2024-06-30

Köstliches Mattinata, Teil 1

Mein Aufenthalt in Mattinata war ein wenig wie Urlaub machen, denn auch zwei wundervolle Food-Events haben mein Herz höher schlagen lassen. Ein langgehegter Wunsch wurde mir erfüllt, endlich durfte ich bei der Mozzarella-Produktion dabei sein!

Gracia und Rafaele Devida, Mutter und Sohn, halten in ihrer Azienda Agricula Caseificio de Vita nicht nur selber Ziegen, Kühe und Büffel, sie führen auch eine Käserei mitten in Mattinata. Hier wird im Hinterzimmer die Milch der eigenen Tiere verarbeitet, um direkt im Vorraum als frischer Ricotta und Mozzarella verkauft zu werden.

Und Matteo Granatiero hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Er bietet Verkostungen von Olivenöl und Weinen an, die in der Region produziert werden. Dies hier war nun wirklich nicht meine erste professionelle Olivenöl-Verkostung – dafür die, die am interessantesten aufbereitet worden ist. Und, ganz nebenbei, auch die in der schönsten Umgebung!


Landwirtschaft im Gargano

Im Gargano wird wie überall in Apulien viel Vieh- und Landwirtschaft betrieben. Das Mikroklima ist hierfür natürlich ideal, wenn auch der Boden und die Sommerhitze den Produzenten ein Leben mit sehr harter Arbeit abringen. Die Landschaft ist übersät mit den klaren Linien der Olivenbaumreihen. Und, wie neulich schon erwähnt, gelegentlich begegnen sie einem in der Landschaft an Orten, wo jeder mit einem Hauch Sicherheitsbedürfnis nie welche gepflanzt hätte.

Und sind es nicht die Alberi di ulivi, dann ordnen sich die Weinstöcke ordentlich ins landschaftliche Bild ein. Nero di Troia, Bombino Bianco oder Bombino Nero – so heißen die autochthonen Reben, die hier köstliche Weine in die Gläser bringen. Als Rosé ausgebaut, ein fantastischer Sommerwein in traumhaften Farbtönen, der eher mit erstaunlicher Tiefe, anstatt Leichtigkeit erfreut. Und einer der wenigen Rosado, der Kirchenfenster ins Glas malt! Selbstverständlich werden auch im Terre del Gargano die Weine Apuliens überhaupt angebaut: Primitivo und Negroamaro.


Alles Käse – Azienda Agricula Caseificio de Vita

Letzter Tag, am frühen Nachmittag droht unsere Abreise. Leider. Wir fahren noch einmal von unserer schönen Unterkunft, Residence Il Porto, hinein in die Stadt Mattinata. Gracia und Rafaele Devida haben bereits einen halben Arbeitstag hinter sich – obwohl es noch früh am Tag ist. Die beiden haben mindestens ihre Ziegen und Kühe gefüttert und gemolken.
Deren Milch steht in den riesengroßen Kübeln auf offenen Gasflammen auf dem Boden, wo sie auf Temperatur gebracht werden. Auch das Wasser, in dem der vorbereitete Käsebruch zu saftigem Mozzarella gezogen wird, ist vorbereitet.
Rafaele hat in der kleinen Käserei schon als Kind seinen Eltern beim Käsen zugesehen. Jetzt führt der junge Mann den Laden gemeinsam mit seiner Mutter. Und den landwirtschaftlichen Betrieb, denn die Milch kommt von den eigenen Ziegen, Büffeln bzw. Kühen.
Die Azienda Agricula Caseificio de Vita hat auch außerhalb von Mattinata einen sehr guten Ruf. Wie und was sie produzieren, stellen sie unter den Richtlinien der „Slow Food”-Bewegung her. Beide sind wieder so unglaublich freundlich, wie die Menschen in Apulien sind, und teilen ihre Kunst des Käsens mit uns. Und später, liebenswerterweise, auch ihren Käse.

Mozzarella, Ricotta, Stracciatella, Caciocavallo, Scarmozza, Cacioricotta … die Käsetheke im kleinen Verkaufsraum, durch eine Glasfront von der Produktion getrennt, ist voller Köstlichkeiten.

Ich bin in meinem kleinen Foodiekosmos wie im Himmel! Draußen ist ein wunderschöner und sehr warmer Frühlingstag. Drinnen brennen drei große Gasflammen und machen die Hitze beinahe unerträglich. Wie muss es erst im Hochsommer sein? Mich faszinieren Menschen, die dieses Handwerk ausüben – denn es ist nicht nur die täglich harte Arbeit. Es sind doch auch die Umstände, in denen die Menschen diese Produkte für uns alle schaffen. Es gebietet großen Respekt.

