2016-12-28

Protipp

Wann immer Euch professionelle Köche im TV erklären wollen, irgendein physikalischer oder chemischer Vorgang durch Hitze manifestiert, würde irgendwelche Poren verschließen – hört einfach nicht hin. Es gibt nur ein Körperorgan, das Poren verschließen könnte und das ist die Haut. Und ob eine Hühnerbrust von einem verstorbenen Huhn noch mit Haut am Fleisch jemals über Mechanismen verfügt, die sie die Poren öffnen und schließen lassen lässt, darüber darf diskutiert werden.

Sollte jedoch gleicher unbedarfter Koch Euch erklären, Ihr solltet verdammt noch mal und wirklich sehr vorsichtig sein und richtig gut aufpassen mit dem, was Ihr tut, wenn Ihr Karamell zubereitet und diesem dann irgendwas zufügt, z. B. Butter, DANN HÖRT (AUCH) VERDAMMT NOCH MAL HIN UND TUT WAS DIESER MENSCH EUCH RÄT, weil sonst …



Das ist eine lässige Verbrennung dritten Grades. Und die passierte rasend schnell, im Grunde sehr unspektakulär (drei kleine Karamellspritzer auf die rechte Hand und an dieser Stelle mit der größten Konsequenz) und ich musste mich dafür nicht einmal besonders blöd anstellen. Sehr beeindruckt hatte mich der Grad des Schmerzes bei dieser Verbrennung (wenngleich dieser unter kaltem fließenden Wasser sich recht bald wieder mäßigte) und die Geschwindigkeit der Entstehung der Blase, ihrer Öffnung und der frei liegenden Wunde. Von 0 auf 100 in nicht einmal einer Stunde.

Das hat mich daran erinnert, dass ich immer in meine Patientenverfügung schreiben wollte, dass ich keine lebensverlängernde Maßnahmen wünsche bei Verbrennungen des dritten Grades bei einem Körperanteil von ab mehr als 50 Prozent. (Das hat was mit dem lebenslangen Schmerz zu tun.)

Kurz: ich bin sehr beeindruckt! Und ein bisschen dankbar, dass mir das Zeug nicht ins Gesicht gespritzt ist.

An dieser Stelle aber noch ein kurzes Foto von meinem kleinen Finger. (Ich habe ja auch ab und zu Erfolgserlebnisse.) Ihr erinnert Euch?



Der kleine Wellenschnitt? Hat der Doc wirklich exzellent genäht, der Finger sich bei der Heilung gut benommen und Maike großartig die Fäden gezogen. Auf der Fingerkuppe ist der Finger noch taub, den Gnubbel darunter massiere ich täglich, manchmal mag ich nicht mich am Finger stoßen. Aber das sind restliche Begleiterscheinungen, die auch noch mit der Zeit wieder verschwinden werden.

Die Narbe muss man sehr sehr suchen. Das Messer lebt noch.

Oru Kajak als eKajak

Ich bin seit geraumer Zeit großer Fan dieser Oru Kajaks. Das StartUp Oru Kajak Inc. aus San Francisco hat vergleichsweise leichte Faltkajaks auf den Markt gebracht, seinerzeit unterstützt mit dem heutzutage üblichen Crowdfunding, hier Kickstarter.



Mittlerweile, nach vier Jahren, ist die Produktpalette um vier weitere Modelle gewachsen und bietet für jeden Paddler, ob See, Fluss, Strand oder offenes Meer, das richtige Boot. Die Oru Kajaks bestehen aus Polypropylen, die Produzenten versprechen eine Stabilität ähnlich dem von Fiberglas. Oder …



Beeindruckend oder?

Verglichen mit den üblichen Faltkajaks ist der besondere Vorteil von den Oru Kajaks ihr Gewicht. Ab einer Länge von 3,7m (Beach, Bay) bis 4,9m (Coast/Coast +) wiegen die Kajaks ohne Zubehör 12-15,4kg. Das macht den großen Reiz dieser Faltkajaks aus: man ist mit ihnen erstaunlich mobil, benötigt für ihren Transport kein Auto etc. Sie kommen so gefaltet, dass man sie sich auf den Rücken schnallen kann und mit ihnen Rad fahren kann, jede Box ist nicht breiter als 81cm. Einen komfortablen Tragerucksack gibt es extra zu kaufen. Origami bekomm hier möglicherweise eine greifbare Bedeutung.

Der Aufbau der Orus ist denkbar einfach (Okay Spezies gibt's immer: „Initially I had some trouble putting it together—the instructions are clear, but maybe like Ikea clear.”, Kommentar auf der Homepage von Oru Kajak), diverse Videos im Netz zeigen das. Das Zubehör ist umfassend und durchdacht. Die Preise für die Boote sind natürlich gediegen, das Einsteigermodell the Beach startet bei 1.290,— Euro, das hochseetüchtige the Coast + zieht einem schon 2.690,— Euro vom Konto. In Deutschland kann man es bei Chris Kajak beziehen, der leider nicht die attraktiven Sets des US-Herstellers anbietet.

Für mich sind diese Boote ein Träumchen – und träumen wird man ja wohl noch dürfen. Was mich neulich einmal mehr amüsiert hat, ist der Elektroantrieb, den es mittlerweile auch für die Oru Kajaks gibt. Der Produzent Current Drives Inc. hat für die Modelle einen netten kleinen elektronischen Antrieb namens ElectraFin® entwickelt, der die Boote knapp 8 km/h ohne Muskelantrieb durch das Nass gleiten lässt. Der Akku ist in 4-5 Stunden geladen und hat eine Reichweite von bis zu 16 Kilometer bei Höchstgeschwindigkeit, im langsamen Fluss kommt man bis zu 32 Kilometer weit. Das LED-Display zum Bedienen wird kabellos am Paddel befestigt, alle Teile einschließlich Akku-Case sind natürlich wasserfest und hochseetauglich.

ElectraFin® kann auch an jedem aufblasbaren Kajak befestigt werden. Der Akku oben auf dem Boot festgeklemmt. Die Schiffsschraube wird unter das Boot geklebt und ab die Post. Der Spaß kostet 1.895,— US-Dollar. Auch so'n Schnäppchen. Wie gut dass es noch keine Version für den europäischen Stromstandard gibt.

Gut, ich bin natürlich Paddlerfan und mir sind diese ganzen „Ich-nehme-Euch-die-Arbeit-ab”-Technologien immer leicht suspekt, insbesondere bei sportlichen Aktivitäten – aber dieses Gimmick finde ich wirklich witzig:



Und hier noch viel mehr lustige visuelle Oru Kajak-Appetitmacher!

