2019-07-28

Sophie Hingst †

Marie Sophie Hingst ist tot.

Und mutmaßlich hat sie sich selbst dazu entschieden, zu gehen.

Sophie Hingst hat unter dem Pseudonym Fräulein Read On auf ihrem Blog „Read On, My Dear” Texte verfasst. Öffentlich, das hatte Ende Mai der Autor Martin Doerry in einem langen Artikel im Spiegel aufgedeckt, waren zumindest alle Geschichten über ihre jüdische Familie und Großmutter und Arbeit in einem inidschen Slum und einiges mehr erfunden. Ihr großes Versäumnis: sie hatte diese Texte nie als Fiktion gekennzeichnet. Sie konnte wohl auch viele andere Texte, das haben die Recherchen ergeben, gar nicht so selbst erlebt haben, weil sie so in der von ihr beschriebenen Art nicht an Orten bzw. Unternehmungen gewesen war.

Das ist verwerflich. Es ist nicht verwerflich, solche Texte zu verfassen und zu veröffentlichen. Aber man muss sie als erfunden klar kennzeichnen. Das hatte Sophie nicht getan und uns somit im Glauben gelassen, ihr Blog handelt ausschließlich von ihrer gelebten Realität.

Dass sie sich nun hierbei eine Realität als Enkeltochter einer jüdischen Großmutter geschrieben hatte, machte den Skandal um ein Vielfaches größer. Die Geschichte der Deutschen mit dem Judentum ist zu groß, zu furchtbar, viel zu komplex in ihrer Abartigkeit, wie wir Deutschen mit Juden umgegangen sind, als dass wir darüber falsche Geschichte schreiben dürfen. Nicht, wenn wir sorgsam mit der Herkunft umgehen.

Sophie Hingst war Historikerin. Als solche wusste sie natürlich viel über Geschichte. Und sie muss um die Regeln von Veröffentlichungen Bescheid gewusst haben.

Sophie Hingst war hochintelligent. Das schreibe ich ohne sie persönlich getroffen zu haben. Und ihre Texte haben sowieso zu keiner Zeit Zweifel an ihrem Intellekt hinterlassen.

Sophie Hingst war liebenswert. Sehr – das hatte ihren großen Erfolg als Bloggerin ausgemacht. Ich habe Sophies Blog nicht von Anfang an gelesen, irgendwie bin ich an ihrem Radar vorbei gesegelt – wenngleich mir immer mal wieder Texte von ihr begegnet sind. Dies geschah zu einer Zeit in der ich aus persönlichen Gründen keine weiteren Blogs an mich heran lassen konnte. Sophie ist mir erstmals bewusst aufgefallen, als sich meine halbe Timeline wie Bolle freute, weil Fräulein Read On endlich unter dem Twitteraccount @MlleReadOn einen nächsten Schritt in diesen Teil der Online-Welt unternahm. Das war vergleichsweise sehr spät, erst 2016. Sophie hatte nämlich viel weniger die Öffentlichkeit gesucht, als ihr heute von Menschen, denen sie bis zum Skandal gar nicht bekannt war, unterstellt wird.

Zwei Mal hätten wir uns in Berlin beinahe getroffen, einmal konnte ich nicht – bei einem Gartenpflegenotruf einer uns bekannten Twitterin, die frisch entbunden Menschen brauchte, die ihr halfen – ich war nicht da. Sophie Hingst war dort! Das andere Mal waren wir mit mehreren Bloggern in einer Gaststätte verabredet, da musste sie ihren Berlinbesuch früher abbrechen und wir haben uns alleine getroffen. Die anwesenden Blogger, die sie schon persönlich kannten und freundschaftlich mit ihr verbunden waren, haben voller Zuneigung über Sophie gesprochen.

Sophie Hingst war höflich. Es mag sie geben, nur ich habe auf Twitter keinen anderen Menschen erlebt, der so höflich, umsichtig, liebevoll, wortreich postete, antwortete – sehr aufmerksam mit ihren Followern kommunizierte. Wenige Twitterer können sich heute noch – wie früher unter uns Bloggern üblich – sich offen über die guten, wichtigen Texte anderer Blogger freuen. Sophie konnte das sehr gut.

