forno di Gennaro verwendete Hartweizengrieß bzw. -mehl entstammt der Region Genzano di Lucania.
Die Stempel entstammen noch der Zeit als die Familien ihre Brote selber herstellten und in den großen Gemeinschaftsöfen backten und mit diesen Stempel ihr Brot mit ihren Familienkürzeln kennzeichneten. Er wird nach dem Falten und dem Schneiden der Dreifaltigkeitskrone in den Teig gedrückt. Dieses Brot ist ein Geschenk aus Backkunst, traditionellen unverfälschten Zutaten – und sehr viel Zeit. Seine Kruste ist irre knusprig und kracht im Ohr beim Reinbeißen. Es braucht nur leckeres Olio di Olivi – herrlich!


Die Piazza Vittorio Veneto di Matera – unendlich viele Sehenswürdigkeiten

Weiter ging es zu Fuß in Richtung Sassi di Matera zur Piazza Vittorio Veneto. Auf die vielen Sehenswürdigkeiten dieses Platzes mit der Chiesa di San Domenico; dem Palazzo dell’Annunziata aus dem 18. Jahrhundert, heute Ort für viele kulturelle Veranstaltungen; der Springbrunnen: die Fontana Ferdinandea, als auch auf die Palombaro Lungo: eine Zisternenwelt unterhalb von Matera, die immerhin 5 Millionen Liter Wasser fassen konnte, sowie die Ausgrabungsstätte des früheren Marktes Fondaco de Mezzo konnten wir aus zeitlichen Gründen lediglich einen kurzen Blick werfen. Viele kleine Appetizer – es gibt für mich in Matera immer noch so viel zu entdecken. Ich brauche unbedingt einmal eine ganze Woche in Matera!
Claudio führte uns zum Balkon Belvedere Luigi Guerricchio. In der Vorbereitung zu dieser Reise war es mir ein Herzanliegen, dass meine mitreisenden Kolleg*innen, die Matera zuvor noch nie besucht haben, von hier einen allerersten Blick auf die Sassi werfen konnten. Und danke schön an Claudio und Michele, dass sie es ihnen ermöglicht haben!

Vor Jahren hatte ich dort selber meine erste Berührung mit den Sassi und das besondere Gefühl angesichts dieses Wimmelbildes von Steinhäusern, das ich damals empfinden durfte beim Blick vom Balkon, hatte mich nicht mehr verlassen. Das wollte ich weiter gegeben wissen. Selber war ich wieder glücklich bei diesem grandiosen Anblick auf einen relativ kleinen Teil der Sassi!
Zumal ich dort mit Pino Bianco sein konnte – auch so ein Wunsch von mir, mit Pino einmal seine Heimat entdecken zu dürfen. (M)Ein Geschenk!
Als Nächstes zeigten uns Claudio und Michele zuerst den kleinen täglichen Markt, Mercato storico di Matera centrale, der keine zwei Minuten entfernt in einer Querstraße an der Piazza Ascanio Persio liegt. Er ist übersichtlich in seiner Größe, täglich geöffnet und bietet bis 14 Uhr alles, was man für die gute lukanische Küche braucht, …
… einschließlich frischem Fisch- und perfektem Fleischangebot. Mit Fans.
(Hier wanderten Face di cravatta, Caroselli und natürlich viel Oregano in meinen Rucksack.)
Nächster Stopp, die Salumeria Il Buongustaio Matera direkt auf der Piazza. Dort gibt es alles! Käse, Wurstwaren (ja, auch die aus Pferd hergestellt), Trüfffel, Konserven, Gewürze, Süßigkeiten – nur frisches Gemüse (kauft man natürlich auf dem Markt). Alle Spezialitäten der Basilikata, können hier in viel menschlichem Gewusel erworben werden.
Ich finde diesen Feinkostladen sehr charmant, auch dank seines schönen alten Interieurs aus Holz, würde es aber vorziehen, dort einzukaufen, wenn andere Touristen noch schlafen – also eher um 08.30 Uhr.


Traumhafte Lofts in der Il Granile

Unser nächster Stopp führte mich in eine Straße von Matera, in der ich zuvor noch nie gewesen war. Und Michele als auch Claudio entpuppten sich plötzlich als großzügige, sehr charmante Gastgeber (Michele), Claudio als ebensolcher Sommelier. Michele, mit seiner Frau Ferdinanda, als talentierter Kunstsammler.
Il Granile – die ehemalige Speicherstadt von Matera, wo z. B. das Getreide gelagert wurde – galt früher als eine der sehr reichen Wohngegenden Materas in früheren Jahren. Hier hat Michele gemeinsam mit Ferdinanda drei Lofts ausgebaut.