2016-12-26

Gute Weihnachten!



Ja, ich bin spät mit meinen Wünschen. Fröhliche Weihnachten mag ich dieses Jahr nicht mehr wünschen. Besinnlich auf alle Fälle – ich hoffe, Ihr hattet und habt noch ein paar wundervolle Tage.

Besinnlich waren meine Weihnachten irgendwie nicht. Die Ereignisse in der vorletzten Woche haben unerwartet hier und dort Zeit gestohlen bzw. den Zeitplan ad absurdum geführt. Man zelebriert dieses Weihnachten der Kinderzeit eben nicht mehr, man trifft sich, kocht und isst gemeinsam, unterhält sich, doch besinnt man sich?

Das Leben sehen auf einer Intensivstation stellt viele Dinge in Frage. Das was in Berlin geschehen ist, sowieso. Es ist nicht so als wäre es neu, noch nicht erlebt aber es schärft den Sinn für das schnelle Vorüber dieses einen Lebens. Von dem ich eh immer glaube, es nicht genug zu leben, spätestens seit dieser Krankheit, die gefühlt mich eh nie etwas richtig machen lässt. Aber man wird demütig, dankbar. Man hat, was man hat. An Wärme, Liebe, Zuneigung, Hoffnung – das ist was zählt und wichtig ist.



Ich möchte mich für die lieben Weihnachtswünsche bedanken! Für die Post! Für die vielen wundervollen Weihnachtsgeschenke (was hätte ich eigentlich ohne den größeren Tisch gemacht, wohin mit den vielen Päckchen?), die mich sehr froh stimmten und im Herzen freuten, ein bisschen auch sprachlos machen. Und wieder ganz demütig. Ja, ich freue mich sehr. (Leider hat Amazon hier und dort mir verschwiegen woher ein Geschenk kam.) An alle aber: ganz herzlichen Dank! Das gibt viel Kraft und Zuversicht – neben der Freude und Dankbarkeit. Und auch Tally und Shiina bedanken sich ganz herzlich für die freundlichen Futtergaben! (Ich bin doch immer sehr stolz, wenn andere Menschen meine beiden Mäuse glücklich sehen wollen.)



Am heiligen Abend war ich bei Freunden, die Künstlerin hatte einen wundervollen Tisch gedeckt.



Wir saßen am brennenden Kamin



und mästeten uns im Übermaß mit zwei Enten (hier tranchiert die Hausfrau selbst!), Kartoffeln und Klößen, einer Mousse zum Nachtisch. Ich mästete vorher den wuscheligen Hund mit einem Stück Ochsenschwanz. So einem Hund auf seiner Decke neben dem brennenden Feuer glücklich den Knochen knabbernd zuzusehen. Doch, das war dann doch besinnlich (nicht für den Ochsen). Vorab hatte ich ein ganz kleines Dominosteinekoma. Die Klöße habe ich selber gemacht, die Hausfrau wünschte sich dieses und auch wenn mich die Konsistenz noch nicht ganz überzeugte, wobei diese vermutlich völlig richtig war und wir nur verwirrt waren, weil sie nicht so wie industriell produzierte wirkten. Wie dem auch sei, der TV-Koch Rainer Sass gab mir vorher in diesem Dingens namens Internet den Tipp mit auf den Weg an den Kloßteig braune Butter (Nussbutter) zu geben und ich möchte Euch diesen Tipp zwingend weiterreichen. Denn Klöße mit Nussbutter sind geschmacklich ein kleines rundes Glück auf dem Teller!



Wir hatten Soße ohne Ende! Die Hausfrau lässt die Enten immer erst entfetten, gießt es ab und kocht nebenbei im Schnellkochtopf das Entenklein zur Brühe aus und übergießt die Enten mit dieser immer und immer wieder. So hat man am Ende sehr viel, sehr feine Soße – mit Betonung auf sehr viel Soße! Die Vögel waren sehr gut zu uns! Der Rotkohl auch, die Klöße auch! Ach … und der Kamin!

Gestern dann Gans bei der Nachbarin mit ihren Kindern, weiteren lieben Nachbarn und zwei Hunden.





Cava satt, ich steuerte den Rotkohl (der erste der Saison mit viel Liebe zubereitet, so was von ordentlich durchgezogen!) und Grünkohl dazu. Den Grünkohl habe ich dieses Jahr erstmals selber gemacht. Ich vertraute bis daher den Meinungen derer, die es wissen müssten, dass der aus dem Glas genauso gut sei (O-Ton Oma väterlicherseits, Kaltmamsell bei Osram, im späteren Verlauf ihres Küchenlebens der ewigen Küchenleistung müde), wollte es aber dieses Mal selbst für mich wissen. So kaufte ich den Kohl am Öko-Stand, wusch, blanchierte, schnitt, schmorte, verliebte mich aufs Neue in dieses grüne Kraut. Er war genau wie Omas als sie ihn noch selbst zubereitete, mehr kann ich von meinem ersten Grünkohl nicht wollen.

In diesem Jahr wieder einmal mehr begriffen, was meine Omas, meine Mama an Weihnachten immer geleistet haben mit der ganzen Organisation, den Einkäufen, den Vorbereitungen, der Küchenarbeit. Ich glaube, gerade meiner Oma haben wir mit dem Einbehalten der üblichen Traditionen am Ende ihres Lebenswomöglich viel zu viel abverlangt, weil wir gar nicht verstehen wollten, dass sie alt geworden war über die Jahre. Die Omas dieser Generation haben ja nie geklagt.