Etwas streng riecht es nach dem Käse, einige von uns fliehen immer wieder nach draußen in die Sonne, während ich gar nicht genug bekommen kann, Davide dabei zuzusehen, wie er die erwärmte Molke – aus der zuvor der Bruch für den Mozzarella hergestellt wurde – für den Cacioricotta mit pflanzlichem Lab abbindet und später in die Behälter abschöpft.
Cacioricotta wird vor allem in Süditalien noch jung – nach einer Reifezeit von zwei Monaten – gerne als Tischkäse serviert. Zwei Jahre gereift, ist er sehr würzig und wird in Apulien, im Latinum oder Kalabrien gerne für alles verwendet, wofür man in Norditalien einen Parmigiano vorzieht.
Für unsere Kameras zelebriert Rafaele seine Arbeitsschritte mit geduldiger Hingabe. Ein Arbeitsprozess, den er sonst in wenigen Minuten abgehandelt hat, wird so eine Aufgabe für fast eine halbe Stunde.
Pasta Filata, gesponnener Teig bzw. Käsebruch, so bezeichnet man den Prozess der Mozzarella-Produktion. Hierfür wird der Käsebruch, der in der Molke einige Stunden reifen durfte, für den Mozzarella mit heißem Wasser (95 Grad Celsius) übergossen und zu einer zusammenhängenden Masse mit einem langen Holzstab geformt.
Danach wird gezogen, und – mozzàre – abgeschnitten. Traditionell wird mit den Händen ein Stück Käse von der Masse abgetrennt und geformt – zu kleinen und großen Kugeln.
Das Tempo, mit dem Rafaele den Käse abtrennt und ihn zu pituresken Nodini flechtet, der zu einem oder mehreren Knoten geformte Mozzarella, ist beeindruckend!
Und während wir dem Prozess beiwohnen, serviert uns Gracia Devida kontinuierlich und sehr großzügig ihre Käsesorten. Wir probieren den frischen süßlichen Ricotta,
gereift als würzigen Cacioricotta, wir dürfen den sehr frischen Mozzarella kosten – und natürlich auch die fantastische Stracciatella, die hier auch produziert wird.

Eine leckere Freude! (Nicht weit von dem Käseladen führt die Familie natürlich auch noch eine Fleischerei in Mattinata.)

Olivenöl-Verkostung mit Matteo Granatiero in der La Vineria

Wir laufen noch etwas durch Mattinata und finden uns in der La Vineria in der Via Vittorio Emanuelle II 2 an der Ecke zum berühmten Corso Matino wieder.

Dieses Lokal ist mir schon bei unserem ersten Spaziergang durch Mattinata aufgefallen. Wunderschöne – liebevoll zu dem Türkisblau der Adria passend gestrichene Möbel – stehen auf den Stufen der hoch führenden Straße und machen direkt gute Laune. Strohhüte an den Wänden, bunte Tischdecken – hier hat jemand viel Spaß an Dekoration. Um die Ecke in einer kleinen Gasse kann man etwas ruhiger sitzen – weiße aufgespannte Regenschirme schützen vor der Sonne. Ein extrem charmanter Ort in Mattinata!
Hier hat für uns Matteo Granatiero seine vielen geheimnisvollen Becher mit Deckeln und Olivenöle aufgebaut. Er berät Touristen, wie auch Restaurants in ihrer Weinauswahl und organisiert Verkostungen für Olio und Vino – wo immer man sie diese erleben möchte.

Matteo serviert uns später einen Aperitivo mit einem in der Farbe traumhaft schönen Rosado (Rosalia Nero di Troia I.G.T. Puglia)
und feinste Antipasti, die er mit der Sorte Olivenöl übergießt, die wir nach unserer Verkostung als passend für das jeweilige Gemüse definiert haben.
Nach einer kurzen Einführung zum Anbau der Oliven in der Region rund um Foggia im Gargano und der Geschichte – wie immer sind die Griechen „schuld”, die die Frucht 1000 Jahre vor Christus nach Italien gebracht haben – lässt uns Matteo durch einen kleinen Spalt der verschlossenen Becher schnuppern. Dahinter verbergen sich Gemüse wie Tomaten, Ruccola, Artischocken u.m. – wir riechen und „erschnuppern” quasi blind die Aromen, die wir, unter seiner Anleitung, später genau so aus den Olivenöl-Proben der jeweiligen Flaschen wieder erkennen. Um sie dann mit den Antipasti nach unserem Gusto zu vergesellschaften Neudeutsch: Pairing).