Wir befanden uns auf der zweiten Ebene im Palazzo Malvinni Malvezzi, einem beeindruckenden weitläufigen Gebäude, das um 1857 erbaut wurde. Unter ihm befindet sich ein weitläufiges Areal, das aus von Menschenhand in den Fels gehauenen Höhlen besteht. Von der Straße aus führt eine steile Treppe hinab zu den Höhlen, die früher als Lager und für die Konservierung landwirtschaftlicher Produkte der großen Adelsgüter rund um Matera dienten. Natürlich gab es hier auch Weinkeller, Ställe für die Maulesel und Zisternen.
Haben wir nicht besichtigt, denn wir waren indes herzlich eingeladen, uns die Lofts anzusehen! Sie sind mindestens genauso beeindruckend. Die Eheleute verbindet die Liebe zur Kunst und zu Antiquitäten – und so haben sie die Contemporary Lofts quasi zu bewohnten Galerien umgestaltet und vor allem mit den Exemplaren ihrer Sammlungen ausgestattet bzw. in das Loft-Design integriert.

Und sie stellen auch Kunst aus! Aktuell hängen dort zum Beispiel die Exponate des Künstlers Nicola Kalura mit seiner PopUp-Installation „Munnu Era”. (Die Gang: Michele Brucoli, Pino Bianco und Nicola Kalura v. l. n. r.)
So ein cooler Ort! Der Mix aus Elementen, die aus ihrer früheren Funktion in die heutige Gestaltung implementiert wurden, wie hier zum Beispiel eine alte Waage …
… heute als Treppenelement – der ist einfach großartig und gelungen. Spannendes Interieur, integriert in die sinnvolle Innenarchitektur heutiger Moderne, gelungen, faszinierend.
Überall gibt es etwas zu entdecken. Eine alte Getreideschütte, die die ursprüngliche Nutzung des Speichers unter Beweis stellt, der TV-Screen steht auf einer Malerstaffel.
Und alle Räume mit Heizung ausgestattet. Ich fand die Heizkörper so schön im Design, …
… also es gibt keinen Grund diese Lofts nicht auch einmal außerhalb der üblichen sommerlichen Reisesaison zu buchen. In einem der Lofts die Faltküche!
Ein Problem, das Gäste in diesen Unterkünften haben dürften, ist, dass sie gar nicht mehr verlassen wollen. Was ein heftiger Zwiespalt wäre in dieser spannenden Stadt. Ich hatte früher schon Fotos gesehen von Micheles Appartements – im Real Life sind sie viel besser. Gleichzeitig durften wir die Kunst von Nicola bestaunen, die derzeit in den Appartements aushängt.

Der perfekte Aperitivo

Nun, in dieser exklusiven Umgebung servierte uns das Ehepaar Brucoli einen leckeren, mehr als reichhaltigen Aperitivo. Zum Teil sogar selbst hergestellt von Micheles Ehefrau (die er übrigens einst aus Bari nach Matera entführt hatte). Ihre stark angerösteten Peperoni in Olivenöl mit Kapern und Rosinen – ein Rezept ihrer Nonna – werde ich auf jeden Fall nachkochen! Die haben uns alle sehr begeistert. Die Parmigiana oder überbackenen Muscheln … ging es uns gut!
Auch Claudio, der uns feine Spumante (ich kann italienische Spumante nicht hoch genug preisen!) und exzellente Weine von Winzern aus der Basilikata in die Gläser schenkte. Diese Weinverkostung war wirklich besonders.
Die Basilikata als Weinland sollte unbedingt mehr entdeckt werden. Vor allem, finde ich, dürften hierzulande die lukanischen Weißweine endlich mehr Beachtung finden!


Im Cabriolet durch Matera

Sehr satt und zufrieden wurden wir in ein Auto gesteckt. Einem Van von Mercedes, als Cabriolet umgebaut, der uns durch die Sassi von Matera fuhr. Hatte ich jemals einen echten touristischen Moment in Matera – da war er! Mit Zwischenstopps unten in den Sassi di Matera, oberhalb der Gravina (der Fluß in der Schlucht).
Mit erfrischenden Kaltgetränken (Touri-Mode) fuhren wir aus den Sassi raus. Immer wieder beeindruckend die Steigung am Ende der Sassi – ja, das Anfahren am Berg, sollte man hier beherrschen dürfen. Wir fuhren über die Landstraße durch die blühenden Landschaften genau auf die andere Seite der Schlucht, mit dem traumhaften Blick auf die Totale von Matera.
Wow! Das war etwas, was ich mir immer gewünscht hatte (gut, ich wäre mit mehr Zeit irgendwann dorthin gewandert und möchte das auch immer noch einmal machen.) Was für ein einzigartiger Blick auf die gesamte Stadt! Diese Historie. Wie skurril dann im Hintergrund die Neubauten wirken, so klein und unbedarft. Und diese Stille dort. Ein wunderschöner, mich tief beeindruckender Ort.

Nur etwas mehr als fünf Stunden waren wir in dieser besonderen Stadt – und ein schönes Momentum reihte sich an das andere! Grazie Michele e Ferdinanda e Claudio (und an alle anderen, die uns die Zeit in Matera so schön gestaltet haben.)

Ich möchte wirklich immer, immer, immer wiederkommen.


Il Granile Contemporary Loft
Via XX Settembre, 14, 75100 Matera MT, Italien
Homepage e-Mail: booking@mateintravel.com


Stadtführungen in Matera und Weinverkostungen
Claudio Latorre
Phone: +39 348 325 6103

Damasco Travel Service (Autoservice mit Fahrer)
info@autoservizdidamasco.it


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