Die Todesnachricht von George Michael wirft mich seit gestern aus der Bahn. Ich dachte an ihn neulich und hatte ein komisches hellsichtiges Gefühl dabei. Die Impfung dieses Jahres 2016. Dann hörte ich, es ginge ihm wohl besser nach den letzten gesundheitlich anstrengenden Jahren, dass er wieder bereit sei, Musik zu machen und ich fühlte mich erleichtert. Ich war nie ein großer George Michael-Fan in dem Sinn, dass ich auf seine Konzerte gegangen bin, seine Musik gekauft hätte. Ich habe ein Album von ihm. Das Album, das er nach seinem Rechtsstreit gegen Sony veröffentlichte, weil ich ihn damals so mutig fand und ihn dann unterstützen wollte. Aber seine Musik hat mich mein Leben lang begleitet, meine Ratlosigkeit über diesen doch so offensichtlich schwulen Mann und Künstler, der sich gefühlt nie zu seinem Sein bekannte, dem die Zeitungen immer weibliche Liebschaften andichten wollten, was sich immer falsch anfühlte. (Also für mich, einen jungen Menschen in Berlin groß geworden, wo wir dankenswerterweise früh schon auf anerzogene homophobe Gefühle verzichten durften.) Bis ich begriffen habe, dass man sich als Mensch in einer Öffentlichkeit stehend eben nie so einfach outen darf, davon abgesehen, dass mich der private Mensch hinter einem Künstler nicht zu interessieren hat. Aber das Gefühl so lange so offensiv mit diesen Lügen zu leben – mein Begreifen wie sehr groß so ein Opfer wohl sein muss, dass es einen sensiblen Menschen wohl zerreißen muss. Die Traurigkeit so einem Menschen nicht die Hand reichen zu können, obwohl er einem so viel Schönes gegeben hat und mit stiller Verzweiflung von seinen ungesunden Süchten lesen zu müssen; obwohl man ihn unbekannterweise doch für so sehr viel klüger halten wollte. Und glücklicher im Leben. Das alles ist George Michael für mich. Ich will ihn glücklich, gesund und schaffend haben. Mit seiner unglaublichen Bühnenpräsenz, dieser eine Mann auf einer dunklen Bühne ganz alleine, der mit dem ersten Wort seiner Songs die Leute in seinen Bann ziehen konnte. Ich weiß noch, wie er bei dem Freddy Mercury-Tribute Konzert von Queen „Somebody to Love” sang und beim ersten Akkord so klar war, würde es je einen würdevollen Mercury-Nachfolger geben, dann wäre er das. Symbiotisch.

Und ich bin immer froh gewesen „Last Christmas” zu hören, ich kann das Lied zu jeder Jahreszeit hören. Es ist für mich eines der größten Liebeslieder aller Zeiten.

Ich möchte nun nicht seine Nachrufe lesen müssen. Oh bitte, lass ihn die letzten Jahre glücklich gewesen sein!

2016-12-22

Geträumt …

… Heidi Klum hätte irgendeinen biederen Gynäkologen heiraten wollen und zwar in einem völlig desaströsen 08/15-Outfit, was ich ihr verbieten musste und ihr darauf hin irgendetwas Schickes aus meinem (ähem!) Kleiderschrank überzog und sie dann erst wieder richtig gut aussehend vor den Traualtar entließ.

Die ganze Zeit im Traum in einem Loop gedacht: „Das kann doch alles nicht wahr sein.”

Örgs

Da frage ich meinen Lieblingszeitungs-Mohammed (der, der immer Hundesticks für die ihn besuchenden Hunde parat hält), was heute das Porto für so eine Geschenkkarte mit Umschlag ist und zeige auf die Karten, die da bei ihm im Ständer auf lustige Käufer warten. Er verlautet 70 Cent, ich kaufe einen ersten Schwung Briefmarken. Natürlich sind die Weihnachtsmotive hier im Osten bereits ausverkauft. Ich schreibe einen ersten Schwung Karten und verschicke sie.

Gestern gehe ich mit einem weiteren Teil der Karten wieder zu ihm, weil einige ins benachbarte Ausland verschickt werden sollten – da ruft er plötzlich auch für die eine nach Deutschland gehende Karte einen ganz anderen Preis auf, nämlich fast das Doppelte!

Fange ich an zu diskutieren und mir bricht dabei der leichte Schweiß aus – da sind die Karten, die ich versende halt an jeder Seite 5mm breiter, insgesamt also 1cm und passen somit nicht mehr durch die Post-Messlatte und fallen somit unter Großbrief. Verdammt!

Also bekomme ich die ersten Karten alle zurück oder von einigen von Euch, den armen Empfängern, wird ein Strafporto verlangt werden. (Ihr habt ja keine Ahnung, was meine Unzulänglichkeit in solchen kleinen Dingen mit meinem Gemüt anzustellen weiß.)

Es tut mir so leid – im Zweifelsfall lasst sie zurück gehen.

Es ist ja nur eine Weihnachtskarte.
Mit Glitzer.
Und etwas Katzencontent.

*schnief*

2016-12-20

Tally …

… ist heute drei Mal an der Nachbarin (auf dem Sofa sitzend) vorbei gelaufen, hat einmal an ihren Fingern gerochen (Hund, Bella) und hat dann unter dem Sofa und uns geschlafen. Zwei Mal quasi mit einer Futterunterbrechung.

Mehr Mut und Zuneigung von einer kleinen bunten Katze geht nicht.

S. hätte heute Geburtstag gehabt. Wie ich in diesem Jahr ihren 51., den 50. haben wir im vergangenen Jahr noch miteinander gefeiert. Es ging ihr sichtlich nicht gut aber sie hat sich feiern lassen. Sie fehlt.

In dieser Zeit wird einem viel bewusst.

Ich schreibe Weihnachtspostkarten, habe immer Sorge jemanden zu vergessen und denke ständig: es ist nicht genug.

Der Patient, dem die Ärzte Freitag eine Überlebenschance von allerhöchstens 25 Prozent einräumen wollten, ist nun nach der gestrigen Tracheotomie noch weiter aus dem künstlichen Schlaf geholt worden als er es schon am Montag wurde, wo er bereits auf die Berührungen der Frau reagierte und ab und an die Augen öffnete und sichtlich unter der Beatmung über Mund und Nase litt. Er weinte heute als er seine Tochter sah. Er öffnete länger die Augen. Er hat auf ihre Fragen bezüglich der Musik auf ihre Fragen genickt bzw. diese verneint.

Die Ärzte stehen an seinem Bett und glauben an ihr Weihnachtswunder. Die Ehefrau ist tablettenbedingt sichtlich gleichgültig. Morgen wohl das CTG. Geschätzte 10 Minuten ohne Sauerstoff hatte sein Hirn nach der Recherche wohl aushalten müssen.

Womöglich wirklich ein Weihnachtswunder, womöglich doch noch das ganz große Drama.

Weihnachten. Unwirklich dieses Jahr. Vielleicht war früher wirklich mehr Lametta? Ich hoffe, Euch allen geht es gut!

Schluss ist.

Interessenvertretungen – egal welchen Ursprungs, welcher Couleur, welchem Thema verbunden – können nur funktionieren und für ihre Sache profitieren in dem sie auf sich aufmerksam machen. Dazu bedarf es Werbung für sich und die eigene Sache. Soweit so gut.

