2018-05-28

Aufmerksam

Aufmerksamkeit üben. Im Moment funktioniert das ganz gut bei mir. Aufmerksam sein. Auf mich. Aufmerksam sein gegenüber allen anderen, das war ich Jahrzehnte lang. Oh, ich war sehr sehr gut darin! So gut, dass ich auf Fragen nach meinen Wünschen, Vorstellungen, meinem Dasein, meinem Hinwollen nie eine Antwort kannte. Solange darüber überlegen musste, dass die Fragestellenden, wenn sie ernsthaftes Interesse zeigten, doch irgendwann die Koffer packten und weiter zogen. Meine Antworten hatten immer ein fundamentales Delay.

Das ging schon so seit meinen Kindheitstagen. Ich war so gut darin für andere zu empfinden und mich darüber selbst zu vergessen, dass ich mich nicht einmal mehr erinnern kann, ob mich jemals jemand in meiner Familie je gefragt hätte, was oder wer ich sein möchte, wo ich hin wollte? Also ich alleine gesehen. Ganz losgelöst von den vielen anderen, um die ich mich aufmerksam kümmern musste schon als Kind, betrunkener Vater, aufsässiger Bruder, verlassene Mutter. Ohne irgendwelche Menschen um mich herum, für die ich die Aufmerksamkeit trug. Vermutlich ließ meine Ausstrahlung solche Fragen auch gar nicht zu, weil ich mir nicht selber erlauben wollte, dass man mir diese Fragen stellte. Ich hätte sie beantworten müssen. Konnte ich nicht, meine Aufmerksamkeit war generell woanders, nie bei mir.

Im Freundeskreis wird mir diese Frage immer noch nicht gestellt. Was daran liegt, dass ich nun auch in einem Alter bin in dem man allgemein voraus setzt, solche Planungen wären langsam abgeschlossen. Sind sie bei mir nicht. Im Gegenteil! Gefühlt fange ich jetzt erst damit an mir meine eigene Entwicklung zu erlauben. Im professionellen Umfeld der Maßnahme für den Plan für Glück und Lebensfreude (PGL) stellt man mir diese Fragen viel öfter. Mit – natürlich bezahltem – dennoch echtem Interesse. Echtem Interesse aus einem trivialen Grund: man kann nur mit mir arbeiten, wenn man auf diese Fragen Antworten hat. Und wenn ich noch keine Antworten geben kann, dann heißt es lapidar „Das ist auch gut. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Wir kommen später noch einmal darauf zurück.”

Und das zwingt mich also Aufmerksamkeit zu üben. Hinzugucken. Auf mich. Nicht zwingend in Hinsicht auf vielleicht esoterisch anmutende therapeutische lernbare Mechanismen. Einfach so, dass ich mich frage: „Was willst Du tun? Jetzt? Wonach ist Dir zumute?” Im Kleinen. Will ich lieber Setzei, Rührei oder gekochtes Ei? Gar kein Ei?

Ich trinke viel weniger Kaffee, weil ich mich neuerdings frage, ob ich – in Situationen in denen ich sonst aus Gewohnheit welchen kochen würde – jetzt wirklich Appetit auf Kaffee habe? Die Antwort ist erstaunlich oft, dass ich gerade keinen habe. Und dann keinen koche. Am Wochenende hatte ich einmal Lust und konnte aber auf die Frage, ob ich Kaffee aus der einfachen Kaffeemaschine oder lieber einen Latte Macchiato aus der Carmecita haben wollte, mir keine Antwort geben. Da habe ich ihn eben auf beide Methoden gemacht. Und mich für den Latte Macchiato entschieden. Das kann man machen. Auch wenn mein kleiner ökolgischer Klugscheißer auf meiner Schulter empört steptanzte. Das war richtig gut!

Ich bin letzte Woche einmal zu Bett gegangen ohne mich abzuschminken und mir die Zähne zu putzen. Pflichtübungen, die ich sonst nie auslasse. Weil ich dann nämlich schlecht schlafe, ich kenne das aus Momenten in denen ich zu krank war dafür. Weil dann sofort in dieser einzigen ungeputzten Zahnnacht riesige Karieskrater wachsen! Aber etwas in mir hatte diese Woche zu mir gesagt: „Dazu habe ich heute keine Lust.” (Man beachte bitte den Punkt. Kein Ausrufezeichen.) Und – das ist ein sehr großes Wunder – ich habe gehört, dass diese innere Stimme das nicht nur nicht wollte, sondern auch es ganz deutlich aussprach: „Du willst Dir heute nicht die Zähne putzen!” Und dann habe ich es nicht gemacht. Und trotzdem gut geschlafen.

Für einen Menschen wie mich ist das der ganz große Rock'n Roll!

Und so aufmerksam habe ich mein Wochenende verbracht: ich bin am Samstag schwimmen gegangen. Am Vormittag, weil ich keine Lust hatte auf nachmittäglichen lauten Berliner Seetourismus. Ich bin mit der S-Bahn wieder zurück gefahren als alle anderen zum See hingefahren sind. Das war sehr entspannend. Beide Male war es in der S-Bahn fast leer. Am See noch ein bisschen leer.



Im See bin ich einfach nicht geschwommen, wie ich jetzt immer schwimme: Also nicht perfekt sportlich im YouTube-Lernstil mit Schwimmbrille und auf Tempo, denn ich schwimme meist für die Kondition. Ich bin einfach nur geschwommen … mit dem Kopf über dem Wasser mit geschlossenen Augen. Ich habe die Sonne alles in helles braunes Licht tauchen lassen hinter meinen geschlossenen Augen und ich bin geschwommen in meinem Atem. Angst- und sorgenfrei. Minutenlang. Ein langer Moment einfaches Wunder. Weil ich das so wollte. Das war so … bombe!



Samstag habe ich auf die Katze geguckt und ihr gesagt: „Morgen bleibe ich den ganzen Tag zu Hause. Bei Dir.” Mir war danach. Kein Schwimmen (Konditionspflicht), keine Demo (Politikpflicht), kein Nähen (Hobbypflicht). Wir haben den ganzen Tag herum gelegen, ich habe ihr den Bauch gekrault, sie hat mich beschnurrt. Wir haben zusammen gelesen, Eichhörnchen und Vögel beguckt, Kaffee getrunken. Ich aufmerksam zu ihr, sie aufmerksam zu mir. Das war schön. Erholsam. Unpflichtig.

Ich konnte lesen. Seit langer Zeit habe ich einfach mal wieder ein Buch so weg gelesen. Von Christine Westermann „Da geht noch was. Mit 65 in die Kurve.” Sie schreibt über sehr viele Dinge, die mir unfassbar nahe sind (das Buch ist für mich weniger ein Buch über das Thema Alter bzw. das Altern als es ein Buch ist, das sehr deutlich aufzeigt, wie sich Frauen unserer Generation(en) unser Leben lang emanzipiert haben in dieser unserer Umwelt).

Unter anderem schreibt Frau Westermann über ihre eigene Unsicherheit und wie sie, wie viele andere (und diesbezüglich schlage ich jeden darin mit meiner Kompetenz) mit dem inneren Quälgeist lebt, der sie sich und wichtige Momente in ihrem Leben zu Tode kritisieren lässt. So erzählt sie ziemlich am Ende des Buches über Preisverleihungen, die sie besuchen musste, weil ihr Preise zugesprochen wurden für ihre Arbeit: „Mit einer fortwährend maulenden inneren Flüstertüte war die Preisverleihung für mich in Bremen nicht wirklich ein Vergnügen.”



„Die fortwährend maulende innere Flüstertüte” – die ist ja nicht nur auch ein persönlicher Begleiter von mir. Die ist ja mittlerweile – gefühlt – der Begleiter dieses ganzen Landes geworden. Maulen wir einmal nicht gegen uns, dann maulen wir gegen alle Anderen. Hauptsache die ganze Zeit mault etwas in uns.

