2019-08-19

Berliner Einkaufstipps

Es ist heutzutage üblich über den stationären Einzelhandel zu meckern. Angeblich ist es toller, klüger, wirtschaftlicher, ökologischer und mit viel mehr Breite sortierter im Internet einzukaufen.

Das glaube ich nicht. Alles hat Vor- und Nachteile. Und gerade den Leuten, die mir mit der absoluten Vielfalt des Internets kommen, den sage ich gerne, dass sie mit ihrer Abkehr vom Einzelhandel dessen Diversifikation offensiv mitgestaltet haben. Wo weniger eingekauft wird, kann Verschiedenartigkeit nicht mehr finanziert werden.

Die Nase sitzt mitten im Gesicht, die eigene, anfassen, Bitte!

Ich gehe gerne einkaufen. Es ist nicht nur der Kontakt zu den Menschen und ihrem Wissen, das durchaus sehr profund immer noch ist. Man muss halt einkaufen gehen wollen ohne den Selbstzweck sich über den „nur” Fachverkäufer mit dem eigenen Intellekt stellen zu müssen. Dann kann der persönliche Einkauf ein sehr zufrieden stellendes, fast glücklich machendes Erlebnis sein.

In Berlin hat das mittlerweile zur Folge, dass nicht nur alteingesessene Läden ihre Pforten schließen müssen, mangels Kundschaft. Hier geht es zur Zeit sogar den Wochenmärkten an den Kragen. Das finde ich wirklich bitter. Wer dort nicht mehr einkauft, vertraut auf die „Regionalität” der Discounter. Das ist ungefähr so clever wie auf die „Bioqualität” der Äpfel (aus China) der Discounter zu vertrauen.

Neulich war ich wieder auf dem Markt in Charlottenburg am Karl-August-Platz. Dem Markt meines Herzens, weil ich hier als Kind schon immmer mit meiner Mama und Oma einkaufen gegangen bin und am Imbiss Krumme Straße Ecke Goethe Straße am Kindertisch im Kinderstuhl meine klein geschnittene Wiener in Tomatensoße serviert bekam. Meine Sozialisierung zur Currywurst, quasi. Die glücklichen Momente meiner Kindheit. Ich habe es geliebt.

Ich gehe heute immer noch sehr sehr gerne dort einkaufen, alle Waren sind definitiv deutlich teurer als z. B. auf dem Wochenmarkt am Maybachufer, wo ich mittlerweile öfter enttäuscht über die eingekauften Lebensmittel als beglückt bin. Wenn man da überhaupt noch Lebensmittel erhält, den zunehmend wird dieser Wochenmarkt zu einem touristischen Schmuck- und Designmarkt. Die Produkte, die indes auf dem Wochenmarkt im Pestalozzi-Kiez angeboten sind, sind von wirklich hoher Qualität und meist regionaler Herkung, die Verkäufer sind allermeist sehr charmant. Ich finde in keinem der Wochenmärkte den typischen Berliner-Flair mehr wie hier.

Erst vor zwei Wochen bin ich dort am Mittwoch gewesen (dieser Markt findet Mittwochs und Samstags statt), habe an einem Stand Kartoffeln gekauft und bin von einem sehr jungen Mann mit fröhlichen Sprüchen und ziemlich smarten Lebensweisheiten unterhalten worden. Der Art, die schönen Dinge in den einfachen Dingen zu sehen. Das war wundervoll!

Skarvelis Olivenöl und Oliven



Kommen wir zu den Einkaufstipps – auf diesem Karl-August-Platz-Markt am Mittwoch, wie auch am Winterfeldplatz am Samstag, hat Carmen Skarvelis ihren Stand mit Produkten rund um die Olive. Manolis und Carmen Skarvelis besitzen in Mani, im Süden auf der griechischen Halbinsel Peleponnes ihre Olivenbaumplantage, die sie nach bewusst ökologischen Maßstäben betreiben. Also ohne chemische Dünger, keine Bewässerung. Die Ernte der Oliven der Sorte Koroneiki geschieht möglichst früh, um die guten Wirkstoffe (Vitamin E, ungesättigte Fettsäuren, Polyphenole) im Öl in hoher Menge zu erhalten. Aus den Koroneiki Oliven produziert man von einem Baum lediglich 1-3 Liter des grünen Olivenöls. Aus Olivenbäumen anderer Olivensorten lassen sich bis zu 10 Liter erzielen. Die Intensität des Olivenöls der Skarvelis liegt auf der Hand.

Das Öl ist kalt extrahiert ohne Filterung abgefüllt.

Wir haben in Berlin einige Händler, die sehr gute Olivenöle anbieten – ob nun aus Griechenland, Italien oder Spanien. Aber das Olivenöl von den Skarvelis ist für meinen Geschmack das beste, feinste und geschmacklich mehr als überzeugende Öl zu dieser Zeit in dieser Stadt! Die Skarvelis liefern auf ihrer Homepage das Argument für ihr Olivenöl transparent in der aktuellen Olivenöl-Analyse.

Ich kaufe dort sehr gerne ein. Wenn ich eines auf meinen Reisen nach Apulien gelernt habe, dann dass ein sehr gutes Olivenöl nicht für weniger als zehn Euro für eine 750 ml-Flasche zu haben ist. Das geht nicht, dann ist es höchstsicher gepanscht. Gutes reines Olivenöl mit gutem Ertrag zu produzieren, das dauert Jahre, die Bäume wachsen nicht schnell. Baumschnitt, die Ernte sind harte, sehr intensive Arbeit. Bei den Skarevelis kostet der 5 Liter-Kanister 79,— Euro, 500 ml in der Flasche 15,50 Euro und 750 ml 17,50 Euro. Dieses Öl ist jeden Cent wert!

Und wenn man schon am Stand ist, sollte man auch immer von den grünen Koroneiki Oliven mitnehmen. Sie schmeckt intensiv zitronig. Oder der Kalamata (Leseempfehlung!). Es ist eine besondere Freude, wenn Carmen mit ihrer freundlich und fröhlichen Persönlichkeit die abgewogenen Olivensorten mit dem hauseigenen Olivenöl auffüllt. Mittlerweile kaufe ich meine Oliven nur noch dort. Leider haben die Skarvelis (noch?) keinen Online-Shop – aber sie antworten auf Mails sehr schnell.

Shiina übrigens liebt die Koroneiki, also mit lieben meine ich, sie spielt nicht nur begeistert mit der Olive, sie frisst sie auch. Mehr Qualitätsprädikat geht wohl nicht.

Terra Verde – Sizilianische Spezialitäten in Bio-Qualität



Meine neu gewonnene Leidenschaft zum Wandern (neudeutsch Trekking) lässt mich gerade nach günstigen Möglichkeiten suchen, Kleidung zu finden, die mich auch unbekümmert im kommenden Herbst bei Regen den Weg ins Draußen machen lassen. Bei einer Sportbekleidungskette erzählt die Homepage von einem Regenjacken-Angebot, das es, in meiner Größe, in einer Filiale in Steglitz nur noch geben sollte. Also habe ich mich gestern aufgemacht, wieder einmal den Süden Berlins zu erobern. Ab in die Schlossstraße, die auf ihrer Länge mit Hauptstraße über die Rheinstraße schon ein besonderes Flair im Berliner Kommerzgeschehen offeriert. Ich war hier lange nicht mehr unterwegs, kenne die Gegend aber noch sehr gut, weil dort meine Ausbildungsstätte lag. Aus der Zeit weiß ich noch, dass für die Menschen aus Lichterfelde oder Steglitz zum Kurfürstendamm (die U-Bahnlinie bringt einen dort ratzfatz hin) fahren, gleichbedeutend war mit „in die Stadt fahren.” Ich vermute, es gibt immer noch Menschen in Lichterfelde, die keinen Fuß in den Ostteil der Stadt setzen. Nicht wegen der Ablehnung, sondern weil der eigene Kiez Zenith genug ist für sie.

Nun denn, ich machte mich gestern auf den Weg, erst per Bus, dann mit der S-Bahn. Darf auch mal sein. Ich hatte so eine unbestimmte Idee an welchem S-Bahnhof von den drei möglichen Stationen im Bezirk ich aussteigen wollte, entschied mich für den in der Mitte, Feuerbachstraße, nahm aber einen (Friedenau) zu früh. Was kein besonderes Ärgernis für mich ist, weil ich generell gerne laufe und hier lief ich halt durch den schönen Altbaubestand von Friedenau, was immer ein besonderes Vergnügen ist.

Interessanterweise ist mir dabei aufgefallen, haben sich dort in den ehemaligen italienischen Restaurants nun verstärkt indische Köche breit gemacht. In deutlich kleineren Läden als dieser Massentourismus-Indien-Food von Amri & Co. Nun denn, da kann man sicher noch die eine oder andere Entdeckung machen.

Mein verkehrter Ausstieg führte in der Rheinstraße 18 an einem sehr kleinen italienischen Laden vorbei, der alles an Lebensmitteln – also vor allem auch Gemüse und Obst – feil bietet, was mein Herz gerne begehrt und man genau nicht überall bekommt. Die milden weißen Zwiebeln für Antipasti (hier so ein Züchtung zwischen Borettana und Allium Cepa), unbehandelte Zwiebeln aus Sizilien – fielen mir sofort ins Auge.

Terra Verde – Landkost aus Sizilien nennt sich dieser hübsche Laden von Nicolo Sparacino und Michele Ferraro in dem es alles gibt, was so ein italienisch infiziertes Herz begehrt. Der kleine Imbiss offeriert Antipasti, kleine warme Gerichte (Mittagstisch) und natürlich Caffè. In der Kühltheke liegen frische Pasta und Käse aus Sizilien, in den Regalen Weine und sonstige italienische Spirituosen, vorgebackene (abgepackte) Cannolli und das Olivenöl des Hause gibt es frisch abgefüllt vom Faß. Das Olivenöl schmeckt auch wirklich sehr fein, ich habe es getestet.

Und – da schlug mein Herz ganz wild – in dem Gemüsefach unter dem Regal gab es sogar die Cocomero pugliese – die wundervolle Gurkenmelone!