So Olivenöl zu erfahren, macht Spaß und ist mir eine neue Erkenntnis, wie ich das perfekt passende Öl für das jeweilige Food-Produkt finde.
Natürlich zeigt er uns, wie man für ein Olivenöl-Tasting, das Öl zunächst mindestens mit der Hand oben verschließt und unten im Glas (hier Becher) durch die Wärme der Hand leicht erwärmt, um das Bouquet zu verdichten. Denn auch Olivenöl riecht man zuerst, bevor man es schmeckt – wie man es wie Wein mit Luft einzieht und im Mund etwas kaut, bevor man es schluckt, um alle Aromen zu erfassen. Mit Muße genießen. Eine fast heilige Prozedur.
Drei Öle aus der Serie „Monocultivar” der Azienda Agricola Bisceglia probieren wir. Es sind keine Cuvées, sondern jedes Öl ist auch nur einen Olivensorte hergestellt! Für eine Verkostung ideal gewählt. Gelb: Ogliarola; hellgrün: Peranzana; grün: Coratina. Wir schmecken ein fruchtiges und mildes, dann ein aromatischeres mit viel Grüntönen und ein sehr tiefgründiges, pfeffriges Öl. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Die Azienda existiert seit 1857 und wird heute in der vierten Generation wird von drei Schwestern geführt.

Die Olivenöle Apuliens gelten als besonders würzig und haben meist Tiefe. Die Leichtigkeit eines z. B. umbrischen Olivenöls – die können die Öle aus dem Süden einfach nicht. Dafür sind sie fruchtig und sie bringen die Aromen in die Flasche, die in ihrer nahen Umgebung auch mit angebaut werden. Nicht selten dominieren hier grüne Aromen wie Gras und Artischocke, dazu Mandel und Zitrusfrucht. Ihr Abgang ist bitter, pfeffrig bis scharf. Ein Ausdruck ihrer Qualität.

Das Tasting macht Spaß. Matteo gießt das Öl reichhaltig über unsere Antipasti: Pane mit Fave e cicoria – das Gericht Apuliens, hier sehr gut abgeschmeckt und lecker
– oder Bruschetta mit Tomaten und Ruccola. Natürlich kann man mit etwas mehr Zeit im Gepäck in der Azienda auch Führungen buchen und deren feinen Öle bzw. sonstigen Köstlichkeiten können online geordert werden.
Das war eine feine Verkostung, spannend aufbereitet in einer traumhaft schönen Location! Mit diesen beiden Erlebnissen, war unser letzer Vormittag im schönen Mattinata perfekt und intensiv genutzt vor unserer Abreise. Und die La Vineria ist sowieso ein must go in Mattinata.


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2024-06-28

Ich fordere auch …

Ich möchte einmal etwas klarstellen, was mich in letzter Zeit zunehmend ärgert.

Und das sind Politiker, die neuerdings meinen, ständig irgendetwas von uns, den Wählern, dem Volk, fordern zu können!

Politiker* haben nicht zu fordern! Politiker haben zu leisten! Politiker sind üblicherweise von ihren Wählern (also vom Volk) gewählte Arbeitsbienen, die eine für das Land gute Politik zu machen haben – und übrigens für das ganze Volk. Sie haben nicht einzelne Volksgruppen zu verunglimpfen und ihnen nicht nachgewiesene Sachverhalte zu unterstellen. Es ist ihre Aufgabe, Politik für alle Menschen zu machen, gleichberechtigt – denn in diesem Land sind lt. Grundgesetz immer noch alle Menschen gleich! Sie haben zu arbeiten; es ist ihre Aufgabe, politische Sachverhalte zu überprüfen, ggf. zu verändern zugunsten des gesamten Staates und Volkes. Nicht mehr, nicht weniger!

Christian Lindner fordert z. B. Einsparungen bei Sozialausgaben, fordert mehr Leistungen in der Marktwirtschaft Deutschlands, denn „alle Staatsausgaben müssen erst einmal erwirtschaftet werden”. Die Liste seiner Forderungen ist so lang, wie sie zu dumm ist, wie sie unser aller Ehre verletzt.