Ich werde ab sofort aufmerksam sein mir gegenüber und diese fortwährende maulende innere Flüstertüte öfter und deutlicher wahrzunehmen. Ich werde sie viel bewusster einladen zu gehen. Rechtzeitig. Also gleich. Noch bevor sie ihren Schaden anrichten kann. Immer ein Mal öfter. Und früher. Ich möchte aufmerksam ihren Abschied zelebrieren. Soll sie doch woanders maulen – aber nicht mehr in mir!

Ich mochte dieses Wochenende sehr. Es hat mir sehr viel gegeben!

2018-05-26

Im Netz …

Ich surfe, seit ich hier wohne, per W-Lan. Mit dem meiner Nachbarn. Ist laut Geschäftsbedingungen wenig legal. Aber war uns egal. Hat sich so ergeben. Ich wollte kein Festnetz mehr, weil ich eh selten telefoniere. Sie hatten es mir angeboten, dafür bin ich auch immer erste Ansprechpartnerin für die Katze, wenn sie verreisen. Und sie fahren öfter über das Wochenende weg.

Den besten Empfang hatte ich somit halt nur im ehemaligen Esszimmer, dass dadurch doch zum Arbeitszimmer geworden ist, was wiederum dazu führte, dass ich daher vor zwei Jahren zu dem tollen vollholzigen Esstisch meiner Freunde „Ja!” sagen konnte, als sie den anlässlich eines Umzuges nicht mehr mit hinüber ins neue Haus nehmen konnten, weil der eh nur im Wohnzimmer (jetzt auch Esszimmer) Platz gefunden hatte. (Die Dinge fügen sich so oft anderweitig zum Guten, wir sind nur leider auch zu oft blind auf dem Auge.) In den restlichen Räumen meiner Wohnung herrschte tote Hose was den Empfang anbelangt, manchmal saß ich im Flur zum surfen. Ich fand es lustig, ein bisschen Rebellism. Gelegentlich guckte ich online nach Repeatern, las mich in deren Testergebnisse und Bedienungsanleitungen online ein … und kam dann immer wieder davon ab, auch weil die Nachbarn keinen so ganz jungen Router im Einsatz haben bei dem die Konfiguration eher so mittelmäßig lustig geworden wäre.

Es gibt Länder, da ist das, was wir tun, absolut üblich: ein Haus, ein W-Lan-Router. Aber hierzulande sind einerseits die Preise für Telefonie und Surfen immer noch absurd hoch und andererseits bittet sich die Lobby der Fernkommunikationanbieter aus in ihre Bedingungen schreiben zu dürfen, dass man Netzwerktechnik, die durchaus dafür geschaffen worden ist von vielen gleichzeitig genutzt zu werden (!), nur einzeln abrufen darf pro Wohneinheit in einem Haus. Da geht es mir auch übrigens weniger um das Geld als um die Tatsache, dass man in einem Haus mit sechs surfenden Parteien, wo ein Router im Einsatz durchaus ausreichen würde, man dann halt fünf Mal zusätzlich Plastikmüll einschließlich dessen Verpackung einsetzen muss. Unnötig, denn es geht technisch längst anders. Unsere Welt hat diese Ressourcen einfach nicht mehr zur Verfügung, um solch überflüssigen Gerätemüll zu generieren!

Nun denn, gestern Abend steht meine liebreizende Nachbarin mit ihrem Smartphone in der Tür und befindet, sie müsse einmal auf meinen Balkon. Wo ich sie hinließ, denn es ist nichts Neues, dass wir uns auf meinem Balkon gelegentlich zusammen finden. Neu war, dass sie dabei die ganze Zeit auf ihr Smartphone starrte. Und sich sichtlich freute, dass sie auf meinem Balkon immer noch Empfang hatte.

Sie wollten sich den Repeater – gerade im Angebot bei einem Discounter – kaufen, von dem aber Bekannte abrieten. Daraufhin kauften sie sich gestern wohl den Testsieger und mühten sich tapfer mit der wie erwarteten mittelmäßig lustigen Konfiguration an ihrem Router ab. Und haben nun endlich auch Empfang in der Küche, wo der vorher bei ihnen nicht so dolle war.

Langes Blogpost kurzer Sinn: ich kann jetzt auf meinem Balkon, von meinem Sofa, an meinem Esstisch und VOR ALLEM (!) aus meinem Bett surfen! Wo ich gerade auch dieses Post schreibe, dass ich auf dem Balkon angefangen habe zu schreiben mit Zwischenstopp auf dem Sofa.

Tollste Nachbarn der Welt! Ich habe!

2018-05-23

Königliche Gartenakademie

Die Königliche Gartenakademie habe ich seit ihrer Gründung in Berlin mitbekommen … und nie den Weg dorthin gefunden. (So sind wir Berliner leider, die Stadt ist einfach zu groß, um immer alles mitnehmen zu können.) Die Kurse der Akademie fand ich früher sehr interessant. Aber die kurzen Kurse, denke ich, brauche ich nicht mehr, soweit kenne ich mich mittlerweile in der Pflanzenwelt aus. Die größeren, für mich spannenderen, Kurse sind nicht für mich finanzierbar derzeit. Und so trieb es mich irgendwie nie dorthin.



Die Maßnahme für den PGL (Plan für Glück und Lebensfreude) sah für diese Woche einen Ausflug in Richtung Königliche Gartenakademie vor. Beim Blick auf den Anreiseplan – da, wo ich wohne lohnt es sich einfach nie noch den Umweg über den Maßnahmenort im Wedding zu nehmen – zeigte sogar auf, dass eine der vielen in meiner Nachbarschaft liegenden U-Bahnlinien der BVG aufgrund der kürzlich erfolgten Streckenänderung direkt durchfährt nach Dahlem-Dorf. Während mich gleichzeitig schockiert hat, dass die alte U1 und nun neu hier eingerichtete U3 gar nicht mehr den Bahnhof Zoologischer Garten anfahren. (Mein traditionelles Herz weint ein bisschen.) Lange Rede: im Prinzip bin ich ab U-Bahn in 40 Minuten in dieser Gartenakademie.

Es ist übrigens eine wunderschöne U-Bahnlinie mit der zu fahren, ich nur jedem Berlin-Gast ans Herz legen möchte. Sie führt von Kreuzberg (Warschauer Straße) in Richtung Zehlendorf (Krumme Lanke) und verbindet somit zwei relevante Ausflugsziele Berlins (Partyszenerie und grüne Oase) mit einer interessanten Durchfahrt durch die Stadt und kreuzt dabei sogar das KaDeWe am Wittenbergplatz. Teilweise fährt diese Untergrundbahn obererdig und auch als Hochbahn. Und gerade die alten Bahnhöfe ab Heidelberger Platz sind ein gestalterisch historisches Kleinod. (Üblicherweise fährt die Bahn tagsüber alle 5 Minuten, man kann also problemlos zwischendurch an einem Bahnhof aussteigen und ihn bewundern bis zur nächsten Bahn.)



Aber zurück zur Königlichen Gartenakademie. Sie wurde nun schon vor zehn Jahren von Gabriella Pape und Isabelle van Groningen im schönen Dahlem gegründet – und sie haben nach langen harten Jahren der Gartenarbeit und Kämpfen mit den Banken diesen Ort zu einem wunderschönen Ort des botanischen Lernens zum einen gemacht. Aber eben auch zu einem Ort, wo man viel Geld lassen kann für saisonale gesunde Pflanzen – gerne aus eigener Baumschule –, kreativen Ideen zur Beetanlage anhand der jetzt wunderschön gestalteten Schaubeete. Und letztendlich kann man im wunderschönen Garten, bei Regen in den Gewächshäusern, feine Torten und gute saisonale Küche genießen. In einem der Gewächshäuser kann man sich aus finanziell an den Gartenprodukten aus dem Manufaktum-Gartenkatalog austoben.

Oder sich an netten Deko-Elementen erfreuen.



Die Gründerinnen haben beide in den Kew Gardens in London, am weltweit größten Botanischen Garten studiert, ihre Gartengestaltungen sind preisgekrönt. Gabrielle Pape hat darüber hinaus bereits für umfangreiche Gartenliteratur gesorgt als Autorin.



