Köstliches Mattinata, Teil 1
Mein Aufenthalt in Mattinata war ein wenig wie Urlaub machen, denn auch zwei wundervolle Food-Events haben mein Herz höher schlagen lassen. Ein langgehegter Wunsch wurde mir erfüllt, endlich durfte ich bei der Mozzarella-Produktion dabei sein!
Gracia und Rafaele Devida, Mutter und Sohn, halten in ihrer Azienda Agricula Caseificio de Vita nicht nur selber Ziegen, Kühe und Büffel, sie führen auch eine Käserei mitten in Mattinata. Hier wird im Hinterzimmer die Milch der eigenen Tiere verarbeitet, um direkt im Vorraum als frischer Ricotta und Mozzarella verkauft zu werden.
Und Matteo Granatiero hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Er bietet Verkostungen von Olivenöl und Weinen an, die in der Region produziert werden. Dies hier war nun wirklich nicht meine erste professionelle Olivenöl-Verkostung – dafür die, die am interessantesten aufbereitet worden ist. Und, ganz nebenbei, auch die in der schönsten Umgebung!
Landwirtschaft im Gargano
Im Gargano wird wie überall in Apulien viel Vieh- und Landwirtschaft betrieben. Das Mikroklima ist hierfür natürlich ideal, wenn auch der Boden und die Sommerhitze den Produzenten ein Leben mit sehr harter Arbeit abringen. Die Landschaft ist übersät mit den klaren Linien der Olivenbaumreihen. Und, wie neulich schon erwähnt, gelegentlich begegnen sie einem in der Landschaft an Orten, wo jeder mit einem Hauch Sicherheitsbedürfnis nie welche gepflanzt hätte.
Und sind es nicht die Alberi di ulivi, dann ordnen sich die Weinstöcke ordentlich ins landschaftliche Bild ein. Nero di Troia, Bombino Bianco oder Bombino Nero – so heißen die autochthonen Reben, die hier köstliche Weine in die Gläser bringen. Als Rosé ausgebaut, ein fantastischer Sommerwein in traumhaften Farbtönen, der eher mit erstaunlicher Tiefe, anstatt Leichtigkeit erfreut. Und einer der wenigen Rosado, der Kirchenfenster ins Glas malt! Selbstverständlich werden auch im Terre del Gargano die Weine Apuliens überhaupt angebaut: Primitivo und Negroamaro.
Alles Käse – Azienda Agricula Caseificio de Vita
Letzter Tag, am frühen Nachmittag droht unsere Abreise. Leider. Wir fahren noch einmal von unserer schönen Unterkunft, Residence Il Porto, hinein in die Stadt Mattinata. Gracia und Rafaele Devida haben bereits einen halben Arbeitstag hinter sich – obwohl es noch früh am Tag ist. Die beiden haben mindestens ihre Ziegen und Kühe gefüttert und gemolken.
Deren Milch steht in den riesengroßen Kübeln auf offenen Gasflammen auf dem Boden, wo sie auf Temperatur gebracht werden. Auch das Wasser, in dem der vorbereitete Käsebruch zu saftigem Mozzarella gezogen wird, ist vorbereitet.
Rafaele hat in der kleinen Käserei schon als Kind seinen Eltern beim Käsen zugesehen. Jetzt führt der junge Mann den Laden gemeinsam mit seiner Mutter. Und den landwirtschaftlichen Betrieb, denn die Milch kommt von den eigenen Ziegen, Büffeln bzw. Kühen.
Die Azienda Agricula Caseificio de Vita hat auch außerhalb von Mattinata einen sehr guten Ruf. Wie und was sie produzieren, stellen sie unter den Richtlinien der „Slow Food”-Bewegung her. Beide sind wieder so unglaublich freundlich, wie die Menschen in Apulien sind, und teilen ihre Kunst des Käsens mit uns. Und später, liebenswerterweise, auch ihren Käse.
Mozzarella, Ricotta, Stracciatella, Caciocavallo, Scarmozza, Cacioricotta … die Käsetheke im kleinen Verkaufsraum, durch eine Glasfront von der Produktion getrennt, ist voller Köstlichkeiten.
