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2023-12-14

Arroz de Marisco

In diesem Spätsommer durfte ich auf Einladung von der EU geförderten Kampagne Sustainable Rice from Europe – einem Zusammenschluss europäischer Reisproduzenten aus Portugal, Italien und Frankreich, die hinsichtlich der Nachhaltigkeit im Anbau von europäischem Reis informieren – nach Portugal reisen. Übrigens, mein allererster Portugal-Besuch. Und ich war so begeistert!
Sehr oft wurde uns dort Reis serviert. Im Zusammenhang mit der Kampagne kein Wunder an sich, aber eben auch aufgrund der Vielfalt von Reisgerichten, die die portugiesische Küche hergibt. Und auch das ist überhaupt kein Wunder. Die Portugiesen gelten als das Land innerhalb Europas mit dem höchsten Reiskonsum pro Kopf, alleine 16 Kilo Reis isst jeder Portugiese im Jahr durchschnittlich. Wir Deutschen schaffen es gerade, mit einmal sechs Kilo Reis uns zu verwöhnen – immerhin mit steigender Tendenz!

Lies auch hierzu mein Post: Reis – ein europäisches Naturgut

Dabei war es interessant für mich zu erleben, wie anders in Portugal Reis zubereitet wird – als beispielsweise in Frankreich oder Italien, den anderen Kooperationsländern. (Und so ganz nebenbei: Wie unglaublich fein portugiesische Weine schmecken!)
Arroz – der saftige Tomatenreis Portugals. Er wird mit Gemüse und dann Meeresfrüchten – als Arroz de marisco – oder zusammen mit Bohnen und Wurst – als Arroz de Feijão – serviert wird. Oder in unendlich vielen anderen Varianten nur mit Gemüse, mit Huhn und Fisch, natürlich sehr gerne auch mit Bacalhau. Wird ein besonders hoher Anteil an Gewürzen, z. B. mit Cumin, zugefügt, fließen sie gerne auch in dessen Namen als Arroz de cuminho auf die Teller. Ja, Fließen. Das ist das Besondere an dem aromatischen Nationalgericht Portugals, es ist immer ein saftiger, fast flüssiger Eintopf – kurz vor der suppigen Konsistenz. Er kommt immer so flüssig auf den Teller, dass er auch noch flüssig bleibt – das italienische Äquivalent zieht nach einiger Zeit doch meist an. Ich war sehr empfänglich dafür!

Der Arroz wird im Gegensatz zum italienischen Risotto ohne Käse zubereitet. Zwischen den Körnern schwimmt soviel vom aromatischen Sud, den die Reisstärke cremig macht, dass man diesen Arroz locker löffeln kann. Auch wird das Reiskorn weicher gekocht. Und ob man das nun mag oder nicht: Auf jeden Fall hat dann das Reiskorn viel gutes Aroma der anderen Zutaten aufgenommen.
Carolino – so heißt die in Portugal auf 22.000 Hektar angebaute Reissorte, die auch hierzulande am häufigsten importiert wird. Angebaut entlang der relevanten Flüsse Portugals, wie Tejo, Mondego, Sorraia, Sado und Guadiana, gehört dieser Reis zur Japonica-Art. Es ist ein länglicheres Rundkorn, das voluminös und samtig auf dem Teller spielt. Es quillt unter Hitze mehr auf als andere Sorten. Dabei bildet das Carolino-Korn sehr viel Stärke aus und bindet so die flüssigen Reisgerichte auch ohne Käse perfekt ab. Dabei atmet er geradezu die Aromen der Zutaten und Gewürze ein. Carolino ist portugiesische Reisauthentizität.
Letzten Samstag hatte ich eine Packung frische Muscheln mitgenommen. Fenchel schlummerte im Kühlschrank (eigentlich für einen Orangen-Fenchel-Salat eingeplant), kleine Datteltomaten wollten vernascht werden, Gemüsebrühe habe ich im Glas eingekocht im Haus – und in der Gefriertruhe habe ich allermeist einen kleinen Vorrat an Gambas und Sepia. Eine kleine offene Flasche Weißwein, einen Tag zuvor im Ofenkäse verwendet, sollte auch nicht zu lange herumstehen. Appetit hatte ich sowieso – dem saftigen Reisgericht mit Meeresfrüchten, Arroz de marisco, stand also nichts im Wege.