Menschen, die Spaß haben an der Botanik kommen hier auf ihre Kosten! Und künftigen Berlinbesuchern kann ich einen Ausflug dorthin nur ans Herz legen!

2018-05-22

Wie das ZDF eine romantische Trauungszeremonie an eine rassistische und sexistische Moderation vergab …

Ich liebe royale Hochzeiten. Als Harry Meghan als die Frau präsentierte mit der er sich sein weiteres Leben zu leben wünscht, konnte ich den Termin kaum abwarten und war durchaus froh, dass dieser finale Termin dann auch nicht in all zu weiter Ferne mehr lag.

Nun will es die althergebrachte Tradition, dass ich so eine Hochzeit mit Prunk und Schwung gerne angucke, wenn sie in einem der öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen wird. Ich bin mit Rolf Seelmann-Eggebert seitens meiner Oma sozialisiert worden und war untröstlich, als der Mann in Rente ging. Und sehr froh darüber als man in der ARD merkte, dass der Nachwuchs weder Seelmann-Eggeberts Klasse noch profundes Fachwissen hatte, diesen zumindest für Stellungnahmen zum Thema und Zusammenschnitten wieder ins Boot der Berichterstattung holte.

Immerhin ist Rolf Seelmann-Eggebert ein Journalist solchen Formats, der mehrfach von der Queen auch persönlich begrüßt worden ist. Bei dem man sich keine Sorgen machen muss, dass er hierbei womöglich aus der Rolle fallen würde – eine Sicherheit, die man bei nachwachsenden Moderatoren nicht verspüren kann. Leider übertrug die ARD diese Hochzeit nicht live, sondern das ZDF. Treue Seele, die ich bin, blieb ich auch beim ZDF als Zuschauerin und entsagte mich bewusst der Übertragung der BBC live im Internet, denen ich früher am Tag schon folge. (M)Ein Fehler.

Also guckte ich am Samstag die Bejahung von Meghan Markle und Prinz Harry auf dem Sofa. TV. Über Antenne. (Seit DBVT-2 gucke ich keine privaten Sender mehr. Nein, kein Verlust.) Im Zweiten. Mit dem man angeblich besser sehen kann. Das mag für die Bilder der Übertragung vielleicht sogar stimmen – hätte ich nur den Ton abgeschaltet.



Protagonisten dieser Live-Schalte im Studio waren ZDF-Moderator Norbert Lehmann, Adelsexpertin Julia Melchior, Luise Wackerl von „Gala“ sowie WELT-Korrespondent Thomas Kielinger und irgendein blasser Typ namens Andreas, der die übliche „Stimmung von der Straße” ins Studio tragen sollte (um es ihm gegenüber sehr kurz zu machen: Der dabei auf ganzer Länge versagte und es sogar schaffte, dass ihm die gut gestimmten angesäuselten Interviewpartner davon liefen, weil seine Langweiligkeit sie zu sehr runterzog.)

Warum man Norbert Lehmann beim ZDF als Boulevard-Journalisten erster Güte sieht, verstehe wer will. Zumal der Sender durchaus mit Moderatoren sehr gut bestückt ist, die die Boulevard-Sendung Leute Heute zum Teil seit Jahren moderieren und somit per se im Thema royale und sonstige Prominenz thematische Kompetenz vorweisen können wie Karen Webb und Florian Weiss – so hätte man Herrn Lehman bei dem Thema belassen sollen, wo er eher gelitten ist: beim Sport.

Frau Melchior gab sich durchaus Mühe gelegentlich etwas halbwegs Sinnvolles zum Thema britisches Königshaus zu sagen, durfte nur leider selten ihre Sätze zu Ende sprechen. Gleiches Schicksal ereilte auch Herrn Kielinger, der wohl so etwas wie die fachliche Kompetenz der anglikanischen Kirche geben sollte. Er bemühte sich redlich, musste dann aber nach der flammenden Rede des New Yorker Bischofs Michael Bruce Curry komplett seine inhaltliche Teilnahme quittieren und versank infolge gemeinsam mit Lehmann in eine alte Herren-Kalauer-Mentalität, die auszuhalten ohne Brechgefühle meine eigene hohe Leistung dieses TV-Momentes war. Frau Wackerl war … anwesend. Schlussendlich blieben aber alle Anwesenden in ihren Ausführungen weit unter dem früher üblichen Niveau bei solchen Events. Und wie gesagt, die anderen Teilnehmer in der Runde hatten selten die Chance ihre Ausführungen wirklich zu Ende formulieren zu dürfen. Norbert Lehmann ist da sehr … ungezogen!

Das Problem dieser Hochzeit war für die ZDF-Moderation ganz offensichtlich: hier heiratete eine 36-jährige junge Frau, zwei Jahre älter als ihr Ehemann, die Theaterwissenschaften und Internationale Beziehungen mit Abschluss studiert hatte, hinsichtlich des zweites Studiengangs nicht nur ihr Praktikum in der US-Botschaft in Buenos Aires absolviert hatte, sondern in dieser auch noch einige Jahre gearbeitete hatte – bevor sie ihre Karriere als Schauspielerin erfolgreich voran trieb. Noch nie hatte eine Frau, die beruflich so perfekt für ihre künftige Aufgabe ausgebildet war – mit einem Abschluss in diplomatische Beziehungen eben – in ein Königshaus eingeheiratet. Das ZDF ignorierte es geflissentlich und reduzierte Meghan Markle auf ihre Schauspielerei. Ich meine, das muss man erst einmal bringen – derartige Steilvorlagen zu ignorieren!

Eine Frau mit einer immens langen karitativen Vita – lange bevor sie die Verlobte eines britischen Prinzen geworden war. Eine Frau, die einmal verheiratet war. Eine Frau, deren Mutter Amerikanerin ist mit afrikanischen Wurzeln und deren Vaters Wurzeln irgendwo in Irland und den Niederlanden liegen. Eine Frau, die von sich sagt, dass sie Feministin sei. Eine Frau, die so viel eigenes Geld verdient hatte in ihrem beruflichen Vorleben, dass sie ihr immerhin geschätztes 100.000 Euro teures Brautkleid selbst bezahlen kann (und wird.)

Selbst ich, die nun nicht beruflich mit dem Berichten über boulevardeske Themen vertraut bin, könnte – nach den letzten Monaten medialer Meghan-Mania – wohl stundenlang recht unterhaltsam über diese Frau erzählen – ohne auch nur einmal dieser Frau zu nahe zu treten und sie direkt oder indirekt zu beleidigen. Das ZDF konnte das leider nicht.

Das ZDF kommentierte rassistisch, altmodisch, erschreckend anti-feministisch und zudem fürchterlich unwitzig.

Was wir in der Übertragung gesehen haben, war ein Feuerwerk von einer Trauungszeremonie eines jungen Paares, das in idealer Weise den Zusammenschluss von traditioneller britischer Monarchie und der Moderne der Neuen Welt vorführte. Das dabei hier und da festgefahrene Mauern der Traditionen umriss, was einem in alter Zeit hängen gebliebenen Monarchisten sicherlich den Atem stocken ließ. Aber sie ließen gleichfalls diese Leute nie unbeatmet zurück. Sie heirateten modern und ließen dennoch viel Tradition an ihrem Platz. Und die Queen konnte nach der Zeremonie auf der Treppe auch wieder lächeln – so schlimm also konnte es nicht gewesen sein!

Eine Frau heiratete, lebenserfahren und trotzdem jung genug, um zu einem gänzlich anderen Leben auf einem anderen Kontinent „Ja!” zu sagen. Selbstbewusst genug die Kirche alleine zu betreten aufgrund bedauerlicher Umstände, die den Vater nicht bei ihr sein ließen an diesem Tag. Die ihre Schleppe ausschließlich von zwei Jungen tragen ließ – was schlicht ein immens großes Zeichen für die Emanzipation war, das die ZDF-Kommentatoren – von der eigentlich Bildbeschreibung – gänzlich unkommentiert ließen. Relevant war ihnen anzumerken, diese Frau würde darauf verzichten, Harry den Gehorsam im Gelübde zu schwören als Besonderheit ihrer Person. Nun, darauf verzichteten zwar schon Diana und Kate, das war wahrlich nichts Neues mehr – da wurden einfach Hausaufgaben nicht gemacht.

