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2017-05-29

Im Nebenhaus …

… sind in den vergangenen Wochen zwei Damen verstorben. Eine war seit einiger Zeit im Pflegeheim, in der Wohnung wohnt weiterhin ihr Ehemann. In der Wohnung ihm gegenüber ist eine andere Dame gegangen. Deren Wohnung wird heute ausgeräumt.

Ausgeräumt heißt: die Leute schmeißen ihre Sachen aus dem dritten Stock auf den Hof und Gehweg. Das ist mit Abstand einer der deprimierendsten Szenerien, die ich seit langem erlebt habe.

Und selten wurde deutlicher: Du kannst nichts mitnehmen und Deine Werte sind anderen nichts wert.

2017-04-15

Dinge aushalten …

In der Maßnahme zum Plan für Glück und Lebensfreude ist uns diese Woche eine Mitklientin abhanden gekommen. Einfach so von hier auf jetzt, Schlaganfall. 54 Jahre. Die Tochter machte sich Sorgen, dass die Mutter nicht an das Telefon ging und fuhr hin, da lag sie. Während wir sie Dienstag früh vermissten, kämpften die Ärzte noch um ihr Leben, dass dann Mittwoch doch erlosch.

Das wirft emotional um, aus vielerlei Gründen. Der Tod an sich. DIE Person an sich, ein sehr liebevoller Mensch, so klug und belesen und angenehm im Umgang. Letzten Dienstag unterhielt ich mich noch mit ihr über unseren Umgang mit der Krankheit, beide halten wir lieber den Kopf hoch solange bis es nicht mehr geht und Rückzug die einzige Möglichkeit zum Aushalten ist – aber ja niemals soll jemand in der Außenwelt erahnen können, wie es ganz tief in unserem Inneren aussieht. Die Art des Todes – in diesem unseren Umfeld stirbt man eher anders, eher selbst bestimmt. Wenn dann jemand unvermittelt fremd aus unserer Mitte geholt wird, dann wirkt das anders nach. Das ist nicht einfach, vor allem auch für die Mitklienten, die noch engeren Kontakt zu dieser Frau hatte als ich. Das ist viel Traurigkeit in diesen letzten Tagen gewesen, Leid. Das Alter, sie war so alt wie wir beinahe alle ungefähr sind, viele in den 50igern. Das rührt auf.

Aber auch gemeinsames Aus- und Durchhalten ist da. Die Verantwortlichen in der Maßnahme, die selber an den ersten Tagen mit roten Augen umher gingen und für uns besondere Stärke zeigen mussten, die uns am Folgetag – nachdem sie uns alle angerufen hatten – mit auf eine Dampferfahrt nahmen, die sehr gut tat. Wind um den Kopf hilft immer klarer zu werden! Oder die uns am Nachmittag in den Räumen Gelegenheit zu einem Gedenknachmittag gegeben hatten, zum gemeinsamen Trauern und Austauschen. Kurzfristig. Kleine Rituale, Bilder, Texte, Kerzen, Blumen, noch mal Dinge für sie tun zu können. Gemeinsam Trauern – was viele Familien gar nicht gut hinbekommen, hier war es möglich, sinnvoll … und richtig.

Heute – außer der Reihe, denn eigentlich sollten die Angestellten über dieses Ostern aufgrund der knappen Personalsituation auch einmal frei haben dürfen (und es gibt im gesamten Vereinskonstrukt immer Angebote an anderen Stellen Kontakt zu finden an solchen Feiertagen – wurde kurzfristig mit uns ein Spargelessen verabredet. Fast alle sind heute gekommen, haben Kartoffeln geputzt, Spargel geschält, den Tisch gedeckt, Suppe gekocht, gezaubert und sich gemeinsam zu ihrem Gedenken an den runden Tisch gesetzt. Ich brachte noch zwei Biskuitrollen mit, die ich gestern gebacken hatte, weil Backen mich ablenkt und mir gut tut und das Ergebnis heute uns allen gut tat zum Abschluss eines schönen Nachmittages.

Und … ich lerne, ich lerne immer mehr dazu. Denn mein Ich ist in solchen Dingen programmiert auf „lasst mich in Ruhe, ich will das alleine aushalten müssen, stemmen, im Stillen meine Wunde lecken und irgendwann wieder auftauchen”, ich bin dieses Mal mitgegangen. Zum Dampfer. Zum heutigen Treffen. Weil ich lerne, dass ich die Dinge gar nicht immer alleine aushalten muss. Und ich lerne, dass es ganz gut tut, nicht alleine auszuhalten.

Und die Frau mit der hochgradigen Angststörung, die nie U-Bahn fährt oder irgendwo hingehen mag. Sie ist mit uns allen am Donnerstag dann doch mitgekommen, U-Bahn gefahren, auf diesem Dampfer gewesen von dem sie nicht mehr herunter gekonnt hätte, hätte die Panik zugeschlagen. Auch sie hat das ausgehalten in unserer Gemeinschaft.

Am Tod ist womöglich nicht alles immer schlecht. Wenn er bewegt.

2017-01-10

Leseempfehlung

Es ist Januar, Vorsätze haben Hochsaison. Ihr Sterben ist Routine. Der Spiegel gibt ein paar – ach, so einfache – Tipps, wie man sie doch noch ein klein wenig länger ins Jahr rettet. „Wer trotz aller Selbstmotivationstricks Schwierigkeiten hat, sein Ziel umzusetzen, hat vielleicht die eigene Messlatte zu hochgelegt. Dann sollte man sein Ziel in "Mikroziele" zerlegen.


Irgendwie werde ich immer mehr Fan von Schweizer Tageszeitungen. Reinhard Sprenger ist Philosoph mit diversen Haupt- und Nebenstudienfächern und schreibt Bücher rund um Fehler, die Unternehmen gerne auch im Umgang mit ihren Mitarbeitern machen. Hier ein Samstagsinterview im Der Bund mit Sprenger in dem es um das Scheitern großer Unternehmen in der Zusammenarbeit mit oder Haltung zu ihren Mitarbeitern geht. „Ein humanes Verhalten hält sich zurück, tritt niemandem zu nahe, will niemanden peinlich berühren. Es nimmt Begriffe wie Erwachsensein wieder ernst, Eigenverantwortung, Stolz, Ehre, Würde. Unter der Perspektive des Anstands darf man den Menschen nicht als blosses Mittel betrachten. Sondern, frei nach Kant, immer auch als Zweck.” Großartiges Gespräch!

via Antje Schrupp


Szene neulich nach dem Markt am U-Bahnhof Schönleinstraße. Ein kleiner Junge, ca. fünf Jahre alt, turnte auf dem Bahnhof rum. Ich guckte dem eine Weile zu weil er wirklich hyperaktiv hin- und her sprang, immer zu nahe am Gleis und wenn er sich dort nicht in den Abgrund stürzen wollte, turnte er auf den Bänken rum. (Der neuste Trend Berliner Eltern: Kinder nicht mehr darauf aufmerksam machen wollen/müssen/können, dass auf Sitzen im öffentlichen Raum Menschen sitzen möchten ohne hinterher dreckige Klamotten zu haben.) Der Junge suchte ständig den Blick zu uns anderen Fahrgästen, er sehnte sich förmlich nach einem „Lass das, bitte!”, einem „Doch ja, ich nehme Dich wahr kleiner Mann. Alles ist gut!” Er wollte ganz einfach und verständlicherweise Aufmerksamkeit. Das Kind war äußerlich … naja … offensichtlich nicht kindgerecht ernährt. Meine innere Ampel dachte „Mutter, nimm Deinem Sohn die Cola weg. Dann wird er für sein Alter weniger speckig sein und vielleicht auch weniger hyperaktiv.” Dieser kleine Mann war fürchterlich unterfordert, nicht beachtet, dafür überfüttert. Dann dachte meine innere Ampel weiter: „Mutter? Vater? Ist dieses Kind hier alleine unterwegs oder ist da noch jemand?” Er war eindeutig zu jung, um schon alleine unterwegs zu sein. Aber es war in der Menge wirklich niemand wirklich auszumachen, der zu ihm gehören wollte. Ein paar Meter weiter weg stand eine hochondulierte Mutter auf praktischen Plateaustiefeln mit Pornoschaufeln hardcore und ebensolchem Make Up in ihr Smartphone vertieft. Tatsächlich stellte sich später meine Vermutung als richtig heraus, sie schien zu dem Kind zu gehören, wenn gleich sie das Kind nicht die Bohne interessierte. Und umgekehrt.