Arroz de Marisco (meine Variante weicht vom Original ab, z. B. weil ich kein Tomatenmark verwendet habe)

Zutaten (für 2-4 Portionen)

Für die Muscheln

1 Packung Miesmuscheln
1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
1 EL Olivenöl
100 ml Weißwein

Bitte den Fond der gekochten Muscheln aufheben und später im Reis verwenden!

Für den Arroz

8 Gambas (TK, zwei für Shiina natürlich!)
5 kleine Okkupanten (TK) – Frutti di Mare aus der Tiefkühltruhe ist eine perfekte Alternative

250 Gramm Carolino Reis
80 Gramm Butter (alternativ Olivenöl)
1 Fenchelknolle, klein gewürfelt. Beim Einkauf auf viel Grün an der Knolle achten
2–3 Tomaten, große Tomaten schälen, in Stücke schneiden. Kleine Tomaten mit der Schale in kleine Stücke schneiden
2 Eschalotten, in Würfel schneiden
2 Knoblauchzehen, in Würfel schneiden
1 Chilischote – je nach Gusto mit ordentlich Schärfe, also entkernt bzw. nicht entkernt klein geschnitten
200 ml Weißwein
1 Liter Brühe (das kann Fischfond sein, das kann Gemüsebrühe sein, zur Not auch einfaches Wasser – warm sollte sie sein)

Salz
Pfeffer
Piment d’espelette (je nach Schärfewunsch eine Prise oder einen halben Teelöffel)
1 frisches Lorbeerblatt mitdünsten (schadet nie)
Saft einer halben Zitrone
Olivenöl

Wer mag und hat: Einige (nicht zu viel) Safranfäden in Wasser auflösen


Vorbereitung

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Fond für einen Arroz de Marisco zu bekommen. Man kauft Fischfond und/oder Gemüsefond (oder stellt sie selber her.) Tatsächlich kann man einen guten Fischfond sehr schnell selber – quasi nebenbei – auch mit den Muscheln produzieren. Dann bitte etwas mehr Weißwein einplanen!

Dafür schälen wir die Gambas und rösten deren Schalen vor allem auch die Köpfe (Geschmacksgarant) mit Olivenöl scharf an. Geben Zwiebeln und Knoblauch und die Muscheln hinzu. Und löschen mit ordentlich viel Weißwein ab. Den Sud der Muscheln seien wir später durch ein feines Sieb. Bitte vorsichtig durch das Sieb gießen und etwas Grund, der womöglich noch etwas Sand der Muscheln enthält, im Topf behalten.

Das ist keine Hexerei – schenkt dem Reis aber erstaunliche Geschmackskraft!


Zubereitung

Wenn ich einen Fond bereits habe, geht es etwas anders los: Die Miesmuscheln setze ich mit den im Olivenöl leicht angedünstete gewürfelten Zwiebeln und dem Knoblauch in einem Kochtopf auf, übergieße sie mit dem Weißwein und koche sie mit geschlossenem Deckel bei mittlerer Hitze, bis sich ihre Schalen geöffnet haben. Sie sollen nicht fertig gekocht sein, da sie später im Reis nochmals mit dünsten, sie sollen dann noch zart bleiben.

Also sobald sie geöffnet sind, vom Feuer nehmen, abkühlen lassen – und aus den Schalen pflücken und beiseite stellen. Natürlich kann man zur späteren Dekoration des Tellers auch welche in der Schale aufheben. Auch hier wird der Sud durch ein feines Sieb gegossen, um später damit den Reis anzugießen.