Hatten wir am Anfang auf Twitter noch geulkt …



… sollte sich leider später zeigen, dass man dieser Moderation nach in vergleichsweise kurzer Zeit die dritte Flasche Champagner hätte köpfen müssen, lange bevor noch der Eierlikör überhaupt eingeschenkt werden konnte. Es war gruselig, was einem da an verbaler Inkompetenz geboten wurde. Eine zeitgemäße Ansprache der Moderatoren? So etwas von Fehlanzeige! Man konnte nicht genug davon bekommen, Meghan und auch ihre Mutter als afroamerikanisch, exotisch und schwarz zu bezeichnen. Sämtliche Protagonisten dieser Zeremonie, als könnten wir Zuschauer es nicht selber bemerken, mussten als teilweise sogar „besonders” schwarz beschrieben werden. Insbesondere Norbert Lehmann – wie schon gesagt, seine BeisitzerInnen zum Wort kommen zu lassen, ist seine Kernkompetenz nicht – kommentierte, als hätte er es erstmals in seinem Leben mit Menschen zu tun, deren Hautfarbe nicht seiner ähneln wollten.

Übermedien haben sich die leidvolle Mühe gemacht, einen Teil seiner Auswüchse zusammen zu schneiden. Guckt selbst!

Der erste indirekte Kommentar, dass Meghan im Grunde jetzt schon zu alt ist, um risikofrei der Queen noch ein paar Enkel zu schenken, den gab bereits innerhalb der ersten halben Stunde der Sendung.



Dabei hatte zumindest ich ihnen einen ernst gemeinten Ratschlag zukommen lassen (man hat durchaus seine Vorahnungen, wenn eine Braut nicht ganz ins übliche Klischee passt).



Man sollte meinen, bei solchen Schaltungen wäre es mittlerweile gang und gäbe, dass man einen Blick auf die sozialen Medien wirft oder eine gute Regie dafür sorgt, dass jemand mitliest und Hinweise liefert hinsichtlich der aktuellen Online-Reaktionen. Saß denn da wirklich kein Regisseur und sagte den Moderatoren irgendwann einmal, es sei jetzt gut mit Statements über Meghans Hautfarbe und Herkunft?

In der 50. Minute hatten sie Kate am Wickel, die Frau eines der künftigen Thronfolger, und nein, auch mit ihr wollte man wenig liebevoll umgehen. Man, also Mann Lehmann, unterstellt ihr Anpassung an das Königshaus und urteilte, dass sie das ganz wundervoll täte.



Auf die Idee, dass diese Frau es vielleicht völlig okay für ihr Leben ansieht mit einem Mann verheiratet zu sein, den sie womöglich liebt und mit dem ihm gerne Kinder hat, dass sie ihre Aufgaben als Prinzessin durchaus zu schätzen weiß, auch ihre Aufgaben hinsichtlich karitativer Projekte, denen sie vorsteht – und vielleicht total gerne etwas biedere Kleider mit weit schwingenden Röcken trägt, darauf kommt der Onkel im ZDF nicht. Denn: das kann ja nicht sein, dass die Frauen der britischen royalen Männer sich genauso selbst verwirklichen, wie es ein z. B. Prinz Philipp für sich in Anspruch genommen hatte. Interessant ist das, wenn man sich anguckt für welche Zielgruppe das ZDF so eine Live-Übertragung in der Hauptsache überträgt. Denken die dabei wirklich an die unangepasste feministische Punkerin? Wieso also tritt Herr Lehmann einen Teil seiner Zielgruppe, der sicherlich durchaus mit großem Vergnügen ein angepasstes (Ehefrau und Mutter) Leben lebt, derartig mit Füßen?

Die Mutter von Meghan Markle, die ihre Tochter ein Stück weit alleine erzogen hatte nach der Trennung von ihrem Mann, zeigte absolute Souveränität, dass sie alleine in die Kirche kam und dort Platz nahm. Eine wunderschöne elegante, unverbogene Frau, die voller Liebe auf ihre Tochter und ihren Schwiegersohn blickte und unendlich berührte mit ihrem sichtlichen Stolz auf ihr Kind und ihrer eigenen Bewegtheit ob dieser Situation. Die einen interessanten Lebensweg genommen hatte, auch über diese Frau hätte man durchaus viel Interessantes sagen können.

Die ZDF-Moderation stempelte sie lieber als arme, dort „ach so einsam” sitzende Frau ab. Eine mit der man lediglich Mitleid haben müsse. So alleine! In einem fremden Land. Als Afroamerikanerin mit komischer Frisur. Genau! Vergessen wir es bloß nicht noch einmal zu erwähnen: die Frau ist schwarz!

Man merkt Herrn Lehmann durchaus an, dass ihm das Thema Monarchie soweit am Hintern vorbei geht und solange er sich über deren Lebensverhältnisse nicht lustig machen kann oder sich zynisch äußern darf und im Grunde keine Ahnung hat von dem, worüber er da berichten soll. Was völlig okay ist an sich – nur, was hat er dann in einem solchen Format zu suchen? Fachliche Expertise brachte er nicht an den Tag – ein stimmiges Merkmal hierfür, dass alle beteiligten Moderatoren sich nicht in der Lage sahen, z. B. den Sänger James Blunt in der Hochzeitsgemeinde auszumachen und dem Zuschauer vorzustellen, was sie generell nur bei sehr wenigen Personen hinbekommen haben. Das ist übrigens auch Merkmal dieser nachwachsenden Moderationsgeneration: Im Grunde haben sie alle keine Ahnung vom Thema – und sie bereiten sich leider auch nicht einmal mehr vor. So busselte dieser Blunt, der nun in den letzten Jahren nicht ganz wenig Platten verkauft haben dürfte (37 Millionen verkaufte Tonträger weltweit und 2008 als Künstler des Jahres mit dem Echo ausgezeichnet), in der Kirche herzlich mit Elton John und den Beckhams rum. Unkommentiert. Aber hey, man kann natürlich nicht jeden kennen als Moderator des Boulevards!

CNN kündigten Amal und George Clooney an, dass hier Frau Clooney käme mit ihrem Ehemann. Es liegt in der Prioriätenverteilung durchaus nahe, dass das britische Königshaus vorrangig Amal eingeladen hatte, die in London aufgewachsen ist, dort studiert hatte und sich zuerst in Großbritannien ihren Namen als Anwältin für Menschenrechte machte und durchaus über diese Fakten die Einladung zur Hochzeit primär an sie erfolgt sein dürfte, denn an ihren Ehemann, dem amerikanischen Schauspieler. Bei Herrn Lehmann kam natürlich George zuerst und nebenbei würde sich Meghan Markle – seiner Meinung nach – jetzt in die Reihe der Frauen einreihen, wie eben jene Amal Clooney oder Victoria Beckham, die sich nur einen Namen gemacht hätten, weil sie einen bekannten Mann geheiratet hätten.

Man muss wirklich sehr sehr blind sein auf dem Auge Erfolg habender Frauen sein, um einen solchen Kommentar über ausgerechnet diese drei Frauen zu machen.

Aber vielleicht war das da am Samstag im ZDF auch ein erster Versuch von Inklusionsfernsehen on top. Damit es auch der letzte weiße Mensch mit Sehbehinderung vor dem geistigen Auge sieht, schob man der Einfachheit in jeden zweiten Satz die Worte schwarz und afroamerikanisch ein. Wertvolle Hinweise der besonderen Art, denn wer seiner Sehkraft mächtig war, konnte ja nicht mit eigenen Augen sehen, dass dieser Gospelchor ein eben typisch amerikanischer Gospelchor war. Der zwar – im Vergleich zu üblichen Gospelgesängen – kein bisschen „schwarz” gesungen hatte, wie die alten Herren im Off befanden. Aber Herrn Lehmann waren nun mal die Stereotypen ausgegangen. Der Chor hatte wundervoll angemessen gesungen für eine Zeremonie in einer anglikanischen Kirche, kraftvoll und zart in den leisen Momenten … „Stand by me!”