Kleine Anekdote (die mich sehr traurig machte, das Kind tat mir so leid), die beim Lesen des selbstkritischen Gespräches mit dem Kinderarzt Dr. Bernhard Ibach „ADHS gibt es nicht” mir wieder in den Sinn kam, er fordert: „Kindern und Jugendlichen mehr Aufmerksamkeit zu schenken”


Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Thema Tremor, Tremorursachen und Behandlungsformen. Als ich mit Ende 30 meine Diagnose essentieller Tremor bekam, gab es hierzu – generell zum Thema Tremor – sehr wenig Informationen. Gerade beim essentiellen Tremor – der gemeinhin als Begleiterscheinung des Alters gilt und deswegen niemand gerne Geld in dessen Erforschung stecken möchte – wenngleich er auch oft jüngere Menschen betrifft aus einer genetischen Disposition heraus, habe ich wenig Inhaltliches finden können. Die üblichen Behandlungsmethoden sind nach wie vor die gleichen, es sind einige wenige Medikamente hinzu gekommen. Die Leitlinie ist interessant zu lesen. Und auch wer sie nicht in Gänze lesen möchte, sollte sich diesen Absatz hinter die Öhrchen schreiben:

„Der physiologische Tremor findet sich bei jeder gesunden Normalperson. Er ist in jedem Gelenk nachweisbar, das frei oszillieren kann, und ist physikalisch als gedämpfte Oszillation zu verstehen. Der normale Fingertremor ist gerade sichtbar. Die Frequenz ist für Hände und Finger hoch (6– 20 Hz), jedoch für proximale Gelenke niedrig (< 6Hz). Der physiologische Tremor ist kein Krankheitssymptom, aber die physiologische Grundlage des verstärkten physiologischen Tremors, der durch Reflexverstärkung der gedämpften Oszillationen des physiologischen Tremors oder durch Aktivierung eines zentralen Oszillators entsteht (Elble et al. 2002).”

Kurz: eliminiert bitte den Gedanken in Euren Köpfen, Menschen, die zittern, per se unterstellen zu wollen, sie seien unsicher, schüchtern oder sonst was. Der Tremorkandidat wird hierzulande gerne als schwach angesehen. Mein Appell als Betroffene: Lasst das bitte sein! Ein Tremor – gerade der essentielle Tremor tritt gerne in Ruhe auf, wenn es einem besonders gut geht und man entspannt ist – sagt ganz wenig über die psychische Situation des Tremorinhabers aus. Aber diese psychische Ausgrenzung von anderen, die wenig Ahnung haben vom Thema, die trifft uns Patienten sehr.


Und fast zum Schluss ein ganz wichtiger Text zum menschlichen Ende: „Ganz am Ende”. Ein Text darüber wie wir sterben. Ich möchte ihn deswegen empfehlen zu lesen, weil er die Angst vor dem Sterben nehmen kann – denn er beantwortet in Angst gestellte Fragen. Denn: „Manche Forscher meinen, Menschen sind auch deswegen denkende Wesen geworden, weil wir uns lebenslang bemühen müssen, unsere Sterblichkeit zu leugnen. Das kennst du. Sterben? Betraf dich nicht. War weit weg. Der Tod, das bedeutete immer den Tod der anderen, nie deinen eigenen.”

(via Wortschnittchen)


Isabel Harman ist englische Journalistin beim „The Spectator”. Sie schreibt vorrangig zu politischen Themen und ist in Großbritannien sehr bekannt. Sie schreibt über ihre Krankheit namens Depression. Und sie schreibt einen sehr sehr klugen Satz, der genau das negiert, was alle Menschen betrifft, die zu feige sind, ihre Krankheit bei dem Namen Depression zu nennen und sich lieber hinter einem „Burnout” (keine ICD-Diagnose) als sich der ursächlichen Krankheit nicht betroffen entziehen möchte: „My job didn’t make me ill. It was just that I eventually became too sick to do it.” Und: „When my mind stopped working, I realised just how badly we treat mental health.” Eben – die Dinge nicht bei ihrem Namen nennen, einer gesellschaftlichen Akzeptanz zuliebe, ist in der Begegnung mit der Depression und ihrem Heilungsprozess kein guter Start.

(via Amanda de Cadenet)

Viel Spaß beim Lesen.

2016-12-26

Gute Weihnachten!



Ja, ich bin spät mit meinen Wünschen. Fröhliche Weihnachten mag ich dieses Jahr nicht mehr wünschen. Besinnlich auf alle Fälle – ich hoffe, Ihr hattet und habt noch ein paar wundervolle Tage.

Besinnlich waren meine Weihnachten irgendwie nicht. Die Ereignisse in der vorletzten Woche haben unerwartet hier und dort Zeit gestohlen bzw. den Zeitplan ad absurdum geführt. Man zelebriert dieses Weihnachten der Kinderzeit eben nicht mehr, man trifft sich, kocht und isst gemeinsam, unterhält sich, doch besinnt man sich?

Das Leben sehen auf einer Intensivstation stellt viele Dinge in Frage. Das was in Berlin geschehen ist, sowieso. Es ist nicht so als wäre es neu, noch nicht erlebt aber es schärft den Sinn für das schnelle Vorüber dieses einen Lebens. Von dem ich eh immer glaube, es nicht genug zu leben, spätestens seit dieser Krankheit, die gefühlt mich eh nie etwas richtig machen lässt. Aber man wird demütig, dankbar. Man hat, was man hat. An Wärme, Liebe, Zuneigung, Hoffnung – das ist was zählt und wichtig ist.



Ich möchte mich für die lieben Weihnachtswünsche bedanken! Für die Post! Für die vielen wundervollen Weihnachtsgeschenke (was hätte ich eigentlich ohne den größeren Tisch gemacht, wohin mit den vielen Päckchen?), die mich sehr froh stimmten und im Herzen freuten, ein bisschen auch sprachlos machen. Und wieder ganz demütig. Ja, ich freue mich sehr. (Leider hat Amazon hier und dort mir verschwiegen woher ein Geschenk kam.) An alle aber: ganz herzlichen Dank! Das gibt viel Kraft und Zuversicht – neben der Freude und Dankbarkeit. Und auch Tally und Shiina bedanken sich ganz herzlich für die freundlichen Futtergaben! (Ich bin doch immer sehr stolz, wenn andere Menschen meine beiden Mäuse glücklich sehen wollen.)



Am heiligen Abend war ich bei Freunden, die Künstlerin hatte einen wundervollen Tisch gedeckt.



Wir saßen am brennenden Kamin



und mästeten uns im Übermaß mit zwei Enten (hier tranchiert die Hausfrau selbst!), Kartoffeln und Klößen, einer Mousse zum Nachtisch. Ich mästete vorher den wuscheligen Hund mit einem Stück Ochsenschwanz. So einem Hund auf seiner Decke neben dem brennenden Feuer glücklich den Knochen knabbernd zuzusehen. Doch, das war dann doch besinnlich (nicht für den Ochsen). Vorab hatte ich ein ganz kleines Dominosteinekoma. Die Klöße habe ich selber gemacht, die Hausfrau wünschte sich dieses und auch wenn mich die Konsistenz noch nicht ganz überzeugte, wobei diese vermutlich völlig richtig war und wir nur verwirrt waren, weil sie nicht so wie industriell produzierte wirkten. Wie dem auch sei, der TV-Koch Rainer Sass gab mir vorher in diesem Dingens namens Internet den Tipp mit auf den Weg an den Kloßteig braune Butter (Nussbutter) zu geben und ich möchte Euch diesen Tipp zwingend weiterreichen. Denn Klöße mit Nussbutter sind geschmacklich ein kleines rundes Glück auf dem Teller!