Die Gambas schälen, (oder auch nicht, wer ihre Optik mag, dann nur) den Darm entfernen – sie bleiben ganz. Die Sepia/Oktopanten (aufgetaut) in Ringe schneiden, die Köpfe auch in drei, vier Stücke schneiden – oder als Deko ganz kochen.

Das Gemüse in kleinere Würfel schneiden. Tomaten je nach Gusto mit/ohne Schale. Vom Fenchel zwei EL Würfel beiseite stellen – die gebe ich erst kurz vor dem Servieren mit dem Fenchelgrün (gehackt) zum Reis – für etwas mehr Crunch.

Die Butter zerlaufen lassen und den Reis bei hoher Hitze ordentlich anrösten. Ich röste Reis sehr gerne zuerst in Butter an – also im Levante-Stil, denn ich mag das Aroma von Butter am Reis wahnsinnig gerne. Er darf leicht braun werden.

Die gewürfelten Zwiebeln, Knoblauch, den ersten Teil vom Fenchel hinzufügen und etwas anrösten. Die Oktopus-Ringe können auch schon hinein, sie brauchen etwas mehr Zeit, bis sie zart werden. Mit dem Weißwein aufgießen und reduzieren lassen. Das Lorbeerblatt darf dazu gegeben werden. Die Safran-Fäden ebenso.

Ich koche diesen Reis übrigens mit Deckel auf dem Topf bzw. der Pfanne, damit mir die Aromen nicht abhauen, sondern im Reis bleiben.

Und nun wird immer wieder mit dem Fond aufgegossen – bis der Reis weich ist und die Oktopusringe gar sind. Kurz vor dem Ende der Kochzeit gebe ich die restlichen Fenchel-Würfel hinzu, schmecke mit Salz, Pfeffer und einer sehr guten Prise Piment d’Espelette ab. Zusammen mit den geschälten Muscheln lege ich die Gambas hinein, sie sollen lediglich von jeder Seite zwei Minuten gedünstet werden, damit sie saftig bleiben. Werden sie mit Schale verwendet, verlängert sich die Zeit auf vier Minuten pro Seite. Den Saft der halben Zitrone – je nach Säurewunsch – dazu träufeln. Ganz zum Schluss wird das Fenchel-Grün untergerührt.

Bei Bedarf nochmals Fond angießen, damit der Reis im Teller richtig fließt bzw. schwimmt. Hier im tiefen Teller serviert, mit etwas Fenchel-Grün als Deko und einem Streifen gutes Olivenöl (können die Portugiesen übrigens auch hervorragend) darüber.

2023-11-19

Crypta rupereste Madonne del Soccorso in Monopoli

Monopoli – eine weitere dieser schönen Städte in Apulien, die entlang der Küste der Adria mit ihrer Schönheit und ganz eigenem Charme um die Touristen im Valle d’Itria buhlt. Drei Urlaube durfte ich bisher hier verbringen. Anfänglich auserwählt aus purem Pragmatismus, nämlich Lage an der Nord-Süd-Tangente der Bahn und finanzierbarer Unterkunft, ist mir dieser Ort mittlerweile immer mehr ans Herz gewachsen.