Für mich schlug Lehmann aber dem Faß den Boden aus mit diesem Kommentar (und angehängtem Beisatz):



Dass man im Rahmen der Berichterstattung es auch für relevant ansieht, wie die Presse im Vorfeld im United Kingdom teilweise mit Meghan Markle umgegangen ist – und wir kennen alle die Magazine, die sich dabei nicht zu schade sind verbal unterirdisch und rassistisch unterwegs zu sein – ist richtig und durchaus wichtig. Warum aber ausgerechnet ein deutscher Journalist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Meinung ist, nur dann realitätsnah über solche Entgleisungen berichten zu „können” in dem er eine dieser ungeheuren Beleidigung der Braut gegenüber (tatsächlich ging im Original die Formulierung gen Meghan Markles Mutter, also auch noch falsch) an ihrem Hochzeitstag zitiert und damit indirekt nochmals beleidigt, das soll er wirklich einmal erklären. Ich kann keinen Grund dafür sehen, außer man hat persönliche Freude daran das zu tun. Einen echten Informationswert noch -bedarf sehe ich darin nicht. Ich bin heute noch sehr entsetzt darüber.

Rolf Seelman-Eggebert hat genau diesen thematischen Passus so beschrieben:

„Es ist viel kommentiert worden diese Beziehung zwischen Harry und einer geschiedenen Amerikanerin, die eine afroamerikanische Mutter und einen weißen Vater hat. Rassistische Töne waren dazwischen aber vor allem viel Zustimmung für diese jungen Frau. Frischen Wind bringt sie ins Königshaus. Die multikulturelle Gesellschaft sei nun auch bei den Royals angekommen, war zu lesen.”

Es geht durchaus also ohne die Braut nochmals beleidigen zu müssen – vor laufender Kamera in der Berichterstattung. Das Problem liegt bei Norbert Lehmann. Offensichtlich. Er scheint so fasziniert darüber, dass es Menschen gibt mit anderen Hautfarben als die seine, die durchaus auch ihren Weg erfolgreich gehen, dass er auf ganzer Linie versagte!

Immerhin haben die Übertragung im ZDF knapp sechs Millionen Zuschauer gesehen. Wenn nun ein Teil von denen dem Irrglauben erlegen sind, es sei durchaus akzeptabel so über Menschen zu berichten, die nicht weiß sind, hat das ZDF den Leuten in diesem Land, die braun wählen, eine prima Bestätigung im gerade sich grauenvoll verändernden Sprachgebrauch in Deutschland geliefert. Mich macht das sehr wütend!



Ich wünsche dem ZDF in der Zukunft von Herzen, dass es das nun auch verstanden hat. Es gibt Bewerber!



Bemerkt ZDF? Rob Vegas schreibt „Hutfarbe”, nicht Hautfarbe. Schlussendlich hat das ZDF mit dieser Moderation uns Deutschen in unserem Status nach draußen als Nation, die nicht souverän mit Menschen mit anderen Hautfarben oder anderen Herkünften umgehen kann, einen Bärendienst erwiesen:

A German Broadcaster Calles Meghan Markle Exotic – Viewers Said It Was Racist!

Ich finde durchaus, dass da eine echte Entschuldigung von Nöten ist!

2018-05-18

Die Süße einer Insel


(Symbolbild. Ich war schon viel zu lange nicht mehr auf Mallorca, um dort am Meer einen guten Tropfen zu trinken.)

Weinverkostung, Montagvormittag von 10 bis 12.00 Uhr. Kann man sich einen besseren Einstieg in die Woche vorstellen als Wein zu verkosten?



Eingeladen hatte die DOP (Denominacion de Origen Protegida) Pla i Llevant, eine der beiden Weinorganisationen Mallorcas. Pla i Llevant bildet die Weingüter des südöstlichen Bereiches der Insel ab: Von Algaida, Ariany, Artà, Campos, Capdepera, Felanitx, Llucmajor, Manacor, Maria de la Salut, Montuïri, Muro, Petra, Porreres, Sant Joan, Sant Llorenç des Cardassar, Santa Margalida bis Sineu y Vilafranca de Bonany. 72 Weinbauer und 13 Weingüter aus dieser Region sind in der Pla i Llevant registriert und produzieren auf insgesamt 440 Hektar Fläche hoch dekorierte Weine für die Insel selbst – als auch immer mehr für den Export.

Von denen im Jahr 2017 auf Mallorca produzierten 13.990 Hektolitern Wein sind immerhin 1352 Hektoliter jenseits der Insel getrunken worden. Obwohl im Vergleich zum Vorjahr (aufgrund der Wetterbedingungen im Frühjahr 2016) bei 10,4 % weniger Traubenertrag in der Folge 17,5 % weniger Wein produziert wurde. Dennoch war 2107 für die Winzer der Insel, wie sie sagen, ein erfolgreiches Weinjahr: in der Qualität der Weine selbst konnten sie zulegen.

Einige dieser Produzenten stellten sich uns – und natürlich ihre Weine vor – die sie mit viel Liebe, Arbeit und mallorquinischer Sonne in die Abfüllung gebracht haben.



Ganz bewusst hatte ich einmal ein Erlebnis mit mallorquinischem Wein, als ich meine Mutter, die damals auf der Insel lebte, besuchte und wir in einem Restaurant einen Rosato bestellten und uns der Kellner einen Traumtropfen aus dem Keller brachte. Im Grunde danach nie wieder so einen Rosé getrunken. Rund, fruchtig – mit enorm viel Sonne und Stärke im Abgang. Wir haben später versucht diesen Rosé irgendwo zu kaufen. Ohne Erfolg. Rückfragen im Restaurant haben ergeben, dass diese Flasche bei ihnen die letzte war und den Winzer würde es nicht mehr geben.

Das war rund um 2000 und tatsächlich war es damals auch im mallorquinischen Handel auf der Insel gar nicht so leicht Wein de Insel einkaufen zu können. (Jenseits von Mallorca schon einmal gar nicht.) Der Mallorquiner produzierte vorrangig für den Eigenbedarf, eigekauft wurde direkt beim Erzeuger. Flaschenabfüllung schien ein eher seltenes Ding. Ich erinnere die wundervolle Lammkeule in Sineu im Ratskeller. Damals hatte der Bürgermeister der Stadt dort ein Restaurant, wo in riesigen Öfen in großer Menge fantastische Lammkeulen zubereitet worden sind. (Ich hoffe, das ist noch immer so – ich war halt lange nicht mehr dort.) Ein Muss bei jedem Marktbesuch. Der Rotwein dazu war fantastisch. Er kam direkt aus dem Fass. Die Kellner guckten immer erstaunt, wenn wir darum baten, ein, zwei Flaschen abgefüllt mitnehmen zu dürfen. Setzten dann aber alle Hebel in Bewegung, um überhaupt eine Flasche für die Abfüllung finden, um unseren Wunsch zu erfüllen. Dieser Wein war am gleichen Abend auf dem Patio der kleinen Finca meiner Mutter noch sehr gut trinkbar. (Wenige Tage später schon stand er geschmacklich dem Essig ganz nahe.)



Über die nun fast 20 Jahre hat sich sehr viel verändert. Mallorca wurde als Weininsel neu erfunden von seinen Produzenten. Altwürdige Winzerfamilien haben ihr Produkt völlig neu entdeckt, entwickelt und zu einer neuen weltweiten Akzeptanz voran getrieben. Die Winzer der früheren Generationen zogen noch von der Insel auf das Festland, um dort ihre Erfahrungen bei anderen Winzern zu sammeln und brachten weiße Trauben wie Chardonnay, Riesling und Moscatel und rote Trauben, wie Merlot, Syrah und Cabernet Sauvignon mit zurück zu den Trauben ihrer Heimat und kreierten völlig neue Weine. Deren Nachfolger, die neue Generation sind junge Winzer, die ihren Beruf studieren und als Önologen auf die Insel zurückkommen. Die sich sehr bewusst entschieden haben, wieder auf dem Feld arbeiten zu wollen. Die den zum Teil als unfruchtbar geltenden Gegenden der Insel sehr gute Trauben abtrotzen. Die sich für den Anbau der mallorquinischen Ur-Trauben wie Giró Ros und Prensal Blanc, Macabeu (letztere zeichnet sich als die Traube für den Cava aus) für Weißweine und Manto Negro, Callet und Porcentaje für die roten Weine engagieren, besonders deren Anbau revolutionär verbessert haben und mit neuem Selbstbewusstsein nun auch Trauben ohne Verschnitt abgefüllt in die Welt entsenden.