Der Laden gehört zur BioFruit Trading, einem in Deutschland (Berlin) ansässigen Unternehmen, das auf Sizilien 100%ig biologisch produziert, vor allem Zitrusfrüchte. Die Ware wird frisch geerntet ohne Zwischenhändler direkt an den Handel ausgeliefert. Ich mochte es dort sehr und kaufte Zitronen, Zwiebeln natürlich die Cocomero – und war sehr happy mit meiner neuen Entdeckung!

Man braucht etwas Zeit, um sich dort in der typisch italienisch präsentierten Vielfalt auf kleinstem Raum zurechtzufinden. Deswegen trinkt man dort ja auch einen Espresso … oder zwei. Dort war ich bestimmt nicht zum letzten Mal. Nee, ganz sicher nicht!

2019-08-18

Was für ein Text … über Depression!

„Das Ermüdende an der Depression ist, dass sie immer noch und immer wieder da ist, auch wenn sie weg ist. Was ich damit meine: Nachdem ich mein Leben mithilfe der Verhaltenstherapie geflickt, gepflastert und repariert hatte, war dieses Leben wirklich sehr viel besser, und ich war in diesem Leben sehr viel zufriedener.

Aber die Depression lächelte im Hintergrund und sagte: Schön, jetzt bist du ein Depressiver mit einem reparierten Leben. Aber denk nicht, dass du mich los bist.”


Von Till Raether „Depressiv oder „nur" unzufrieden?” in der Brigitte

Ich finde den Text gut, weil er hier eine Form der Depression beschreibt, die Dysthymie, die ein Leben lang begleitet. Chronisch. Sie charakterisiert Menschen, die ein Leben lang versuchen, souverän und mit Leichtigkeit ihr Leben zu beschreiten, wie es in der Gesellschaft vorgelebt wird. Sie selber das Leben aber eher in Grautönen sehen, denen das Glas einfach nie „halb voll” erscheint. Das impliziert ein ständiges Gefühl, nie gut genug zu sein. Und das ist sehr sehr anstrengend.

Dysthmie kann – das macht dieser Artikel sehr deutlich – auch in Menschen innewohnen, die gesellschaftlich das Prädikat erfolgreich bekommen würden. Menschen, die vielleicht gut situiert leben dürfen, beruflich großartige Dinge leisten, gesunde und wundervolle Kinder großgezogen haben – all das, woran in dieser Gesellschaft gemessen wird, dass man gefälligst glücklich zu sein hat. Also Menschen, denen man die Depression eher nicht ansieht. Die – wie sie im Text genannt werden – Hochfunktionalen.

Fatal.

Für diese Menschen ist dieses Glück aber immer nur halb, wenn nicht noch weniger. Denn ihnen sitzen immer Gewichte auf der Schulter, die deren Handeln um ein Vielfaches schwerer erleben lassen, die Anschubenergie zum täglichen Tun – über die andere Menschen nicht einmal nachdenken – muss täglich neu verhandelt werden. Die Freude, der Genuss, den Menschen aus ihrem Leben ziehen dürfen, wird nicht empfunden, weil deren Ursachen für Patienten mit Dysthymie im Vorfeld immer nur mit unsäglichem Kampf vorab erzielt werden können. Es ermüdet sehr.

Man hangelt sich von einem hellen Moment zum nächsten, nur sie sind nie so selbstverständlich wie für andere. Man dreht ständig im Hamsterrad, um die Sonne zu sehen – während andere einfach entspannt nebenan in der Hängematte längst in der Sonne liegen.

Zwischen – und übrigens auch während – dieser dunklen Phasen können diese Menschen sehr leistungsfähig sein, fröhlich, lustig, ungemein selbstsicher wirken. Bis zum nächsten Schub. Und das ist der Punkt, therapeutisch kann man diesen Patienten Hilfsmittel, Medikamente und Therapien, an die Hand geben. Und dennoch: die Krankheit bleibt. Sie ist ein Teil von einem selbst. Man kann mit diesen Instrumentarien und dem frühzeitigen Erkennen der tieferen dunklen Perioden besser Fürsorge vorsorglich für sich betreiben.

Nur endgültig und für immer verschwinden, das wird die Dysthymie einfach nicht. Der Schein ist nicht immer das Sein.

2019-08-15

Der Mensch ist so dumm!

Im vergangenen Jahr haben wir Nachbarn, die wir gerne auf dem Hof wegen Kinder oder Tiere beisammen stehen und Kontakte untereinander pflegen, die Idee geboren, dass es schön wäre wenn wir auch in unserem Bereich der Wohnbautengenossenschaft einen anständigen Kinderspielplatz hätten, einen für etwas größere Kinder.

Vorteile einer Wohnbautengenossenschaft sind definitiv, dass die Geschäftsleitung solchen Anregungen erst einmal generell positiv gegenüber steht – man spricht miteinander. So gab es eine Begehung mit einem der Geschäftsführer (übrigens bei uns eine Geschäftsführerin und ein Geschäftsführer – es geht also, wenn man nur will), wir trugen unsere Ideen vor und im Grunde gab es damals schon das Okay! Das war im Frühsommer. Im Spätsommer begannen die ersten Baumaßnahmen, die sich allerdings hinsichtlich der Fertigstellung bis in dieses Jahr hinzogen, weil die Spielgeräte nicht so schnell lieferbar waren. Aber die notwendigen Geländearbeiten, Zaunerweiterung, Umbaumaßnahmen hinsichtlich der Feuerwehrzufahrt – das alles war geregelt.

Da wir den Spielplatz als offene Begegnungsstätte haben wollten, blieben die Türen im erweiterten Zaun ohne Schloss. Das war der Wunsch von uns Nachbarn, wir wollten mehr Interaktion hier mit anderen Nachbarn im Umfeld. Seitens der Geschäftsführung gab es ein „wir gucken uns das an”-Credo. Die Türen selbst waren notwendig, damit Kinder nicht auf die Straße laufen konnten – das impliziert die Notwendigkeit, dass man die Türen schließt. Wenn man kommt und wenn man geht.

Der Spielplatz wurde von Eltern und Kindern, die bei uns nicht wohnen, eingeweiht als dann die Geräte geliefert und installiert waren, da waren die „Hier bitte noch nicht spielen!”-Bänder der Gartenbaufirma, die natürlich auch Spielrasen aufgebracht hatte, der anständig anwachsen können sollte, noch gar nicht entfernt.

Es gibt für die Nutzung des Spielplatzes einige Regeln, die natürlich mit einem Schild kommuniziert werden; so gilt es die Mittagsruhe einzuhalten (die bei uns, Genossenschaft, im Mietvertrag für das Wochenende klar geregelt ist) und das Ballspielen ist generell verboten. Unsere Häuser sind nachträglich außen wärmegedämmt, solche Fassaden sind so stabil halt nicht. Und die Wohngenossenschaft möchte halt die Fassaden noch eine Weile nicht gleich wieder neu streichen müssen. Und die besondere Lärmkulisse, kaputte Fenster etc., wollte die Geschäftsführung von vorne herein nicht.

Der Spielplatz ist in einem Bereich der Anlage, die nach hinten hier (wo z. B. mein Schlafzimmerfenster liegt) eine Grünanlage ist, die ganz klar nicht mehr Spielbereich ist. Dort steht ein Baum, der wachsen soll, damit wir Mieter über die nächsten Jahre, mit etwas Glück, irgendwann einen Sicht- und Klimaschutz haben. Dieser Baum ist leider so gewachsen, dass man prima in ihm herum klettern kann. Dieser Baum hat an seinem unteren Stamm und den prima zu bekletternden Ästen bereits massive Schäden, weil leider schon immer ständig in ihm herum geklettert wird.

Lange Rede: ich mag Kinder, ich habe als eine der kinderlosen Mieter für den Spielplatz plädiert aber ich will, dass dieser Baum leben darf – länger leben darf. Und so habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, wann immer ich es mitbekomme, die Kinder und deren daneben stehenden Eltern höflich zu bitten, das Kind wieder aus dem Baum zu holen. An manchen Wochenendetagen machste das schon mal fünf Mal. Und das nervt, zumal sich einige Eltern bemüßigt sehen mit mir (oder Nachbarn) zu diskutieren, wenn wir Mieter uns erdreisten deren Königskinder halt nicht den besonderen Baumspaß zu gönnen. Die kapieren das auch nicht, wenn man ihnen sachlich den Hintergrund erklärt, dass es einfach uncool ist, wenn jedes zweite Kind in diesem Baum herum klettert. Es ist ihnen sch…egal. Zumal: sie zahlen auch nicht für die Grünanlagenpflege, so wie wir direkten Anwohner.

Der Spielplatz ist ein voller Erfolg, denn es kommen sehr viele Eltern mit ihren Kindern, die gar nicht Mieter bei uns sind. Einerseits sind das die Eltern mit ihren Kindern, die Beschäftigte der chinesischen Botschaft sind, die mehrere Hausstränge der Wohnanlage über die Straße gegenüber für ihre Bedienstete komplett angemietet hat. Andererseits sind das die Eltern der umliegenden Eigentumsbauten, die hier in den letzten Jahren hoch gezogen worden sind, die sich schön hinter dichten weißen Eisenzäunen isolieren und nicht im Traum daran dächten, auch uns andere anwohnenden Nachbarn ihre schönen – teilweise mit Springbrunnen – ausgestatteten floralen Gärten besuchen zu lassen. (Interessanterweise sind das teilweise auch die Nachbarn, die dann ihre Hunde in unsere (noch) offen Grünanlage scheißen lassen ohne den Mist mitzunehmen.) Und an sich sind sie uns alle willkommen.

Der Spielplatz ist so dermaßen ein voller Erfolg, dass wir Mieter hier nicht mehr hinterher kommen. Wir kommen nicht mehr hinterher den anwesenden Eltern mit ihren Kindern zu erläutern, dass man die Türen immer zu schließen hat, damit die kleinen Kinder nicht auf die Straße laufen. (Eigentlich eine Schutzmaßnahme, die deren eigenen Kindern zugute käme.) Wir kommen nicht hinterher, den Eltern zu erklären, dass unsere Grünanlage keine öffentliche Grünanlage ist, wo man sich wie im Volkspark einfach ins Grün legen kann und danach seinen Müll liegen lässt. Wir müssen da sehr hinterher sein, weil wir ständig die Junkies vom Moritzplatz eben hier rumliegen haben. Wir Anwohner, die wir das selber sehr sehr selten tun, bei einem Kindergeburtstag z. B., erbitten immer vorher explizit um die Erlaubnis bei der Genossenschaft.