Ich mag es hier, die Altstadt direkt am Hafen gelegen, mit ihrem eher niedlichen Castello und dem zu Tode fotografierten alten historischen Hafen.
Und die moderneren Stadtbereiche, mit der riesigen Piazza Vittorio Emanuele II, sie gilt als einer der größten Plätze Süditaliens, ist zu jeder Jahreszeit abendlicher Treffpunkt allen urbanen Lebens. Hier verschmelzen das Centro Storico (Altstadt) mit der Neustadt Monopolis.
Demgegenüber die Piazza Garibaldi (who else?), die im Centro Storicos Mittelpunkt allen Lebens ist – früher als Zuhause des Fisch- und Gemüsemarktes diente – heute nach einer Umgestaltung mit Einrichtung des Tourismusbüros, mit der Eisdiele, Salumeria (feinster frischer Ricotta), vielen Bars und Restaurants völlig für Touristen umgewidmet wurde.
Ich weiß nicht, wie viele Kirchen diese Stadt – alleine im Centro Storico – ihr Eigen nennt. Es sind unfassbar viele! Jemand hat auf einer kleinen Fläche der Altstadt alleine schon 17 Stück gezählt. Nicht immer sind sie als das Gotteshaus, wie man es kennt, zu erkennen. Oft sind es nur mit Kunstblumen und Grabkerzen geschmückt Altäre in den Torbögen auch allerkleinster Straßen. Verbliebene Fresken – wie dieses Fresko am Zugang zum Porto Vecchio, dem La finestra sul mare
… Madonnenbildnisse, Schreine – als Zeichen frühzeitlicher Orte des Glaubens, längst überbaut.

Oder sie sind ihrem Zweck entfremdet, zwar vor dem Verfall geschützt, restauriert, dienen aber heute nur noch kulturellen Ereignissen als Zuhause. Z. B. anlässlich des internationalen Fotofestival PHEST, das jährlich in Monopoli im Herbst stattfindet. Ist eine Bar in der Nähe, können die Stufen auch als Tisch dienen. Die Integration der sehr alten Gotteshäuser in den heutigen Alltag, sie ist vielfältig.
Und dann sind es große Kathedralen mit klang haften Namen, wie die Basilika Maria Santissima della Madia (1742-72), die mit ihren erstaunlich einfachen Fassade, in ihrem Inneren und einzigartigen Überfülle barocker Pracht alles in den Schatten stellt.
Die Santa Maria Amalfitana, die ca. 1159 von Seefahrern über eine Grotte errichtete Basilika. Die Chiesa di San Francesco d’Assisi, Chiesa di San Salvatore oder hier, die Chiesa di San Domenico …
Es gibt kaum eine Straße – zumindest in der beschriebenen Altstadt – die nicht von einem historischen religiösen Bezug Zeugnis spricht. Und das macht das Spazierengehen hier auch so spannend, egal ob man gläubig ist oder nicht. Diese Vielfalt der Kirchengeschichte Monopolis zu erfassen, manchmal überladender Prunk, der sprachlos macht ob der künstlerischen Vielfalt, manchmal bröckelnder Zerfall, der Mitleid erwachsen lässt, das ist eine spannende Aufgabe für sich bei der Entdeckung dieser einzigen Stadt (gr. mono poli).
Neben den Strandausflügen, Wanderungen entlang der Küsten, Restaurantbesuche und natürlich einem Aufenthalt am Porto Vecchio, dem kleinen historischen Hafen mit den Gozzo, den blau gestrichenen einfachen Fischerbooten. Monopoli bietet viel süditalienische Schönheit – und diese zum Glück noch ursprünglich.

Mindestens zwei unterirdische Kirchen soll es in Monopoli geben. Eine befindet sich auswärts der Stadt gelegen, die andere, Crypta rupereste Madonne del Soccorso, liegt mitten in der Altstadt.

An ihr bin ich nun drei Urlaube beinahe jedes Mal vorbeigelaufen, wenn ich von meinem Ferienapartment in Richtung Bahn ging, hatte es aber bis zu diesem Urlaub noch nie geschafft, sie zu besichtigen. Entweder weil ich außerhalb ihrer Öffnungszeiten an ihr vorüberzog – oder in Eile war, weil der gebuchte Zug nicht warten wollte.