Aber auch viele Spanier vom Festland kommend, haben sich mittlerweile in die Weingebiete Mallorcas eingekauft und produzieren nun mit Hingabe fantastische Tropfen.

Es war also eine Freude an diesem Montag mit – in dem wetterbedingt sehr netten April dieses Jahr – mit Temperaturen, die dieses Spanien nicht so sehr vermissen ließen (anders gesagt, wir hatten deutlich besseres Wetter in Berlin als die Balearen es zu dieser Zeit erlebt haben), viel über mallorquinischen Wein zu lernen. Sich mit all den charmanten Winzern zu unterhalten, deren Familiengeschichte zu lauschen und ihre mitgebrachten Tropfen zu verkosten.

Dabei bin ich zwei Tropfen begegnet, die ich Euch wirklich nicht vorenthalten möchte. Vor allem jenen von Euch, die gerne einmal nach einem Eiswein schielen, als Aperitif den süßen besonderen Einstieg schätzen oder einem süßen Digestif nicht abgeneigt sind, nur empfehlen kann.

Diese beiden in Berlin vorgestellten Dessertweine von Malle haben mich wirklich sehr begeistert. Das mir, die bei Wein eher trocken bevorzugt und selbst nach dem Essen wohl auch eher noch einen kühlen trockenen Cava trinken möchte.

Auf Mallorca kann man – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – keinen Eiswein produzieren. Hier lässt man hier für diesen besonderen Tropfen die Trauben länger an den Trauben hängen und erntet erst zum Ende September hin, wenn die Regenzeit beginnt. Die Trauben werden dann im Hof ausgebreitet, wo sie noch weiter unter der intensiven Sonne weiter trocknen dürfen, um ihre besonders hohe Süße auszubilden und wo man sie, sobald eine der ersten Regenhuschen die Insel heimsucht, die zu dieser Zeit nur kurz ausfallen, schnell mit einer Plane abgedeckt, um direkt danach der weiteren Sonnenkraft preisgegeben zu werden.

Der erste Dolç de Sa Vall von Vins Miguel Gelabert, ein Moscatell, der geschmacklich wirklich ganz einzigartig daher kam, mit einem Aroma von intensivem Earl Grey und mir sofort ein paar bonfortionöse Dessertideen vor dem geistigen Auge erscheinen ließ. Dieser Wein wird ohne zugefügtem Zucker bzw. Alkohol produziert und nur in den besten Weinjahren in sehr kleiner Menge produziert. Ein ganz besonderer Tropfen - interessanterweise der günstige aus deren Linie von immerhin vier Süßweinen der Gelaberts. Sehr besonderer Wein.



Der Dolç de Port – ein im Stil von Portwein aus Pinot Noir-Trauben produzierter Süßwein – darf auch empfohlen werden. Schon im Trockenstadium von Rosinen angelangte Trauben werden für ihn verwendet, der Wein reift bis zu 24 Monate in drei bis vier Jahre alten französischen Eichenfässern.

Nicht unterschlagen darf ich – aus offensichtlichen Gründen – diesen Wein:



Son Moix Blanc aus Giró Ros und Chardonnay. Der Wein von sehr ausgesuchten Trauben wird auf Hefe zehn Monate in französischen Eichenfässsern fermentiert. Ein Wein, der gut durch den Abend begleitet. Auch dieses Bodega produziert nach drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung 1985 in familiärer Tradition. Der Son Moix Blanc ist eine Schöpfung vom Junior und Önolgen Miguel Gelabert.

Alle Weine können direkt online bei Vins Miguel Gelabert bestellt werden. Oder man fährt direkt hin! Die Bodega der Gelaberts liegt in Manacor – und man kann dort auch seinen gesamten Urlaub verbringen. Einfach klimatisierte Unterkünfte mit Küche und Pool sind vorhanden.

Mallorquinische Weine, sind Weine, die an Ehrlichkeit und Intensität wirklich gar nichts vermissen lassen.


Der zweite Dessertwein in den ich mich gleichfalls verguckt habe, von der Bodegas Borday – und das hat man wahrlich nicht so oft – ist ein aus der Merlottraube geschaffener süßer Wein. Sa Rota Dulce! Tiefrot, fast schwarz, sehr intensiv im Geschmack nach Frucht wie Pflaume und Feige schmeckend. Ein Wein der noch ganz lange bei einem bleibt im Geschmack. Angebaut in einer der unfruchtbarsten Zone Mallorcas: Llucamajor. Hier wird auf sandigem Schluffboden im kalkhaltigen Untergrund angebaut, Düngung erfolgt ausschließlich organisch, um möglichst umweltfreundlich produzieren zu können!

Die Weine, die ich von der Bodegas Bordoy verkostet haben, waren allesamt besonders. Neben dem Dulce war ich besonders vom fermança Rosat angetan. Hier schmeckt man die Besonderheit der Callet, diese Traube erinnert viel an Zitrusfrüchte mit einem Hauch Harz, der Wein ist trocken – für einen spanischen Rosat erstaunlich hell in der Farbe – und gut gekühlt der richtige Sommerwein. Wer auf der Insel ist, sollte dieses Weingut besuchen – das übrigens auch für Firmenincentives, Hochzeiten oder sonstige Feierlichkeit zu mieten ist.

Die Weine der Bodegas Borday können über den Onlinehandel bestellt werden. Bestellt am Besten gleich noch die anderen Weine der Sa Rota-Reihe oder den Terra de Marès zur Probe mit – falsch machen kann man beim mallorquinischen Wein nun wirklich gar nichts!

2018-05-14

Der Garten …

Äh … Asche auf mein Haupt. Da will ich gerade über meinen Gartenzustand im Frühling 2018 bloggen, da fällt mir auf und ein, ich habe noch gar nicht das Blogpost vom Gartenzustand 2017 gepostet. Also nehmt das und glaubt ruhig an die Zeitschleife:



Ihr erinnert Euch?



Der Vorgarten hat sich in den letzten Monaten verwandelt und ich würde behaupten, ich habe ihn diese Woche formal abgeschlossen in der Gestaltung fürs Erste. Mir fehlen noch ein paar attraktive Äste, die im Wald für eine visuelle Begrenzung der Felder noch zusammen gesucht werden müssen. Oder Steine. Aber das drängt nicht.

Wenngleich man auf dem Foto nur wenig sieht, gib es zwei weiße bzw. leicht rosé-weiße Duftrosen, die in den vorderen Rondellen den Mittelpunkt bilden, umschlossen von einem weiß, rosa, blau blühendem Staudenmix aus Dreimasterblumen (weiß!), Malve, Sommermalve, Distel, Phlox, Süßkartoffel als Bodenranke und …



Links hinter dem Rondell liegt ein zweites mit einem Sommerflieder, einer Clematis, die hoffentlich schön in die Buddleja kriecht im Frühjahr, Katzenminze und einigen Sommerstauden (die zwar prima wachsen – aber erst im kommenden Jahr blühen wollen).

Das Rechteck in der Mitte beherbergt zwei Blaubartpflanzen, eine , Gräser, Jakobsleitern (drei an der Zahl, ich liebe Jakobsleitern), Hortensien, Blaubeeren, Anemonen (von denen eine nicht so will, wie sie soll) und lauter nette kleinen Stauden, die noch etwas werden wollen in den kommenden Jahren – alles vermutlich zu eng gepflanzt, fürchte ich. Aber anders kann ich's nicht. Ob die Hortensien bleiben werden im kommenden Jahr, weiß ich noch nicht. Im Grunde haben hier alle Hortensien in ihren Gärten – ich mag Hortensien, finde sie aber ein bisschen überbucht hier in der Anlage. Nun, wir werden sehen, vielleicht ziehen sie um.