Wir kommen nicht hinterher, die Eltern zu bitten, dass sie nicht in der Grünanlage mit teilweise harten Bällen Fußball mit ihren Kindern spielen – was man sich da teilweise gerade von vermeintlich eloquenten gut situierten Papis anhören muss, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Funfact: Wenn es im Kiez etwas wirklich häufig gibt, dann sind das Bolzplätze.

Wir kommen nicht hinterher, Eltern darauf hinzuweisen, dass nicht alle Nachbarn vor deren Fenster der Spielplatz liegt supi begeistert sind von andauerndem Kinderlärm – und es einfach klar definierte Zeiten gibt, wo Ruhe herrschen darf und soll – weil man auch diesen Nachbarn diese Ruhe ab und zu gönnen darf.

Wir kommen nicht hinterher Eltern darauf hinzuweisen, dass man Müll wieder mitnehmen kann – wenn der Mülleimer voll ist – und man überhaupt Müll nicht einfach hinschmeißt und liegen lässt, sondern in den Mülleimer tun kann (solange dieser eben nicht voll ist.)

Mittlerweile müssen sich Eltern – also Mieter unserer Wohnanlage – richtig blöde anpampen lassen von Eltern, die eindeutig nicht in unserer Anlage wohnen (man kennt sich halt dann doch mit der Zeit), wenn sie diese darum bitten, dass ihre Kinder auch mal mit dem Karussell fahren möchten oder darauf hinweisen, dass man die um den Spielplatz neu angelegte Grünanlage gar nicht von deren Kindern zerstört sehen will. Oder Mieter werden angepflaumt, wenn sie Abends nach acht Uhr dann doch um etwas Ruhe bitten. (Und ich kann die verstehen, selbst ich kann jetzt im Sommer – obwohl meine Wohnung am anderen Ende liegt – nicht mehr telefonieren bei offenem Fenster.)

Also dieses Gespür, dass der Spielplatz gar kein so öffentlicher Spielplatz ist, wie von manchen Eltern hingenommen, ein Gespür sich wie Gäste zu benehmen, die diese Eltern mit ihren Kindern nun mal hier sind – die auch wirklich als solche am Anfang herzlich willkommen waren, lassen leider erstaunlich viele Eltern wirklich missen. In einer Art und Weise, die uns Mieter hier seit Wochen nur noch fragend zurück lässt.

Heute kam dann das Anschreiben der Genossenschaft. Die Türe bekommen Schlösser Anfang des kommenden Monats aus genau den oben genannten Gründen, dem Spielplatz wird sein halböffentlicher Status in Gänze entzogen. Einfach weil anwohnende Nachbarn keine Lust haben auf die hier wohnenden Nachbarn und deren Eigentum (Genossenschaft = Anteilseigner) Rücksicht zu nehmen – und sich nicht benehmen möchten.

Und nun frage ich mich, seit ich heute den Brief aus dem Kasten entnommen habe, wie blöd kann man sein?

2019-08-12

10 Regenwürmer 1 Euro

Habe heute im Angelgeschäft 80 Regenwürmer eingekauft. Eine Dose mit 40 Regenwürmern für 4 Euro.

Die Jungs ackern sich jetzt durch meinen Vorgarten – und haben hoffentlich ihren Spaß an der neu gewonnen Freiheit. Und eben gab es noch mal künstlichen Regen. So wie der Typ im Angelgeschäft seinen Spaß an mir hatte. „Man muss auch mal was Gutes tun.”

2019-07-31

Worte für Sophie

… von Kaltmamsell. Elemente einer Tragödie.

2019-07-29

Schneller Aprikosenkuchen in … na, sagen wir 20 Minuten!



Ich habe am Wochenende diesen Aprikosenkuchen gebacken. Den kann man unfassbar schnell auf den Tisch bringen!

Die Zutaten sind schnell zusammen gestellt und abgewogen, die längste Zeit geht wohl auf das Aprikosenentkernen ins Land. Backzeit sind lediglich lässige 15 Minuten! Und da er in der Auflaufform gebacken werden kann, ist dieses Kuchenrezept der praktische Begleiter für jede Ferienwohnung, Wohnwagen oder Hausboot. Hauptsache Ofen! Und die Aprikosen sind natürlich durch fast jedes Obst ersetzbar – nur recht hartes Obst wie Äpfel oder Birnen sollte man vorher leicht anschmoren.


Zutaten

110 g Mehl
150 g Zucker
1 Teelöffel Backpulver
50 g Mandelpulver (gemahlene Mandeln)
2 Eier (lieber größer als klein)
Abrieb einer Zitrone

ca. 20 Aprikosen (in meine kleine Ries-Auflaufform passten 12 Aprikosen, ich würde beim nächsten Mal ein paar mehr Früchte etwas enger legen.)

1-2 Esslöffel Mandelblättchen
2 Esslöffel Puderzucker

50 g Butter (schmelzen)
etwas Butter für die Form zum Ausfetten



Zubereitung

Die Aprikosen entkernen und in Hälften schneiden. Die Schale der Zitrone abreiben. Die Form ausfetten. Die Butter kann bei kleiner Temperatur auf dem Herd schmelzen. Den Ofen auf 200 Grad vorheizen.

Mehl, Mandelpulver, Backpulver vermischen.

Den Zucker mit den Eiern schön weiß und luftig aufschlagen, den Abrieb der Zitrone hinzugeben und dann die Mehl-Backpulver-Mandelmischung unterrühren.

Den Teig in die gefettet Form gießen, darin die Aprikosenhälten anrichten – und die gesamte Oberfläche mit der geschmolzenen Butter vorsichtig einpinseln bzw. die Butter darüber gießen. Die Mandelblättchen darüber streuen.

In den Ofen auf die mittlere Schiene (falls Dreisatzofen eher im unteren Bereich) schieben und bei 200 Grad Ober- u. Unterhitze 15 Minuten backen. Entweder im Ofen nach zehn Minuten Backzeit mit Puderzucker bestreuen, weiterbacken und ganz Ende den Kuchen noch einmal für nicht mehr als eine Minute unter den Grill karamellisieren. Oder man lässt ihn kurz abkühlen und stäubt den Puderzucker erst vor dem Servieren darüber. (Aber die mit Puderzucker leicht krossen Mandeln sind schon das berühmte Tüpfelchen …)

2019-07-28

Sophie Hingst †

Marie Sophie Hingst ist tot.

Und mutmaßlich hat sie sich selbst dazu entschieden, zu gehen.

Sophie Hingst hat unter dem Pseudonym Fräulein Read On auf ihrem Blog „Read On, My Dear” Texte verfasst. Öffentlich, das hatte Ende Mai der Autor Martin Doerry in einem langen Artikel im Spiegel aufgedeckt, waren zumindest alle Geschichten über ihre jüdische Familie und Großmutter und Arbeit in einem inidschen Slum und einiges mehr erfunden. Ihr großes Versäumnis: sie hatte diese Texte nie als Fiktion gekennzeichnet. Sie konnte wohl auch viele andere Texte, das haben die Recherchen ergeben, gar nicht so selbst erlebt haben, weil sie so in der von ihr beschriebenen Art nicht an Orten bzw. Unternehmungen gewesen war.

Das ist verwerflich. Es ist nicht verwerflich, solche Texte zu verfassen und zu veröffentlichen. Aber man muss sie als erfunden klar kennzeichnen. Das hatte Sophie nicht getan und uns somit im Glauben gelassen, ihr Blog handelt ausschließlich von ihrer gelebten Realität.

Dass sie sich nun hierbei eine Realität als Enkeltochter einer jüdischen Großmutter geschrieben hatte, machte den Skandal um ein Vielfaches größer. Die Geschichte der Deutschen mit dem Judentum ist zu groß, zu furchtbar, viel zu komplex in ihrer Abartigkeit, wie wir Deutschen mit Juden umgegangen sind, als dass wir darüber falsche Geschichte schreiben dürfen. Nicht, wenn wir sorgsam mit der Herkunft umgehen.

Sophie Hingst war Historikerin. Als solche wusste sie natürlich viel über Geschichte. Und sie muss um die Regeln von Veröffentlichungen Bescheid gewusst haben.

Sophie Hingst war hochintelligent. Das schreibe ich ohne sie persönlich getroffen zu haben. Und ihre Texte haben sowieso zu keiner Zeit Zweifel an ihrem Intellekt hinterlassen.

Sophie Hingst war liebenswert. Sehr – das hatte ihren großen Erfolg als Bloggerin ausgemacht. Ich habe Sophies Blog nicht von Anfang an gelesen, irgendwie bin ich an ihrem Radar vorbei gesegelt – wenngleich mir immer mal wieder Texte von ihr begegnet sind. Dies geschah zu einer Zeit in der ich aus persönlichen Gründen keine weiteren Blogs an mich heran lassen konnte. Sophie ist mir erstmals bewusst aufgefallen, als sich meine halbe Timeline wie Bolle freute, weil Fräulein Read On endlich unter dem Twitteraccount @MlleReadOn einen nächsten Schritt in diesen Teil der Online-Welt unternahm. Das war vergleichsweise sehr spät, erst 2016. Sophie hatte nämlich viel weniger die Öffentlichkeit gesucht, als ihr heute von Menschen, denen sie bis zum Skandal gar nicht bekannt war, unterstellt wird.

Zwei Mal hätten wir uns in Berlin beinahe getroffen, einmal konnte ich nicht – bei einem Gartenpflegenotruf einer uns bekannten Twitterin, die frisch entbunden Menschen brauchte, die ihr halfen – ich war nicht da. Sophie Hingst war dort! Das andere Mal waren wir mit mehreren Bloggern in einer Gaststätte verabredet, da musste sie ihren Berlinbesuch früher abbrechen und wir haben uns alleine getroffen. Die anwesenden Blogger, die sie schon persönlich kannten und freundschaftlich mit ihr verbunden waren, haben voller Zuneigung über Sophie gesprochen.