Markus Söder, Best man of irrationale Forderungen, fordert die Sechstage-Woche (die haben wir in Deutschland seit Jahrzehnten), fordert Abschiebungen (auch von hier ausgebildeten Pflegekräften, die wir hier dringend brauchen), Neuwahlen (nach EU-Wahlen, komplett anderes Thema als Bundestagswahlen). Er fordert Untersuchungsausschüsse wegen zeitgemäß abgeschalteten AKWs gegen die Ampel, die lediglich die festgelegten Zeitpläne in der Regierungszeit der CDU/CSU erfüllt haben, er fordert sogar Personalien im Fußball. Er ist ein ganz großer Forderer, nicht zu verwechseln bitte mit Förderer.

Alexander Dobrindt, schlechtester Bundesverkehrsminister Deutschlands zusammen mit Scheuer und Wissing, mit ihm hat der Niedergang der deutschen Infrastruktur im Verkehrswesen tatsächlich begonnen, dagegen der Prozess deutscher Digitalisierung niemals begonnen, fordert Heimfahrten von Ukrainer*innen mit ihren Kindern in die Ukraine, wenn sie hier keiner Arbeit nachgehen. Ausreichend Kindergartenplätze, damit die Frauen in Sprachkurse und Arbeit gehen können in Deutschland, weil ihre Kinder tagsüber versorgt sind, fordert er indes nicht. Bei Dobrindt ist übrigens witzig, dass in Artikeln hierzulande sein kompletter Name selbst im souveränen Journalismus nicht mehr genannt wird, weil Dobrindt quasi gesetzter Begriff ist für, meiner persönlichen Meinung nach, Inkompetenz. Ein Dobrindt, die Maßeinheit für gelebte Inkompetenz.

Kann man ergänzen mit „Ein Lindner”, die Maßeinheit für plumpe Arroganz, Hass auf arme Menschen oder Abwesenheit völliger volkswirtschaftlicher und leider auch obendrauf betriebswirtschaftlicher Kompetenz.

Auch Jens Spahn, der nachweislich in seinem Ministeramt – zugegeben mit Erschwerniszulage – auch nicht sooo gut performed hat, fordert unendlich viel Unsinniges: Längere Arbeitszeiten, Migrationspausen, weniger Bürgergeld, Drittstaatenmodell und möchte sich so sehr unentschlossen für sehr viele Ministerämter in Zukunft empfehlen. Nachdem er das eine, für das er im Vorfeld tatsächlich so etwas wie Kompetenz mitbrachte, ziemlich in den Sand gesetzt hatte.

Ich fordere indes endlich eine gesetzliche Qualitätskontrolle für das politische Agieren von Politikern, mit echter Konsequenz, finanziell und persönlich. Ein Politiker, der x-Milliarden in Maskenkäufe versenkt, sollte aus dem Politikbetrieb ausgeschlossen werden. Wer so schlecht liefert, Schaden verursacht, sollte nach dem Prinzip der Marktwirtschaft seiner Ämter für lange Zeit entbunden werden. Ein Politiker, der größenwahnsinnig Millionen im dreistelligen Bereich den Steuerzahler kostet, sollte aus dem Politikbetrieb ausgeschlossen – und im Übrigen sollte man seine Diäten zurückfordern.

Ich fordere übrigens auch eine harte Reglementierung von Nebeneinkünften von Politikern mit einer Obergrenze in ihrer Amtszeit. Ich fordere, dass sich Politiker nicht mehr im Amt durch Lobbyarbeit eine goldene Nase verdienen dürfen. Und zumindest mit diesen Einnahmen für entstandene Schäden in ihrem Ministeramt haften. (Finde ich schon deswegen sehr wichtig, damit die Typen endlich wieder Bodenhaftung bekommen.)

Ich fordere von einem Bundesfinanzminister übrigens auch, dass er politisch alles daran setzt, dass Steuereinnahmen im Land in der Menge gewährleistet werden, dass sie gleichberechtigt nach Höhe der Einkommen fließen, von allen, die aufgrund ihrer Einnahmen sich dazu in der Lage sehen. Sich also endlich auch mal an die Vermögens- und Erbschaftssteuer ranwanzt – und dafür sorgt, dass Schäden von politischen Vorgängern verursacht in irgendeiner Art und Weise von dessen in Person oder derer Partei zurückfließen müssen an den Staat. Dann hätte der Herr Lindner nämlich nicht das vorgebliche Problem mit zu geringen Staatshaushaltseinnahmen.

