Meine Gedanken zum Mamma Screening Programm
Gestern noch schnell für dieses Jahr die Krebsvorsorge beim Gynäkologen abgehakt. Ich … äh … war da seit einiger Zeit nicht. Mir hatte das Bemühen um die Beendigung der einen Krankheit kaum Kraft, noch Luft gelassen, mich um diese Form der Vorsorge zu kümmern. Irgendwann will man keinen Mediziner mehr sehen. Also beschwerte das Versäumnis meine Seele. Nun denn, ein kleiner Nottermin neulich in der Praxis ließ mich den gestrigen Termin vereinbaren – und im Grunde war es gut, denn hinsichtlich der Tatsache, dass ich nun altersbedingt gynäkologisch in naher Zukunft in eine neue Entwicklungsstufe eintreten werde, war es für mich an der Zeit ein paar Fragen zu stellen. (Die Ärztin und ich vertagten das mögliche menopausige Gedöns auf „Kelch darf an mir vorüber ziehen.”)
Und so unterhielt ich mich mit der Ärztin über das Mamma Screening Programm (Umgs. Brustkrebsscreening) zu dem ich in diesem Jahr erstmals eingeladen wurde. Zwei Mal sehr übergriffig mit fester Terminvorgabe (wie ich das hasse, das ist eine Form der Bevormundung – direkter kann man bei mir den Schalter auf „Trotzphase” nicht umlegen.) Noch dazu in irgendwelchen Brustkrebszentren über den Bezirk Mitte (der ist groß) verteilt mit fast einstündiger Anfahrtszeit – während ich ein Brustkrebszentrum in Kreuzberg in fünf Minuten zu Fuß erreichen würde. Beim zweiten Anschreiben in kompetenter Nichtakzeptanz hinsichtlich meines Ortswunsches hatte ich höflich darauf hingewiesen, man möge mich aus dem Verteiler streichen. Ich würde mich um das Thema selbstständig kümmern.
Ich habe nichts gegen Vorsorge, habe aber etwas dagegen günstiges Datenmaterial zu sein. Und: ich habe eine gut für mich funktionierende radiologische Praxis, die ich hinsichtlich von Mammographien für mich als angenehm einsortiert habe. Es gibt dort eine Ärztin, die sich vorrangig dem Thema dort widmet – ich weiß, dass in der Praxis mit unterschiedlichen Schallköpfen beim Ultraschall gearbeitet wird. Qualität in der Ultraschalldiagnostik hat ganz viel mit der korrekt eingesetzten Technik zu tun. Nicht wenige Ärzte verwenden bei Ultraschalluntersuchungen die falschen Ultraschallaufsätze und können so nicht korrekt befunden. („Bestes Gesundheitssystem … bla bla.” oder auch: Deutschland Deine Abgründe.)
Ich habe meine Probleme mit dem Screening. Es sorgt bekanntermaßen auch für falsch-positive und trotz aller technischen Möglichkeiten für falsch-negative Befunde; wo gehobelt wird, fallen Späne. Ich möchte mich nicht alle zwei Jahre ohne ernsthaften diagnostischen Grund der Strahlenbelastung einer Röntgenaufnahme aussetzen. Auch wenn die Belastung längst nicht mehr so hoch ist wie bei früheren Geräten, hinterfrage ich durchaus, wenn so etwas in einer Routine durchgeführt wird. Schlussendlich haben die letzten Jahre in vielen Ländern, in denen es das Screening schon länger gibt als bei uns, auch gezeigt: das Screening ist gar nicht so sehr der Erfolgsgarant bei der Früherkennung von Brustkrebs.
Die letzten aktuellen Zahlen hierzulande sprechen davon, dass man im Schnitt bei 48 Frauen von 1000 am Screening teilnehmenden Frauen einen positiven Befund nach der Mammographie hätte, der weiter diagnostisch verfolgt würde. Schlussendlich bleiben davon sechs (6) Frauen über, die mit der Diagnose „Mamma-Carzinom” in die weitere Behandlung gehen. Bei einem Teil dieser Frauen allerdings ist der Tumor lediglich ein sogenannter „klinisch nicht relevanter Brustkrebs”, eine Vorstufe von Brustkrebs, der sich allerdings nie zu einem metastasierenden Krebs entwickeln wird. Diese Vorstufen gibt es nicht so selten. Eine Behandlung, die Chemotherapie ist hierbei nicht notwendig. Leider werden durch das Screening Frauen mit nicht klinisch relevanten Brustkrebs (falsch-positiver Befund) in eine Behandlungsroutine entsendet, die ihnen mehr schadet als es der gefundene Tumor aufgrund seiner Harmlosigkeit je getan hätte. Chemotherapie ist immer auch das Leben gefährdend!
