Nähmaschiniges II und meine stille Fassungslosigkeit
Fairerweise möchte ich meine kritischen Anmerkungen zum Thema neue Nähmaschinen und ihre Haltbarkeit von letzter Woche etwas zurücknehmen und mein Urteil über die dort speziell angesprochenen Brother-Nähmaschinen etwas revidieren. denn der Kurs hat mir wieder einmal gezeigt, wie Frauen sich emanzipieren. Oder eben auch nicht. Kurz: Frauen und Technik!
Tag zwei hat mir auf vielen Ebenen die Augen geöffnet.
Wir hatten die beschriebenen Probleme mit den Nähmaschinen und am zweiten Tag spitzte sich das irgendwie immer mehr zu. Einer Kursteilnehmerin, die mir sehr nahe saß, versagte die Maschine komplett den Dienst. Sie ließ ständig den Unterfaden reißen. Da ich meine Nähmaschine mitgenommen hatte, konnte ich ihr wenigstens die Maschine aus meinem Schrank überlassen. Die eine von zu Hause mitgebrachte Singer der Teilnehmerin rechts von mir gab am Vormittag komplett auf, ihre Lustlosigkeit deutet sich bereits den Tag zuvor an. Somit musste auch diese Teilnehmerin auf eine der VHS-Maschinen umsteigen, was von Problemen begleitet war; die ich allerdings auch geneigt wäre einer gewissen persönlichen Auseinandersetzung der nähenden, ganz reizenden aber recht speziellen Protagonistin mit dem neuen Gerät zuzuordnen.
Wieder eine andere Teilnehmerin musste dann neuen Faden auf die Unterspule holen und bis das funktionierte, ging eine gute dreiviertel Stunde ins Land. Bis sie sich mit der Technik auseinander setzte und es sich zeigte, dass unterhalb des Spulenaufsatzes ein oder mehrere nähende Teilnehmer den Faden quasi in der Maschine aufgespult hatten – und diesen nicht mehr entfernt hatten. Als sie dann ein mehrfarbiges Fadengespinst unterhalb der Spule aus der Maschine raus operiert hatte, wanderte ihr Problem mit den Fadenresten in den Mülleimer. Das Problem, dass ihre Maschine nur noch einen einzigen Stich rückwärts nähen wollte, blieb allerdings bestehen.
So wie diverse Probleme einiger anderer Teilnehmerinnen, weil die Maschinen nicht so sauber nähen wollten, wie es die eigene Maschine zu Hause tat.
Während wiederum eine Teilnehmerin, die sicherlich von allen das aufregendste und überhaupt nicht triviale Projekt sich vorgenommen hatte, ämlich eine Transporttasche für ihr Spinnrad zu nähen, ihrer Nähmaschine ein paar hübsche Herausforderungen zumutete, wie sehr festes, recht dickes Fließ, Füllwatte und festen Stoff zu nähen bzw. zu quilten – und beide das erstaunlich gut auf die Reihe bekamen.
Genau sie war es, die sich dann in einer ihr selbst von ihrem Projekt verordneten Pause, an die erste defekte Maschine setzte und schlicht und einfach mal die Transportplatte hochnahm (uiuiui Einsatz von Schraubendreher!), das Ding reinigte und dann die Dozentin fragte, ob sie ein paar Tropfen Nähmaschinenöl hätte. Was die Dozentin verneinte. Was mich faszinierte, denn sie ist eine der dort am häufigsten lehrenden Kursleiterinnen und es war spürbar, sie hatte null Bock darauf sich den Maschinen einmal von der technischen Seite zu nähern. Der Einsatz der Kursteilnehmerin zahlte sich jedenfalls aus, die Maschine nähte wieder – auch wenn ein anderes Problem bestehen blieb. Nun, es war aber eben auch kein Öl im Haus!
Also ein Raum voller Nähmaschinen ohne Nähmaschinenöl. In einem Raum in dem täglich mehrfach unterschiedliche Näherinnen unterschiedlicher Nähkompetenzen (was eben auch bedeutet Nähmaschinenkompetenzen), konnte man also die Nähmaschine bei Bedarf nicht ölen. Das fand ich dann doch spannend. Denn mir hat auch nie jemand die pflegende Auseinandersetzung mit meinen Nähmaschinen beigebracht, aber das ich sie mindestens einmal im Jahr reinigen und ölen sollte und wie das funktioniert, das hat mir die Bedienungsanleitung erklärt. Und genau die hat auch sehr deutlich gemacht, dass das Ölen der Nähmaschine ihr very best friend ist.