Sophie Hingst war höflich. Es mag sie geben, nur ich habe auf Twitter keinen anderen Menschen erlebt, der so höflich, umsichtig, liebevoll, wortreich postete, antwortete – sehr aufmerksam mit ihren Followern kommunizierte. Wenige Twitterer können sich heute noch – wie früher unter uns Bloggern üblich – sich offen über die guten, wichtigen Texte anderer Blogger freuen. Sophie konnte das sehr gut.

Sophie Hingst war unfassbar talentiert. Und begreift dies bitte mit als Kernaussage zu Sophie, denn das ist die größte Tragik in der Sache. Die Texte von Sophie waren großartig. Ich bin kein Mensch, der schnell weint – aber wie oft habe ich vor Sophies Texten gesessen und hatte Tränen in den Augen? So oft wie bei keinem anderen Blog. Sophie hatte ein wundervolles Talent, Worte zu finden und zu vereinen, sie konnte Gerüste zu bauen, Erleben beschreiben, uns Leser mitnehmen, führen, uns Welten erleben lassen, reisen, leiden, lieben, sich schämen, verweilen, loszulassen, aufbauen. Sophies Schreibtalent war eines der Größten, die ich in der deutschsprachigen Blogwelt erlebt habe. Es gab kaum ein Text von ihr, der nicht etwas in mir ausgelöst hatte.

Diese wundervollen Texte hatten später leider, wie sich Ende Mai 2019 zeigen sollte, einen Makel: Sie suggerierten ein Erleben, das so nicht stattgefunden haben wird. Oder doch. Teilweise. Vielleicht. Wir werden es nun nie erfahren.

Und das ist für mich mein großes Debakel, das ich in der Sache habe. Denn gerade mit ihren Texten zum Judentum, zu dem was sie über ihre vermeintliche jüdische Großmutter und ihrem Erleben, dem dieser vielen Menschen, die zwar real existiert hatten, jedoch nie in dem von ihr konstruierten Umfeld, denen sie Geschichten angedichtet hatte, die vielleicht trotzdem womöglich wahr (und recherchiert von ihr) waren, hat sie so viel Bewusstsein geschaffen für eine Zeit voller Grauen, die wir so nie wieder geschehen lassen dürfen, was verdammt noch einmal unser Vermächtnis ist. In einer Zeit, dem Heute, in der wir leider darin offensichtlich versagen. Und ich frage mich, ist das hier offensichtlich Falsche wirklich so falsch gewesen? In Sophies Bemühen? Ja, jeder hat Recht in den Vorwürfen ihr gegenüber gerade bei diesem Thema.

Diese ihre Texte waren falsch. Und dennoch so wichtig.

Vergessen wir bitte nicht „Kunstgeschichte als Brotbelag” – Sophies wundervolle Idee uns auf Twitter Kunst auf die Stulle zu bringen und dort nachzubilden. Ja, das hat Sophie nämlich auch getan: uns ganz viel Freude miteinander an unserem gemeinsamen Tun geschenkt!

Nachdem Ende Mai der Skandal Sophie Hingst durch die Twitter- und restlich Online-Welt schoss, sie sich auf ihre Art versuchte auf ihrem Twitter-Aaccount zu erklären, dem was kommen sollte zu entziehen (was ich übrigens für eine nachvollziehbare menschliche Reaktion halte), sich die Online-Redaktionen, die ganz wenige Texte von ihr eingekauft hatten, von ihr offiziell zurück gezogen haben und ihre Texte vom Netz nahmen, hatte Sophie ihr Blog stillgelegt und ihr – das wissen wir heute – Vermächtnis vor der Öffentlichkeit verborgen.

Mich ärgern übrigens gerade diese Leute auf Twitter sehr, die sich an Sophies Tun, einer nun viel zu jung gestorbenen Sophie, abarbeiten und ihr große finanzielle Verdienste mit ihren erfundenen Texten im Blog unterstellen. Sehr wahrscheinlich hat Sophie mit einigen ihrer Texte Geld verdient, ob sie davon jemals ihr Leben hätte wirklich bestreiten können, das ist dahin gestellt. Und selbst „Kunstgeschichte als Brotbelag” – wie viel Exemplare hatte überhaupt die erste Auflage? 1.000? Da wird man natürlich total reich mit! Und wer diesbezüglich hinsichtlich Sophie keine Ahnung hat, haben kann, können bitte diejenigen bitte jetzt in der heutigen unfassbaren traurigen Realität die Griffel still halten?

Ich war verwirrt als ich damals zeitgleich mit dem Posten ihrer Tweets diese auf Twitter las, kommunizierte in ihre Richtung meinen Willen ihr zur Seite zu stehen – etwas anderes ging erst einmal nicht, denn auch ich musste mich sortieren im Rahmen des neuen Sachverhaltes. Darauf gab es ihrerseits keine Reaktion. Für mich nicht verwunderlich, wir waren uns, wie gesagt, nie persönlich begegnet, sicherlich immer wohl gesonnen – in einer solchen Situation, die für sie sehr schrecklich gewesen sein muss – braucht man enge Freunde für sich. Und viel Ruhe.

Und dennoch: irgendwie war ich gar nicht erstaunt zu erfahren, dass viele ihrer Texte offensichtlich fiktiv waren. Da ich ihr Blog nicht von Anfang an gelesen hatte, fehlte mir zu vielen Fortführungen der Zugang und fehlte mir auch die Information dazu, ob es je dazu Erklärung von ihr gegeben hatte (ich bin selten Blog-Nachleserin) ob manche Textstränge fiktiver Natur waren. Für mich war immer instinktiv klar, da passiert viel zu viel in ihrem viel zu jungen (also kurzem) Leben als das alles so stimmen konnte. War mir aber egal, wie gesagt, ich hatte viele Texte als wunderschön gelesen – aber auch erfunden teilweise. Es gab da in mir eine Sortierung.

Das mag daran liegen, weil ich mit einem Bruder groß geworden bin, der seit ich denken kann, Geschichten erzählt hatte. Unfassbare Geschichten, unhaltbare Geschichten, märchenhafte Geschichten – unglaubliche Geschichten. Für sein Umfeld. Das Problem nur: er hat diese Geschichten geglaubt. Wirklich inständig geglaubt. Der hat die für sich erlebt. Und der ist sehr rabiat geworden, wenn man ihm unterstellte, diese erfunden zu haben. Und er hatte erstaunliche Energien (vor allem im späteren Leben) darauf gesetzt, Menschen manipuliert, um seine Geschichten anderen gegenüber als real darstellen zu können.

Das ist medizinisch ein sehr spannendes Thema. Ist man persönlich als Verwandter, Partner, Freund betroffen, macht es einen wahnsinnig. Und irgendwann macht es einem sehr schwer diesen Menschen, der krank ist, noch zu lieben. Und: zu vertrauen. Diese Krankheit nennt man Pseudologia Phantastica. Sie wird im Katalog der ICD unter dem Code 10: F68.1 als artifizielle Störung (gleichsam wie das Münchhausen Syndrom bzw. Münchhausen Syndrom-by-proxy) geführt. Jemand hat das krankhafte Verlangen zu lügen. Es gibt hierfür eine Ursache – die unterscheidet den Kranken von dem bewusst (boshaft) Lügenden.

Der Pschyrembel definiert die Krankheit so: Erzählen ausgedachter Erlebnisse als wahre Begebenheiten, wobei der unwahre Gehalt vom Erzählenden in der Regel nicht mehr realisiert wird (im Gegensatz zur beabsichtigten Lüge). Vorkommen: vor allem in Folge von Abwehr bzw. Kompensation eines Selbstwert-Mangels, seltener aus übertriebener Phantasie und starkem Geltungsbedürfnis, z. B. beim Münchhausen-Syndrom. Auch bei neuro-psychiatrischen Störungen wie dem Korsakow-Syndrom als chronischer Folgezustand einer nicht erfolgreich behandelten Wernicke-Encephalopathie.

Das ist fürchterlich tragisch. Der Kranke versucht mit dem Erfinden eines absurden Lebensalltages Geltung und Anerkennung zu gewinnen, die ihm meist als Kind versagt wurde. Diese Lügen verbleiben ganz oft nicht im Wort sondern wechseln auch hinüber in ein Handeln. Und das ist dieser Unterschied zur normalen absichtlichen Lüge. Diese Patienten lügen nicht bewusst, die glauben das, was sie erzählen. Sie würden worauf – auf was auch immer – schwören, dass sie das so erlebt haben. Bei meinem Bruder ist der Ursprung klar: es gab einen Vater, der seinem Erstgeborenen vom Tag seiner Geburt vorgeworfen hatte, sein Leben verdorben zu haben. Wenn mein Bruder Aufmerksamkeit von ihm bekam, dann nur über Prügel.

Ich werde nicht behaupten, dass Sophie dieser Erkrankung hatte. Ihre Mutter deutete an, dass Sophie in mehreren Welten lebte, was immer es bedeuten mag. Ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass es eine Krankheit gibt, die Menschen zwingt Geschichten zu erfinden, die sie zu ihren gelebten Geschichten machen, was wiederum diese Geschichten zu Lügen werden lässt – und dass diese Menschen für ihr Verhalten nicht können, weil sie damit einen täglich zu spürenden Missstand kompensieren müssen. Mit Betonung: MÜSSEN! Mit einer unglaublich Präzision. Sie gehören in eine gute Psychotherapie.

Diese Krankheit hat grauenvolle Folgen für den Betroffenen und sein Umfeld. Da werden Kartenhäuser gebaut, die irgendwann zusammen brechen. Dem Patienten – der wahnsinnig liebenswert sein kann in seiner Krankheit – bleibt nur die Flucht in ein anderes soziales Umfeld, das betroffene alte Umfeld bleibt sehr ratlos zurück. Einerseits, weil man dem Menschen vertraut hatte und ihm so vieles geglaubt hatte und andererseits, weil man sich fürchterlich betrogen und manipuliert fühlt und sich selbst hinterfragen muss.

Mein Bruder, Maler und Lackierer, im Auftreten durchaus als Prolet zu benennen, körperlich (zumindest für mich) nicht so der Adonis, dank Bier, Currywurst & Co., hatte übrigens immer die traumhaftesten Frauen, ganz oft mit akademischen Abschlüssen, als Freundinnen – die ihm lange Zeit alles geglaubt haben, was er ihnen erzählte – und vor allem über lange Zeit hingenommen haben von ihm belogen zu werden. Nur um diese Komplexität der Krankheit zu verdeutlichen! Das ist eine sehr fiese Geschichte. Für alle Beteiligten.