Sophie Hingst war unfassbar talentiert. Und begreift dies bitte mit als Kernaussage zu Sophie, denn das ist die größte Tragik in der Sache. Die Texte von Sophie waren großartig. Ich bin kein Mensch, der schnell weint – aber wie oft habe ich vor Sophies Texten gesessen und hatte Tränen in den Augen? So oft wie bei keinem anderen Blog. Sophie hatte ein wundervolles Talent, Worte zu finden und zu vereinen, sie konnte Gerüste zu bauen, Erleben beschreiben, uns Leser mitnehmen, führen, uns Welten erleben lassen, reisen, leiden, lieben, sich schämen, verweilen, loszulassen, aufbauen. Sophies Schreibtalent war eines der Größten, die ich in der deutschsprachigen Blogwelt erlebt habe. Es gab kaum ein Text von ihr, der nicht etwas in mir ausgelöst hatte.

Diese wundervollen Texte hatten später leider, wie sich Ende Mai 2019 zeigen sollte, einen Makel: Sie suggerierten ein Erleben, das so nicht stattgefunden haben wird. Oder doch. Teilweise. Vielleicht. Wir werden es nun nie erfahren.

Und das ist für mich mein großes Debakel, das ich in der Sache habe. Denn gerade mit ihren Texten zum Judentum, zu dem was sie über ihre vermeintliche jüdische Großmutter und ihrem Erleben, dem dieser vielen Menschen, die zwar real existiert hatten, jedoch nie in dem von ihr konstruierten Umfeld, denen sie Geschichten angedichtet hatte, die vielleicht trotzdem womöglich wahr (und recherchiert von ihr) waren, hat sie so viel Bewusstsein geschaffen für eine Zeit voller Grauen, die wir so nie wieder geschehen lassen dürfen, was verdammt noch einmal unser Vermächtnis ist. In einer Zeit, dem Heute, in der wir leider darin offensichtlich versagen. Und ich frage mich, ist das hier offensichtlich Falsche wirklich so falsch gewesen? In Sophies Bemühen? Ja, jeder hat Recht in den Vorwürfen ihr gegenüber gerade bei diesem Thema.

Diese ihre Texte waren falsch. Und dennoch so wichtig.

Vergessen wir bitte nicht „Kunstgeschichte als Brotbelag” – Sophies wundervolle Idee uns auf Twitter Kunst auf die Stulle zu bringen und dort nachzubilden. Ja, das hat Sophie nämlich auch getan: uns ganz viel Freude miteinander an unserem gemeinsamen Tun geschenkt!

Nachdem Ende Mai der Skandal Sophie Hingst durch die Twitter- und restlich Online-Welt schoss, sie sich auf ihre Art versuchte auf ihrem Twitter-Aaccount zu erklären, dem was kommen sollte zu entziehen (was ich übrigens für eine nachvollziehbare menschliche Reaktion halte), sich die Online-Redaktionen, die ganz wenige Texte von ihr eingekauft hatten, von ihr offiziell zurück gezogen haben und ihre Texte vom Netz nahmen, hatte Sophie ihr Blog stillgelegt und ihr – das wissen wir heute – Vermächtnis vor der Öffentlichkeit verborgen.

Mich ärgern übrigens gerade diese Leute auf Twitter sehr, die sich an Sophies Tun, einer nun viel zu jung gestorbenen Sophie, abarbeiten und ihr große finanzielle Verdienste mit ihren erfundenen Texten im Blog unterstellen. Sehr wahrscheinlich hat Sophie mit einigen ihrer Texte Geld verdient, ob sie davon jemals ihr Leben hätte wirklich bestreiten können, das ist dahin gestellt. Und selbst „Kunstgeschichte als Brotbelag” – wie viel Exemplare hatte überhaupt die erste Auflage? 1.000? Da wird man natürlich total reich mit! Und wer diesbezüglich hinsichtlich Sophie keine Ahnung hat, haben kann, können bitte diejenigen bitte jetzt in der heutigen unfassbaren traurigen Realität die Griffel still halten?