Nun gibt es solche Vereinigungen, die glauben, im Sinne ihrer Ideologie, eine gesellschaftliche Veränderung nur erreichen zu können, in dem sie andere Menschen physisch und psychisch schädigen. Das unterstreicht vor allem die besondere Schwäche einer solchen Vereinigung. Soweit so schlecht.

Dem Mann, der gestern in Berlin mindestens zwölf Menschen tötete, offensichtlich mit Vorsatz und mindestens 50 Menschen physisch verletzte, – die Menschen, die psychische Verletzungen vom Erleben vor Ort davon tragen, die zählt man üblicherweise nicht – werde ich den Gefallen aber nicht tun. Weder werde ich ihn als das bezeichnen, wie ihn die Medien bezeichnen wollen; noch werde ich ihn auch nur ansatzweise in die Nähe irgendwelcher Vereinigungen sortieren, die sich allzu gerne für das gestrige Geschehen feiern wollen.

Das tue ich nicht. Ich werden ihm diese Form der Zuwendung entsagen. Sein Spiel spiele ich nicht mit.

Ich bin ab sofort eine Spielverderberin!

Er ist für mich lediglich ein Mörder. Er Verirrter. Einer, der sich in seiner armseligen Existenz nicht anders zu helfen wusste als zu töten. Seinen möglichen Hintergründen schenke ich keine Relevanz. Ich werde ihm und auch denen, die sich so sehr wünschen, er hätte das für ihre Sache getan und sich mit den fremden Federn dieses Mörders schmücken möchten (obwohl sie es selbst nicht einmal wissen) nicht die Macht geben, dass das, was da gestern getan worden ist für irgendeine Sache geschehen ist. Es gibt keine Zuordnung von mir.

Die üblichen Worte unserer Gesellschaft, die auf solches Tun marktschreierisch verwendet werden und so diesen Vereinigungen in die Hände spielen und den Zweck ihres Tun somit heiligen, werde ich nicht mehr verwenden. Ich werde mich diesem Glossar, der so ungefiltert zunehmend in unsere Alltagssprache einzieht, entziehen.

Ich wünsche mir sehr, Medien und Politiker würden das Gleiche tun. Wir würden, Ihr würdet es alle tun. Das ist, was solchen Menschen die Luft zum Atmen nimmt, ihnen die Grundlage für ihr Tun abspricht. Sie nicht mehr für ihr Tun mit einer Sache in eine Verbindung zu bringen. Sie in eine andere Ecke sortieren – in die sie nicht wollen.

Ich gehe davon aus, dass der Mann für sein Tun auf der Basis der Demokratie in der ich lebe und ihrem Rechtsverständnis einen fairen Prozess bekommt, keine Gelegenheit erhält sich diesem zu entziehen und ein gerechtes Urteil über ihn gefällt wird: für den vorsätzlichen Mord an z. Zt. zwölf Menschen, der Körperverletzung an mindestens 50 Menschen aus niederen Beweggründen.

Game is over!

2016-12-19

Was immer …

… die polizeilichen Ergebnisse hervor bringen werden, morgen werde ich auf einen Weihnachtsmarkt gehen. Und ich werde keine Menschen hassen noch angehen, nur weil sie „irgendwie” anders sind als ich.

So nicht! Nicht mit mir. Nicht mit meiner Stadt.

Und Kraft, irgendwann wieder Zuversicht den Hinterbliebenen, eine schnelle, hoffentlich komplette Genesung den Verletzten und baldiges Seelenheil den Traumatisierten!

Immer!

Potentieller ebay-Kleinanzeigen-Kunde. „Hallo, würden Sie auch xyz versenden?”
Ich: „Ja, kann ich gerne machen. Kommt halt noch die Päckchen/Paketgebühr hinzu.”
Potentieller ebay-Kleinanzeigen-Kunde: *schweigt*

Jetzt zum dritten Mal in Folge. Was glauben die eigentlich? Dass ich mit dem Paketdienstleister schlafe und deren Leistung geschenkt bekomme?

2016-12-17

Quadratur des Kreises

Der Vater meiner Freundin liegt nach einem Lungenkollaps auf der Intensivstation. Sie und ihr Ehemann (bekannt auch als beste Freunde der Welt) waren beim Zusammenbruch nicht in Berlin, u.a. weil sein Onkel letzte Woche verstorben ist (erwähnten wir eigentlich schon wie sehr scheiße (pardon my french) 2016 ist?) Da ihre Mutter psychisch schwer krank ist, bin ich die letzten Tage zusammen mit dem Enkel eingesprungen. Der Enkel macht das toll, Mitte 20 aber es ist seine erste Erfahrung mit dem Gehen lassen müssen auf diesem speziellen Gebiet.

Das Ganze lehrt einem selbst natürlich wieder einmal sehr viel. Es lenkt den Blick auf die vielen sehr großartigen Menschen, die in der Pflege, hier Intensivpflege arbeiten. So hart arbeiten, professionell. Immer freundlich, ruhig und sachlich. Grenzgänger im optimistisch sein, täglich. Alles Irre. Im positiven Sinne.

Dann … die Mutter lebt in Köpenick, er ist in Charlottenburg im Klinikum untergebracht. Für nicht ortskundige: 30 Kilometer Entfernung, eine Autofahrt mit dem Auto/Taxi à 30 Minuten morgens um drei Uhr, 50 Minuten in normalem Verkehr – sind wir die letzten Tage sehr viel Taxi gefahren (für meine Verhältnisse), alleine diese wirklich ganz netten und interessanten Erfahrungen – darüber könnte man das Blog tageweise füllen.

Der Patient indes war nicht wirklich gut zu anderen, vor allem sich selbst in seinem Leben. Es ist schwierig. Schlussendlich, wenn so jemand gehen muss, weint man trotzdem. Und wenn man eigentlich um den Vater meint, der nun auch mit diesem hier gehen muss, weil man versteht, dass man nie den Vater haben wird, den man sich sein Leben lang so sehr wünschte. Zu sich selbst war er nicht gut, weil er irgendwann beschlossen hatte auf dem Sofa zu leben, zu fressen (pardon, aber ja, das ist der korrekte Ausdruck) und sich seiner durch seine Fettsucht erworbenen Diagnosen (Gicht, Diabetes, chronische Dyspnoe, die üblichen Knochen-/Muskulaturausfälle) selbst zu feiern – dabei einige Menschen mit ins Verderben zu reiten. Wir reden hier von einer langjährigen sehr früh begonnenen Rolator-Karriere, E-Mobil-Rollstuhl, die gleichen körperlichen Erscheinungen einer COPD mit allen technischen Geräten (die COPD wurde nie bestätigt; der Mann ist einfach zu dick zum atmen) bis hin zum Arschreiniger. Der Arschreiniger, von mir in einem Zustand der Fassungslosigkeit getauft, wird in Fachkreisen After-Reiniger genannt. Und ja, es gibt Amazon-Rezensionen auch zu diesem Produkt.