Und ich, für meinen Teil – mit eben meiner persönlichen Historie mit meinem Bruder – fühlte mich bei der Sophies fremdgesteuerten Coming Out als Geschichtenerzählerin sofort wie zu Hause, für mich ist das ein Stück weit Normalität.

Nochmal: ich kann und werde nicht behaupten, dass Sophie diese Erkrankung oder überhaupt psychisch krank war, das kann ich gar nicht beurteilen.

Nur ich versuche mir (!) zu erklären, warum ich persönlich für mich gar nicht so entsetzt war als die Wahrheit über ihre nicht realen Texte heraus kam. Ihre Texte waren für mich immer viel zu besonders, viel zu fantastisch, viel zu reichhaltig auf allen Ebenen, als das ich sie als wahr hingenommen hatte. Bis auf das geschriebene Leben in Irland und dem Tierarzt seinem tragischen Ende, wozu heute natürlich auch enorme Zweifel da sind (ich hab für mich beschlossen, dass sie real war, Sophie soll diese Liebe für sich gelebt haben dürfen egal in welcher ihrer Welten) – instinktiv waren diese für mich erfunden. Ich habe mir da nicht mal bewusst Gedanken darüber gemacht, für mich waren das besonders schöne und besonders kluge Texte. Ob sie wirklich gelebt wurden, war mir herzlich egal.

Sophie Hingst war verletzlich. Als ich Sophie bei den Golden Blogger Awards zum ersten Mal (auf dem Screen) persönlich und lebendig gesehen hatte, war mein erster Gedanke (ich wusste von ihren Ängsten dorthin zu gehen im Vorfeld aus Twitter) „Diese Frau gehört überhaupt nicht in die Öffentlichkeit.” Sie hatte dort als Bloggerin des Jahres 2017 gewonnen. Dieser Preis wurde ihr nach dem Spiegel-Artikel aberkannt.

Sophie Hingst hatte ein riesengroßes Herz. Das sprach nicht nur aus ihren vielen wundervollen Texten und Geschichten. Sophie hatte jeden Tag, nachdem die Verhaftung von Deniz Yücel bekannt geworden war, dem Mann eine Postkarte ins Gefängnis geschrieben – über 360 Tage lang. Diese Aktion war von türkischen Journalisten initiiert worden, Sophie hatte sich daran festgebissen – zugunsten eines ihr unbekannten Menschen! Nachdem die Verhaftung von Mesale Tolu, anfänglich mit ihrem kleinen Sohn, bekannt wurde, schrieb sie dieser dann auch. Das sollten wir ihr nie vergessen! Auch ihre Rede auf der Bühne der Goldenen Blogger Awards war im Sinne dieser Menschen so wichtig und großartig – und vor allem: ganz uneigennützig! Das war Sophie nämlich auch.

Und ich möchte das anmerken, denn bei all den Fehlern, die Sophie nachweislich gemacht hatte mit der mangelhaftn Kennzeichnung ihrer Texte, sie hatte immer im Bewusstsein geschrieben und gesprochen, die Dinge gut machen zu wollen für andere. Das war ihre Mission, auf Dinge aufmerksam zu machen, manchmal mahnend. Aber Sophie wollte uns nie etwas Böses. Und ich möchte, dass wir uns dessen bewusst werden – auch wenn wir verletzt waren oder noch sind – wir haben doch an Sophie geglaubt, sie wertgeschätzt, sie verehrt, weil sie und das so sehr leicht machte, es zu tun. Weil von ihr nie ein böses Wort kam.

Und wir müssen vielleicht begreifen, dass ihre Offenheit uns gegenüber – auch wenn sie heute als Lüge enttarnt wurde – trotz alledem für Sophie die wahre und echte und gelebte Offenheit war.

Was mag es für sie bedeutet haben, dass wir nun daran zweifelten?

Ja, sie hatte die Ursachen für das Zusammenbrechen ihres Kartenhause selber gesetzt. Aber sie war nie von Bosheit angetrieben, das glaube ich keine Sekunde. Und niemand, der ihre Texte – oder sie persönlich – kannte, würde das wohl von ihr behaupten. Deswegen finde ich das Heute ohne Sophie so wenig erträglich. (Und so manche Leute in den Sozialen Medien, die sich nun noch post mortem über sie das Maul zerreißen – ohne sehr wahrscheinlich je einen Text von ihr gelesen zu haben, weil diese gar nicht mehr verfügbar waren – ganz ehrlich unerträglich.)

Sophie Hingst war ein Mensch. Haben ich mich, haben wir uns ihr gegenüber in ihrer persönlichen Krise im guten Sinn menschlich verhalten?

Das frage ich mich seit gestern, wo sich zu unserem Ärger über Sophies Verhalten nun die Trauer über ihre Entscheidung gesellen muss. Ich habe neulich noch sehr lange und instinktiv an Sophie gedacht, weil ich sie vermisst habe – hier in dieser unserer Onlinewelt. Weil mir ihre Texte fehlten, weil mir ihre Schönheit fehlte, ihr Sanftmut, ihr Blick auf die Dinge, ihre Worte. Ich dachte insgeheim bei mir: „Sophie, lass es gut sein. Entschuldige Dich und komm zurück!” Ich habe es nur gedacht, ihr nicht geschrieben. Ich hatte ihre E-Mail-Adresse nicht und habe keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, an sie zu kommen. Das werfe ich mir heute vor. Natürlich.

Womöglich fehlte Sophie zur Entschuldigung die Kraft. Sofern die abschließenden polizeilichen Untersuchungen und die Befürchtung ihrer Mutter sich bewahrheitet, fehlte ihr auch die Kraft weiter zu leben. Das ist tragisch. Vor allem ist das ein ganz großer Verlust für uns alle!

Sophie Hingst war ein ganz besonderer Mensch. Mit einem ganz besonderen Talent. Sie konnte schreiben. Sie hat immer gute, sehr wichtige Texte verfasst. Texte, die ganz tief berühren konnten. Dieses, ihr Vermächtnis ist nun für immer verschwunden.

Mit ihr. Und ich bin fürchterlich traurig über das alles. Sophie Hingst hatte eine wunderschöne und zarte Seele. Wir haben das womöglich zwischenzeitlich vergessen, lasst uns bitte daran wieder erinnern und sie so in Erinnerung behalten.

Und noch etwas, zur Erinnerung, weil wichtiger denn je: "Das Internet ist ein guter Ort, wenn wir es dazu machen." (Johannes Korten)

DAS hat Marie Sophie Hingst viele viele Jahre lang hier in diesem Internet auf ihre ganze eigene Weise getan. Und ich – für mich – werde sie nur daran messen.

(Kommentare aus – aus Gründen.)

2019-07-22

Mondgedöns

Das war mondtechnisch gesehen eine interessante und anstrengende Woche. Man ist also vor 50 Jahren erstmals zum Mond gefahren, ausgestiegen, bisschen herum gelaufen und ist dann zurück geflogen.

Soweit so sicherlich grandios. Vor allem für die damalige Zeit. Der Mond hat dann aber doch Glück gehabt, denn man hatte erkannt: Er eignet sich für die Menschheit zum attraktiven Dasein nicht. Also hat man ihn die nächsten 50 Jahre weitestgehend links liegen lassen.

Die menschlichen Evolution in der Zwischenzeit, die wir daraus gezogen haben, ist die, dass nun ein orangefarbig bekopfter korpulenter alter Mann in seinem Büro sitzt und die zwei übrig gebliebenen Astronauten, die beide 14 Jahre älter sind als alte Mann, neben ihm stehen müssen beim offiziellen Festakt. (Dabei aber immer noch körperlich um Längen aktiver, attraktiver und mental fitter wirken) als der derzeitige Präsident der vereinigten Staaten.

Impression durch Sitzen bleiben, wow!

Soviel zum menschlichen Intellekt 50 Jahre nach dem erstem Mondausflug.

2019-07-21

Time goes by

Seit 13 Jahren bin ich nun offiziell Vollwaise. Und es ist faszinierend … wie man immer noch vermissen kann. Wie man viele Dinge heute mit Abstand so ganz anders sieht. Besser versteht, eher nachvollziehen kann. Eigene Fehler einsieht.

Gespräche im Verständnis führen möchte, die man damals nicht führen konnte. Und heute auch nicht mehr.

Was bleibt ist manchmal Unbehagen, wenn ich bei Freunden meines Alters heute noch Belanglosigkeit gegenüber den Eltern erlebe, Unbekümmertheit im Verhalten als würden diese ewig da sein.

Werden sie nicht. Der Schnitt wird kommen und weh tun. Sagt Euren Eltern die guten Dinge, auch die unguten. Es ist wichtig, dass die Dinge klar sind, wenn sie einmal gehen müssen – vor allem auch für die, die bleiben.

2019-07-09

A night in Tunis!

Disclaimer: Presse- bzw. Influencerreise – Ich durfte auf Einladung des Fremdenverkehrsamtes Tunesien und mit Sponsoring von FTI Touristik eine knappe Woche lang entlang dem Golf von Hammamet, die Küste Tunesiens bereisen.



Sehr früh bin ich aufgestanden, um mit etwas Sicherheitspuffer von Berlin nach Frankfurt zum Flughafen mit der Deutschen Bahn zu fahren. Den Zug um 06:30 Uhr morgens habe ich bekommen (etwas naiv in dem Glauben, er würde wie beim letzten Mal von den unteren Gleisen im Berliner Hauptbahnhof abfahren, daher mit leichtem Schreckensmoment.) Der Zug fährt dann 15 Minuten später ab, weil der Zug mit dem Zugführer aus Hamburg Verspätung hat. Anscheinend die neue Standarderklärung der Deutschen Bahn bei Verspätungen …

Unsere Truppe findet sich am Schalter von TunisAir in Frankfurt und kurze Zeit später befinden wir uns in der Luft – auf in ein neues Reiseabenteuer (dank liebervoller Vermittlung von Claudia Klinger) für mich: Nordafrika. Tunesien.