Für die echte Brustkrebspatientin ist die Früherkennung durch das Screening natürlich ein Segen. (In ausländischen Studien geht man übrigens von einem Schnitt von einem (1) frühzeitig erkannten echten Mamma-Carzinom pro 1000 Screeningfälle aus.) Das ist nicht viel – wenngleich es für die Betroffene natürlich das Leben bedeutet.
Es ist also tricky und schwierig für sich selbst die richtige Lösung abzuleiten – das meinte ich weiter oben mit „wo gehobelt wird, fallen Späne.” Aber nehmen wir einmal die geringe Menge der Frauen, die durch das Screening in eine unsinnige Behandlung entsendet werden, bleiben immer noch 48 Frauen, die sich zumindest eine Zeit lang mit der Möglichkeit einer Brustkrebsdiagnose auseinander setzen müssen – und aktiv mit der Angst umgehen müssen. Währenddessen – und vor allem in der weiteren Zukunft. Das macht etwas mit einem. Und ich habe meine persönlichen Zweifel, dass diese frühen falsch befundeten Frauen wirklich gut psychologisch aufgefangen werden in unserem System. Natürlich haben wir Frauen alle immer ein Stück weit Sorge einmal zu den Betroffenen zu gehören – aber für diese nicht unerhebliche Menge von Frauen wird die Angst dann richtig greifbar. Die Psychoonkologie ist jedenfalls für diese Frauen dann nicht zuständig.
Sollte man auch nicht unter den Tisch kehren: ab dem Moment in dem das Screening auf einen möglichen positiven Befund verweist, wird die vormals gesunde Frau zur Patientin. Die weitere Diagnostik erfolgt nicht mehr anonymisiert wie im Screening, sondern wird über die Krankenkasse bezahlt. Überlegt einmal, was das mit eventuell noch in der Zukunft abzuschließenden Versicherungen oder Krankenkassenwechsel machen könnte. Da kann die Frau schon mal abgelehnt werden oder es können die Versicherungsbeiträge steigen, man gilt ganz schnell als Risikopatientin – oder es können im Versicherungsfall Auszahlungen verweigert werden. Also lieber einmal mehr darüber nachdenken.
Es gibt sehr viele gute Gründe für ein Screening und sehr viele sprechen auch dagegen. Wer am Screening teilnimmt, darf sich so oder so nicht in Sicherheit wiegen. Wenn ich mich Montag mit allen technischen Raffinessen untersuchen lasse und als krebsfrei befundet werde, heißt es eben nicht, dass nicht schon den Montag drauf Zellen entarten und über die nächsten zwei Jahre unbemerkt wachsen können. Und das ist – für mich – der Hauptgrund, warum ich diesem Screening nicht so hyperbegeistert gegenüber stehe. Es garantiert mir eben genau gar nichts: es gibt sie nicht, diese Sicherheit.
Was vorrangig zählt in der Brustkrebsvorsorge ist die Selbstbeobachtung. Und davon entbindet uns kein Screening dieser Welt.
Selbstbeobachtung heißt: sich ständig selbst anzutasten. Dazu gehört, dass man sich und seine Brust und die Lymphknoten kennt – und zwar nach, in der Mitte und kurz vor dem Eisprung, beziehungsweise der Menstruation. Die Brust verändert sich – vor allem bei Frauen mit einer Mastopathia fibrosa cystica (hat jede zweite Frau und lasst es Euch nicht als Krankheit andrehen) – spürbar im Zyklus. Die eigene Brust im Zyklusverlauf mindestens so gut zu kennen wie die eigene Handtasche, das ist die halbe Miete bei der Brustkrebsfrüherkennung. Und wenn man dann Dinge spürt, die einem komisch vorkommen ab zum Arzt, es umgehend abklären lassen. Da muss auch nicht viel Diagnostik passieren – oft kann der Arzt schon nur nach dem Tastbefund Entwarnung geben. Im zweiten Schritt nach einem Ultraschall. Bei einer Zyste ggf. eine Punktion. Alles erst einmal harmlose Mittel in der Diagnostik.