Das würde für eine völlig neue politische Qualität sorgen.

* Mit Vorsatz nicht gegendert.

2024-06-24

Wanderungen im Gargano: Die Bucht von Mergoli und Baia delle Zagare sowie die Bucht Vignanotica

Der Gargano im Norden Apuliens ist ein unendliches Wanderparadies mit erstaunlicher Vielfalt. Folgt man beispielsweise dem Sentiero Natura Mergoli-Vignanotica entlang der Küste, hat man eine wundervolle, nicht allzu anspruchsvolle Strecke durch duftende und reichhaltige Natur vor sich.
Und wird mit traumhaften Aussichten auf die Bucht von Mergoli (Baia delle Zagare) und einem Besuch an einem der schönsten Strände Italiens, Baia di Vignanotica, belohnt.
Es war Journalistin und Bloggerin Nicoletta di Rossi, die die Gegend um Mattinata bereits sehr gut kennt, der aufgefallen war, dass in unserem Reiseprogramm keine Begegnung mit der wunderschönen Adria vorgesehen war. Flugs stellten unsere großartigen Organisatoren sehr flexibel das Programm um. Sie legten zwei an aufeinanderfolgenden Tagen geplante Wanderungen zu einer zusammen – und schaufelten uns so einen Vormittag frei, damit wir diese beeindruckende Wanderung entlang der Küste des Gargano machen konnten. Und: Sie organisierten für uns sogar eine professionelle Führung.


Gargano Natour – die Profis für Führungen im Parco Nazionale del Gargano
Matteo Principe ist Geologe und kann über Gargano Natour gebucht werden, wie auch seine Kolleg*innen – alle sind mehrsprachig, können je nach Bedarf die Führungen in Englisch und Deutsch leiten. Matteos Fachwissen war uns dabei ein Geschenk; er erklärte uns besondere Vorkommen in den Steinformationen, gepaart mit fundiertem historischem Wissen dieser Region in perfektem Englisch. Führte uns an traumhafte Aussichtspunkte. Dieser Weg ist mit seinen Zielen so spektakulär schön, im Frühling noch nicht allzu voll – und vom Anspruch auch für nicht allzu geübte Wanderer durchaus machbar.
Die meiste Zeit sind wir auf befestigten Wegen gegangen. Kurz vor dem Ende wurden wir von diesem Blick auf die Baia di Vignanotica belohnt:
Erst am Ende der Strecke muss man sich bewusster mit etwas Abstieg auseinandersetzen. Nicht sonderlich anspruchsvoll, Gelände halt. Aber FlipFlops würde ich auf diesen letzten zehn Prozent nicht tragen. Und wer Probleme mit den Gelenken hat, dem ist ein Faltstock dabei zu haben, vielleicht zu empfehlen.
Sneaker reichen als Schuhwerk, je nach Saison Badesachen einpacken und unbedingt Wasser nicht vergessen! Außerhalb der Saison wird man auf dieser Wanderung keine Möglichkeit finden, Essen oder Getränke zu kaufen, da sollte man gut selbst vorsorgen. In der Strandsaison wird man an den Stränden kleine geöffnete Bars vorfinden. Und natürlich kann man sich die Wanderung je nach Gusto auch deutlich länger gestalten!

Wir wurden privilegiert mit dem Minibus zum Ausgangspunkt auf der Panoramastraße SP53 (Richtung Vieste) gefahren. Und am Ende unserer Wanderung nach vielleicht zwei Kilometern Länge wieder eingesammelt. Wer nicht über ein Auto verfügt, kann den Linienbus von Mattinata Richtung Vieste nehmen (vorab Tickets organisieren, im Bus gibt es leider keine). Wir waren ca. zwei Stunden unterwegs – mit sehr vielen Foto- und Erklärungstopps und einer traumhaft schönen Auszeit am Strand. Strikt durchgelaufen ist man die Strecke aber in etwas unter einer Stunde gegangen. Nur, wer will das schon?