Jedoch dieses Mal nutzte ich die Chance bei einem abendlichen Spaziergang, entrichtete einen Euro an den jugendlichen Kirchenbeisitzer für ihre weiteren Pläne der Restaurierung. Es ist oberhalb der Kirche in der Via San Domenico 73 übrigens ganz charmant, denn direkt gegenüber liegt die ebenfalls von einem Herren betreute öffentliche Bedürfnisanstalt (die Altstadt besitzt zwei davon) – man trifft sich dort mit der Nachbarschaft, abends gesellen sich die befellten frei laufenden Mitbewohner der Anwohner hinzu.
Es ist ein öffentlich-kirchliches Leben eigener Art.
Heute liegt die Crypta rupereste Madonne del Soccorso sechs Meter unterhalb des Straßenniveaus und ist über eine steile Treppe zu erreichen (nein, leider nicht barrierefrei). Tatsächlich lag sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung, das war ungefähr im 10. Jahrhundert, oberhalb eines Kanalhafens, der später von den Normannen zugeschüttet wurde. Sie ist sehr klein, misst lediglich 7,55 x 5 m und von ihrem originalen Zustand ist lediglich ihr Grundriss erhalten.

Alle ihr enthaltenen Skulpturen wurden später aus anderen, heute nicht mehr existierenden Gotteshäusern der Umgebung hierher ins kirchliche Asyl entsandt.

Einzig im Original auch hier entstandenn ist dieses Fresko der Namensgeberin, einer – natürlich jungfräulichen – Madonna mit ihrem Kind – aber auch dieses zog wohl vermutlich 500 Jahre nach ihrer Entstehung hier ein.
Über ihre historische Bedeutung findet man bedauerlicherweise viel zu wenig. Der Text zu ihr auf der offiziellen Seite von Monopoli ist, höflich formuliert, mager. Es gibt eine Erklärungstafel in ihrem Inneren, die sich formal, immerhin zweisprachig ((italienisch/englisch), hauptsächlich dem Grundriss widmet. Aber ich hatte das Glück, für einige Momente alleine in dieser Kirche zu sein, und das ist faszinierend.


Die Skulpturengruppe wird Stefano da Putignano und dem 16. Jahrhundert zugeordnet. Ursprünglich sollen sie ihr Zuhause in der Kirche S. Maria La Nova gehabt haben, die 1529 zerstört wurde. Wo genau diese Kirche ihren Standort hatte – ich konnte ihn nicht finden.
Auch das hoch über dem Eingang der Kirche hängende Relief, das zielsicher auf ihre Existenz hinweist, ist nachträglich angebracht worden. Im Saal findet sich eine steinerne Scheidewand, von zwei Säulen und einem Rundbogen getragen. Diese Wand soll der Trennung zwischen den Gläubigen (Naos) und dem Klerus (Bema) gedient haben.
Der kleine Altar, mit einer Steinfassung vom restlichen Saal abgetrennt, wirkt in Anbetracht der gerinen Cryptagröße, faszinierend niedlich und vermittelt dem kühlen, düsteren Raum etwas Freundliches. Meine subjektiven Eindrücke.
Durch Gitter abgetrennt sind eine kleine schmale frühere Zuwegung im Felsen zur Kirche und ein tiefer gelegener Bereich, heute mit Grundwasser gefüllt.
Messen werden an diesem Ort nicht mehr gehalten, er dient ausschließlich als historische Stätte – aber die Besichtigung lohnt sich wirklich, denn es ist einfach eine ganz andere Art von Kirche – und ein Beweis der reichen Vielfalt an Gotteshäusern alleine in dieser apulischen Hafenstadt.

2023-08-28

Cesenatico und das Meer

Zum Thema Meer und Fisch bietet Cesenatico deutlich mehr als nur eben die wunderschöne Adria Küste mit ihren hellen Stränden und der vielen Fischrestaurants. Alles hier scheint maritim geprägt und immerhin landet viel vom Fang der hiesigen Fischer später bei uns in Deutschland auf dem Tisch. Cesentatico ist ein wesentlicher Umschlagplatz des italienischen Fischexportes. Als Tourist kann man sich hier problemlos einen Tag lang nur der faszinierenden Geschichte, der historischen wie auch natürlich der heutigen Fischerei von Cesenatico widmen.