Wir hatten Soße ohne Ende! Die Hausfrau lässt die Enten immer erst entfetten, gießt es ab und kocht nebenbei im Schnellkochtopf das Entenklein zur Brühe aus und übergießt die Enten mit dieser immer und immer wieder. So hat man am Ende sehr viel, sehr feine Soße – mit Betonung auf sehr viel Soße! Die Vögel waren sehr gut zu uns! Der Rotkohl auch, die Klöße auch! Ach … und der Kamin!

Gestern dann Gans bei der Nachbarin mit ihren Kindern, weiteren lieben Nachbarn und zwei Hunden.





Cava satt, ich steuerte den Rotkohl (der erste der Saison mit viel Liebe zubereitet, so was von ordentlich durchgezogen!) und Grünkohl dazu. Den Grünkohl habe ich dieses Jahr erstmals selber gemacht. Ich vertraute bis daher den Meinungen derer, die es wissen müssten, dass der aus dem Glas genauso gut sei (O-Ton Oma väterlicherseits, Kaltmamsell bei Osram, im späteren Verlauf ihres Küchenlebens der ewigen Küchenleistung müde), wollte es aber dieses Mal selbst für mich wissen. So kaufte ich den Kohl am Öko-Stand, wusch, blanchierte, schnitt, schmorte, verliebte mich aufs Neue in dieses grüne Kraut. Er war genau wie Omas als sie ihn noch selbst zubereitete, mehr kann ich von meinem ersten Grünkohl nicht wollen.

In diesem Jahr wieder einmal mehr begriffen, was meine Omas, meine Mama an Weihnachten immer geleistet haben mit der ganzen Organisation, den Einkäufen, den Vorbereitungen, der Küchenarbeit. Ich glaube, gerade meiner Oma haben wir mit dem Einbehalten der üblichen Traditionen am Ende ihres Lebenswomöglich viel zu viel abverlangt, weil wir gar nicht verstehen wollten, dass sie alt geworden war über die Jahre. Die Omas dieser Generation haben ja nie geklagt.

Die Todesnachricht von George Michael wirft mich seit gestern aus der Bahn. Ich dachte an ihn neulich und hatte ein komisches hellsichtiges Gefühl dabei. Die Impfung dieses Jahres 2016. Dann hörte ich, es ginge ihm wohl besser nach den letzten gesundheitlich anstrengenden Jahren, dass er wieder bereit sei, Musik zu machen und ich fühlte mich erleichtert. Ich war nie ein großer George Michael-Fan in dem Sinn, dass ich auf seine Konzerte gegangen bin, seine Musik gekauft hätte. Ich habe ein Album von ihm. Das Album, das er nach seinem Rechtsstreit gegen Sony veröffentlichte, weil ich ihn damals so mutig fand und ihn dann unterstützen wollte. Aber seine Musik hat mich mein Leben lang begleitet, meine Ratlosigkeit über diesen doch so offensichtlich schwulen Mann und Künstler, der sich gefühlt nie zu seinem Sein bekannte, dem die Zeitungen immer weibliche Liebschaften andichten wollten, was sich immer falsch anfühlte. (Also für mich, einen jungen Menschen in Berlin groß geworden, wo wir dankenswerterweise früh schon auf anerzogene homophobe Gefühle verzichten durften.) Bis ich begriffen habe, dass man sich als Mensch in einer Öffentlichkeit stehend eben nie so einfach outen darf, davon abgesehen, dass mich der private Mensch hinter einem Künstler nicht zu interessieren hat. Aber das Gefühl so lange so offensiv mit diesen Lügen zu leben – mein Begreifen wie sehr groß so ein Opfer wohl sein muss, dass es einen sensiblen Menschen wohl zerreißen muss. Die Traurigkeit so einem Menschen nicht die Hand reichen zu können, obwohl er einem so viel Schönes gegeben hat und mit stiller Verzweiflung von seinen ungesunden Süchten lesen zu müssen; obwohl man ihn unbekannterweise doch für so sehr viel klüger halten wollte. Und glücklicher im Leben. Das alles ist George Michael für mich. Ich will ihn glücklich, gesund und schaffend haben. Mit seiner unglaublichen Bühnenpräsenz, dieser eine Mann auf einer dunklen Bühne ganz alleine, der mit dem ersten Wort seiner Songs die Leute in seinen Bann ziehen konnte. Ich weiß noch, wie er bei dem Freddy Mercury-Tribute Konzert von Queen „Somebody to Love” sang und beim ersten Akkord so klar war, würde es je einen würdevollen Mercury-Nachfolger geben, dann wäre er das. Symbiotisch.

Und ich bin immer froh gewesen „Last Christmas” zu hören, ich kann das Lied zu jeder Jahreszeit hören. Es ist für mich eines der größten Liebeslieder aller Zeiten.

Ich möchte nun nicht seine Nachrufe lesen müssen. Oh bitte, lass ihn die letzten Jahre glücklich gewesen sein!

2016-12-13

Gesänge

Ich liebe „Last Christmas” übrigens. Ich kann das Lied immer hören und nie genug. Ich liebe auch das Video, dass ich schon damals so wundervoll ironisch bis sehr putzig fand, weil ich Herrn G. Michael nie als die größte Hete unter der Sonne vermutet hatte. (Das größere Rätsel für mich war damals eher, ob Andrew Ridgeley [der interessanterweise keinen einen Wikipedia-Eintrag hat, also in der deutschen Wikipedia] auch schwul war und die ein Paar waren oder nicht.)

Dieses Lied von Mariah Carey indes hätte man nie komponieren müssen, wenn Ihr mich fragt. Mariah Carey geht mir auf den Geist. Mit allem. Vor allem mit ihrer Attitüde.

Das allerschönste Weihnachtslied aber immer noch ist für mich „The Little Drummer Boy”. Aber das erzähle ich diesem Internet schon seit über zehn Jahren. Die schönste Version natürlich ist für mich die mit David Bowie und Bing Crosby … dieses Jahr singen sie wohl gemeinsam im Himmel. Für immer.

Mensch David. Nach wie vor unfassbar.

2016-11-07

Zum Heulen …

Bei Kaiser's (nur echt mit Deppenapostroph) an der Kasse stehen und zu „Dancing in the Street” von Mick Jagger und David Bowie aus dem Lautsprecher säuselnd wippen. Denken „Ach, der David Bowie …”, dann realisieren „verdammt, er ist wirklich dieses Jahr gestorben.” Sich auf einmal ganz verloren fühlen, ganz taub. Traurig. David Bowie ist tot und es ist kein Gerücht mehr.

Beim Bezahlen richtig feuchte Augen haben und nur noch weg wollen, nach dem Taschentuch greifen …

2016-07-26

Traurig

Gestern war ein trauriger Tag. Ein Mensch, einer dieser guten, so angenehmen Menschen, lange bekannt in unserer Bloggerszene, hatte für sich keine Kraft mehr aus seinem Leben die Kraft für sein Leben zu ziehen und ist gegangen. Mit einem Abschiedsbrief in seinem Blog formuliert. Meldung an die zuständige Behörde, die Suche, viele hoffnungsvolle gut gemeinte Tweets an ihn gerichtet, die er wohl längst nicht mehr lesen konnte. Mittags die traurige Gewissheit.

Zu den Tweets möchte ich später etwas schreiben. Generell zu dem, was man tun kann, begegnet man selbst der Situation nicht mehr zu können – oder begegnet man einem Menschen, der das von sich selbst sagt. Oder von dem man das unbestimmte Gefühl hat, er könne sich etwas antun. Simple praktische Tipps.

Der Text ist sehr lang. Sich vorher eine Tasse Kaffee zu holen, kann eine sinnvolle Maßnahme sein.

Suizide sind in Deutschland die häufigste nicht natürliche Todesursache. Also noch weit vor Autounfällen und Tötungsdelikten. Hierzulande sterben mehr Menschen in einem Jahr durch Selbsttötung als durch alle Verkehrsunfälle, AIDS, illegale Drogen und Gewalttaten in einem Jahr zusammen. Seit 2007 steigen hierzulande die Suizid-Zahlen wieder, aktuell liegen vom Statistischen Bundesamt die Zahlen bis zum Jahr 2013 vor. So starben 2013 10.076 Menschen durch einen Suizid ABER über 100.000 Menschen haben in dem gleichen Jahr einen Suizidversuch begangen. Wie immer bei solchen Zahlen, ja, es gibt noch eine Dunkelziffer.