In Tunis Kathargo am frühen Nachmittag – nach einem wunderschönen Einflug – gelandet – ein innenarchitektonisch durchaus ansprechender und interessanter Flughafen



– nach üblichem Geldwechselgedöns und Debatte hier und dort und warten auf den Fahrer, gönnen wir uns einen sehr leckeren ersten Café. Ach, was Koffein so alles Gutes bewirken kann!

Tunis, die Hauptstadt Tunesiens zählt etwas über eine Million – mitsamt dem gesamten Speckgürtel gute zwei Millionen Einwohner. Hauptstadt ist Tunis seit 1159.

Die Hauptindustrien rund um Tunis sind die Olivenöl-, Textilien- und Teppich-Produktion.

Kurze Zeit später kommen wir in unserem Hotel in Tunis an: Das Hotel Laico Tunis ist eines der mondänsten Hotels in Tunesiens Hauptstadt. Mittlerweile vollkommen neu restauriert und umbenannt, hatten im Hotelvorgänger „Abu Nawas” schon Michael Jackson und Mariah Carey übernachtet.

Hotel Laico Tunis – dieses Hotel mit erstaunlicher Architektur liegt mitten im Herzen von Tunis und offeriert einen Blick über „den See von Tunis” (al-Buḥaira/El Bahira, Lac de Tunis). Der Lagune zwischen der tunesischen Hauptstadt und dem Mittelmeer. Das historische Zentrum von Tunis, die Medina, liegt ca. 18 Kilometer entfernt, der Zoo 15 Kilometer ebenso der Bahnhof von Tunis. Vom Flughafen waren wir ca. 15 Minuten unterwegs. Außenpool, Dachpool, Sauna und Fitnessräume warten auf uns.

Das Hotel der Fünf-Sternekategorie hat eine unfassbar imposante Hotelhalle und ist anscheinend auch heute noch die In-Adresse: am Pool wird gerade für die tunesische Version von Tunesiens next Topmodell gecastet, was die Anwesenheit vieler besonders schöner und sehr schlanker Damen in dem Hotel erklärt. Auch eine offensichtlich relevante Sportlermannschaft in roter Trainingsklamotte scheint sich hier auch auf ein Spiel vorzubereiten – was wiederum die Anwesenheit vieler junger attraktiver sportlicher Herren erklärt.

Die Sicherheitsbemühungen im Hotel sind sehr groß. Nicht nur unser Auto wird auf etwaige Bomben untersucht. Auch unser Gepäck muss hier durch die übliche Kontrolle, wie auch wir müssen durch den Scanner. Auch beim Verlassen des Hotels – in ganz Tunesien ist so etwas mittlerweile Standard.



Zur Begrüßung serviert man uns in der Lobby meine erste Citronade Tunisienne – die kennt Ihr bereits! Mein Zimmer ist groß, sauber und das Bett riesig! Riesig ist noch untertrieben. Das scheint sich übrigens später als ganz besonderer Charme von tunesischen Hotelbetten herauszustellen: ihre Breite scheint grenzenlos!





Meine Aussicht aus dem Fenster über Tunis und teilweise die Lagune ist beeindruckend. Nach einem kurzen Aufenthalt in unserem Zimmer treibt es uns hinaus in die Nacht in Tunis.



Das Hotel Laico liegt nicht sehr weit entfernt von der Medina – der Altstadt von Tunis, die übrigens als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet ist. Durch diese wandern wir nach kurzem Transit mit unserem Bus ein Stück zu Fuß zur blauen Stunde. Wir starten dabei auf dem Place du Gouvernement (Foto oben) und am Finazministerium vorbei Richtung Rue Dar el Jeld.



Alles ist erstaunlich ruhig – es ist der erste Tag nach den Feierlichkeiten zum Ende des Ramadams – die Luft scheint ein wenig raus zu sein.



Wir schlendern durch die Straßen der Medina und ich – Enkeltochter eines Kunstschmieds – bin sehr fasziniert und beglückt zugleich über die schmiedeeiserne Kunst, die sich hier an den Türen oder Häusern vielfältig zur Schau stellt. Kunstvoll geschmiedetes Eisen übt auf mich immer eine große Faszination aus.





Eigentlich sind wir eingeladen in den legendären Räumen des über die Stadtgrenzen von Tunis bekannten Palastes und gleichnamigen Restaurant „Dar e Jeld” unser erstes tunesisches Abendessen zu genießen.

Doch hier hat uns das nicht immer planbare Ende des Ramadam einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Iman hatte in diesem Jahr nämlich die Mondsichel als noch nicht perfekt genug gedeutet und das Ende fast zwei Tage nach hinten datiert. Und dann werden Feiertage halt kurzfristig verschoben. Was – wie ich finde – durchaus seinen besonderen Charme hat. Wenn es nun auch für uns bedeutete: Das Restaurant ist geschlossen.



Somit wird uns unser Abendessen in den historischen Räumen des neben dem Restaurant liegenden wunderschönen Hotels „Dar el Jeld Hotel und Spa” serviert.



Das Spa-Hotel ist auch in der Fünf-Sternekategorie dotiert. Ab € 135,—/Nacht verbringt man seinen Aufenthalt in Tunis in den hell gestalteten Suiten und Spa-Bereich in völliger Ruhe – mitten in der sonst lebhaften Altstadt.



Gerade wer sich für das althistorische Tunis mit seinen Moscheen und Archäologie interessiert, wohnt hier genau richtig. Ich würde hier sofort übernachten wollen – das Hotel in diesen alten Palastgemäuern, so modern es restauriert ist, hat eben echten orientalischen Charme und ist modern, dennoch sehr orientalisch ursprünglich gestaltet. Man fühlt sich sofort willkommen. Ein wunderschöner Urlaubsplatz!



Wer hier nicht übernachten kann, der sollte wenigstens im Restaurant „Dar el Jed – The Roof Top Bar and Restaurant” dinieren – hier wird sehr ursprüngliche tunesische Küche in einem wunderschönen Ambiente serviert.



Wir werden so sehr herzlich zum Abendessen im „Dar El Jed” begrüßt. Zunächst genießen wir die Aussicht über die Medina von Tunis bei Nacht – und fühlen uns sofort wie im Urlaub, gar nicht wie auf einer Pressereise, die nun ein Stück Arbeit und Anstrengung immer auch ist. Es ist, als wäre ab jetzt der Schalter umgelegt: Tunesien, der Zauber seiner warmen Sommernächte und die Freundlichkeit seiner Menschen hat uns ad hoc gefangen genommen.



Unser, mein erstes, tunesisches Abendessen ist grandios. Der Restaurantchef Riadh Ferchichi, sein Team und Küchenchef Yasser Belhassine verwöhnen uns sehr.



Nach dem H’ors d’euvre, Gemüsesticks mit einer Olivenpaste und frischem ganz feinen Humus, serviert man – den meisten von uns – das allererste Brick (hier ein Brick César) unseres Lebens!



Brick ist ein sehr dünn ausgerollter Weizenteig, Malsouka. Es ist kein Blätterteig, auch kein Yufka-Teig, wie man erst annehmen könnte, eher eine Art Reispapier. Ebenso hauchdünn, jedoch aus Weizenmehl. Der runde Teigfladen wird an seinen Seiten mehrfach umgelegt und mittig mit einer Füllung und einem frischen Ei gefüllt, wird dann zu einem Dreieck umgeklappt und frittiert in der Pfanne.

Das Eigelb vom Ei soll sich idealerweise beim Essen noch flüssig mit der Füllung verbinden. Fantastisch. Die Füllungen können jeweils fleisch- oder fischhaltig sein oder nur aus Gemüse oder Käse bestehen. Also, wenn Euch jemals ein Brick angeboten wird: niemals ablehnen! Ich bin sehr dankbar für diese sehr feine Begegnung mit so einem unscheinbaren und dann fantastischen Stück Essensglück. Und das werde ich sehr sicher nachmachen.



Es folgen viele wundervolle Vorspeisen, ein Meeresfrüchtesalat, pikant angemachte Garnelen und Muscheln, Harissa – natürlich –



… und saftige Tartes aus Zuccini. Ich wähle als Hauptgang (also wir fast alle) „Souris d’agneu confit et son couscous” – eine in einem süßlichen Sud aus Mandeln und Aprikosen confierte Lammkeule mit Couscous.



Wir sind uns alle einig: die zartestes Lammkeule, die wir je gegessen haben. Der Couscous ganz luftig, die Soße herzhaft mit angenehmer Süße. Wahnsinnig gut! Begleitet von Weinen aus Tunesien – die man übrigens wirklich probieren sollte. Es wird in den nächsten Tagen kein Tag verstreichen, ohne dass nicht wenigstens einer von uns von dieser wundervollen Lammkeule schwärmen wird.



Zum Dessert wird uns alles serviert, was wir unbedingt kennenlernen sollen – frische kalte Früchte, Kuchen u. a. mit Pistazien, sehr feine Crèmes, die mit Orangen- bzw. Rosenwasser parfümiert sind und mit Pistazienhauben serviert werden.



Das Essen ist wirklich fantastisch und es ist der perfekte Auftakt für unsere sehr schöne Reise am Golf von Hammamet entlang, die wir die kommenden Tage gemeinsam unternehmen werden.


Hotel Laico Tunis
Avenue Mohamed V 355 1080 Tunis
Deluxe-Zimmer mit Frühstück ab 103,— Euro

Restaurant Dar El Jed „Roof Top”
Rue Dar El Jeld 1006 Tunis

Dar El Jed Hotel und Spa
Rue Dar El Jeld 1006 Tunis Tunesien
Junior-Suite ab 135,— Euro

2019-07-08

Wollt Ihr auch mal ZIPLine fliegen?

So ganz relaxt vom Schreibtischstuhl aus? Dann hier entlang … die reizende Anja Thys hatte während unserer Reise in allen möglichen und unmöglichen Situationen unsere Reisemomente gefilmt und mittlerweile schon teilweise auf ihren YouTube Channel „Ophelia Talks” online gestellt.