Ich nehme euch mit entlang der Ufer des Porto Canale Leonardesco stadteinwärts und später zur Küste zurück bzw. zum Fischmarkt, es wird uns nicht langweilig werden! Ein guter Treffpunkt ist die Piazza Spose dei Marinai am Ponente Ufer des Canale di Cesenatico. Dieser Ort wird von etwas Melancholie begleitet. Sofort fällt das von Quinto Pagliarani geschaffene bronzene Denkmal „La Ma” (von La Mama) ins Auge. Eine Mutter steht mit ihren beiden Kindern und guckt sehnsüchtig auf das Meer hinaus, ein Symbol für das Leben und Leiden in der Gemeinsamkeit mit dem Meer.

Folgt man der Mole in Richtung Meer entdeckt man die entzückenden Capanni da pesca, die pittoresken Fischerhütten aus Holz. Wir aber setzen direkt mit der den Kanal im wahrsten Sinne Wortes „querenden” Traghetto rüber an das Levante Ufer. Diese Sehenswürdigkeiten kennt ihr schon von meinem Blogpost „Cesenatico die bunte Perle der Adria.“
Beim Hafenmeister grüßt der Leuchtturm und wir laufen entlang der Viale Porto del Canale entlang in Richtung Innenstadt. Links und rechts an den Ufern des Canale ankern große und kleine Fischerboote, hier und da leuchtet aber auch schon eines der kleineren historischen Fischerboote in ihren fröhlichen Farben für die Cesenatico so bekannt ist. Linker Hand kommt man bald an der Galleria da Vinci vorbei, früher befand sich hier die Fischhalle, heute ist es eine Galerie für zeitgenössische Kunst.


Mercato del Pesce di Cesenatico
Keine 300 Meter weiter liegt die heutige moderne Fischhalle, eine charmante nicht allzu riesige Halle, die sich zum Zeitpunkt unseres Besuches zwei Fischhändler rechts und links teilen. Mir blutet ein wenig das Herz, dass ich hier nicht nach Herzenslust einkaufen kann mangels Küche und somit Kochgelegenheit: Heuschreckenkrebse, Sardellen, Mazzole, Meerbarbe und Makrele, um nur einige Sorten Fisch zu nennen, die hier als Tagesfang auf dem Eis liegen. Wenn man frischen Fisch bekommt, dann hier – der professionelle Fischerhafen mit Auktionshalle befindet sich direkt gegenüber auf der anderen Uferseite. Auf jeden Fall bekommt man hier das Sale dolce di Cervia zu einem angemessenen Preis – in den üblichen Tourismusshops Cesenaticos kann man sich über dessen Preise nur wundern.


Piazza delle Conserve

Verlässt man die Markthalle nach hinten hinaus, kommt man in einen sehr hübschen historischen Teil Cesenaticos. Klein aber delikat. Die Landwirte der Umgebung bieten hier am Vormittag täglich (außer Freitags) auf dem Gemüsemarkt ihre Produkte an. Rund um Piazza finden gerne auch Feste statt. Ein Wohlfühlort.
Aber auf der Piazza delle conserve kann man noch einen historischen Eiskeller – sechs Meter tief mit imposanten acht Metern im Durchmesser – entdecken. Heute sind sie nicht mehr in Betrieb, aber die Cesenaticer haben seit dem 16. Jahrhundert ihren Fischfang auf dem Eis des Winters – mit interessanter Technik überwintert – so frisch gehalten. Man konservierte hier den Fisch mit Schnee (aus den Hügeln). Dieser wurde gesammelt und gepresst und mit Sand und Strohgelage verhinderte man, dass das Eis schmelzen konnte. Drei dieser antiken Kühlschränke, Cesenatico hatte über 20 davon noch bis zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Betrieb, sind heute restauriert und zu bestaunen. Cesenatico hatte sich dank dieser Technik sogar politische Unabhängigkeit gesichert.