Und dass Motoren und Metalle, die sich reiben hier und da Öl brauchen, ich glaube, das ist doch nun allgemeines Schulwissen oder? Während dann die Dozentin den Schlamassel entschuldigte – im Sinne von wegen moderne Technik und Maschinen wären viel im Einsatz und unterschiedliche, nicht immer sachgemäßge Bedienung – meinte ich dann lapidar, das sei alles klar aber unter solchen Bedingungen gehörten Maschinen doch erst recht mindestens einmal im Jahr in die Wartung. Da guckte sie groß. Ich hab's dann verstanden. Ich habe ja in dieser VHS noch keine Dozentin kennengelernt, die wirklich Bock auf diese neuen Maschinen hatte, ergo wird sich auch keine von ihnen um die Maschinen kümmern. Ggeschweige denn für das relativ schmale Gehalt sich in der Freizeit hinsetzen und die Maschinen reinigen und ölen. Der Fachbereichsleiter wird das auch nicht auf dem Plan haben (zumal es Geld kostet) und so sehen diese Maschinen im Rahmen ihrer Beanspruchung einfach auch keine Sonne. Das Resultat … nun ja … Ärger auf allen Seiten.
Aber ich denke eben auch nicht, dass es der Job ist von Teilnehmerinnen die Maschinen zu warten oder? Obwohl ich es als Dozentin eines jeden Anfängerkurses zum Kursinhalt machen würde.
Zumindest wollte die Dozentin daraufhin anregen, dass die Maschinen während der Herbstferien in die Wartung sollten. Was man vermutlich nicht erwarten sollte, dass das so kurzfristig tatsächlich geschieht. VHS planen ihre Budgets sehr knapp.
Am Schlimmsten fand ich dann aber in der Diskussion von uns Teilnehmerinnen, die sich dem Thema dann anschloss. Wie nämlich durch die ganze Bank weg Kommentare kamen an die Frau (zwei Schrauben gedreht, Staub entfernt), wie toll es sei, dass sie sich der großen technischen Herausforderung stellte. Und wie mutig und frau (sic!) selbst könne das ja nicht (mehrfach bestätigt). Und das würde immer „mein Mann” machen, denn „ich habe es mit Technik nicht so am Hut.” Wie auch es anscheinend die Männer immer waren, die den Frauen die Nähmaschinen kauften. (Und da wundere ich mich, dass auf Amazon nicht wenige Männer die Nähmaschinen-Rezensionen für ihre Frauen schreiben.)
Dann hört man so Sätze wie „mein Mann schenkt mir eine neue Nähmaschine, weil meine alte kaputt ist” und wenn ich frage, was die Maschine denn habe, kommt ein: „weiß ich nicht, sie nervt mich einfach.” Ja klar, wenn man der Technik nicht näher kommen will, dann wird es schwer die Technik zu begreifen und dann macht diese gelegentlich Probleme, denen man nicht entkommt – weil man sich ihnen nicht stellen will. Kurz: manchmal sitzt das Problem in der Bedienerin, nicht in der Maschine. Das wird aber ein neues Nähmaschinenmodell nicht ändern können oder?
Und die Overlock geht auch in den Second Hand-Markt, weil das Einfädeln so schwer ist. (Also das Einfädeln von Overlock-Nähmaschinen ist sicherlich nicht die witzigste Aufgabe auf diesem Planeten und an manchen Tagen sollte man es auch einfach lassen und ja, am Anfang muss man sich echt ein paar Mal durchbeißen und ein gepflegtes „Scheiße!” brüllen. Aber es gibt heute auf YouTube für jede Overlock-Marke ein „How to thread the Sewer”-Tutorial – und es gibt überhaupt keinen Grund, deswegen auf eine Overlock zu verzichten oder sie abzugeben.) Das muss man nun wirklich nur wollen!