Der Weg ist das Ziel – der Hausberg Monte Barone von Mattinata

Der Einstieg unserer Route erfolgte für uns oberhalb der Bucht von Mergoli in der Nähe von Baia delle Zagare. Somit hatten wir schon nach der Kurve einen fantastischen Blick auf die Bucht mit ihren beiden beeindruckenden Faraglioni Klippen. Und auch auf die kleine Aquakulturzucht, Doraden und Seebrassen werden für die umliegenden Restaurants gezüchtet. Unser Sprachschatz bestand in diesem Moment aus vielen „Ah!”, „Oh” und „Wow!” oder „Wie wunderschön ist das denn?” Mateo versprach uns ein baldiges Wiedersehen mit diesem Ort aus direkter Nähe und zwang uns freundlich bestimmt von dieser wunderschönen Aussicht fort.

Es duftete intensiv nach den Mastixsträuchern und Rosmarin, die entlang der Wege wachsen und nach den hohen Pinien (italienische Steinkiefer), die jetzt im Frühling gerade neue Triebe ausbilden.
Auch Steineichen zeigte uns Matteo. Auf einer flachen Ebene begegneten wir später auch wieder den hübschen kleinen Orchideen!
Wir wandern durch das 124 Hektar große Naturschutzgebiet „Monte Barone” im Parco Nazionale del Gargano. Es wurde im Jahr 1977 gegründet, um die Landschaft und das Ökosystem zu schützen.
Der Weg führte die ganze Zeit entlang der Küste und wir hatten einen abwechslungsreichen Blick auf das Meer – mal frei, mal geschmückt durch vom Wind geformte Pinien.
Auch Olivenbaumplantagen stehen hier am sehr steilen Abhang. Es ist für mich nicht zu fassen, dass hier Menschen direkt über dem Abgrund Bäume gepflanzt, gepflegt und später Oliven geerntet haben. Das sieht dem Wahnsinn – oder der Verzweiflung – sehr nahe aus.


Baia di Vignanotica

Der späte April ist für diese Wanderung wirklich die perfekte Jahreszeit. Das Wetter ist ideal, sonnig und noch nicht zu warm. Viele Pflanzen blühen in dieser Zeit und der Duft ist unbeschreiblich. Und als wir in der Bucht von Vignanotica angekommen sind, sprangen wenige mutige Wanderer einer anderen Gruppe sogar ins Meer. Mit etwas mehr Zeit vor Ort (und vielleicht zwei Grad mehr Außentemperatur), hätte ich es ihnen gerne gleich getan.
Die Steilküste von Vignanotica besteht aus geschichteten Detrialklippen aus Majolika (weißer Kalkstein). Sie erhebt sich ungefähr 100 Meter über den Meeresspiegel. In den Schichten eingelagert finden sich Feuersteinschichten, teilweise in faszinierenden Verformungen. Sie dürften hier vor 100-145 Millionen Jahren eingebracht worden sein – als diese Kalkfelsen noch Kalkschlamm waren und synsedimentäre Ablagerungen in ihnen möglich waren.
Matteo ist in seinem Element, als er uns die Besonderheiten im Gestein erklärt.
Er hatte uns schon früh während der Wanderung auf besondere „Brüche” im Gestein aufmerksam gemacht, mit sichtlich verschobenen Gesteinsschichten, die vermutlich durch Seebeben entstanden sind – vor ebenso langer Zeit.

Stundenlang hätte ich vor diesen Klippen stehen und „Gesichter” aus ihnen lesen können. Oder im Sand sitzen und auf das Meer gucken. Diese fast weißen Felsen vor der Adria haben visuell eine große Kraft.
Spiagga Vignanotica gilt als einer der schönsten Strände Italiens, es wundert mich nicht. Und niemals sollte man hier vergessen, dass man sich in einem Naturschutzgebiet befindet – und sich bitte dementsprechend verhalten.

Das Symbol des Gargano: Baia della Zagare

Oberhalb der Klippen befindet sich übrigens ein Parkplatz – und ein Hotel mit Campingplatz (Camping Vignanotica). Wieder eingesammelt von unserem Fahrer wurden wir zurückgebracht zur Bucht von Mergoli und nun zu der faszinierenden Felsanordnung im Wasser. Wir durften durch den imposanten Klippenfahrstuhl (davon gibt es sogar zwei) einer riesigen Hotelanlage, die sich noch im saisonalen Ruheschlaf befand, die beiden Strände besuchen.
So hatten wir die beeindruckenden Faraglioni Klippen Baia delle Zagare in ihrer Ansicht ganz nahe einmal von vorne und von hinten. Die Strände bestehen teilweise aus Sand und Kiesel.
Ein traumhaft schöner Ort! Die Möwen lachten, das Meer rauschte dezent mit leichter Welle. Die Sonne schien. Noch herrschte hier eine grandiose Ruhe und mit uns waren nur sehr wenige Menschen am Strand. Matteo erzählte uns, dass er am liebsten über die Wasserseite hierherkommt – nämlich mit dem Kajak. Und natürlich auch Kajaktouren anbietet.
Sofort wäre ich dabei! Sowieso empfehle ich hier die Führung mit ihm zu buchen – sein Fachwissen und seine Leidenschaft, diese zu teilen, scheinen unendlich groß!
Ich kenne nun mittlerweile die Landschaft und ihre Vielfalt und sehr viele Strände von Apulien – aber ganz ehrlich: Der Gargano mit dieser Küste und den wirklich besonderen Stränden der Bucht von Mergoli und Vignanotica, das ist wieder einmal eine ganz eigene Begegnung mit der Einmaligkeit Apuliens gewesen!


