Ja, ich bin spät mit meinen Wünschen. Fröhliche Weihnachten mag ich dieses Jahr nicht mehr wünschen. Besinnlich auf alle Fälle – ich hoffe, Ihr hattet und habt noch ein paar wundervolle Tage.
Besinnlich waren meine Weihnachten irgendwie nicht. Die Ereignisse in der vorletzten Woche haben unerwartet hier und dort Zeit gestohlen bzw. den Zeitplan ad absurdum geführt. Man zelebriert dieses Weihnachten der Kinderzeit eben nicht mehr, man trifft sich, kocht und isst gemeinsam, unterhält sich, doch besinnt man sich?
Das Leben sehen auf einer Intensivstation stellt viele Dinge in Frage. Das was in Berlin geschehen ist, sowieso. Es ist nicht so als wäre es neu, noch nicht erlebt aber es schärft den Sinn für das schnelle Vorüber dieses einen Lebens. Von dem ich eh immer glaube, es nicht genug zu leben, spätestens seit dieser Krankheit, die gefühlt mich eh nie etwas richtig machen lässt. Aber man wird demütig, dankbar. Man hat, was man hat. An Wärme, Liebe, Zuneigung, Hoffnung – das ist was zählt und wichtig ist.
Ich möchte mich für die lieben Weihnachtswünsche bedanken! Für die Post! Für die vielen wundervollen Weihnachtsgeschenke (was hätte ich eigentlich ohne den größeren Tisch gemacht, wohin mit den vielen Päckchen?), die mich sehr froh stimmten und im Herzen freuten, ein bisschen auch sprachlos machen. Und wieder ganz demütig. Ja, ich freue mich sehr. (Leider hat Amazon hier und dort mir verschwiegen woher ein Geschenk kam.) An alle aber: ganz herzlichen Dank! Das gibt viel Kraft und Zuversicht – neben der Freude und Dankbarkeit. Und auch Tally und Shiina bedanken sich ganz herzlich für die freundlichen Futtergaben! (Ich bin doch immer sehr stolz, wenn andere Menschen meine beiden Mäuse glücklich sehen wollen.)
Am heiligen Abend war ich bei Freunden, die Künstlerin hatte einen wundervollen Tisch gedeckt.
Wir saßen am brennenden Kamin
und mästeten uns im Übermaß mit zwei Enten (hier tranchiert die Hausfrau selbst!), Kartoffeln und Klößen, einer Mousse zum Nachtisch. Ich mästete vorher den wuscheligen Hund mit einem Stück Ochsenschwanz. So einem Hund auf seiner Decke neben dem brennenden Feuer glücklich den Knochen knabbernd zuzusehen. Doch, das war dann doch besinnlich (nicht für den Ochsen). Vorab hatte ich ein ganz kleines Dominosteinekoma. Die Klöße habe ich selber gemacht, die Hausfrau wünschte sich dieses und auch wenn mich die Konsistenz noch nicht ganz überzeugte, wobei diese vermutlich völlig richtig war und wir nur verwirrt waren, weil sie nicht so wie industriell produzierte wirkten. Wie dem auch sei, der TV-Koch Rainer Sass gab mir vorher in diesem Dingens namens Internet den Tipp mit auf den Weg an den Kloßteig braune Butter (Nussbutter) zu geben und ich möchte Euch diesen Tipp zwingend weiterreichen. Denn Klöße mit Nussbutter sind geschmacklich ein kleines rundes Glück auf dem Teller!
Wir hatten Soße ohne Ende! Die Hausfrau lässt die Enten immer erst entfetten, gießt es ab und kocht nebenbei im Schnellkochtopf das Entenklein zur Brühe aus und übergießt die Enten mit dieser immer und immer wieder. So hat man am Ende sehr viel, sehr feine Soße – mit Betonung auf sehr viel Soße! Die Vögel waren sehr gut zu uns! Der Rotkohl auch, die Klöße auch! Ach … und der Kamin!
Gestern dann Gans bei der Nachbarin mit ihren Kindern, weiteren lieben Nachbarn und zwei Hunden.