Quelle: Suizidprävention Deutschland.

Suizide kündigen sich sehr oft an. Auch sehr oft sind sie vorher gar nicht spürbar für das Umfeld, nicht einmal zwingend für den Menschen, der selbst aus dem Leben scheiden wird. (Hinterher ist man meist schlauer.) In einem Moment in dem ein Mensch äußert, keine Hoffnung für sich und sein Leben zu sehen, nicht mehr zu können; vor allem einhergehend mit der Meinung, niemand könne ihm noch helfen – sollten Partner, Eltern, Freunde, Kollegen, Arbeitgeber sehr hellhörig werden. Je früher man hinhört, um so besser. Übrigens auch für einen selbst. Denn ein Suizid/Suizidversuch im eigenen sozialen Umfeld, das macht immer auch etwas mit einem selbst.

Das ist dann übrigens der Moment in dem man sich Sätze wie „Ach komm schon, ist nicht so schlimm. Jeder hat mal so dunkle Momente.” besser für sich behält. Alleine zum weiteren Aufbau des Vertrauens.

Suizidprävention ist möglich, sehr gut möglich mittlerweile – lässt man diese Menschen in ihrer Not nicht alleine. Dazu gehört zum Beispiel, dass man die Person, wenn man so ein dummes Bauchgefühl hat, direkt fragt: „Muss ich mir Sorgen machen?” (Vorzugsweise stellt man die Frage im direkten Gespräch, Mimik erzählt hier nämlich viel.) Nicht wenige Menschen, die sich selbst töten, waren zwar vorher in ärztlicher Behandlung, sind dort nicht immer ehrlich zu sich selbst gewesen. Und deswegen sollte man diese Frage nicht lapidar nebenbei (am Telefon, im Chat) stellen. Diese Frage direkt zu stellen, die Person dabei lange anzugucken und ihr lange Zeit zum Antworten geben – sind gute Hilfsmittel, um jemanden dazu zu bringen, darüber nachzudenken, wie weit er gedanklich bereits einem möglichen Suizid ist. Womöglich beantwortet er diese Frage im zweiten Anlauf viel ehrlicher. (Patienten ist oft gar nicht selbst klar, wie weit fortgeschritten sie eventuell schon sind mit ihrem Wunsch nach Ruhe.) Und „Muss ich mir Sorgen machen?” ist eine Frage, die man im Prinzip nur mit „ja” oder „nein” beantworten könnte. Das tun aber die wenigsten Personen und deswegen liegen in der meist unbewusst gegebenen längeren Antwort sehr viele Informationen für den, der zuhört. (Der dann auch zuhören sollte und nicht selber reden sollte.)

Ja, die therapeutische Situation – liegen einem möglichen Suizid psychische Erkrankungen zu Grunde – in in Deutschland leider immer noch im Status Unterversorgung. Dennoch sind die Schwellen für Therapiezugänge gerade im akuten Bedarf deutlich niedriger gestaltet worden. Man bekommt in diesem Land Hilfe, nicht immer ganz leicht; daher ist es notwendig auf sich zu achten und sich frühzeitig um sich selbst bzw. den Betroffenen zu kümmern. So oder so gilt eines: vom Depressiven wird auch immer etwas eigener Aktionismus erwartet. Das ist natürlich wahnsinnig schwer – aber eben auch genau richtig.

Krankenkassen
Die meisten Krankenkassen kennen die Notsituation in der psychiatrischen Versorgung Deutschlands. Die kennen auch die Folgekosten, die vor allem durch missglückte Suizidversuche auf sie zukommen könnten. Sie haben daher ein sehr großes Interesse jemanden rechtzeitig in die für ihn notwendige Behandlung zu bringen. Wer also nicht weiß, wohin er sich wenden soll – für sich selbst oder Angehörige – wer im akuten Stadium gar nicht die Kraft hat x-viele Therapeuten anzurufen bzw. „abzuklappern”, kann sich an seine Krankenkasse wenden. Die allermeisten großen Krankenkassen haben hier bereits gut funktionierende Notsysteme für die Patienten installiert.

Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Als ich 2013 nicht mehr konnte – ich war im Vorfeld schon selbst aktiv auf der Suche nach einem Psychiater (meine Ärztin war verstorben) bzw. Therapiesuche (die dritte Therapeutin, bei der es gerade gut aussah, bekam mitten in unseren Vorgesprächen eine Krebsdiagnose und musste neuen Patienten absagen) – man kann sich gelegentlich nicht vorstellen, wie mies es laufen kann – war ich in einem hellen Moment sehr offen zu meiner Krankenkasse. Und ich kann nur sagen, dass die sich ab diesem Moment sehr um mich gekümmert haben. Ich bin angerufen worden. Ich habe eine persönliche Ansprechpartnerin bekommen, sehr geschult. Mir sind Angebote gemacht worden, dass man für mich einen Termin bei einem Arzt machen würde (die Kassen arbeiten da mit Ärzten zusammen, damit entfällt natürlich erst mal die „freie Arztwahl”), aber die sollte in so einem Moment auch nicht Priorität haben. Ich bin auf deren Krisendienste hingewiesen worden. Kurz: ich bin nicht alleine gelassen worden.

Aber dazu gehört, wie gesagt, Offenheit und Ehrlichkeit. Man muss sich eingestehen, dass man krank ist und man muss kommunizieren, dass man Hilfe benötigt. Das ist sehr anstrengend, aber die einzige Option, die man in dieser Krankheit hat. Und an dieser Stelle solle man sich selbst es wert sein und sich nicht von möglichen gesellschaftlichen Stigmata beeinflussen lassen! Dann bekommt man in diesem Land auch Hilfe. Und in einzelnen Fällen ist an dieser Stelle die eigene Krankenkasse womöglich sogar der bessere erste Ansprechpartner als der eigene Hausarzt sein muss – oder Angehörige und Freunde sein können. Wobei es natürlich sehr gut tut, wenn die einen dabei begleiten.

Natürlich heißt das längst nicht, dass man sofort einen Therapieplatz bekommt. Aber man ist zunächst von Profis aufgefangen, wird schon mal in regelmäßigen Gesprächen und – bei Bedarf (man wird hier nicht gezwungen) medikamentös – betreut. Denn …

Schlaf
… alleine vielleicht in den ersten Tagen einer sich neu andeutenden Phase der Erkrankung oder Krise einmal ein Präparat (das nicht abhängig macht) zu sich zu nehmen, das für einen gesunden Schlaf sorgt – das kann schon die Vorzeichen gerade bei einer akuten Depression von negativ auf wieder positiv drehen. Schlaf zu bekommen, ist sowas von die halbe Miete in einer Krise!

Und das ist mittlerweile das Erste, was ich heute für mich mache, wenn ich merke, ich steuere auf eine Krise zu: ich sorge für mich in dem ich für einen guten Schlaf sorge. Und ich weiß, ich kann diese Pillen auch sofort wieder weglassen, wenn ich selbst wieder in meinen Schlafrhythmus gefunden habe. Man muss heute vor einer Abhängigkeit keine Angst haben. Wenn man die hat, beim Arzt über diese Sorgen sprechen.

Ganz wichtig: deutet jemand an, bei dem ihr das Gefühl habt, dem geht es gerade psychisch nicht gut, er habe schon ganz lange nicht geschlafen, dann fragt bitte explizit danach, was das genau heißt. Denn, wenn jemand seit über 24 Stunden und mehr nicht die Augen zumachen konnte, dann ist das der direkte Einstieg in eine suizidale Krise. Hier als Freund, Partner etc. aktiv einsteigen (und vielleicht die Arschkarte ziehen, weil der Patient das nicht möchte) und einen Arzt rufen, ist jetzt wirklich oberste Pflicht!