Der Arsch-Reiniger hat mich gestern beim Reinigungsprozess der leicht vergammelten Wohnung gemeinsam mit dem Enkel (dass die Wohnzustände eskalieren, ist eine Woche vorher auf die Füße gefallen und Änderungen sind bereits eingeleitet) schwer, nachhaltig, allumfassend beeindruckt. Menschen mit körperlichen Problemen, die sie in ihren körperlichen Bewegungen des Alltags einschränken, brauchen so etwas. Ein sinnvolles für den Betroffenen medizinisches Hilfsmittel, das ihm eine Unabhängigkeit in einem sehr intimen Lebensbereich garantiert. Ich frage mich die ganze Zeit, was geschieht in einem Menschen, wenn er aufgrund seiner Körperfülle gezwungen ist auf solche Apparaturen zurückzugreifen? Wenn man nicht einmal mehr dann aufwachen möchte, begreifen kann, dass da etwas ganz gewaltig schief läuft – für sich selbst? (Nicht, dass ich ernsthaft glaube, dass ein Mensch, dem seine Fettsucht die Atemluft abschnürt, sich noch von einem Arsch-Reiniger beeindrucken und umstimmen lassen würde.)

Es macht so … traurig.

Der Mann wird sterben. Selbst, wenn er das hier jetzt doch noch überleben würde, was ich ihm aus rein menschlichen Gründen nicht wünsche, weil das nicht gut sein wird – zumal klar ist, der wird sein Leben nicht komplett ändern können, was die einzige Konsequenz aus dieser Sache nun wäre. Er müsste an sich sehr hart arbeiten, das wird er nicht tun und er hat vorgesorgt, dass sein Körper das auch gar nicht mehr kann.

Alles in allem sieht es so aus:

Der Mann konnte vom Notarzt nicht vor Ort mit Luft versorgt werden (weil er eben eh schlecht atmet und die medizinische Luftzufuhr in einem solchen Fall bereits sein Normalzustand ist), weil er zu dick ist.
Der Mann konnte vor Ort nicht reanimiert werden, weil er zu dick ist. Das muss man sich vorstellen, dass die händisch ausgeführte Herzmassage das Herz durch die Fettschicht nicht erreichen konnte. Übrigens hat auch ein Defibrilator da irgendwann … nun, Grenzen.
Der Mann konnte nicht auf der Trage, musste in einem Tuch transportiert werden, weil er zu dick ist.
Gestern musste ihm ein weiterer Zugang gelegt werden, weil die vorhandenen rund um die Uhr belegt sind, da war ein Intensivmediziner mit der Schwester in zwei Anläufen fast 45 Minuten alleine damit beschäftigt bei dem Mann eine Blutbahn zu erahnen und zu treffen, was praktisch nur noch auf Verdacht möglich ist, weil er zu dick ist.

Der Mann ist krank, weil er zu dick ist und nun konnte er nicht rechtzeitig medizinisch versorgt werden – obwohl die Hilfe und alle medizinischen Geräte schnell vor Ort waren – und auch jetzt ist es sehr schwer die einfachsten medizinischen Schritte an ihm vorzunehmen – weil er zu dick ist. Und das nenne ich die Quadratur des Kreises.

Man kann es sich bewusst machen. Und vielleicht allerspätestens beim After-Reiniger aufwachen.

2016-12-15

Geschenketipp – ob zu oder nicht zu Weihnachten ist egal. Hauptsache: verschenken!

Nicht nur einmal, mehrmals, ganz oft. Macht die Welt glücklich mit diesem Buch! „Im Sommer wieder Fahrrad” von Lea Streisand ist meine diesjährige absolute Verschenkempfehlung an Euch:

Im Sommer wieder Fahrrad” ist das wundervolle Buch, dass Lea über sich und ihre Oma geschrieben hat. Wer Leas Kolumne bei der taz mitgelesen hatte – dies ist nun endlich (!) das ganze Buch dazu.



Es ist ein perfektes Geschenk für Euch, für liebe Menschen neben Euch. Das ist so ein wundervolles Buch über den Wahnsinn des Lebens, über Omas, über Kunst, über Künstler, über das Sterben, die Liebe. Es ist ein Ausflug in die Vergangenheit und ein Dasein im Jetzt. Dieses Buch kann alles. Es ist einfache pure Liebe! Und es erinnert vor allem an die Liebe zur Oma. Diese ganz besondere Liebe, die wir doch irgendwie alle in uns tragen. VERSCHENKEN! Mindestens ganz doll an sich selbst! Und am Besten gleich an alle, die Ihr lieb habt oder von denen Ihr glaubt, sie können Liebe gebrauchen.

Ach und das zweite Buch von Lea gleich mitbestellen: „War schön jewesen” – wer Berlin, die Stadt mit ihren Gossen und seiner Goschen, mag – und Heinrich Zille vermisst – der ist bei Lea richtig gut aufgehoben.

2016-12-14

Wir können uns heute Abend übrigens …

… um 22:30 Uhr auf Sat1 mit dem Thema Vergewaltigungen in Deutschland auseinandersetzen und dabei Zeuge werden, wie eine Polizeibeamtin das Opfer fragt „ob sie sich irgendwie aufmunternd benommen hätte?” – bei sechs Prozent der angezeigten Vergewaltigungen sind Männer das Opfer und ich frage mich, ob man einem Mann so eine Frage in der Vernehmung auch stellen würde?

Oder wir informieren uns um 22:30 Uhr auf ZDFneo die Dokumentation „Wie sexistisch sind wir?” von Dunja Hayali und Jaafar Abdul Karim.

Man könnte meinen, beides relevante Themen in dieser Zeit. Warum dann nicht mal zur Primetime?

Ich indes wurde heute früh von einer Person auf Facebook – natürlich unter deren Klarnamen – in den privaten Nachrichten in einem grauenhaft schlechten Deutsch mit wirklich vielen Rechtschreibfehlern beleidigend angegangen, weil dieser Person gestern ein Kommentar von mir nicht passte und diese Person daraufhin meinte, mein Äußeres zu beleidigen wäre legitim. (Ich kenne diese Person nicht, sie mich auch nicht.)