Cava satt, ich steuerte den Rotkohl (der erste der Saison mit viel Liebe zubereitet, so was von ordentlich durchgezogen!) und Grünkohl dazu. Den Grünkohl habe ich dieses Jahr erstmals selber gemacht. Ich vertraute bis daher den Meinungen derer, die es wissen müssten, dass der aus dem Glas genauso gut sei (O-Ton Oma väterlicherseits, Kaltmamsell bei Osram, im späteren Verlauf ihres Küchenlebens der ewigen Küchenleistung müde), wollte es aber dieses Mal selbst für mich wissen. So kaufte ich den Kohl am Öko-Stand, wusch, blanchierte, schnitt, schmorte, verliebte mich aufs Neue in dieses grüne Kraut. Er war genau wie Omas als sie ihn noch selbst zubereitete, mehr kann ich von meinem ersten Grünkohl nicht wollen.
In diesem Jahr wieder einmal mehr begriffen, was meine Omas, meine Mama an Weihnachten immer geleistet haben mit der ganzen Organisation, den Einkäufen, den Vorbereitungen, der Küchenarbeit. Ich glaube, gerade meiner Oma haben wir mit dem Einbehalten der üblichen Traditionen am Ende ihres Lebenswomöglich viel zu viel abverlangt, weil wir gar nicht verstehen wollten, dass sie alt geworden war über die Jahre. Die Omas dieser Generation haben ja nie geklagt.
Die Todesnachricht von George Michael wirft mich seit gestern aus der Bahn. Ich dachte an ihn neulich und hatte ein komisches hellsichtiges Gefühl dabei. Die Impfung dieses Jahres 2016. Dann hörte ich, es ginge ihm wohl besser nach den letzten gesundheitlich anstrengenden Jahren, dass er wieder bereit sei, Musik zu machen und ich fühlte mich erleichtert. Ich war nie ein großer George Michael-Fan in dem Sinn, dass ich auf seine Konzerte gegangen bin, seine Musik gekauft hätte. Ich habe ein Album von ihm. Das Album, das er nach seinem Rechtsstreit gegen Sony veröffentlichte, weil ich ihn damals so mutig fand und ihn dann unterstützen wollte. Aber seine Musik hat mich mein Leben lang begleitet, meine Ratlosigkeit über diesen doch so offensichtlich schwulen Mann und Künstler, der sich gefühlt nie zu seinem Sein bekannte, dem die Zeitungen immer weibliche Liebschaften andichten wollten, was sich immer falsch anfühlte. (Also für mich, einen jungen Menschen in Berlin groß geworden, wo wir dankenswerterweise früh schon auf anerzogene homophobe Gefühle verzichten durften.) Bis ich begriffen habe, dass man sich als Mensch in einer Öffentlichkeit stehend eben nie so einfach outen darf, davon abgesehen, dass mich der private Mensch hinter einem Künstler nicht zu interessieren hat. Aber das Gefühl so lange so offensiv mit diesen Lügen zu leben – mein Begreifen wie sehr groß so ein Opfer wohl sein muss, dass es einen sensiblen Menschen wohl zerreißen muss. Die Traurigkeit so einem Menschen nicht die Hand reichen zu können, obwohl er einem so viel Schönes gegeben hat und mit stiller Verzweiflung von seinen ungesunden Süchten lesen zu müssen; obwohl man ihn unbekannterweise doch für so sehr viel klüger halten wollte. Und glücklicher im Leben. Das alles ist George Michael für mich. Ich will ihn glücklich, gesund und schaffend haben. Mit seiner unglaublichen Bühnenpräsenz, dieser eine Mann auf einer dunklen Bühne ganz alleine, der mit dem ersten Wort seiner Songs die Leute in seinen Bann ziehen konnte. Ich weiß noch, wie er bei dem Freddy Mercury-Tribute Konzert von Queen „Somebody to Love” sang und beim ersten Akkord so klar war, würde es je einen würdevollen Mercury-Nachfolger geben, dann wäre er das. Symbiotisch.
Und ich bin immer froh gewesen „Last Christmas” zu hören, ich kann das Lied zu jeder Jahreszeit hören. Es ist für mich eines der größten Liebeslieder aller Zeiten.
Ich möchte nun nicht seine Nachrufe lesen müssen. Oh bitte, lass ihn die letzten Jahre glücklich gewesen sein!