Gargano Natour

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2024-06-22

Treviso, die Geburtsstadt des Tiramisù

Treviso, 30 Kilometer von Venedig entfernt, das kaum jemand kennt, hat einen unbedingten Vorteil: Kaum jemand kennt es. Hier ist man noch verhältnismäßig wenig betroffen vom Massentourismus der großen Lagunenstadt. Selbstverständlich gibt’s noch viel mehr gute Gründe, Treviso zu besuchen und einer davon ist: Tiramisù!


Tiramisú – das Wort kennt weltweit jedes Kind!

Treviso ist, reden wir einmal über Essen – das lässt sich beim Thema Italien eh nicht vermeiden – die Geburtsstadt des Tiramisù! Natürlich habe ich mich während meines Aufenthaltes in Treviso voller Mut und mit herzlicher Hingabe aufgemacht und mich andauernden Tiramisù-Tastings hingegeben. Eine(r) muss es tun. Ich war vor Ort und jederzeit bereit. Es war spannend! Und erstaunlich vielfältig.

International gilt Tiramisù heute als eines der fünf bekanntesten italienischen Wörter. Übrigens heißt das köstliche All-we-can-eat im Trevisianer Dialekt Tiramesù. Dabei kann, wer mag, meine Empfehlung zur Kenntnis nehmen, dass man hier in der Geburtsstadt dieser feisten Köstlichkeit, das Tiramesù aufgrund seiner Historie durchaus schon zum Frühstück und den ganzen Tag über genießen kann. Stilecht genießt man es hier auch mit einem Glas Prosecco. Schließlich befinden wir uns auch in der Gegend der Prosecco Hills. Sich das Leben schön machen, darauf verstehen sich die Bewohner der Marca Trevigina bonfortionös!


Die Geschichte des Tiramisù

Aufzeichnungen über das Grundrezept einer Creme mit Ei, Zucker und Kakao kennt man in Italien bereits aus dem 18. Jahrhundert. Jedoch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde diese Art Zabaione mit dem Biskuit und dem Caffè zusammengeführt. Und das geschah im Jahr 1955 im Treviser Restaurant Le Beccherie!

Die liebevolle Schwiegermutter der mit dem Sohn Carlo schwangeren Besitzerin, Ala Campeol, bereitete ihrer Schwiegertochter ein reichhaltiges Frühstück aus eben jenen Zutaten und Biskuit zu, damit die hart arbeitende Schwiegertochter à la „Zieh’ mich hoch!” – „Tira-me-sù!” den harten Arbeitstag überstehen konnte.

(Mich erinnert diese Geschichte ein bisschen daran, dass der Hausarzt – als ich Kind und sehr anämisch war – meiner Mutter empfahl, mir regelmäßig ein Eigelb mit etwas Rotwein und Traubenzucker gemixt zum Trinken zu geben. Ja, wir Kinder im Jahr 1972 hatten ein feistes Dasein.)
Auch im Jahr 1972 verfeinerte Ala Campeol gemeinsam mit dem Konditor Lolí Linguanotto die Art Zabaione final zu dem Tiramisù, wie wir es heute kennen, in dem sie die Mascarpone dem Rezept hinzufügten. Und noch einmal im Jahr 1972 nahm Le Beccherie an der Mailänder Messe (heute Expo) teil und präsentierte ein Menü, das mit Tiramesù endete. Der Rest ist weltweite Liebe und Geschichte – die jährlich im Oktober im Festival Tiramisù-Day in Treviso ihren Höhepunkt findet, wo sich übrigens auch Laien dem Tiramisù-Wettbewerb stellen können.