Ich bin in meinem kleinen Foodiekosmos wie im Himmel! Draußen ist ein wunderschöner und sehr warmer Frühlingstag. Drinnen brennen drei große Gasflammen und machen die Hitze beinahe unerträglich. Wie muss es erst im Hochsommer sein? Mich faszinieren Menschen, die dieses Handwerk ausüben – denn es ist nicht nur die täglich harte Arbeit. Es sind doch auch die Umstände, in denen die Menschen diese Produkte für uns alle schaffen. Es gebietet großen Respekt.
Etwas streng riecht es nach dem Käse, einige von uns fliehen immer wieder nach draußen in die Sonne, während ich gar nicht genug bekommen kann, Davide dabei zuzusehen, wie er die erwärmte Molke – aus der zuvor der Bruch für den Mozzarella hergestellt wurde – für den Cacioricotta mit pflanzlichem Lab abbindet und später in die Behälter abschöpft.
Cacioricotta wird vor allem in Süditalien noch jung – nach einer Reifezeit von zwei Monaten – gerne als Tischkäse serviert. Zwei Jahre gereift, ist er sehr würzig und wird in Apulien, im Latinum oder Kalabrien gerne für alles verwendet, wofür man in Norditalien einen Parmigiano vorzieht.
Für unsere Kameras zelebriert Rafaele seine Arbeitsschritte mit geduldiger Hingabe. Ein Arbeitsprozess, den er sonst in wenigen Minuten abgehandelt hat, wird so eine Aufgabe für fast eine halbe Stunde.
Pasta Filata, gesponnener Teig bzw. Käsebruch, so bezeichnet man den Prozess der Mozzarella-Produktion. Hierfür wird der Käsebruch, der in der Molke einige Stunden reifen durfte, für den Mozzarella mit heißem Wasser (95 Grad Celsius) übergossen und zu einer zusammenhängenden Masse mit einem langen Holzstab geformt.
Danach wird gezogen, und – mozzàre – abgeschnitten. Traditionell wird mit den Händen ein Stück Käse von der Masse abgetrennt und geformt – zu kleinen und großen Kugeln.
Das Tempo, mit dem Rafaele den Käse abtrennt und ihn zu pituresken Nodini flechtet, der zu einem oder mehreren Knoten geformte Mozzarella, ist beeindruckend!
Und während wir dem Prozess beiwohnen, serviert uns Gracia Devida kontinuierlich und sehr großzügig ihre Käsesorten. Wir probieren den frischen süßlichen Ricotta,
gereift als würzigen Cacioricotta, wir dürfen den sehr frischen Mozzarella kosten – und natürlich auch die fantastische Stracciatella, die hier auch produziert wird.
Eine leckere Freude! (Nicht weit von dem Käseladen führt die Familie natürlich auch noch eine Fleischerei in Mattinata.)
Olivenöl-Verkostung mit Matteo Granatiero in der La Vineria
Wir laufen noch etwas durch Mattinata und finden uns in der La Vineria in der Via Vittorio Emanuelle II 2 an der Ecke zum berühmten Corso Matino wieder.
Dieses Lokal ist mir schon bei unserem ersten Spaziergang durch Mattinata aufgefallen. Wunderschöne – liebevoll zu dem Türkisblau der Adria passend gestrichene Möbel – stehen auf den Stufen der hoch führenden Straße und machen direkt gute Laune. Strohhüte an den Wänden, bunte Tischdecken – hier hat jemand viel Spaß an Dekoration. Um die Ecke in einer kleinen Gasse kann man etwas ruhiger sitzen – weiße aufgespannte Regenschirme schützen vor der Sonne. Ein extrem charmanter Ort in Mattinata!
Hier hat für uns Matteo Granatiero seine vielen geheimnisvollen Becher mit Deckeln und Olivenöle aufgebaut. Er berät Touristen, wie auch Restaurants in ihrer Weinauswahl und organisiert Verkostungen für Olio und Vino – wo immer man sie diese erleben möchte.