Ich fühlte mich letzten Sonntag ein wenig in das Wohn- und Esszimmer meiner Großeltern ins Jahr 1970 versetzt, wo Oma und ich an ihrer Paff Nähmaschine saßen und immer, wenn die Maschine Fadensalat produzierte – was sie immer tat, sobald ich an ihr saß – war erst einmal Schluss mit dem Nähen, denn es war alleine der Opa, der offensichtlich die Fähigkeit besaß, den unteren Greifer vom Fadengeschwurbel zu befreien – obwohl der nie nähte.
Und offensichtlich hat sich da im Jahr 2015 gar nichts oder nur sehr wenig verändert. Frauen haben kein Interesse an Technik, noch möchten sie sich um Technik sorgen oder sich mit ihr auseinander setzen – auch oder sogar dann nicht, wenn sie alleine es sind, die diese Technik bedienen. Das muss ich zumindest als Erfahrung aus diesem Kurs mitnehmen. Und das macht mich traurig.
Und ich denke mittlerweile auch, dass die Brother Nähmaschine eine an sich ganz okaye Maschine ist. Und die Modelle hier einfach nur das Problem haben von DAUs genutzt zu werden, von den Dozenten nicht geschätzt werden und einfach nicht im Mindesten umsorgt werden, wie es ihnen unter der Arbeitslast eigentlich zustünde. Ich entschuldige mich.
5 comments:
Bei den meisten Sätzen musste ich immer "Berlin" denken.
Wo bist du denn da reingeraten? Diese Haltung gegenüber Nähmaschinentechnik (also "das macht mein Mann") ist ja merkwürdig. Das habe ich so noch nicht erlebt. Allerdings hatte ich mal eine nähende Bekannte, die mir den Eindruck vemittelte, das Einstellen der Fadenspannung an einer Overlock dauere Tage und wäre quasi nicht zu bewältigen. Ich war recht skeptisch gegenüber Overlocks, weil ich aus ihren Erzählungen dachte, man würde da immer nur dran herumstellen müssen, und käme quasi nie zum Nähen. Aber das war wirklich eine Ausnahme und hat mich als schlechtes Vorbild nicht nachhaltig beeindruckt, wohingegen die Teilnehmerinnen in deinem Kurs von irgendwoher aufgesaugt haben müssen, dass Technik nichts für sie ist. Seltsam!
@anonym
Darf ich fragen warum?
@Lucy in the Sky
Es mag schon sein, dass das jetzt etwas konzentrierter war. Andererseits, machen wir uns nichts vor. Es gibt auch heute noch wahnsinnig viele Frauen, die zwar den Führerschein haben aber noch nie selbst den Reifendruck geprüft haben.
Da ist vielen diese Bequemlichkeit gemein, vermeintlich Unangenehmes reiche ich weiter an den Mann. Können könnten sie es wohl schon, wenn sie bloß wollten …
Zum Thema Overlock und Einfädeln muss ich endlich mal das im Hirn bereit liegend Blogpost schreiben. Da gibt es wirklich einiges zu zu sagen. ,-)
Ich habe das auch nie verstanden. Allein die Abhängigkeit würde mich schon nerven ...
Der Umgang mit Technik ist nur so lange 'unangenehm' wie man unsicher ist. Hat man es einmal kapiert, ist es auch nicht mehr stressig.
Meine beiden Kisten kenne ich so gut, wie es ohne Komplettzerlegung möglich ist. Und nur deshalb weiß ich jetzt ganz sicher, daß mein - bzw. das der Maschine - Gestänge 'nen Schlag weg hat und auch der Transporter neu justiert werden muß. Also ein Fall für die Werkstatt. :(
Bin sehr froh, daß ich auch noch die 'kleine Schwester' habe, und also weiter nähen kann, bis die Computerdiva wieder da ist.
Zum Thema Berlin. Die Verbindung von leeren kommunalen Kassen und Unwilligkeit gibt es nur in Berlin. Ich bin Berliner, geboren, aufgewachsen, hier wohnend, aber habe ich einige Jahre studierend und arbeitend in anderen Teilen Deutschlands verbracht. Es geht anders, motivierter, freundlicher, kundenorientierter - und mit dem Geld muss überall gehaushaltet werden.
Kommentar veröffentlichen
Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
Kommentar veröffentlichen