Und eben saß ich beim Asiaten bei einer Reisbandnudelsuppe und hörte zwei Proteinfressern mit Bushido-Haptik zu, wie der eine dem anderen erzählte, dass er eine Frau am Start hätte, die „eigentlich” ganz hübsch sei aber sich so wenig selbst schätzen würde und ihm Nachrichten schicken würde, die er dann vorlas: „Ich finde Dich so süß. Ich liebe Dich. Wann heiratest Du mich?”, was er goutierte mit einem lautstarken „er würde sie lecken und ihr in den Arsch ficken.”

Too much information.

Ansonsten bin ich heute über eine Straße gegangen und geradewegs auf eine gerade frisch überfahrene Taube zugelaufen, was ich so gut wie gar nicht ertragen kann. Um dann am Alexanderplatz direkt an einer gerade noch sitzenden aber fürchterlich sterbenden Taube vorbei gehen musste.

Too much visual perception.

Bin mit dem Tag durch. Es wird dunkler gerade. So generell. Ungemütlich im Gemüt.

2016-12-13

Gesänge

Ich liebe „Last Christmas” übrigens. Ich kann das Lied immer hören und nie genug. Ich liebe auch das Video, dass ich schon damals so wundervoll ironisch bis sehr putzig fand, weil ich Herrn G. Michael nie als die größte Hete unter der Sonne vermutet hatte. (Das größere Rätsel für mich war damals eher, ob Andrew Ridgeley [der interessanterweise keinen einen Wikipedia-Eintrag hat, also in der deutschen Wikipedia] auch schwul war und die ein Paar waren oder nicht.)

Dieses Lied von Mariah Carey indes hätte man nie komponieren müssen, wenn Ihr mich fragt. Mariah Carey geht mir auf den Geist. Mit allem. Vor allem mit ihrer Attitüde.

Das allerschönste Weihnachtslied aber immer noch ist für mich „The Little Drummer Boy”. Aber das erzähle ich diesem Internet schon seit über zehn Jahren. Die schönste Version natürlich ist für mich die mit David Bowie und Bing Crosby … dieses Jahr singen sie wohl gemeinsam im Himmel. Für immer.

Mensch David. Nach wie vor unfassbar.

2016-12-12

Leseempfehlung

«Das weisse Europa muss sich seiner selbst versichern, seine wacklige Identität behaupten, indem es alles Böse von sich weist, auslagert, outsourct. Funktioniert sonst auch bestens. Kinderehen kommen nur bei Eingewanderten vor. Die Thai-Touristen wissen, dass man nicht gleich jedes Kind heiraten muss, an dem man sich sexuell vergeht. […]»

Güzin Kar schreibt in ihrer Kolumne im Tagesanzeiger über das Frauenbild der Flüchtlinge – das Outsourcen des Bösen. Sie versenkt nicht nur mit dem oben zitierten Textauszug ganz viele Treffer in ihrem herausragenden Text.

Frau keinzahnkatzen hat es sich mit ihrer Katze gemütlich gemacht und beide unterhalten sich über das Sterben: «Die Katze betrachtet mich von oben bis unten und kommt vermutlich zu dem Schluss, dass eine übersprungene Mahlzeit in meinem Fall nicht lebensbedrohlich wäre.»

Dirk Helbing ist Professor für Soziologie verfasst einen Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung darüber, dass uns die wahre digitale Revolution erst noch bevorsteht. «Nebenbei könnte man ein solches «Finanzsystem 4.0» so gestalten, dass automatisch Steuern anfallen, um öffentliche Infrastrukturen zu finanzieren. (via Frank Kleinert)

La Pâticesse hat französische Heidesandkekse, Diamants á la vanille, gebacken – sie sind vielleicht ein bisschen anspruchsvoller in der Zubereitung aber … die schmecken doch schon im Foto oder?

Günter Wallraff verschenkt ein Buch von Benjamin Stuckrad Barre. «Ich schenke es an all die Gelegenheits-­ und Gewohnheitstrinker, all die sonst wie Süchtigen. Zu denen auch ich gehöre. Das Übliche halt: Beim Essen trinken, in Gesellschaft trinken, drei- bis sechsmal die Woche, jeweils mehrere Glas Wein trinken, auch mal eine ganze Flasche.» (via Don Dahlmann)

Ich mag das, wenn Leute sich vor andere Leute stellen und schöne Dinge über sie sagen. Ich mag es um so mehr, wenn ich „andere Leute” für mich aus meiner eigenen Erfahrung heraus längst in die Schublade „unschöne” Leute sortieren musste. (Ab und an sollte man in solche Schubladen gucken, aussortieren oder wenigstens darüber nachdenken zu sortieren.) Frau Trippmadam stellt sich vor Don Alphonso.

Bunte.de klärt auf.

Liebe Frauen, bitte künftig beachten:



• Eine Blasenentzündung gehört ab sofort zu Eurem Lifestyle.
• Wenn Euch eine Blasenentzündung heimsucht, bitte immer schön den Genitalbereich vor Scham mit den Händen bedecken.
• Und natürlich: dünnfigurig sein und quer gestreifte, deutlich zu große Shortys tragen – aus welchen Gründen auch immer.

2016-12-11

Meine Gedanken zum Mamma Screening Programm

Gestern noch schnell für dieses Jahr die Krebsvorsorge beim Gynäkologen abgehakt. Ich … äh … war da seit einiger Zeit nicht. Mir hatte das Bemühen um die Beendigung der einen Krankheit kaum Kraft, noch Luft gelassen, mich um diese Form der Vorsorge zu kümmern. Irgendwann will man keinen Mediziner mehr sehen. Also beschwerte das Versäumnis meine Seele. Nun denn, ein kleiner Nottermin neulich in der Praxis ließ mich den gestrigen Termin vereinbaren – und im Grunde war es gut, denn hinsichtlich der Tatsache, dass ich nun altersbedingt gynäkologisch in naher Zukunft in eine neue Entwicklungsstufe eintreten werde, war es für mich an der Zeit ein paar Fragen zu stellen. (Die Ärztin und ich vertagten das mögliche menopausige Gedöns auf „Kelch darf an mir vorüber ziehen.”)