Ich war verwirrt als ich damals zeitgleich mit dem Posten ihrer Tweets diese auf Twitter las, kommunizierte in ihre Richtung meinen Willen ihr zur Seite zu stehen – etwas anderes ging erst einmal nicht, denn auch ich musste mich sortieren im Rahmen des neuen Sachverhaltes. Darauf gab es ihrerseits keine Reaktion. Für mich nicht verwunderlich, wir waren uns, wie gesagt, nie persönlich begegnet, sicherlich immer wohl gesonnen – in einer solchen Situation, die für sie sehr schrecklich gewesen sein muss – braucht man enge Freunde für sich. Und viel Ruhe.

Und dennoch: irgendwie war ich gar nicht erstaunt zu erfahren, dass viele ihrer Texte offensichtlich fiktiv waren. Da ich ihr Blog nicht von Anfang an gelesen hatte, fehlte mir zu vielen Fortführungen der Zugang und fehlte mir auch die Information dazu, ob es je dazu Erklärung von ihr gegeben hatte (ich bin selten Blog-Nachleserin) ob manche Textstränge fiktiver Natur waren. Für mich war immer instinktiv klar, da passiert viel zu viel in ihrem viel zu jungen (also kurzem) Leben als das alles so stimmen konnte. War mir aber egal, wie gesagt, ich hatte viele Texte als wunderschön gelesen – aber auch erfunden teilweise. Es gab da in mir eine Sortierung.

Das mag daran liegen, weil ich mit einem Bruder groß geworden bin, der seit ich denken kann, Geschichten erzählt hatte. Unfassbare Geschichten, unhaltbare Geschichten, märchenhafte Geschichten – unglaubliche Geschichten. Für sein Umfeld. Das Problem nur: er hat diese Geschichten geglaubt. Wirklich inständig geglaubt. Der hat die für sich erlebt. Und der ist sehr rabiat geworden, wenn man ihm unterstellte, diese erfunden zu haben. Und er hatte erstaunliche Energien (vor allem im späteren Leben) darauf gesetzt, Menschen manipuliert, um seine Geschichten anderen gegenüber als real darstellen zu können.

Das ist medizinisch ein sehr spannendes Thema. Ist man persönlich als Verwandter, Partner, Freund betroffen, macht es einen wahnsinnig. Und irgendwann macht es einem sehr schwer diesen Menschen, der krank ist, noch zu lieben. Und: zu vertrauen. Diese Krankheit nennt man Pseudologia Phantastica. Sie wird im Katalog der ICD unter dem Code 10: F68.1 als artifizielle Störung (gleichsam wie das Münchhausen Syndrom bzw. Münchhausen Syndrom-by-proxy) geführt. Jemand hat das krankhafte Verlangen zu lügen. Es gibt hierfür eine Ursache – die unterscheidet den Kranken von dem bewusst (boshaft) Lügenden.

Der Pschyrembel definiert die Krankheit so: Erzählen ausgedachter Erlebnisse als wahre Begebenheiten, wobei der unwahre Gehalt vom Erzählenden in der Regel nicht mehr realisiert wird (im Gegensatz zur beabsichtigten Lüge). Vorkommen: vor allem in Folge von Abwehr bzw. Kompensation eines Selbstwert-Mangels, seltener aus übertriebener Phantasie und starkem Geltungsbedürfnis, z. B. beim Münchhausen-Syndrom. Auch bei neuro-psychiatrischen Störungen wie dem Korsakow-Syndrom als chronischer Folgezustand einer nicht erfolgreich behandelten Wernicke-Encephalopathie.

Das ist fürchterlich tragisch. Der Kranke versucht mit dem Erfinden eines absurden Lebensalltages Geltung und Anerkennung zu gewinnen, die ihm meist als Kind versagt wurde. Diese Lügen verbleiben ganz oft nicht im Wort sondern wechseln auch hinüber in ein Handeln. Und das ist dieser Unterschied zur normalen absichtlichen Lüge. Diese Patienten lügen nicht bewusst, die glauben das, was sie erzählen. Sie würden worauf – auf was auch immer – schwören, dass sie das so erlebt haben. Bei meinem Bruder ist der Ursprung klar: es gab einen Vater, der seinem Erstgeborenen vom Tag seiner Geburt vorgeworfen hatte, sein Leben verdorben zu haben. Wenn mein Bruder Aufmerksamkeit von ihm bekam, dann nur über Prügel.