Ganz hinten rechts im schwierigen Beet (schwierig weil dort der Wasserablauf vom Eingangstürdach im hiesigen Sommer gerne alles einschlammte) zögert noch eine Hortensie, eine Malve vom Balkon, die sicherlich im kommenden Jahr nach dem Rückschnitt weniger Stütze braucht und stabiler stehend wachsen und blühen wird), eine Miniaturrose (duftend) in rot namens „Lupo”, ein Leim, Bacopa, ein kriechender Storchschnabel, Sommersalbei (die einzige Pflanze, die nicht winterhart ist) und noch einiges mehr an Sommerstauden.

Die Umrandung bilden kleine Rosen und Kräuter (Lavendel, Rosmarin, Fenchenl, Minze) – jede Pflanze für einen Euro auf der Blumengnadenhofecke der Lieblingsblumenhändler erstanden. Wenn sie den Winter überleben ist's schön – falls nicht, tut's nicht ganz so doll weh und sie können im Frühling neu besetzt werden. Auf jeden Fall kann ich mit ihrer Anlage so auch schön spielen mit den Zwiebeln der Frühlingsblüher.

Sehr viele der Pflanzen (Hortensien, Malven, die Jakobsleitern u.v.m.) sind von meinem Balkon nun in die Freiheit gezogen. Und nicht wenige Pflanzen habe ich im Abverkauf kurz vor der Abblüte für kleines Geld erstanden mit der Hoffnung, sie berappeln sich im kommenden Jahr und verzaubern mich und die anderen Betrachter ordentlich. Es gibt nur sehr wenige Pflanzen, die nicht mit den lustigen Fluginsekten namens Hummel, Biene und wie sie alle heißen korrespondieren werden, das war mir wichtig. Im kommenden Frühling wird auch noch ordentlich die Bienenweide gesät. Und meine Lilienzwiebeln dürfen auch runter wandern.

Noch einmal ordentlichen Pflanzenzuwuchs hatte der Berliner Staudenmarkt im Botanischen Garten Anfang September beschert. Was die Händler dort alles an Pflanzen anbieten – von denen man wirklich noch nie etwas gehört oder gesehen hatte, alleine die Phloxstauden-Vielfalt! Da möchte man ganz viel Garten haben! (Erinnert mich bloß daran, dass ich 2018 im April nicht dort hingehe. (Zeitmaschinen-Edit: Klar war ich da, wenn auch sehr beherrscht.)



Jedenfalls ist dort hier die zweite Rose zugelaufen, „Sweet Pretty”, die in der Einfachheit der Blüten sehr edel wirkt – und so gut duftet, dass ständig um sie herum die Hummeln tanzen wollen!

Eigentlich war ja die Idee kräftig orange blühende Rosen zu pflanzen und denen sehr viel Blau im Kontrast dazu zu setzen – nun sind sie beide weiß geworden – so viel zu Plänen. (Überhaupt wäre ich der Typ Rosengarten, so viel steht fest!)

Den übrig gebliebene Rasen (so dieses verkrautete Grün überhaupt so genannt werden darf) versuche ich gerade mit etwas Dünger und Herbstsaat noch einmal etwas in Schuss zu bekommen. Ob man nun wirklich im Herbst noch einmal sät, weiß ich gar nicht. Aber ich möchte den braunen Düngestellen unser lieben Vierbeiner ein bisschen den Kampf ansagen. Außerdem brauche ich einen Unkrautstecher. Mein Projekt heißt Golfrasen, was ein bisschen verrückt ist auf dieser kleinen Fläche, aber hey: ich lerne Rasenpflege schließlich zum ersten Mal und dann fürs Leben! Da kann man ruhig ein wenig eskalieren.

2018-05-13

Der Salento feiert!

Apulien ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Immer mehr Hotels, Masserien, das eine und andere Bead & Breakfast öffnen bereits schon im Januar und offerieren warme Zimmer und ebensolches Wasser in den Duschen, wenn es draußen noch recht kalt sein kann. Zwar muss man außerhalb der Saison auf viele Tourismusangebote, die in der heißen Saison, das Land laut und übervoll scheinen lassen, verzichten. Doch noch ist man fast unter sich mit den Salentinern und es gibt durchaus Restaurants, die auch jetzt die wundervolle apulische Küche anbieten. Vor allem die reichhaltige Kultur in den Museen, die vielen Kathedralen Apuliens, die wundervollen Naturparkanlagen – sie sind außerhalb der heißen Monate mit mehr Muße deutlich angenehmer zu besuchen.



Meine Lieblingsreisezeit in den Salento ist eindeutig der Frühling!



Die Küsten sind jetzt so grün und blütenreich, dass sie an Irland erinnern.



Die Botanik in Italien erwacht nun mit voller Wucht und in das ganzjährige satte Immergrün von Feigen- und Olivenbäumen und der (jetzt im Mai längst abgeernteten) Artischockenfelder mischen sich die traumhaften Farben der jungen Pflanzenwelt. Roter Mohn tanzt unter Olivenbäumen,



gelber Jerusalem Salbei grüßt in riesigen Büschen am Straßenrand,



die Granatäpfel blühen im tiefen Orange, wilde Gerberafelder tanzen fröhlich gelb im Wind an der Küste,



der Oleander beginnt zaghaft (hier duften übrigens auch die meisten Sorten) in seinen unterschiedlichsten Farben zu blühen, wilder Fenchel leuchtet saftig hellgrün im Feld.



Die Küsten ziert echte Kamille satt in ganzen Feldern,



zwischendurch geschmückt von den Miniaturen der Orchideenvielfalt, die es im apulischen Frühling so zahlreich und einzigartig gibt. Erste Rosen überziehen den Stiefel mit ihrem Duft und mischen sich unter den Duft des Jasmins …



Und überall sprießen Kapernbüsche aus den Felswänden.



Die Sonne verführt jetzt zu wundervollen Wandertouren, sie wärmt schon sehr, vermittelt an manchen Tagen bereits die Hitze des kündenden Sommers. Hut und Sonnencreme sollten also keinesfalls fehlen im Wandergepäck.



Ab Ende April erwacht der Salento zu vollem Leben! Die von der katholischen Kirche diktierte Zeit des Fastens ist nun endgültig vorbei. Somit beginnt die Zeit der Fiestas und das Wetter lädt wieder ein nächtelang draußen zu feiern. Italien feiert jetzt auch seine Befreiung im zweiten Weltkrieg und der erste Mai gilt auch hier als Tag der Arbeit – beides sind offizielle Feiertage. Ab dem 25. April wird über den gesamten Sommer an jedem Wochenende getanzt. Die Städte laden ein, fröhliche Feste und vor allem Prozessionen feiern die Frauen – vorrangig jetzt „Sancta Maria”! Tagsüber bieten Märkte auf der Piazza regionale Produkte, die ersten Tomaten,



letzte Artischocken und die wundervolle apulische Melonengurke Carosello, eingelegte Oliven an, traditionelle Kunst kann eingekauft werden und allerlei kitschiges Klimbim! Oder die Scapece gallipolia – fritierte unentgrätete Sardinen werden mit geriebenen Brotkrumen (ohne Kruste) mit Safran und Essig in einem Fass eingelegt und so haltbar gemacht.



Am Abend wandeln sich die Städte Apuliens in eine Mischung aus Kirmes und Partylocation. Das etwas höher gelegene Castro macht am 25. April den Anfang dieser fröhlichen Zeit. Es ist der Beginn des Festivals „La Notte della Taranta”, das nun bis August durch viele Städte im Salento ziehen wird. Salentiner aller Altersklassen sind auf den Straßen, feiern laut und fröhlich und genießen den Beginn der frühen Sommerzeit!