Museo della Marineria

Mit einem Schlenker zurück zum Canale sieht man nun immer mehr der kleineren Schiffe mit den bunten Segeln an den Ufern liegen. Hinter der Brücke im von Leonardo da Vinci gestalteten „Porto Canale Leonardesco” wachsen sie zu einer imposanten Flotte alter Holzboote zusammen, die ab 1. Mai bin in den Oktober hinein ihre historischen bunten Segel hissen. Die Segel sind mit Figuren ausgestaltet, denn früher schmückten die Kapitäne ihre Boote mit den Familienwappen – so konnte La Mama am Ufer immer sofort sehen, ob ihr Ehemann wieder zu ihr heimkehrt. Diese Schiffe gehören zum Freiluftteil des Museo della Marineria – in der Weihnachtszeit wird auf ihnen die als übergroße Krippe die Weihnachtsgeschichte dargestellt. Die Modelle der Schiffe tragen illustre Namen wie Trabaccolo, Bragozzo, Lancia, Topo, Battana und Paranza. Die große Trabaccolo „Giovanni Pascoli” kann man besichtigen. Unbedingt beachten sollte man die interessanten Holzauszeichnungen und Malereien der Boote. Vor allem die aufgezeichneten Augen am Bug dienten in der Symbolik als Sehwerkzeuge, die den Booten immer den Weg in den sicheren Heimathafen weisen sollten.

Queren wir die Brücke an der Via Auerlio Saffi erreichen wir linker Hand das Museo della Marineria. Der Besuch gefällt mir persönlich außerordentlich, es wird die gesamte Seefahrt- und Fischereigeschichte Cesenaticos abgebildet. Und als pensionierter Fischer begleitet uns ab jetzt Antonio und erklärt uns leidenschaftlich die maritime Geschichte Cesenaticos
Zwei historische Schiffe sind in der hohen Halle unter Segel aufgedockt.
Ein Trabaccolo, deutsch Trabakel, ein Zweimaster aus Dalmatien aus der Zeit des 17.-18. Jahrhunderts, der vorrangig in der Adria benutzt wurde und mit mindestens vier aber auch bis zu 30 Männern gesegelt wurde. Diese Schiffe waren oft mit Kanonen ausgestattet, um sich gegen Piraterie wehren zu können. Kleiner und kiellos ist das Bragozzo daneben, das mit einer kleinen Mannschaft von nur zwei Männern gesegelt werden konnte und ebenfalls für den Fischfang in der Adria verwendet wurde. Das Bragozzo ist ebenfalls ein Zweimaster mit kurzer Fock. Vorteil dieser Bootsbauweise war der geringe Tiefgang des Bootes bei einer kompakten Bootslänge von bis zu 12 Metern.

Auf zwei Ebenen erzählt dieses Museum kurzweilig von der Historie Cesenaticos im Fischfang und hält unter anderem eine ganze historische Werftausrüstung vor und diverse Utensilien, die in den vergangenen Jahrhunderten den Fischfang ermöglicht haben.
Dieses Holzgefäß ließ man zum Beispiel im Kanal am Ufern ankern und packte dort den lebendigen Fisch hinein und hielt ihn so frisch.
Geschichtsträchtige Fundstücke aus dem Meer erzählen Geschichten. Für Kinder gibt es diverse Workshops z. B. wie man Knoten bindet. Das Museum ist barrierefrei, die obere Plattform über einen Fahrstuhl zu erreichen. Ein spannender gute-Laune-Ort!

Casa Moretti

Draußen aus dem Museum laufen wir auf der anderen Seite des Ufers wieder zurück Richtung Meer. Dabei kommen wir an der Casa Moretti vorbei, das Haus des bekannten italienischen Schriftstellers Marino Moretti beherbergt heute seine Bibliothek und Manuskriptsammlung.