Das Le Beccherie existiert heute noch in Treviso – und serviert selbstverständlich weiterhin das, 2010 als Tiramesù von Le Beccherie in der Accademia Italiana della Cucina notariell beglaubigte, zarte Geschenk voller niedlicher Kalorien. Und teilt sehr großzügig das ursprüngliche Rezept auf der Homepage mit euch!


Fünf Tage – fünf leckere Tiramisù!

Soviel zur Geschichte. Mein erstes Tiramisù hatte ich natürlich direkt nach meiner Ankunft in Treviso. Mit meinem frisch erworbenen Wissen, dass man hier dieses köstliche cremige Etwas zum Frühstück essen darf – was hätte mich da noch hindern können? Alle Menschen strömten zum Startschuss des Marathons und somit waren in den Caffèterien plötzlich Außenplätze frei.
Die erste Bar, Lunula Caffetteria Brunch in der Via San Agostino 81, mit ansprechendem Sitzplatz war meine. Ich orderte einen Cappuccino korrekt im Zeitrahmen (vor elf Uhr), ein kleines Panzerotto und: Tiramisù. Letzteres mit unglaublich stiller Begeisterung. Was für ein Leben! Dieses Tiramisù, im Nachgang bewertet, würde ich den anderen gekosteten sofort wieder vorziehen. Es hatte diese Art Fluffigkeit, die ich mag, ausreichend Crème und viel Geschmack.
Das zweite Mal orderte ich das Tiramisù zum Abschluss eines Mittagessens zwei Tage später im Castellbrando, eine beeindruckende Schlossanlage in den (Prosecco-)Hügeln von Treviso, nämlich in CastelBrando, gelegen. Errichtet bereits zur Zeit der Römer – eine unglaubliche Begegnung. Hier wurden wir von der Familie Colomban nicht nur großzügig zum Mittagessen eingeladen – an dem einen Tag, an dem aufgrund der Wetterverhältnisse wirklich nicht ans Radfahren zu denken war – sondern auch in die grandiose Spa-Anlage des Castellos. Der Besuch des Schwimmbads war auch dringend nötig, nach dem feisten Dessert. Hier ähnelte das Tiramisù sehr einer Zabaione, der Löffelbiskuit wurde durch Amarettini ersetzt. Es war sehr köstlich, sehr großzügig und sehr besonders.

Und weil ich es konnte, habe ich bei unserem Abendessen im wunderschön gelegenen Restaurant Ca'Piadera (Nogarolo di Tarzo) gleich noch einmal Tiramisù classico geordert. Da habe ich kein Foto für euch, es war zu dunkel dafür. Aber auch dieses Tiramisù war ein sehr feines, uns glücklich machendes Dessert! In einem schmalen, hohen Glas mit mehreren Schichten serviert. Ihr glaubt nicht, wie groß die Servier-Vielfalt von Tiramisù in Treviso ist.
Am dritten Tag, zeigte uns unser toller Guide von Treviso Bike, Riccardo, in Treviso alle relevanten (Le Beccherie) und seine favorisierten Tiramisù-Adressen. Wir entschieden uns dann für das Tasting im Antico Caffè di Piazza Pola in der Piazza Pola, 15 im Centro Storico von Treviso.
Eine charmante Caffèteria, die das Dessert in zwei Schichten Löffelbiskuit, mit der Creme, davon nicht zu viel (mir persönlich zu wenig), verbunden und sehr viel Kakao anrichtet.
An meinem letzten Tag in Treviso folgte ich einer weiteren Empfehlung von Riccardo und bin in das mehrstöckige (Fahrstuhl) Treviso Tiramisú La Palazzina Barberia gegangen, die, sagen wir es höflich, das Merchandising und Angebot zum Dolce di Treviso auf die Spitze getrieben haben. Aber das Restaurant in einen alten Palazzo modern hinein restauriert, ist wirklich nett. Man kann hier Tiramisú-Workshops belegen – und es gibt glutenfreie Varianten. Allerdings: mein bestes Tiramisú habe ich in Treviso woanders gegessen, dieses hier empfand ich eine Spur zu herb.
tl;dr In Treviso wurde das Tiramisú 1972 final erfunden. Man isst es hier zu jeder Tageszeit, gerne auch mit einem Schluck Prosecco, was diese Stadt unfassbar liebenswert macht! Ich muss unbedingt wiederkommen nach Treviso, denn ich habe es noch nicht in seiner Geburtsstätte kosten können.