Das Problem ist, dass ein Schlafmangel für Prozesse im Gehirn sorgen kann, aus denen wird sich der Patient jetzt nicht mehr selbst befreien werden können. Diese chemischen Vorgänge sorgen dafür, dass der Betroffene gar keinen Schlaf mehr findet, außer halt: sein Leben zu beenden. Dann nämlich hat er endlich die absolute Ruhe nach der er sich jetzt zwangsläufig – mehr als alles andere – sehnt. Also, wenn Ihr im Zusammenhang mit dem psychischen Zustand einer Person ein ungutes Bauchgefühl habt und sie von akutem und ungewöhnlich langem Schlafmangel berichtet, ab mit dieser Person zum Arzt! Und zwar: gleich! Nicht bis morgen oder auf schönes Wetter warten. Das muss jetzt wirklich nicht gleich ein Krankenhaus, die Krisenintervention sein. Davor haben viele Patienten Angst. Gerade solche, die sich womöglich ihrer Krankheit noch nicht stellen konnten und keine Erfahrungen haben – und für die die Krisenstation eines Krankenhauses gleichbedeutend mit weißen Jacken und geschlossenen Abteilungen ist. (Ist sie übrigens nicht.) Kümmert Euch jetzt! Auch wenn Ihr nicht selbst vor Ort seid, dann sorgt dafür, dass sich andere Menschen um diese Person aktiv kümmern. (Ich wäre übrigens in dem Punkt auch nicht mehr bereit, dass den Patienten entscheiden zu lassen. Ich würde selbst handeln. Depressive möchten oft keine Umstände machen und sagen dann gerne, es würde schon gehen. Denn alles was danach kommt, ist für sie eine Belastung – sie sind aber gerade hundemüde und können gar nicht mehr für sich entscheiden. Habt das bitte im Hinterkopf.)

• Bei normalen Praxisöffnungszeiten, geht ihr mit dieser Person zum Hausarzt oder Facharzt. Ihr lasst Euch nicht wegschicken! Ihr kommuniziert am Tresen einen Notfall. Vorrangig geht es erst einmal darum, dass diese Person sehr schnell Schlaf findet. (Blümchenpillen sind da übrigens gar nicht angebracht, liebe Freunde der Naturheilkunde. Oder gar medikamentöse Testläufe. Da ist der Stoff angebracht, der binnen von zehn Minuten für lange Stunden denjenigen zu Hause flach legt.)

• Außerhalb der normalen Öffnungszeiten ruft Ihr den ärztlichen Bereitschaftsdienst, die bundesweite Rufnummer ist: 116 117. Situation schildern, dann kommt jemand und setzt eine Injektion. Der Patient ist versorgt. Das hat für die Begleitperson den Vorteil, dass sie erst einmal in Ruhe und mit Hilfe des Arztes ein weiteres Vorgehen besprechen können. Allerdings, beim ärztlichen Bereitschaftsdienst kann es u. U. sehr lange dauern, bis er vor Ort eintrifft, daher:

• Ist die Person in ihrem Handeln einen Level weiter (z. B. mit psychotischen Anzeichen), ruft ihr 112. Den Notarzt. Auch hier geht es nicht darum, dass die Person zwangsläufig von diesem eingewiesen wird. Auch er kann entscheiden, dass es u. U. jetzt nur sinnvoll ist, den Patienten schlafen zu legen. Die Fälle in einer Krise sind sehr individuell und wenn eine Selbstgefährdung durch Schlaf im Grunde schon wieder ausgeschlossen werden kann, wird niemand zwangsweise mitgenommen. Nehmt im Vorfeld dem Patienten diese Sorge. Den Rest erledigt dann der Mediziner.

• Krisenstationen der Krankenhäuser – ja, wenn alles nichts geht und die Person für sich (bei Depressionen wirklich nur sehr sehr selten auch für andere) eine Gefahr zu sein scheint, ist die Aufnahme in einer solchen Station eine sehr gute Sache. Die einzig richtige Sache. Und ich kann nur jedem raten, auch wenn man in der Krise ist, für sich selbst zu sorgen und das selbst noch zu tun. Ins Taxi setzen und hinfahren oder selbst den Notarzt rufen. Die machen dort erst einmal nicht viel mehr, als für ein gutes Gespräch zu sorgen und z. B. für eine Ruhe- also Schlafmöglichkeit. Man muss nicht immer gleich zwangsweise über Nacht dort bleiben oder aber man kann, wenn man dort einmal richtig schlafen konnte, auch am nächsten Tag wieder gehen.

Ich weiß selbst, dass man vor der Krisenstation eines Krankenhauses große Angst hat. Für mich was das als Anlaufspunkt selber immer das Letzte. Diese Angst wurde mir aber in der Tagesklinik gänzlich genommen, denn mir wurde deutlich gemacht, dass die Selbsteinweisung längst nicht bedeutet dort für lange Zeit ohne eigenen Willen „eingesperrt” zu werden. Uns wurde verdeutlicht, dass wir z. B. bei Krisen am Wochenende, wenn die Tagesklinik nicht geöffnet hatte, dorthin gehen konnten – und keine Sorge haben mussten, nicht am nächsten Montag wieder am Tagesklinikprogramm teilnehmen zu können. Es geht lediglich darum in der Krise eine Anlaufstelle zu haben und versorgt zu werden – und das ist immer noch viel besser, als am nächsten Tag gar nicht mehr da zu sein. Ich musste zum Glück bisher nicht dort hin aber ich bin sicher, dass ich – und ich kann mich da gut einschätzen mittlerweile – ab einem bestimmten Status meiner Depression mich nicht verweigern würde, sondern lieber einen Tick früher dorthin gehe.

Ich hoffe, ich konnte klar machen, wie schwerwiegend bei einem Patienten eine Krise, durch Schlafmangel ausgelöst, werden kann und ihr in dem Fall Euch um Euch bzw. um die in Eurem Umfeld betroffene Person kümmert. Jemanden Schlaf zu bringen, ist eine ganz simple Sache – in diesem Land zu jeder Tageszeit möglich – und kann ganz viel verändern. Zum Guten!


MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum)
In jeder größeren Stadt gibt es heute mittlerweile Medizinische Versorgungszentren für unterschiedliche Fachrichtungen. Sie liegen aus historischen Gründen oft in der Nähe von Krankenhäusern, längst schon aber nicht immer. Sie wurden vom Gesetzgeber eingeführt, um Krankenhäusern auch ambulante Therapien zu ermöglichen, die dort tätigen Ärzte sind Angestellte des Krankenhauses, keine Freiberufler. Üblicherweise hat ein MVZ immer zwei übergreifende fachärztliche Richtungen, also z. B. Psychiatrie und Neurologie. In der DDR war das System als Poliklinik geläufig.

Der Vorteil von einem MVZ ist, dass sie im Grunde wie eine Notaufnahme im Krankenhaus arbeiten. Die Praxen sind zur üblichen Tageszeit geöffnet im Allgemeinen (es gibt jedoch keinen nächtlichen Notdienst) und sie nehmen Patienten, vor allem Akutpatienten, immer an! Also wer gerade nicht die Kraft hat, sich langwierig einen Psychiater zu suchen, kann sich an ein MVZ wenden. Entweder bekommt man dort wirklich sehr kurzfristig einen Termin (meiner Erfahrung nach binnen einer Woche) oder man ist morgens dort direkt vor Ort und kommt mit Wartezeit noch am selben Tag dran. Psychiatrische Praxen machen das, denn Krisen vom Patienten lassen sich halt nicht planen.

Ich selbst bin nach meinem Klinikaufenthalt in das MVZ vom Urban gegangen. Das hatte für mich den Vorteil, dass die Kommunikationswege meiner ehemaligen Therapeuten kurz waren. Nachdem aber vor anderthalb Jahren der psychiatrische Bereich im MVZ aufgelöst wurde, bin ich jetzt in Mitte in einem MVZ in Behandlung. Und fühle mich dort sehr gut aufgehoben und habe mir daher gar nicht mehr einen in einer Praxis niedergelassenen Psychiater gesucht. Dieses MVZ ist an einem Krankenhaus angeschlossen – ich weiß also, dass ich im Notfall dort in deren Krisenstation gehen könnte, muss da keine geographischen Berühungsängste haben – und kann auch alle anderen Angebote aus dem therapeutischen Umfeld des Krankenhauses bei Bedarf für mich in Anspruch nehmen.