Jetzt ist es an der Zeit z. B. im Titon (ich möchte es immer wieder empfehlen) sich mindestens eine Pasta mit Meeresfrüchten und viel mehr dieser maritimen Köstlichkeiten zu gönnen.
Wir befinden uns weiterhin in der Via Moretti, die bunten Häuser rechts und links vom Canale gehörten früher den ansässigen Fischern. Einige Häuser sind so rücksichtsvoll restauriert worden, dass an ihrer Geschichte kein Zweifel besteht.


Die Fischindustrie in Cesenatcio

Hinter der Via Semprini beginnt das Industriegebiet der Cooperative Armatori e operatori della pesca cesenatico – dem Fischgroßmarkt Cesenaticos. Genau der Bereich in dem ich mich in meiner Ankunftsnacht noch gruselte. Aber jetzt tobt hier das Leben! Keine Spur von düsterer Verlassenheit und Krimiatmosphäre.

Größere Fischerboote liegen vor Anker und in der von außen unscheinbaren aber in ihrem Inneren sehr modernen Fischauktionshalle wird zwischen 13-14 Uhr der frische Fisch in aller Herren Länder verkauft. Auch hier gibt es kleine Fischläden und die Cesenaticer auf der Ponente Seite kaufen den frischesten Fisch ein, Möwen haben Spaß an dem einen oder anderen beim Transport in die Halle verloren gegangenen Beifang.

Wir dürfen in die Halle und sehen ein Fließband, wo der Fisch nach Arten sortiert in Kästen einläuft. Rundherum in einer Art Arena sitzen die Einkäufer, tatsächlich vorwiegend Männer, die per digitalem Buzzer sich beim Wunschpreis die Ware sichern. Über dem Büro läuft die Preisuhr. Das alles geht erstaunlich ruhig und gesittet zu, wir sind alle mächtig beeindruckt von dem Prozedere. Routiniert präsentiert der Master des Geschehens die Ware den Einkäufern und der Printer wirft nach deren Zuschlag den elektronisch erstellten Bon zur Ware.
Später wird hinter der Halle der Fisch von den Käufern in Empfang genommen bzw. per Spedition verladen. Das wirkt alles faszinierend großindustriell, es stehen riesige Trucks herum, die Ware in die Kühlcontainer laden – das hätte ich bei dem Spaziergang um den charmanten und so schmal wirkenden Kanal so nicht erwartet.
Dank Antonio, unserem Insider der Fischerei, werden wir noch auf dem großen Gelände herumgeführt und dürfen Orte besuchen in die man als betriebsfremde Person vermutlich nicht leicht Einblick erhält. So werfen wir einen kurzen Blick in eine Werft, die verführerisch nach Holz duftet. Spannend ist eine Halle, quasi das Vereinshaus, wo die Fischer ihre Netze aufbewahren und sie unbehelligt vom Wetter flicken können.
Und das Geschäft der großen Nautika-Cooperative,
die den Schiffsbesitzern von der wilden Seegang fähigen Kaffeemaschine bis hin zum Tau alles liefern kann.
Eines ist klar, nach einem solchen erlebnisreichen Tag: Wenn Cesenatico etwas kann, dann Fisch!


Cesenaticos Fisch-Events

Es gibt viele Festivitäten rund um das Jahr in Censenatico, die (nicht nur) dem Fisch und dem Kanal gewidmet sind. So zum Beispiel: Il pesce fa festa vom 01.-05. November 2023. Im Frühling das Hafenfest. Im Sommer ein Weinfestival. Alle Veranstaltungen in Cesentaico könnt Ihr der Homepage der Stadt entnehmen.

Auf jeden Fall lohnt sich auch ein Ausflug zur Winterzeit nach Cesenatico, denn die Krippe auf den Booten im historischen Hafen ist ein seltenes Schauspiel!


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Cesenatico – die bunte Perle an der Adria
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