Und so unterhielt ich mich mit der Ärztin über das Mamma Screening Programm (Umgs. Brustkrebsscreening) zu dem ich in diesem Jahr erstmals eingeladen wurde. Zwei Mal sehr übergriffig mit fester Terminvorgabe (wie ich das hasse, das ist eine Form der Bevormundung – direkter kann man bei mir den Schalter auf „Trotzphase” nicht umlegen.) Noch dazu in irgendwelchen Brustkrebszentren über den Bezirk Mitte (der ist groß) verteilt mit fast einstündiger Anfahrtszeit – während ich ein Brustkrebszentrum in Kreuzberg in fünf Minuten zu Fuß erreichen würde. Beim zweiten Anschreiben in kompetenter Nichtakzeptanz hinsichtlich meines Ortswunsches hatte ich höflich darauf hingewiesen, man möge mich aus dem Verteiler streichen. Ich würde mich um das Thema selbstständig kümmern.

Ich habe nichts gegen Vorsorge, habe aber etwas dagegen günstiges Datenmaterial zu sein. Und: ich habe eine gut für mich funktionierende radiologische Praxis, die ich hinsichtlich von Mammographien für mich als angenehm einsortiert habe. Es gibt dort eine Ärztin, die sich vorrangig dem Thema dort widmet – ich weiß, dass in der Praxis mit unterschiedlichen Schallköpfen beim Ultraschall gearbeitet wird. Qualität in der Ultraschalldiagnostik hat ganz viel mit der korrekt eingesetzten Technik zu tun. Nicht wenige Ärzte verwenden bei Ultraschalluntersuchungen die falschen Ultraschallaufsätze und können so nicht korrekt befunden. („Bestes Gesundheitssystem … bla bla.” oder auch: Deutschland Deine Abgründe.)

Ich habe meine Probleme mit dem Screening. Es sorgt bekanntermaßen auch für falsch-positive und trotz aller technischen Möglichkeiten für falsch-negative Befunde; wo gehobelt wird, fallen Späne. Ich möchte mich nicht alle zwei Jahre ohne ernsthaften diagnostischen Grund der Strahlenbelastung einer Röntgenaufnahme aussetzen. Auch wenn die Belastung längst nicht mehr so hoch ist wie bei früheren Geräten, hinterfrage ich durchaus, wenn so etwas in einer Routine durchgeführt wird. Schlussendlich haben die letzten Jahre in vielen Ländern, in denen es das Screening schon länger gibt als bei uns, auch gezeigt: das Screening ist gar nicht so sehr der Erfolgsgarant bei der Früherkennung von Brustkrebs.

Die letzten aktuellen Zahlen hierzulande sprechen davon, dass man im Schnitt bei 48 Frauen von 1000 am Screening teilnehmenden Frauen einen positiven Befund nach der Mammographie hätte, der weiter diagnostisch verfolgt würde. Schlussendlich bleiben davon sechs (6) Frauen über, die mit der Diagnose „Mamma-Carzinom” in die weitere Behandlung gehen. Bei einem Teil dieser Frauen allerdings ist der Tumor lediglich ein sogenannter „klinisch nicht relevanter Brustkrebs”, eine Vorstufe von Brustkrebs, der sich allerdings nie zu einem metastasierenden Krebs entwickeln wird. Diese Vorstufen gibt es nicht so selten. Eine Behandlung, die Chemotherapie ist hierbei nicht notwendig. Leider werden durch das Screening Frauen mit nicht klinisch relevanten Brustkrebs (falsch-positiver Befund) in eine Behandlungsroutine entsendet, die ihnen mehr schadet als es der gefundene Tumor aufgrund seiner Harmlosigkeit je getan hätte. Chemotherapie ist immer auch das Leben gefährdend!

Für die echte Brustkrebspatientin ist die Früherkennung durch das Screening natürlich ein Segen. (In ausländischen Studien geht man übrigens von einem Schnitt von einem (1) frühzeitig erkannten echten Mamma-Carzinom pro 1000 Screeningfälle aus.) Das ist nicht viel – wenngleich es für die Betroffene natürlich das Leben bedeutet.

Es ist also tricky und schwierig für sich selbst die richtige Lösung abzuleiten – das meinte ich weiter oben mit „wo gehobelt wird, fallen Späne.” Aber nehmen wir einmal die geringe Menge der Frauen, die durch das Screening in eine unsinnige Behandlung entsendet werden, bleiben immer noch 48 Frauen, die sich zumindest eine Zeit lang mit der Möglichkeit einer Brustkrebsdiagnose auseinander setzen müssen – und aktiv mit der Angst umgehen müssen. Währenddessen – und vor allem in der weiteren Zukunft. Das macht etwas mit einem. Und ich habe meine persönlichen Zweifel, dass diese frühen falsch befundeten Frauen wirklich gut psychologisch aufgefangen werden in unserem System. Natürlich haben wir Frauen alle immer ein Stück weit Sorge einmal zu den Betroffenen zu gehören – aber für diese nicht unerhebliche Menge von Frauen wird die Angst dann richtig greifbar. Die Psychoonkologie ist jedenfalls für diese Frauen dann nicht zuständig.

Sollte man auch nicht unter den Tisch kehren: ab dem Moment in dem das Screening auf einen möglichen positiven Befund verweist, wird die vormals gesunde Frau zur Patientin. Die weitere Diagnostik erfolgt nicht mehr anonymisiert wie im Screening, sondern wird über die Krankenkasse bezahlt. Überlegt einmal, was das mit eventuell noch in der Zukunft abzuschließenden Versicherungen oder Krankenkassenwechsel machen könnte. Da kann die Frau schon mal abgelehnt werden oder es können die Versicherungsbeiträge steigen, man gilt ganz schnell als Risikopatientin – oder es können im Versicherungsfall Auszahlungen verweigert werden. Also lieber einmal mehr darüber nachdenken.

Es gibt sehr viele gute Gründe für ein Screening und sehr viele sprechen auch dagegen. Wer am Screening teilnimmt, darf sich so oder so nicht in Sicherheit wiegen. Wenn ich mich Montag mit allen technischen Raffinessen untersuchen lasse und als krebsfrei befundet werde, heißt es eben nicht, dass nicht schon den Montag drauf Zellen entarten und über die nächsten zwei Jahre unbemerkt wachsen können. Und das ist – für mich – der Hauptgrund, warum ich diesem Screening nicht so hyperbegeistert gegenüber stehe. Es garantiert mir eben genau gar nichts: es gibt sie nicht, diese Sicherheit.

Was vorrangig zählt in der Brustkrebsvorsorge ist die Selbstbeobachtung. Und davon entbindet uns kein Screening dieser Welt.