Die tapfere Frau hatte auch den Nerv den Lago Maggiore ZIPLine-Flug komplett zu filmen. (Natürlich kann man sich an der Kasse auch Kameras ausleihen, die man mit einem Stativ befestigen kann, so dass man sich auch selber filmen kann. Haben wir nicht gemacht, hatten ja Anja dabei.) Also, wenn Ihr ihren (und Maias) Flug miterleben möchtet hier entlang:



(Moviecredits by Anja Thys aka Ophelia Talks)

Die Leute, die im Film dann nach ihr einschweben, das bin ich rechts, links Roberto. Und … das war so großartig! Dafür, dass ich es vorher nie tun wollte, würde ich es sofort wieder tun! :-)

2019-07-03

Mein zweiter Vorname ist …

Ein „Mitbringsel” meiner Diagnose sind die sogenannten Tenderpoints. Druckpunkte, die sonst nix tun in der Sache – aber wenn man sie dann professionell ärzteseitig drückt und man dank des aus diesem Druckpunkt resultierenden Schmerzes durch die Decke gehen möchte, ist die Sache relativ sicher.

Einige dieser Punkte hatte heute mein Physiotherapeut Christo (oder Kristo) im linken Bein gedrückt. Mehrfach.

Ab sofort könnt Ihr mich auch Schmitz‘ Katze nennen.

Von „geht durch wie Schmitz‘ Katze”. Halleluja!

Aber ich will nicht klagen, drückt man da nicht mehr drauf, flaut der Schmerz relativ zügig wieder ab. Wenn ich überlege, dass es Menschen gibt, die solche Schmerzen 24/7 haben, kann ich nur feststellen: Bisher wirklich Glück gehabt.

2019-06-30

Erste Male

Ruhig war es hier die letzte Zeit, ich entschuldige mich. Aber ich durfte reisen! Erst nach Tunesien entlang dem Golf von Hammamet. Dann in den Piemont an und rund um den Lago Maggiore. An so wundervolle neue Orte, ich durfte dabei sehr feine Menschen kennenlernen und großartige Dinge tun.

Dinge, von denen ich vor einiger Zeit nicht gedacht hätte, sie jemals zu tun. Aus Gründen: Kein Interesse (mangels Gelegenheit) oder Interesse und dennoch mangels Gelegenheit. Oder einfach weil sie mir passiert sind, ich nicht nachgedacht, sondern einfach getan habe. Oder nachgedacht habe, erst „nein” und dann doch „ja” gesagt habe.

Wenn mich das Versagen meiner körperlichen Aktivität durch die Krankheit in den letzten Jahren etwas gelehrt hat, dann wohl die Dinge zu tun, wenn man sie noch tun kann. Oder aber sehr darum kämpfen, sie wieder tun zu können. Womöglich einen drauf setzen. Habe ich auch getan in dieser Woche. Einen drauf gesetzt.

Ich bin stolz auf mich. Ich wusste gar nicht mehr, wie sich das anfühlt. Gut. Beschwingend. Motivierend.



In Tunesien hatte ich das große Glück immer in Hotel bzw. Hotelanlagen wohnen zu dürfen, die entweder riesige (teilweise sogar mehrere) Pools hatten oder direkt am Meer lagen. Sich morgens um sechs Uhr den Wecker stellen und mit Schwimmbrille ganz alleine mit sich und für sich in dem Pool bzw. im Meer gute stille Bahnen zu schwimmen. Warum fühlt man sich im Wasser so viel lebendiger als am Land? Also mir geht es zumindest so.



Wirklich: stellt Euch doch diesen Pool ganz leer vor – für mich hatte es unfassbaren Charme.



Was für ein Lebensglück! In einem Pool schwamm ich, während die Schwalben um mich herum in der aufsteigenden Sonne ihre Mücken aus dem Poolwasser pickten. In einem anderen Pool flog plötzlich eine Formation Flamingos über mich hinweg. Diese wunderschönen friedlichen einmaligen Momente kann mir nun niemand mehr nehmen.



Auch in Tunesien, als wir den Hafen Port el Kantaoui besuchen, einen erst in 1970 geplanten und gebauten Yacht-Hafen, um den mittlerweile eine eigene kleine Stadt gewachsen ist, sind wir auf der Uferstraße entlang gelaufen, als ein kleiner Falke vor mir landet. In einem Land in dem Falken – auch weil das Falknern dort bekanntermaßen als Sport praktiziert wird – sicher nicht ganz so ungewöhnlich wie jedoch für mich erst in diesem Moment. Man muss sich einfach sortieren, wenn ein Falke vor einem auf der Straße sitzt, wie zu Hause es eine Taube tun würde.

Wenig später erst sah ich den Mann, der eine Vogelstange mit noch einem zweiten Falken an der Straße positioniert hatte und mich aufforderte, den Vogel auf den Arm zu nehmen, Fotos von mir machen zu lassen – höchstwahrscheinlich gegen einen Obolus. Ich lehnte ab. Ich bin ja nicht ganz „vogelfest", war aber dennoch immer bemüht mich dem Thema Vogelphobie zu stellen. Nur Sich mal eben einen Vogel körperlich zu nähern, ist meine Sache so gar nicht!



Wir gingen – ein fantastisches Mittagessen genießen – kamen wieder heraus und plötzlich hatte ich für mich das Gefühl es tun zu wollen, wenn der Mann noch da sein würde. Mir einen Falken auf den Arm setzen zu lassen. Ich erklärte einem, aus unserem wirklich tollen Reiseteam, Mitreisenden Jay F Kay, was mir das bedeuten würde – der dann reizenderweise bei mir blieb und auch die Beweisfotos schoss – und ließ mir einen Falken auf den Arm setzen. Dieser blickte mir sehr weise und gütig ins Gesicht und nahm mich völlig für sich ein – mit seiner Ruhe und Gelassenheit. Der Mann wollte ihn mir auch noch auf die Schulter setzen, aber ich wollte beim ersten Mal nicht gleich übertreiben.

Es war ein ganz besonderer Moment - und den Obolus, dem ich den Mann geben wollte, musste ich ihn erstaunlicherweise fast aufdrängen. Er nahm das Geld erst als ich erklärte, es sei für seine Vögel. Ob nun Höflichkeit, Stolz oder in der Kultur liegend, dass er es nicht wollte – er hat mir auf alle Fälle wieder sehr deutlich gemacht, dass Vermutungen dazu da sind widerlegt zu werden.



Ich hatte einen Falken auf dem Arm. Ein kleiner Falke. Aber ein Vogel voller Schönheit und Stolz und in die Augen eines Falken zu blicken, der dahinter liegenden Tiefe – das ist ein sehr reiches Geschenk von diesem Leben an mich. Ich bin dankbar!

Auf der zweiten Reise an den Lago Maggiore gab es einen Haufen von Dingen, die ich zum ersten Mal getan hatte. Zum Beispiel bin ich E-Mountainbike gefahren, relativ steil bergauf und dementsprechend auch durch das Gelände wieder herunter. Aus Sicht von Profis war es sicherlich nicht allzu steil – für einen Flachländler wie mich, war's schon ordentlich. Und es hat Spaß gemacht. Nun bin ich es ja gewohnt mit meinem Rad und eher schmalen Mänteln großen Steinen oder Sandoasen eher auszuweichen – alles, was man hier so gar nicht tun muss. Die Geschwindigkeit, die man mit einem E-Bike in den Bergen bergab erreichen kann, hat mich schon sehr angefixt. Zwei Wochen dort in dem Gebiet zwei Stunden am Tag Praxis und ich würde mich wohl kaum noch bremsen können – der Spaßfaktor ist sehr groß!

Ich bin an der Lago Maggiore ZIPLine geflogen! Nichts was ich jemals gedacht hätte tun zu müssen, zu wollen und überhaupt … Höhe ist für mich nur etwas, wenn es eine Begrenzung gibt. Ich kann locker in Höhe aus einem Fenster runter gucken und fotografieren, wenn ich dabei nicht nachdenke und wenn ich weiß, ich kann nicht frei fallen, weil es eine feste Umrandung gibt. Aber wenn diese nur so tief ist, dass man auch über sie schnell fallen könnte – oder sie gar nicht existiert – nicht mein Ding!

In der Pressemitteilung stand nun, wir könnten optional ZIPLine fliegen oder weiter E-Mountainbike fahren (oder noch alternativer mit dem Shuttle-Bus runter zur Station fahren) und mir war sehr klar, den Programmpunkt würde ich auf die Alternativen schieben. Aber als wir an der Station unsere E-Bikes entgegen nahmen, wo die Leute nach der ZIPLne wieder einschwebten, wirkte das Ganze … nicht mehr ganz so gruselig. Und auf der Radtour bergauf beschloss ich für mich, das doch zu tun. Viele in unserer Gruppe taten das auch zum ersten Mal. Und wann, wenn überhaupt, würde ich jemals noch einmal die Gelegenheit bekommen, das zu tun? Fast frei gefühlt fliegen?



(Moviecredits: Lovley Anja Thys aka Ophelia Talks)

Durchgezogen. In dem Moment in dem sie einen auf die Waage stellen und den Strampelanzug anziehen, allerspätestens wenn sie einen am Stativ aufhängen, kann man eh kaum noch weg. Die letzten drei Minuten habe ich einfach nicht mehr nachgedacht. Ab dem Moment (wir sind zu zweit liegend geflogen) ab dem sie einen in die Aufhängen hängen und man quasi fest gezogen liegt, wirkt es auch gar nicht mehr so … gruselig.

Erst wieder, wenn man los gestoßen wird. Dann hängt man nämlich 350 Meter über dem nächsten Baumgimpfel, was ziemlich weit unten ist. Die 120 km/h zieht das Gesicht zur glücklich strahlenden Grimasse und ratzfatz wuppt einem das gleiche Gefühl mittenmang ins Herz! Und nach ca. 1800 Metern ist es auch schon wieder vorbei in 1,40 Minuten.

Ich wollte sofort wieder hoch und es noch einmal tun! Und ich hätte wirklich noch vor einer Woche gedacht: mache ich nicht! Nie im Leben! So was von nicht mein Ding.

Und nun so was von jetzt mein Ding!

Wir haben danach übrigens noch einen Campinplatz besucht und so sind wir nach dem Mountainbiken, dem ZIPLine fliegen noch Kajak gepaddelt und schwimmen gewesen. (Ich alles mit der Fibromyalgie – das ist das sehr Gute, wenn man endlich eine Diagnose hat, man weiß wogegen man zu kämpfen hat und kann ein Stück weit besser entscheiden wie. Meine Entscheidung ist einfach wieder mehr in meine alte Körperlichkeit zurück kommen zu wollen, um wieder viel mehr Sport machen zu können!)