Matteo serviert uns später einen Aperitivo mit einem in der Farbe traumhaft schönen Rosado (Rosalia Nero di Troia I.G.T. Puglia)
und feinste Antipasti, die er mit der Sorte Olivenöl übergießt, die wir nach unserer Verkostung als passend für das jeweilige Gemüse definiert haben.
Nach einer kurzen Einführung zum Anbau der Oliven in der Region rund um Foggia im Gargano und der Geschichte – wie immer sind die Griechen „schuld”, die die Frucht 1000 Jahre vor Christus nach Italien gebracht haben – lässt uns Matteo durch einen kleinen Spalt der verschlossenen Becher schnuppern. Dahinter verbergen sich Gemüse wie Tomaten, Ruccola, Artischocken u.m. – wir riechen und „erschnuppern” quasi blind die Aromen, die wir, unter seiner Anleitung, später genau so aus den Olivenöl-Proben der jeweiligen Flaschen wieder erkennen. Um sie dann mit den Antipasti nach unserem Gusto zu vergesellschaften Neudeutsch: Pairing).
So Olivenöl zu erfahren, macht Spaß und ist mir eine neue Erkenntnis, wie ich das perfekt passende Öl für das jeweilige Food-Produkt finde.
Natürlich zeigt er uns, wie man für ein Olivenöl-Tasting, das Öl zunächst mindestens mit der Hand oben verschließt und unten im Glas (hier Becher) durch die Wärme der Hand leicht erwärmt, um das Bouquet zu verdichten. Denn auch Olivenöl riecht man zuerst, bevor man es schmeckt – wie man es wie Wein mit Luft einzieht und im Mund etwas kaut, bevor man es schluckt, um alle Aromen zu erfassen. Mit Muße genießen. Eine fast heilige Prozedur.
Drei Öle aus der Serie „Monocultivar” der Azienda Agricola Bisceglia probieren wir. Es sind keine Cuvées, sondern jedes Öl ist auch nur einen Olivensorte hergestellt! Für eine Verkostung ideal gewählt. Gelb: Ogliarola; hellgrün: Peranzana; grün: Coratina. Wir schmecken ein fruchtiges und mildes, dann ein aromatischeres mit viel Grüntönen und ein sehr tiefgründiges, pfeffriges Öl. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Die Azienda existiert seit 1857 und wird heute in der vierten Generation wird von drei Schwestern geführt.
Die Olivenöle Apuliens gelten als besonders würzig und haben meist Tiefe. Die Leichtigkeit eines z. B. umbrischen Olivenöls – die können die Öle aus dem Süden einfach nicht. Dafür sind sie fruchtig und sie bringen die Aromen in die Flasche, die in ihrer nahen Umgebung auch mit angebaut werden. Nicht selten dominieren hier grüne Aromen wie Gras und Artischocke, dazu Mandel und Zitrusfrucht. Ihr Abgang ist bitter, pfeffrig bis scharf. Ein Ausdruck ihrer Qualität.
Das Tasting macht Spaß. Matteo gießt das Öl reichhaltig über unsere Antipasti: Pane mit Fave e cicoria – das Gericht Apuliens, hier sehr gut abgeschmeckt und lecker
– oder Bruschetta mit Tomaten und Ruccola. Natürlich kann man mit etwas mehr Zeit im Gepäck in der Azienda auch Führungen buchen und deren feinen Öle bzw. sonstigen Köstlichkeiten können online geordert werden.
Das war eine feine Verkostung, spannend aufbereitet in einer traumhaft schönen Location! Mit diesen beiden Erlebnissen, war unser letzer Vormittag im schönen Mattinata perfekt und intensiv genutzt vor unserer Abreise. Und die La Vineria ist sowieso ein must go in Mattinata.
Weitere Blogposts zu Mattinata und Umgebung:
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Mattinata – La Farfalle bianca del Gargano
Wanderungen im Gargano: Monte Sacro, die Abtei SS Trinità und die Welt der wilden Orchideen
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