Zum Abend hin wird aufgespielt und getanzt – apulische Lieder gesungen von lauten und kräftigen Stimmen, viel Schmelz. Nie darf dabei das Tamburin fehlen! Die Pizzica wird auf und vor den Bühnen getanzt: Wild und fröhlich, ein Tanz aus der Familie der Tarantella-Tänze. Im Ursprung ein Tanz gegen den Biss der Tarantella, den eine hart auf dem Feld arbeitende Frau ereilte. Sie griff sofort zum Tamburin, sang und tanzte solange wild bis das Gift wieder ihrem Körper entwichen war.



Heute gilt dieser Tanz in all seiner wilden Weiblichkeit als Ausdruck der Befreiung der Frauen, um sich von der Last des Alltags zu befreien. Ein rotes Kleid mit weit schwingendem Rock, getragen von den wunderschönen, aufrechten und stolzen Frauen Apuliens, gerne mit einem schwarzen Oberteil oder einer schwarzer Stola kombiniert, ist die traditionelle Uniform dieser überspringenden Weiblichkeit. Durch den gesamten Stiefel von Apulien wird die Pizzica getanzt. Auch schon mal im Meer! Wer im nächsten Urlaub im Salento mittanzen möchte (ich kann mir kaum ein sinnvolleres Hilfsmittel für die Kalorienverbrennung der großartigen Küche Apuliens vorstellen), in diesem Video werden die Tanzschritte gezeigt. „La Notte della Taranta” findet ihren großen Abschluss am 24. August in Melpignano (ca. 27 Kilometer von Lecce entfernt.)



In der beginnenden Dunkelheit und einer kurzweiligen Stille auf den Bühnen kündet ein Feuerwerk vom Höhepunkt des Festtages. Ist die letzte Rakete am Himmel zerstoben, springt auf einem Schlag die bunte Beleuchtung an, die überall in der Stadt auf hohen weißen Stahlgestellen installiert wurde und lässt den gesamten Ort für diese Nacht in purer bunter Lebensfreude leuchten.

Es gibt kein Halten mehr, der Salento ist die kommenden Monate ein einziges Fest!

2018-05-11

Ich durfe von Mittwoch zu Donnerstag …



in dieser Straße schlafen.

Keine Sorge, die Dinger blieben gänzlich unangetastet (alles muss man hier selber tun.)

Ich war in Wismar, diese kleine Stadt hat die bonfortionöse Größe eine seiner Hauptstraßen am Markplatz wirklich so zu benennen – wie auch Wismar generell bei seinen Straßennamen in der Altstadt hohes kreatives Potential (Sargmacherstraße u.v.m.) spüren lässt.



Der Stadtkern Hansestadt Wismar sieht ungefähr so aus bzw. fühlt sich so an …



… und der Marktplatz im Panorama sieht ungefähr so aus. Hinter der Wasserkunst die zwei Häuser, die kürzlich medienwirksam mehr und weniger den Feuertod fanden.



In Wismar, so schien es mir, sind die Menschen besonders nahe dran am Leben und groß in ihrer Weisheit:





Und während uns die Stadtführerin, die uns in unserer nur knapp verfügbaren Zeit mit viel Herz und ostnordischem Frohsinn viel über die Stadt und Geschichte erzählte, uns mit etwas Stolz auch in den Hinterhof der Filmkulisse der Soko Wismar geleitete, lag kurz nach dieser Location in der Straße dieser doch viel wichtigere Hinweis auf deutsche Filmkultur im Boden eingelassen – was womöglich auch erklärt, wieso die späteren Alliierten im zweiten Weltkrieg Wismar bei ihren Bombardements mit Potsdam verwechselt haben.



Ich mag dieses Wismar. Ich möchte ganz dringend wiederkommen!

2018-05-09

Von einer Reise kommen …

… und ein wunderschönes Eisbuch von meiner Wunschliste auf dem Tisch vorfinden. Ich glaube, ich mag das sehr. (Davon abgesehen, dass in diesem Buch ein Rezept ist von Vanilleeis mit zerstoßenem Daim.)



Und Shiinchen bedankt sich hiermit sehr herzlich über die tolle und reichhaltige Futterspende, die uns vorgestern ereilt hatte!

Herzlichen Dank – von uns beiden an „wirwissennichtvonwem”! Wir freuen und janz dolle!

2018-05-07

Jünstich fliegen …

Fliegen ist unökologisch. Punkt. Günstiges Fliegen (Billigflieger), das viel mehr Menschen in die Luft beruft, ist noch einmal mehr unökologischer. Auch Punkt. Das vorneweg geschickt.

Ich durfte nun im vergangenen Jahr und in diesem einige Mal in Richtung Apulien fliegen und drei Mal tat ich diese Reise mit Ryanair. Einmal mit AirBerlin und Alitalia mit Zwischenstop über Rom. „Dürfen” schreibe ich betont, weil ich wirklich sehr gerne fliege. Ich finde Start- und Landemomente wundervoll, ich mag diese Kraft, die Geschwindigkeit auf dem Rollfeld, die Magie in die Schwerelosigkeit abzuheben, das vehemente Abbremsen nach der Landung, die die physikalischen Kräfte auf meinen Körper wirken lässt. Ich habe daran großes Vergnügen.

Mittlerweile bin ich fast so etwas wie ein Ryanair-Fan geworden. Ich bin von der Effektivität der Flugabwicklung schwer beeindruckt. Hat man sich erst einmal mit deren Gepäckregeln auseinander gesetzt und sich auf diese eingelassen, ist das das Fliegen mit dieser Fluggesellschaft ein durchaus pragmatische Form der Reisemöglichkeit.

Da wird ratzfatz mit dem Boarding begonnen, kaum ist die Maschine vom Hinflug an das Gate gerollt. Während man schon (in Urlaubsländern) unten als Priority-Boarder (das sind die, die für € 6 ihren Trolley auf alle Fälle mit an Board nehmen dürfen und zuerst einsteigen dürfen in die Maschine, dafür deutlich länger in u. U. unangenehmen Witterungsverhältnissen warten müssen) in gleißender Sonne auf seinen Einstieg wartet, kann man den Passagieren beim Ausstieg zusehen kann. Hat der letzte Gast den gestrandeten Vogel verlassen, dauert es zehn Minuten Reinigung (manchmal länger, wenn die Crew wechselt) und man wird an Board getrieben. Kaum sitzt man, kommt der Rest der Fluggäste. Und zack! sind die Türen zu und die Maschine rollt wieder. Bis jetzt hatte ich mit Ryanair ein einziges Mal etwas Verspätung, weil die Maschine etwas zu spät rein gekommen war.

Ryanair hat zunehmend – auf dieser Fluglinie nach Bari – große Flugzeuge im Einsatz, die vergleichsweise die Beine nicht all zu sehr mehr abklemmen. Ja, es gibt auch kleine Maschinen, die weniger komfortabel sind. Aber für eine kurze Strecke hält man das aus.

Unterwegs gibt es ein paar Ansagen über Band von einer Frau mit heliumartiger Stimme gesprochen, Getränke werden gegen Bezahlung angereicht, schlechtes Essen ebenso, ich weiß nicht, ob jemals jemand bei Ryanair auch nur eines dieser komischen Lose erworben hat (noch wichtiger: hat jemals jemand in deren Lotterie einen der Hauptpreise gewonnen?) Meist sind die Maschinen voll und – sind viele Kinder an Bord (was auf Flügen von und nach Italien der Fall ist) auch nicht sehr leise. Das alles aber lässt sich prima ausblenden, hat man etwas Musik auf dem Ohr oder gutes Lesematerial an der Frau.

Und schwups sind die (in diesem Fall knapp zwei Stunden) Flugzeit vorbei, die Maschine landet wieder und Ryanair spielt seine urstlustige Siegesfanfare ab – und je nach Boardingmethode ist man draußen und kann die Reise fortsetzen. Fliegen mit Ryanair ist unglaublich pragmatisch. Pragmatismus kann ich gut ab!

Lange Rede: bei all meinen vorher existierenden Vorurteilen zu dieser Fluggesellschaft (und allem, was man so hörte an Negativbeispielen), bin ich mittlerweile fast so etwas wie ein Fan.