Nehmt die MVZs bitte als mögliche Lösung im Fall einer Erkrankung und Krise in Anspruch! Sie sind deutlich leichter zugänglich als manche Praxis eines niedergelassenen Psychiaters.

Telefonseelsorge
Da wende ich mich direkt an betroffene Depressive: Wenn Ihr in der Krise seid und akut gehen wollt/müsst – was immer auch okay ist aber dummerweise eben ganz schnell auch so schrecklich final sein kann  – ruft vorher bei der Telefonseelsorge an:

0800/1110111 oder 0800/1110222*

*Jetzt wäre der ideale Moment sich diese Rufnummern in seinem Handy/Smartphone zu speichern. Dann hat man sie immer bei sich.

Ärzte, Verwandte, Partner und Freunde sind in Eurer Krise nicht immer für Euch erreichbar oder können nicht immer ein offenes Ohr haben. Oder Ihr möchtet gar nicht mit denen jetzt sprechen. Ist so. Aber dieser eine Telefonanruf bei der Seelsorge, den solltet Ihr Euch immer vorher noch einmal wert sein. Aus Gründen. Nur ein Gespräch führen – das muss zu keinen anderen Konsequenzen führen, wenn ihr nicht wollt. Es ist lediglich ein Angebot, dass jeder für sich in der Krise in Anspruch nehmen sollte. Die Seelsorge hat in einer Sache eine ganz große Kompetenz: sie kann Druck von Euch nehmen. Ohne Druck kann sich Euer Leben wieder ganz anders anfühlen. Nutzt diese Möglichkeit bitte für Euch.

Übrigens kann man sich und seinen Angehörigen das Versprechen geben, das immer noch einmal zu tun im dunkelsten Fall: diesen einen Anruf zu tätigen – vor dem anderen Schritt.

Sonstiges – Persönliches
Mir persönlich haben bisher in meinen akuten Krisen zwei Sätze geholfen, die mich vor finalen letalen Entscheidungen immer gut bewahrt haben. Der eine Satz kam von meiner (mittlerweile verstorbenen) Ärztin, die mir einmal vor langer Zeit sagte:

Niemand geht aus einem Suizidversuch hervor wie vorher.”

Damit sprach sie an, dass sehr viele Suizideversuche (Ihr erinnert Euch: Suizidversuche im Jahr um die 100.000, „erfolgreiche” nur 10.000) also gar nicht glücken und man oft dann mit physischen Schäden überlebt, die einen unter Umständen ein Leben lang begleiten und es noch weniger leichter machen. Ich habe verstanden, was sie mir damit sagen wollte, denn als meine Oma sich suizidierte (sie hatte sich erhängt), wurde sie noch lebend gefunden, reanimiert und verstarb erst Stunden später im Krankenhaus. Hätte sie überlebt, wäre sie den Rest ihres Lebens Komapatientin, mindestens aber ein Pflegefall gewesen. Ob man das für sich und seine Angehörigen möchte? Diese Entscheidung trifft man aber womöglich im Falle eines Falles. Deswegen finde ich diesen Satz sehr wertvoll. (Ich weiß aus Erfahrung, dass er bei mir wirkt.)

„Nur nicht heute.”

Kommt aus der Anonymen Alkoholiker-Bewegung, las ich vor ein paar Jahren in einem Buch. Es geht dort darum als Alkoholiker, wenn man in einer schweren Stunde vor dem Glas sitzt, nicht befinden muss, dass man für immer clean bleiben muss – was in einem schwachen Moment viel zu großen Druck aufbaut, dem man womöglich nicht stand halten kann. Sondern man bittet sich – nur jetzt in diesem einen schwachen Moment – das Vorhaben auf einen anderen Tag zu verschieben. Umgesetzt: Wenn man sich umbringen muss, kann man das immer noch tun, nur eben nicht jetzt, nicht heute.

Ich kann versichern, meine Krisen fühlten sich einen Tag später deutlich leichter an. (Natürlich habe ich mittlerweile gutes Instrumentarium in die Hand bekommen, mich in solchen Momenten um mich zu kümmern. Auch ohne Medikamente.) Es ist ein wirklich kleiner ganz toller Satz mit großem Potential. Es geht lediglich darum, nicht gleich heute zu gehen. Morgen ist auch noch ein Tag zum Sterben. Nehmt diesen Satz bitte herzlich gerne für Euch mit.


Stigma: Depression
Ja. Gibt es nach wie vor in unserer Gesellschaft. Habe ich auch keine wirklich Lösung dafür und für mich schon mal gar nicht. Ist ein sehr heikles großes Thema auch für mich. Dennoch: es sollte Euch nicht davon abhalten, frühzeitig, wenigstens rechtzeitig Hilfe zu holen. Mit einem Stigma kann man jedenfalls besser leben als mit einer Depression. Das Stigma ist in den Köpfen der anderen. Die Depression in Eurem eigenen.

Das ist aber ein großes weites Thema, das hier den eh schon gesprengten Rahmen noch mehr sprengen würde. Vielleicht schreibe ich darüber ein anderes Mal. Bis dahin könnt Ihr Eure Depression auch gerne Burnout nennen. Aber holt Euch bitte Hilfe! Und holt sie Euch nicht etwa nicht aus den falschen Gründen. Es ist scheißegal, was die anderen denken. (Pardon my french.)

Tweets
Da war gestern viel Hilflosigkeit in diesem Internet mit Bekanntwerden des Blogposts bis zur traurigen Gewissheit in der sich viele Menschen an diesen einen Menschen an seinen Twitteraccount gewendet haben. Natürlich immer sehr gut gemeint. Das ist eine ganz schwierige Sache, war eine schwere Situation für uns alle, verständlich – absolut. Aber einige dieser Tweets hätten bei diesem Menschen in seiner akuten Situation so unter Druck setzen können – den er in diesem Moment absolut nicht gebrauchen kann.

Ja: Die eigenen gut gemeinten Wünsche können einen in der Krise befindlichen depressiven Menschen unter noch mehr massiven Druck setzen! Bitte seid Euch dessen immer bewusst.

Ein Mensch, der Suizid begehen möchte, der kann nicht mehr. Der ist tieftraurig und energie- und kraftlos. Der ist der felsenfesten Überzeugung, sein Leben gar nicht mehr stemmen zu können. Er braucht unbedingte Ruhe, er erträgt sich und sein Leben nicht mehr. Formuliert an solche Menschen bitte keine Forderungen!

Wenn man so einem Menschen in diesem Moment beschäftigt mit Sätzen wie „Denke doch an Deine Frau, an Deine Kinder …”, so nachvollziehbar sie und die gute Absicht dahinter sind, sie sind in dem Moment Bullshit. Wer in einer Situation steckt, in der er für sein eigenes Leben und Weiterbestehen keine Verantwortung mehr tragen kann, diesen Menschen auf sein Verantwortungsbewusstsein Dritten gegenüber hinzuweisen, heißt ihm das letzte bisschen Luft zum Atmen zu nehmen. Womöglich befindet er sich gerade in dieser Depression, weil er überzeugt ist, seinem Partner, der Verantwortung den Kindern gegenüber nie mehr gerecht werden zu können? Dieser Mensch kann gerade nicht mehr! So einen Menschen muss man dort abholen, wo er sich gerade befindet: in seiner abgrundtiefen Müdigkeit, in seiner Ausweglosigkeit.

Macht Angebote: „Ich möchte gerne mit Dir sprechen.” „Ich möchte Dich verstehen.” „Ich möchte Dich gerne sehen.” Aber formuliert um Himmels willen niemals Forderungen! Von jemanden, der nicht mehr kann, noch etwas zu verlangen – das ist ja fast Beihilfe. (Wenn es richtig mies läuft, sorgt man mit „denke an …, was soll aus … werden?” womöglich dafür, dass aus einem Suizid ein erweiterter Suizid gemacht wird und Partner, die Kinder mitgenommen werden.) Bitte, das ist ein ganz heikles Thema. Da kann man mit viel gutem Willen ganz viel kaputt machen.

