Danke Bild!
In der Schule in den oberen Klassenstufen hatte ich einen, für unser Alter, schon recht eloquenten Mitschüler in der Klasse, dessen erklärtes Berufsbild Journalist war. Das Berufsziel hat er für sich durchgesetzt, das kann man nachlesen.
Dieser junge Mann sprach einen der wenigen Sätze, die ich überhaupt aus der Schulzeit für mich als prägend mitgenommen hatte. Als wir wieder einmal in den sozial-politischen Diskussionen die übliche gymnasiale von oben herab Litanei auf Bild und ihre Leser herabließen, sprach er den Satz „Ich lese die Bild, denn es ist sehr wichtig zu wissen, was das deutsche Proletariat denkt.”
Dem Satz ist eine gewisse Überheblichkeit gemein, dennoch steckt kluges Potential in ihm. Tatsächlich ist es wichtig zu wissen, was der deutsche Bürger denkt, der aus welchen Gründen auch immer anderen journalistischen Ergüssen nicht folgen will oder kann. An der Stelle ließ sich noch sehr viel mehr anmerken, denn ich bin überzeugt davon, vor allem über Bild und ihre Leser könnte man unendlich viel und unterschiedlich und immer interessant promovieren.
Ich habe das daher oft getan, ich habe Bild gelesen. Ich habe noch nie eine Bild gekauft aber habe natürlich immer, wenn sie irgendwo auslag, hinein geguckt. Dann kam dieses Internet und da habe ich dann deutlich öfter die Seite aufgerufen. Und das macht etwas mit einem. Es macht vor allem viele ungute Gefühle. Es macht auch sehr hoffnungslos. Und ganz oft macht es einen ekeln. Davon abgesehen, dass die Seite voll orthotypographischer Fehler wimmelt – das kann man natürlich von einem der größten deutschen journalistischen Medien nicht verlangen, dass es seinen Lesern ein Lektorat bietet.
Die Idee Das Wissen zu haben, es gibt wahnsinnig viele Menschen in diesem Land, die die Ergüsse der Bild zur Kenntnis nehmen, sie nicht hinterfragen sondern für sich adaptieren, es tut einfach nicht gut. Aber es gehört eben zu meinem Bild von Verständnis wohin dieses Land in Zukunft gehen wird, sich dem auszusetzen. Immer gab es Momente, Situationen, da habe ich mir ausdrücklich verboten diesem Medium meine Aufmerksamkeit zu schenken. Zum Beispiel bei dem Flugzeugabsturz der Germanwings in Frankreich in diesem Jahr. Ich weiß, wie Bild mit Opfern umgeht. Man weiß, es kommt aus der Ecke genau das, was man nicht lesen möchte. Bild in der Griechenlanddebatte. Das war mit das journalistisch Schlimmste, was ich aushalten musste – und man kam nicht daran vorbei, auch wenn man die Seite gar nicht angesurft ist. Das ist der Punkt: ein im Internet aktiver Mensch kommt eben nicht mehr an Bild vorbei.
Nun hat Bild.de in dieser Woche etwas gemacht, wofür ich ihnen fast die Füße vor Dankbarkeit küssen würde wollen: Sie haben mich von ihrem Online-Portal ausgeschlossen. Denn ich verwende selbstverständlich AdBlocker auf meinem Rechner, weil ich – wann immer ich das kann – mir meine Lesezeit nicht von Werbung online stehlen lassen möchte. Trotzdem werde ich noch mehr als häufig als Käuferin angesprochen, das reicht völlig. Ich habe großes Verständnis dafür, warum Werbung für manche Portale ein Mittel zum (Über-)Leben ist. Aber dumme Werbepenetranz vor allem mit PopUps habe ich mit AdBlocker abgestellt.
Bild.de möchte mich nun aber in der Großherrlichkeit zwingen meine Entscheidung zu revidieren. Gestern folgte ich einem Link, den ich vorher nicht als Bild-Link wahrgenommen hatte (wie gesagt, man kommt gar nicht an Bild vorbei) und landete auf der Portalseite und bin abgewiesen worden. Meine Entscheidung hierzu steht natürlich fest. Ich lasse mir von Springer & Co. sicherlich nicht sagen, wie ich meinen Rechner einzurichten habe.
Was sie damit vor allem aber erreicht haben, ich fühle mich wieder gut. Fast befreit. Ich kann Bild hinter mir lassen, denn schlussendlich bin ich alt genug zu wissen, wie ein Teil der deutschen Bevölkerung tickt. Ich brauche die unregelmäßige Nachhilfe dieses Portals dazu gar nicht mehr. Bild.de hat mir also geholfen, diesen Schmutz, die damit verbundene gedankliche Qual, abschalten zu können.
Das, habe ich eben festgestellt, tut richtig, fast reinigend gut. Ein sehr unangenehmes Pflichtprogramm hat sich aus meinem Alltag verabschiedet.
Da sage ich doch mal „Danke Kai!”
Übrigens gebe ich Bild.de knappe sechs Wochen, dann werden sie zurückrudern und sich über die verlorenen Klickzahlen ärgern. Den Regeln des Internets nach, haben sie sich mit der Aktion prima ins eigene Bein geschossen. Und Wundheilung kann heute etwas länger dauern.
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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