Ich werde nicht behaupten, dass Sophie dieser Erkrankung hatte. Ihre Mutter deutete an, dass Sophie in mehreren Welten lebte, was immer es bedeuten mag. Ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass es eine Krankheit gibt, die Menschen zwingt Geschichten zu erfinden, die sie zu ihren gelebten Geschichten machen, was wiederum diese Geschichten zu Lügen werden lässt – und dass diese Menschen für ihr Verhalten nicht können, weil sie damit einen täglich zu spürenden Missstand kompensieren müssen. Mit Betonung: MÜSSEN! Mit einer unglaublich Präzision. Sie gehören in eine gute Psychotherapie.

Diese Krankheit hat grauenvolle Folgen für den Betroffenen und sein Umfeld. Da werden Kartenhäuser gebaut, die irgendwann zusammen brechen. Dem Patienten – der wahnsinnig liebenswert sein kann in seiner Krankheit – bleibt nur die Flucht in ein anderes soziales Umfeld, das betroffene alte Umfeld bleibt sehr ratlos zurück. Einerseits, weil man dem Menschen vertraut hatte und ihm so vieles geglaubt hatte und andererseits, weil man sich fürchterlich betrogen und manipuliert fühlt und sich selbst hinterfragen muss.

Mein Bruder, Maler und Lackierer, im Auftreten durchaus als Prolet zu benennen, körperlich (zumindest für mich) nicht so der Adonis, dank Bier, Currywurst & Co., hatte übrigens immer die traumhaftesten Frauen, ganz oft mit akademischen Abschlüssen, als Freundinnen – die ihm lange Zeit alles geglaubt haben, was er ihnen erzählte – und vor allem über lange Zeit hingenommen haben von ihm belogen zu werden. Nur um diese Komplexität der Krankheit zu verdeutlichen! Das ist eine sehr fiese Geschichte. Für alle Beteiligten.

Und ich, für meinen Teil – mit eben meiner persönlichen Historie mit meinem Bruder – fühlte mich bei der Sophies fremdgesteuerten Coming Out als Geschichtenerzählerin sofort wie zu Hause, für mich ist das ein Stück weit Normalität.

Nochmal: ich kann und werde nicht behaupten, dass Sophie diese Erkrankung oder überhaupt psychisch krank war, das kann ich gar nicht beurteilen.

Nur ich versuche mir (!) zu erklären, warum ich persönlich für mich gar nicht so entsetzt war als die Wahrheit über ihre nicht realen Texte heraus kam. Ihre Texte waren für mich immer viel zu besonders, viel zu fantastisch, viel zu reichhaltig auf allen Ebenen, als das ich sie als wahr hingenommen hatte. Bis auf das geschriebene Leben in Irland und dem Tierarzt seinem tragischen Ende, wozu heute natürlich auch enorme Zweifel da sind (ich hab für mich beschlossen, dass sie real war, Sophie soll diese Liebe für sich gelebt haben dürfen egal in welcher ihrer Welten) – instinktiv waren diese für mich erfunden. Ich habe mir da nicht mal bewusst Gedanken darüber gemacht, für mich waren das besonders schöne und besonders kluge Texte. Ob sie wirklich gelebt wurden, war mir herzlich egal.

Sophie Hingst war verletzlich. Als ich Sophie bei den Golden Blogger Awards zum ersten Mal (auf dem Screen) persönlich und lebendig gesehen hatte, war mein erster Gedanke (ich wusste von ihren Ängsten dorthin zu gehen im Vorfeld aus Twitter) „Diese Frau gehört überhaupt nicht in die Öffentlichkeit.” Sie hatte dort als Bloggerin des Jahres 2017 gewonnen. Dieser Preis wurde ihr nach dem Spiegel-Artikel aberkannt.

Sophie Hingst hatte ein riesengroßes Herz. Das sprach nicht nur aus ihren vielen wundervollen Texten und Geschichten. Sophie hatte jeden Tag, nachdem die Verhaftung von Deniz Yücel bekannt geworden war, dem Mann eine Postkarte ins Gefängnis geschrieben – über 360 Tage lang. Diese Aktion war von türkischen Journalisten initiiert worden, Sophie hatte sich daran festgebissen – zugunsten eines ihr unbekannten Menschen! Nachdem die Verhaftung von Mesale Tolu, anfänglich mit ihrem kleinen Sohn, bekannt wurde, schrieb sie dieser dann auch. Das sollten wir ihr nie vergessen! Auch ihre Rede auf der Bühne der Goldenen Blogger Awards war im Sinne dieser Menschen so wichtig und großartig – und vor allem: ganz uneigennützig! Das war Sophie nämlich auch.