Und mit genau dieser Einstellung bin ich – viel langsamer als die anderen erfahrenen Bergsteiger unserer Reisegruppe – am nächsten Tag auf den Berg und … über ihn wieder hinunter. Auch mein erstes Mal in den Alpen gewandert! Wir sind westlich am Lago Maggiore am Pass in Campello Monti eingestiegen und haben dann in zwei Stunden ca. 750 Höhenmeter bewältigt. Die anderen Mitreisenden fröhlich schnell und mit links.



Ich langsam schnaufend mit Pausen aber jedes Mal die tolle Rücksicht genießend! Ich kann mittlerweile wieder gut lange Distanzen laufen, wandern ist mir seit der Diagnose der Sportersatz zum Joggen, was ich noch nicht wieder tun kann. Aber Berlin hat echt nicht viele Berge, dass man in Höhe aufsteigen wirklich gut trainieren könnte. (Vor dem nächsten Mal könnte ich allenfalls ein paar Mal den Kreuzberg mit Gewichten hoch- und runter rennen.)



Oben am Pass dann wieder den alten Handels- und Pilgerweg in das besondere Walserdorf Rimella hinunter gelaufen. Ein einziger Traum – Wiesen, Feldblumen, Schafe, Ziegen, Kühe – alle bimmeln frohlockend, klares Bergwasser, das vom Felsen läuft. Und Sonne satt. Schmetterlinge satt. Und klare Luft. Duftende Luft. Gemähte Wiesen-Duft. Irre!

Auch zum ersten Mal war ich übrigens die älteste Teilnehmerin einer solchen Pressereise.

Ich kann nur dankbar sein. Allen Organisatoren, die einem solche Erfahrungen an fremden Orten ermöglichen, den Mitmachern, die solche Erfahrungen noch bunter, reichhaltiger und fröhlicher gestalten, die unterstützen, relativieren, Partner sind, Hände reichen – das gemeinsame Erleben einer noch anderen Größe zuführen!

tl;dr „Ich habe in zwei Wochen so viele Dinge getan von denen ich nie gedacht hätte, ich würde sie einmal tun und jetzt grinse ich dauerhaft im Kreis.”

2019-06-28

Relationen

Als ich der Fachärztin für Schmerztherapie oder meiner Rheumatologin von den Sportarten erzählte, die ich noch vor drei dreieinhalb Jahren bevor mich der Schmerz heimsuchte, ausübte, sprachen beide von Hypermobilität.

Ich, lustigerweise, nannte das damals nur insgeheim für mich: „Ich mache nicht genug.”

Seit Februar habe ich mit Ernährungsumstellung, wie ich finde, ganz gut abgenommen. Im gemütlichen – also im gesunden Maß. Einige meiner Kleidungsstücke scheinen ebenso zu denken. Ich bin auf einem guten Weg. Seit letzter Woche bilde ich mir ein wieder so etwas wie eine Taille zu entdecken.

Aber dieses Bauchfett … das ist ja wirklich ein äußerst penetrantes Stück anhänglicher Wohlstandsverformung.

2019-06-27

Anschläge in Tunis



Die absolute Sicherheit vor dem Terror kann es nicht geben.

Ich habe in keinem Land so hohe Sicherheitsvorkehrungen erlebt wie in der knappen Woche in Tunesien während meiner Reise den Golf von Hammamet von Tunis hoch nach Monastir vor knapp drei Wochen.

Jedes Hotel, wo wir Gast waren, ist mit Eisenzaun gesichert gewesen. Jedes Fahrzeug wurde beim Passieren dieser Tore von den Wachleuten nach Autobomben untersucht. Teilweise gab es in den Hotels nur Zutritt mit Gepäckkontrolle im Scanner. Und immer waren die Security-Leute dennoch sehr freundlich.

Städte bzw. Teilbereiche in den Städten konnte man mit Kontrolle passieren – an den strategischen Roundabouts standen überall Polizisten, haben oft stichpunktartig kontrolliert. Auch uns.



Die polizeiliche Präsenz überall war bemerkenswert hoch. Dieses Land bemüht sich so offensiv Terror zu vermeiden, sichtlich und mit Vehemenz – nicht nur mit Videoaufnahmen. Dabei immer freundlich, höflich und zuvorkommend!

Deswegen treffen mich diese heutigen Anschläge sehr. Dieses Land hat wirklich Frieden verdient – und Touristen, die erkennen, das dieses Land sehr viel mehr ist als ein Ort, wo Idioten vorsätzlich Tod und Verderben bringen wollen.

Dieses helle und schöne Land mit diesen wundervollen freundlichen Menschen hat wirklich so viel Besseres verdient!

2019-06-25

Citronade Tunisienne



Reisen bildet. Mein erstes Mal Tunesien, mein erstes Mal Nordafrika – auf Einladung zu einer Pressereise des Tunesischen Fremdenverkehrsamts (und FTI Touristik). Und am ersten Abend beim Check-In im Hotel begrüßte man uns mit einem Getränk – das nach der Anreise in der Wärme unglaublich gut tat – und natürlich sehr lecker schmeckte.



Citronade Tunisienne – das erfrischende Getränk begegnete uns noch häufiger in den nächsten Tagen und unsere Reiseorganisation erklärte mir die Zubereitung, die – wie so oft bei den sehr leckeren Gerichten – denkbar einfach ist. Da uns hier nun auch der Sommer erwartet und in den kommenden Tage sein wärmebedingtes Full House ausspielen möchte, habe ich mich mit der Hauptzutat zur Zitronenlimonade à la Tunisienne gut versorgt.

Das Originalrezept setzt natürlich auf sehr viel Süße, die nicht ganz so mein Ding ist. Ich poste das Originalrezept und ergänze mit meinen Mengen der Zutaten in den Klammern. Nicht probiert von mir aber mit Sicherheit genauso lecker: Orangeade – oder gemischt aus beiden Zitrusfrüchten (so ist es wohl in der Türkei üblich, erklärte mir gestern meine türkischstämmige Nachbarin). Alles ist möglich!


Zutaten

1 Kilo unbehandelte Zitronen (Ich habe Amalfi-Zitronen verwendet: 1,7 Kilo)
300 Gramm Zucker (250 Gramm Zucker, davon 100 Gramm selbst gemachter Vanillezucker)
1-2 Beutel Vanillezucker
ca. 1,5 Liter Wasser (etwas mehr als 2 Liter Wasser)


Zubereitung

Da die Zitronen (fast) komplett verwendet werden, alle gut abbürsten. Die Enden abschneiden, die Zitronen in Viertel teilen, entkernen und in kleine Scheiben schneiden und in einen Kochtopf geben.



Den Zucker darüber geben, gut mischen und die Zitronen so ca. 15 Minuten Saft ziehen lassen.

Nun erhitzen, wenn der eigene Saft leicht beginnt zu köcheln mit ca. 1 Liter Wasser angießen. Mindestens 20 Minuten köcheln lassen bis die Zitronenschalen weich sind.



Nun die ganze Masse pürieren – entweder mit dem Mixstab oder noch viel feiner im Standmixer (hier: Chuck Norris). Den flüssigen Brei durch ein Sieb gießen/streichen – je nach Konsistenz. Alles zurück in den Topf geben – mit dem restlichen Wassser so lange ergänzen bis die Masse sirupartig – nicht zu flüssig – ist. Noch einmal mit Zucker abschmecken gegebenenfalls.



Die Masse schmeckt natürlich – da die gesamte Zitrone verwendet wird – gut bitter. Ich mag das, habe aber doch noch etwas Zucker hinzugefügt, damit das Bittere noch etwas in den Hintergrund wandert. Vorrangig sollte der Sirup nach der erfrischenden Zitrone schmecken. Also hier kann ich nicht eine finale Zuckerempfehlung im Rezept oben liefern, man muss für den eigenen Geschmack abschmecken. Zumal jede Zitronenart nicht immer die gleiche Säure bzw. Süße mitbringt.

In Tunesien wird die Citronade sehr süß serviert – Zucker ist bei Hitze eben auch ein wichtiger Energiespender – und wer viel schwitzt, scheidet neben Kalium und Natrium auch Glucose vermehrt aus. (Diabetiker unterzuckern im Sommer daher schneller, wissen das gemeinhein und kontrollieren deswegen öfter ihren Blutzuckerspiegel.) Wenn Mediziner jetzt raten, man solle viel trinken, damit man nicht dehydriert, dann geht es ihnen vor allem darum, dass man all die für den Körper wichtigen Energieliferanten, die man jetzt ständig ausschwitzt bei der Hitze, dem Körper wieder zuführt!

Wer sich generell sehr zuckerarm ernährt, wird die nächsten Tage stärker leiden als andere – vor allem, wenn es um die Leistungsfähigkeit und Konzentration geht: Schlimmstenfalls geht's bis zur Ohmacht. Das Gehirn lebt u. a. vom Energiespender Glukose – ist es nicht mehr ausreichend damit versorgt, schaltet es ab.

Also: Zucker ist mitnichten immer evil! Wenn ich mir gerade wieder diese ganzen Superfood-Junkies angucke, die auf Zucker verzichten aber schon nach der Hälfte des Tages nicht mehr denken können im Job oder noch schlimmer: umkippen wie die Fliegen – ich habe so eine medizinisch evidente Ahnung, warum das so ist. Menschen in den bekanntermaßen sehr heißen Ländern, die trinken witzigerweise gar nicht nur zum Spaß stark gesüßte Tees – die haben einfach Erfahrung mit Hitze und wissen, wie man gut für sich sorgt in extremer klimatischer Belastung.



Okay, wenn Ihr den Sirup nach Eurem Geschmack abgschmeckt habt, einfach heiß in sehr saubere Flaschen abfüllen, gut verschließen und diese für einige Minuten auf den Kopf stellen. So ist der Sirup lange haltbar. Die angebrochene Flasche im Kühlschrank wird sowieso nicht lange halten müssen.

Sirup (die Menge muss man für sich definieren, ob man die Zitronade sehr flüssig oder etwas dicklicher in der Konstistenz möchte) ins Glas und kaltes Wasser drauf. Herrlich!