Versucht die Person in ein Gespräch zu holen, macht Offerten, die dieser Person keinen Energieaufwand oder Handeln abverlangen. Es ist etwas anderes, wenn man jemandem sagt, „Ruf da jetzt an!” oder das Angebot macht: „Du kannst, wenn Du möchtest, wenn es Dir möglich ist, bei der Telefonseelsorge anrufen. Ich gebe Dir jetzt die Nummer.” Letzteres ist ein Angebot und da hat die Person immer eine Option, es für sich abzulehnen – kein Druck. Aber „denke doch an Deine Lieben”, das ist Druck. Den braucht der suizidale Patient am allerwenigsten.

Und, sorry, Hashtags mit dem Namen einer Person, die ihren Suizid angekündigt haben? Grundgütiger Himmel! Bitte nicht!

• a) siehe vorherigen Satz: damit setzt man diese Menschen unter unfassbar gewaltigen Druck. Wenn ich in einer Krise bin und ich sehe – sollte ich noch in der Lage sein, Twitter zu verfolgen (was ja passieren kann, weil soziale Medien Krisen erst auslösen können) – was glaubt Ihr, was ich mit meiner zusätzlich empfundenen Scham dann noch anderes ausrichten kann als zu gehen? Da gibt es doch dann überhaupt keinen Morgen mehr danach. Und

• b) denkt bitte in solch einem Moment an die Angehörigen.

Zum Schluss, in eigener Sache, diese Methode auf Twitter Namen in Klammern zu setzen, weil man Mitleid oder Betroffenheit ausdrücken möchte, da ist durch die Häufung der Symbolik viel Schwarz. Mich erschrickt es immer und zieht es immer herunter, wenn ich das sehe. Mir hat das gestern stellenweise – sicher bin ich da sensibler als andere, my fault – ehrlich körperliche Schmerzen verursacht. Sie signalisieren die absolute Erwartung von etwas Negativem. Das ist nicht schön.

Ich habe sehr bewusst den Namen der wundervollen Person, die uns verlassen hat, nicht genannt und bitte das auch in den Kommentaren nicht zu tun, weil die Familie um Respekt seiner Person in den öffentlichen Medien gebeten hatte.

Diese Person hatte uns früher einmal aufgefordert, die Welt gemeinsam zu einem besseren Ort zu machen. Auch diese Internetwelt.

Ich hoffe, dieses Post ist mit ein kleiner Anfang dafür und in diesem seinen Sinn. Eine kleine Hilfestellung damit Ihr künftig aufmerksam durch Euer soziales Leben gehen könnt und rechtzeitig auf Euch selbst und andere Acht geben könnt. Wenn hier auch viel verallgemeinert dargestellt wird: natürlich sind Depressionen und die jeweiligen Krisen immer individuell bis sehr individuell. Eine Krise in einer manisch-depressiven Phase bedarf u. U. andere Hilfen. Gerade Jugendliche müssen im Anfang einer Behandlung, vor allem bei Medikamentengabe und dem Auflösen des Schlafdefizits sicherlich ganz anders betreut werden als ein Erwachsener.

Aber wenn Ihr ein blödes Gefühl im Magen habt angesichts einer Person: traut Euch. Sprecht sie an. Fragt relevante Fragen. Hört zu. Werdet lieber einmal zu früh aktiv als einmal zu spät. Und alle anderen: bleibt stark!

Telefonseelsorge
Notfallnummern bei Depressionen und psychiatrischen Krisen Deutschland bundesweit, Österreich und in der Schweiz
Ärztlicher Bereitschaftsdienst
Suizidprophylaxe – Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention
Speziell für Jugendliche: Jugend.Support

2016-07-10

Die Zeit …

Nächste Woche, am 13., ist S. vier Monate tot. Am gleichen Tag ist meine Mum vor zehn Jahren gegangen.

In beiden Fällen ist noch so viel Unfassbarkeit mit im Raum. Selbst diese Größe im Erleben für das eigene Leben aus der Endlichkeit der anderen Lieben – nicht zu fassen oder zu erfassen. Eine umwerfend große Aufgabe. Ein Hinarbeiten auf die eigene Endlichkeit. Leben.

Nicht oft aber manchmal ist es doch schwer nicht am Grab meiner Mum zu weilen. Ich würde gerne auf Mallorca sein, jetzt oder im September zu ihrem Geburtstag und ein Gespräch vor Ort mit ihr führen. Einige Dinge abschließen. Für mich. Für uns. Vorrangig für mich. Es wird Zeit, es ist wie eine geschlossene Tür auf die zugehen sich nicht lohnt, weil man weiß, sie ist verschlossen. Nun denn …

Man kann sich das nie vorstellen, wie es ist ohne die Mutter zu sein. Oder ohne diese Freundin. Und dann ist man es. Was die Vorstellung kein bisschen näher rücken lässt.

Der Tod ist eine komische Sache. Eine Aufgabe. Für jede Seite.

2016-04-29

Heute wird gefeiert!



S. Asche wurde schon vor zwei Wochen der Nordsee anvertraut. Im kleinen familiären Kreis. Heute werden wir, ihre Freunde, sie noch einmal ordentlich hochleben lassen und feiern.

So ein besonderer Mensch muss nämlich gefeiert werden! Nicht betrauert. Bei Zuckerkuchen und Schnaps, wie sie es sich wünschte.

2016-04-14

Stimmt alles!



Heute wird S. ihre Asche der Nordsee übergeben, sofern das Wetter mitspielt.

Unwirklich. Das.

2016-03-29

Ne Bank



S. war begeisterte Zoogängerin. Zum Abschied wünscht sie sich anstatt Blumen Spenden für eine Bank im Zoo.

2016-03-25

Nix da mit „fröhliche Ostern”.

Kinders, heute ist der Tag an dem Jesus Christus … naja, sagen wir es mal höflich, unangenehme Bekanntschaft mit als zum Kreuz geschlagenem Holz machen musste und dann für … äh … unbestimmte Zeit erst einmal physikalisch in den Exitus abdankte.

Das macht – auch heute noch – alle Christen weltweit so traurig, dass sie heute z. B. nicht öffentlich tanzende Flashmobs etc. ausführen möchten.

Ich sag's mal so: gerade HEUTE frohe Ostern zu wünschen ist, naja, nicht der idealste Tag im Jahr an dem man das tun sollte. Wartet lieber bis Sonntag, dann erzähle ich Euch die Geschichte von den nicht verwendeten Dufölen und wie Jesus auf sein Baumwolltuch pfiff. Dann wird's auch wieder fröhlich. Okay?

Aus der Reihe: Geschichten zum Karfreitag.

2016-03-19

Gehen.

Als S. 2011 die Nachricht von ihrem Brustkrebsrezidiv erhielt, was kein echtes Rezidiv war, weil es sich um eine andere Art von Tumorgeschehen handelte, war in dieser Aussage gleichfalls die Zukunftprognose, dass es nun nicht mehr um Heilung ginge, sondern nur noch darum ginge wie lange sie noch hätte. Es gab eine Prognose von ca. drei Jahren, wenn's gut ginge. Die hatte sie – das wissen wir heute – dickschädelig und so unglaublich tapfer, wie sie war, maximal getoppt.

Sie stieg in die Behandlung ein und gönnte sich in der Zeit bis auf wenige Wochen*, in denen sie noch verreiste, keine Ruhe vor den unterschiedlichen Chemotherapien und Bestrahlungen und lebte mit sehr unterschiedlichen Nebenwirkungen von Herzinsuffizienz bis das Leben beeinträchtigenden schweren Husten. (*Stimmt gar nicht, wie mich heute ihr Ehemann erinnerte, beide sind sogar noch nach Japan gereist, da htte sie die Chemo in Kühlboxen dabei, vorab geklärt mit der Fluggesellschaft.) So hielt sie aber eine ganze Zeit die Metastasen in Schach und vor allem denen bei der zweiten Diagnose schon festgestellten Lungenmetastasen, zeigte sie derweil, wo der Hammer genau hing.