Ich kann inzwischen alleine durch das Abtasten meiner Brust sagen, wann mein Eisprung ist oder war. Dahin sollte jede Frau für sich kommen. Selbstbeschäftigung mit sich, eine liebevolle Fürsorge für sich und der eigenen Brust – dieses diagnostische Merkmal in der Früherkennung kann Euch kein Radiologe abnehmen! Euer Gynäkologe beim halbjährlichen Check übrigens auch nicht. Ich habe z. B. einen Drüsenstrang, der zu einem bestimmten Zeitpunkt nur zwei Tage im Zyklus kurz vor der Mensis im Liegen einem wirklich einen Schrecken einjagen kann, im Stehen fühlt man ihn gar nicht. Es vermittelt wirklich Ruhe, wenn man seine Brust selbst sehr gut kennt und solche Phänomene deuten kann.
Einen kleinen Tumor tastet man am ehesten selbst direkt nach der Mensis, wenn das Brustgewebe frei von Wassereinschluss und Zysten ist. Öffentlich werden wir immer aufgefordert gerade dann uns selbst abzutasten. Deswegen sollte man gut wissen, wie sich die eigene Brust in den anderen Zyklusstadien anfühlt – so kann man viel besser differenzieren. Meinem Empfinden nach wird das viel zu selten angesprochen.
Beobachtet bitte auch Eure Brust regelmäßig im Spiegel und fotografiert ab und zu Eure Brust selbst! Gar nicht selten kann man einer Brust ein Tumorgeschehen frühzeitig ansehen – lange bevor man etwas ertasten kann: Hautveränderungen, Rötungen, die nicht weggehen, Dellen in der Haut, dort plötzlich auftretende Cellulite (Veränderung der Hautporen), eine leichte Verformung, eine plötzlich auftretende Größenveränderung einer Brust, eine Veränderung der Brustwarze: ganz oder partieller Einzug der Warze, des Warzenvorhofes – da hilft ein Vergleichsfoto enorm. Und wenn Ihr solche Veränderungen seht: ab zum Gynäkologen.
(Ladet die Fotos nicht zwingend in irgendeiner Cloud hoch, packt sie so separat, dass sie beim Smartphoneklau nicht fremden Leuten in die Hände fallen können und: fotografiert nur die Brust, nicht Euer Gesicht dazu. Und hört auf genervt mit den Augen zu rollen – ich weiß genau, warum ich das extra anmerke.)
Ich würde im übrigen bei solchen Merkmalen auch nicht lange warten. Wann immer ihr morgens bei Eurem Gyn auf der Matte steht und sagt „mit meiner Brust stimmt was nicht”, nimmt der Euch am gleichen Tag auch dran. Denn mit möglicher Sorge längere Zeit durch das Leben zu gehen, macht es nicht schöner. Vertagen ist im schlimmsten Fall die dümmste Entscheidung, die man für sich selbst treffen kann.
Ich für mich habe mich entschlossen mich gut immer wieder zu beobachten und hin- und wieder außerhalb des Screenings auch ein Ultraschall der Brust (öfter) bzw. eine Mammographie (seltener) durchführen zu lassen. Aber sicherlich Letztere nicht im Zweijahresrhythmus. Per Überweisung. Bei meinem Wunschradiologen.
Einige Links zur Sache:
Wie sinnvoll ist das Brustkrebsscreening?
Krebsinformationsdienst: Radioaktivität und Röntgenstrahlung als Krebsrisiko
Mammakarzinom der Frau (hier: Punkt 2.4: Risikogruppen)
mammazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e.V.
Mammographie Screening Programm
1 comments:
Brustkrebs ist für mich ein gerne verdrängtes Angstthema (ja, das ist absurd, gleichzeitig Angst haben und verdrängen). Meine Oma hat nämlich mit 50 Jahre zum ersten Mal Brustkrebs gehabt, galt dann zunächst geheilt, und dann trat der Krebs, an dem sie letztendlich starb, nach 17 Jahren wieder auf. Als die Einladung zum Screening kam, habe ich deshalb regelrecht gezittert. Den Termin habe ich sofort verschoben, da ich mich mit dem Gedanken erst mal anfreunden musste. Aber, was sehr positiv war: der zuständig Ansprechpartner war sehr einfühlsam und verständnisvoll. Die Praxis war so nah, dass ich mit dem Fahrrad hätte hinfahren können, aber ich war zu zittrig. Die Untersuchung selbst war aber ganz harmlos, die Dame in der Praxis sehr freundlich, und es wurde auch zum Glück nichts entdeckt. Auch hatte ich das Gefühl, sehr gut und umfassend informiert zu werden. (Dies nur als Schilderung einer positiven Erfahrung, falls hier noch weitere "Schisser" wie ich lesen.)
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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