Selbstbeobachtung heißt: sich ständig selbst anzutasten. Dazu gehört, dass man sich und seine Brust und die Lymphknoten kennt – und zwar nach, in der Mitte und kurz vor dem Eisprung, beziehungsweise der Menstruation. Die Brust verändert sich – vor allem bei Frauen mit einer Mastopathia fibrosa cystica (hat jede zweite Frau und lasst es Euch nicht als Krankheit andrehen) – spürbar im Zyklus. Die eigene Brust im Zyklusverlauf mindestens so gut zu kennen wie die eigene Handtasche, das ist die halbe Miete bei der Brustkrebsfrüherkennung. Und wenn man dann Dinge spürt, die einem komisch vorkommen ab zum Arzt, es umgehend abklären lassen. Da muss auch nicht viel Diagnostik passieren – oft kann der Arzt schon nur nach dem Tastbefund Entwarnung geben. Im zweiten Schritt nach einem Ultraschall. Bei einer Zyste ggf. eine Punktion. Alles erst einmal harmlose Mittel in der Diagnostik.

Ich kann inzwischen alleine durch das Abtasten meiner Brust sagen, wann mein Eisprung ist oder war. Dahin sollte jede Frau für sich kommen. Selbstbeschäftigung mit sich, eine liebevolle Fürsorge für sich und der eigenen Brust – dieses diagnostische Merkmal in der Früherkennung kann Euch kein Radiologe abnehmen! Euer Gynäkologe beim halbjährlichen Check übrigens auch nicht. Ich habe z. B. einen Drüsenstrang, der zu einem bestimmten Zeitpunkt nur zwei Tage im Zyklus kurz vor der Mensis im Liegen einem wirklich einen Schrecken einjagen kann, im Stehen fühlt man ihn gar nicht. Es vermittelt wirklich Ruhe, wenn man seine Brust selbst sehr gut kennt und solche Phänomene deuten kann.

Einen kleinen Tumor tastet man am ehesten selbst direkt nach der Mensis, wenn das Brustgewebe frei von Wassereinschluss und Zysten ist. Öffentlich werden wir immer aufgefordert gerade dann uns selbst abzutasten. Deswegen sollte man gut wissen, wie sich die eigene Brust in den anderen Zyklusstadien anfühlt – so kann man viel besser differenzieren. Meinem Empfinden nach wird das viel zu selten angesprochen.

Beobachtet bitte auch Eure Brust regelmäßig im Spiegel und fotografiert ab und zu Eure Brust selbst! Gar nicht selten kann man einer Brust ein Tumorgeschehen frühzeitig ansehen – lange bevor man etwas ertasten kann: Hautveränderungen, Rötungen, die nicht weggehen, Dellen in der Haut, dort plötzlich auftretende Cellulite (Veränderung der Hautporen), eine leichte Verformung, eine plötzlich auftretende Größenveränderung einer Brust, eine Veränderung der Brustwarze: ganz oder partieller Einzug der Warze, des Warzenvorhofes – da hilft ein Vergleichsfoto enorm. Und wenn Ihr solche Veränderungen seht: ab zum Gynäkologen.

(Ladet die Fotos nicht zwingend in irgendeiner Cloud hoch, packt sie so separat, dass sie beim Smartphoneklau nicht fremden Leuten in die Hände fallen können und: fotografiert nur die Brust, nicht Euer Gesicht dazu. Und hört auf genervt mit den Augen zu rollen – ich weiß genau, warum ich das extra anmerke.)

Ich würde im übrigen bei solchen Merkmalen auch nicht lange warten. Wann immer ihr morgens bei Eurem Gyn auf der Matte steht und sagt „mit meiner Brust stimmt was nicht”, nimmt der Euch am gleichen Tag auch dran. Denn mit möglicher Sorge längere Zeit durch das Leben zu gehen, macht es nicht schöner. Vertagen ist im schlimmsten Fall die dümmste Entscheidung, die man für sich selbst treffen kann.

Ich für mich habe mich entschlossen mich gut immer wieder zu beobachten und hin- und wieder außerhalb des Screenings auch ein Ultraschall der Brust (öfter) bzw. eine Mammographie (seltener) durchführen zu lassen. Aber sicherlich Letztere nicht im Zweijahresrhythmus. Per Überweisung. Bei meinem Wunschradiologen.

Einige Links zur Sache:
Wie sinnvoll ist das Brustkrebsscreening?
Krebsinformationsdienst: Radioaktivität und Röntgenstrahlung als Krebsrisiko
Mammakarzinom der Frau (hier: Punkt 2.4: Risikogruppen)
mammazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e.V.
Mammographie Screening Programm

2016-12-10

Gestern …

… beim gynäkologischen Ultraschall fröhlich mit dem linksseitigen in seiner Sprengung Springung befindlichen Ei geschäkert „Na, machste mir dieses Mal wieder hübsche Fressattacken?” „Auf mich ist doch immer Verlass!”, säuselte mein Ei und haarte der Dinge.*

*Getippt mit dem 85igsten Frühstücksbrötchen im Mund heute. *seufz*

Ich habe hier …

… vier Päckchen von Amazon stehen, die ich natürlich noch nicht auspacken darf, weil noch nicht Weihnachten ist, weswegen ich noch gar nicht so explizit „Danke!” sagen kann an die lieben betreffenden Personen, trotzdem möchte ich schon einmal „Danke!” sagen!

Danke!

2016-12-04

Wie gefährlich ist Big Data?

«Am Tag, als Kosinski diese Erkenntnisse publiziert, erhält er zwei Anrufe. Eine Klageandrohung und ein Stellenangebot. Beide von Facebook.»

Bildungstext. Absolute Leseempfehlung. „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt.

Und hier ist der im Artikel angesprochene Vortrag von Alexander Nix auf der Concordia Summit: „The Power of Big Data and Psychographics.

2016-11-29

Meine Güte!



… schreibt Gabor Steingart, Herausgeber vom Handelsblatt. Und der meint das ganz ernst.

Ich meine …

… Martin Schulz, seit 1994 Mitglied des Europäischen Parlaments, seit 2012 Präsident desselben (mit Unterbrechung.)

2016: diverse Politiker einschließlich einem Teil der deutschen Journaille: „OMG! Der Mann hat ja gar kein Abitur!”

Ernsthaft? Also, ist das wirklich Euer Ernst? Ganz ehrlich?

Davon abgesehen würde ich mir wünschen, dass irgendjemand – gerne mit/ohne Abitur – Herrn Steingart den Unterschied zwischen einem „Trinker” und einem „trockenen Alkoholiker” erklären könnte. Ihm zuliebe, damit er seine ihm abiturgegebene Ahnungslosigkeit künftig nicht ganz so blöd raushaut.

bildblog: Ein Einschub voller Verachtung