Und ich möchte das anmerken, denn bei all den Fehlern, die Sophie nachweislich gemacht hatte mit der mangelhaftn Kennzeichnung ihrer Texte, sie hatte immer im Bewusstsein geschrieben und gesprochen, die Dinge gut machen zu wollen für andere. Das war ihre Mission, auf Dinge aufmerksam zu machen, manchmal mahnend. Aber Sophie wollte uns nie etwas Böses. Und ich möchte, dass wir uns dessen bewusst werden – auch wenn wir verletzt waren oder noch sind – wir haben doch an Sophie geglaubt, sie wertgeschätzt, sie verehrt, weil sie und das so sehr leicht machte, es zu tun. Weil von ihr nie ein böses Wort kam.

Und wir müssen vielleicht begreifen, dass ihre Offenheit uns gegenüber – auch wenn sie heute als Lüge enttarnt wurde – trotz alledem für Sophie die wahre und echte und gelebte Offenheit war.

Was mag es für sie bedeutet haben, dass wir nun daran zweifelten?

Ja, sie hatte die Ursachen für das Zusammenbrechen ihres Kartenhause selber gesetzt. Aber sie war nie von Bosheit angetrieben, das glaube ich keine Sekunde. Und niemand, der ihre Texte – oder sie persönlich – kannte, würde das wohl von ihr behaupten. Deswegen finde ich das Heute ohne Sophie so wenig erträglich. (Und so manche Leute in den Sozialen Medien, die sich nun noch post mortem über sie das Maul zerreißen – ohne sehr wahrscheinlich je einen Text von ihr gelesen zu haben, weil diese gar nicht mehr verfügbar waren – ganz ehrlich unerträglich.)

Sophie Hingst war ein Mensch. Haben ich mich, haben wir uns ihr gegenüber in ihrer persönlichen Krise im guten Sinn menschlich verhalten?

Das frage ich mich seit gestern, wo sich zu unserem Ärger über Sophies Verhalten nun die Trauer über ihre Entscheidung gesellen muss. Ich habe neulich noch sehr lange und instinktiv an Sophie gedacht, weil ich sie vermisst habe – hier in dieser unserer Onlinewelt. Weil mir ihre Texte fehlten, weil mir ihre Schönheit fehlte, ihr Sanftmut, ihr Blick auf die Dinge, ihre Worte. Ich dachte insgeheim bei mir: „Sophie, lass es gut sein. Entschuldige Dich und komm zurück!” Ich habe es nur gedacht, ihr nicht geschrieben. Ich hatte ihre E-Mail-Adresse nicht und habe keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, an sie zu kommen. Das werfe ich mir heute vor. Natürlich.

Womöglich fehlte Sophie zur Entschuldigung die Kraft. Sofern die abschließenden polizeilichen Untersuchungen und die Befürchtung ihrer Mutter sich bewahrheitet, fehlte ihr auch die Kraft weiter zu leben. Das ist tragisch. Vor allem ist das ein ganz großer Verlust für uns alle!

Sophie Hingst war ein ganz besonderer Mensch. Mit einem ganz besonderen Talent. Sie konnte schreiben. Sie hat immer gute, sehr wichtige Texte verfasst. Texte, die ganz tief berühren konnten. Dieses, ihr Vermächtnis ist nun für immer verschwunden.

Mit ihr. Und ich bin fürchterlich traurig über das alles. Sophie Hingst hatte eine wunderschöne und zarte Seele. Wir haben das womöglich zwischenzeitlich vergessen, lasst uns bitte daran wieder erinnern und sie so in Erinnerung behalten.

Und noch etwas, zur Erinnerung, weil wichtiger denn je: "Das Internet ist ein guter Ort, wenn wir es dazu machen." (Johannes Korten)

DAS hat Marie Sophie Hingst viele viele Jahre lang hier in diesem Internet auf ihre ganze eigene Weise getan. Und ich – für mich – werde sie nur daran messen.

(Kommentare aus – aus Gründen.)