Ihre Devise war, dass sie leben wollte, jeden einzelnen Tag und während sie bei der Ersterkrankung noch im Falle eines Falles vom Schweizer Modell sprach, war hier nun, bei dieser neuen Erkrankung ein selbstbestimmtes Gehen keine Option mehr für sie. Sie wollte jeden verdammten Tag für sich. Sie lebte so von Urlaub zu Event, genoss die Feste wie sie fielen, gönnte sich Ruhe oder auch nicht – machte alles mit, was ihr seitens der Medizin so etwas wie einen Aufschub versprach. Vorrangig aber stellte sie sich dem Krankheitsverlauf sehr unbequem in den Weg und ließ einfach nicht so einfach mit sich machen, was der Herr Krebs mit seinen Mitläufern so von ihr wollte.

S. ist schuld, dass der Krebs von nun an mit seinen dritten Zähnen durchs Leben schleichen muss. Er hat sie sich an ihr einfach ausgebissen.

Als die ersten Hirnmetastasen diagnostiziert wurden, entschied sie sich für die Bestrahlung. Ungeachtet der Tatsache, dass niemand weiß, was diese Behandlung mit einem macht – denn spurenlos lässt man sich halt keine Löcher ins Hirn fräsen. S. sprach über ihre Ängste und ging dann dadurch. Eine Zeitlang sogar sehr erfolgreich. Es gab geringe mentale Ausfälle, die seitens des Ärzte als eine Folge der Behandlung – jedenfalls nicht als Ausfall hervorgerufen durch die Metastase – befundet wurden. Damit konnte und wollte sie leben. Das war ihr persönlicher Opfergang für jeden einzelnen Tag mehr auf dieser Welt.

In dem letzten Jahr hatte sie zunehmend neurologische Ausfälle, die ihr das Sehen und vor allem die Mobilität erschwerten. Erst half ein Rollator, dann der Rollstuhl; die Stürze in der Wohnung wurden häufiger. Wohnungsumbauten: Schwellenbeseitigung, eine begehbare Dusche. Ein Krankenbett in der Version „chic”! (Die Dinger sind heute nämlich ins normale Ehebett integrierbar.) Sie verbrachte mehr Zeit im Bett, sah TV und häkelte; bis auch das immer schwieriger wurde. Ihr Sprachzentrum ging langsam seine eigenen Wege. Sie die wenigen Treppen runter- und wieder hochzubekommen, war kein Kinderspiel. Die Aufenthalte in der Wohnung ohne Unterbrechungen nach draußen, von Arztbesuchen abgesehen, wurden länger

Im Sommer letzten Jahres wollte ihr Onkologe die Therapie einstellen, woraufhin sie ihm den Marsch blies und beiden befahl weiterzumachen. Während wir fürchteten, dass sie 2015 nicht überleben würde, feierte sie mit uns kurz vor Weihnachten ihren 50. Geburtstag. Ein Ereignis zu dem wirklich alle kamen, selbst mittlerweile in Australien lebende Schulfreunde und wir sie hochleben ließen. Das war ein schöner und trauriger Abend zugleich. Sie hielt brav bis Mitternacht durch, als wir alle mit erstickter Stimme „Happy Birthday” sangen. Ein Moment bei dem mir heute noch die Gänsehaut unter die Kleidung kriecht. Sie hat's genossen, ging irgendwann um ein Uhr ins Bett und war nur am nächsten Tag betrübt, dass sie irgendwann einen Filmriss hatte.

Im Dezember heiratete ihr ältester Berliner Freund und Trauzeuge und bat sie seine Trauzeugin zu sein. Zu der Hochzeit begleitete ich sie, der Rollstuhl wollte mittlerweile geschoben werden. Silvester feierten wir zusammen, da fiel ihr langsam das Essen schwer.

Vor ca. drei Wochen entschied ihr Arzt, die Therapie zu beenden. Das aktuelle CT zeigte eine Übermacht an Metastasen im Gehirn, eine besonders linkes Ding hatte sich am Hirnstamm breit gemacht. Es gab eine Prognose von einigen Tagen bis wenigen Wochen. Die Hirnstammmetastase ließ keine echte Prognose zu dem „wie?” zu. Sie hatte von nun an viel zu tun, denn die Freunde von ihr kamen, um sie zu begleiten.

In ihrer Sterbewoche, die am 5. März begann, war sie Montag und Dienstag völlig bei Bewusstsein und freute sich über jeden Besuch. Am Montag hatte sie ihr Mann A. sogar noch mal für 30 Minuten in den Rollstuhl setzen können, so dass sie mit uns Kaffee und Kirschstreuselkuchen essen konnte. Sie hat sogar ein klein wenig davon gegessen, später im Bett nochmals. Alleine das Essen fiel ihr mittlerweile sehr schwer, auch wenn das hochdosierte Cortion ihr Hunger machte. Sie mochte die Astronautennahrung trinken, die ihr A. ihr servierte. Sie wollte uns viel erzählen, auch wenn wir Deppen sie nicht mehr wirklich verstehen konnten. Aber sie hatte im Rahmen ihres Zustandes Spaß an diesen Tagen, sie freute sich sichtlich, wenn man ihr beschrieb, was die Katzen so trieben. Sie freute sich über die Freunde, die kamen und lange blieben – auch wenn sie das anstrengte. Dienstag brachte ich ihr noch selbst gemachte Rote Grütze und Vanillesauce rum. Auch darüber freute sie sich sichtlich und hatte nach ihr verlangt und eine erstaunliche Portion gegessen. Sie mochte die letzten beiden Tage, an denen sie bei Bewusstsein war, offensichtlich sehr und hat ihr Leben genossen.

Ab Mittwoch war sie eigentlich kaum noch ansprechbar. Sie schlief sehr viel und bekam sehr hohes Fieber. Erst wurde eine Lungenentzündung diagnostiziert und dementsprechend behandelt, wenn sich später auch herausstellte, dass dies ein Symptom des beginnenden Organversagens im Verlauf der Sterbephase war. Mittlerweile war zur – bereits seit Monaten aktiven – Pflege für sie die Palliativversorgung bestellt. Von nun an bekam sie ein hochdosiertes Beruhigungsmittel, das ihr die innere Unruhe und Angst vor dem Gehen nehmen sollte. Sie erhielt oral Morphin, das die nächsten Tage dann höher dosiert injiziert wurde. Da sie nun nicht mehr selbstständig essen konnte, griff ab diesem Moment ihre Patientenverfügung in der sie eine künstliche Ernährung für sich ausgeschlossen hatte. Ihr wurde ein Zugang gelegt über den sie mit Flüssigkeit auf einer geringen Infusionsgeschwindigkeit versorgt wurde, damit sie trotz der eingestellten Versorgung keinen Durst in den kommenden Tagen erleiden musste. Während der akuten Fieberphase erhielt sie etwas mehr Flüssigkeit, um sie nicht durch die Folgen des Fiebers zu quälen, dies wurde aber seitens des Arztes wieder runter geregelt, sobald das Fieber halbwegs im erträglichen Bereich lag. Und sie empfing Besuch von Freunden, wie auch in den kommenden Tagen.

Die Pflege kam mindestens drei Mal am Tag, um sie zu versorgen. Es gab einen Notdienst, den wir jederzeit rufen konnten, wenn Dinge außer der Reihe geschahen, z. B. etwaiges Krampfverhalten, damit man damit a) nicht alleine war und b) ihr sehr schnell geholfen werden konnte. Der Palliativarzt war jederzeit rund um die Uhr für sie und A. erreichbar. Die Pflege hielt jedes Mal nachdem sie vor Ort waren mit ihm Kontakt, um so beim nächsten Pflegezyklus seine Anweisungen, wie z. B. Erhöhung der Medikamente, umzusetzen. So war er – trotz physischer Abwesenheit – stets präsent, was uns viel Ruhe schenkte. Seitens des Pflegedienstes war man auch sehr bemüht, ihr jetzt nur noch die beiden Pflegerinnen zu schicken, die S. am liebsten mochte. Ansonsten war S. in der Zeit und in den Nächten liebevoll von ihrem Ehemann und ihrer Schwester versorgt. Ich versuchte so viel Zeit wie möglich auch da zu sein, um die Beiden zu unterstützen – und um bei S. zu sein, wenn die beiden es nicht konnten.

S. hatte zu ihrem Sterben eine sehr pragmatische Einstellung, die sie schon durch ihre ganze Krankheit getragen hatte: „Arschbacken zusammen kneifen und durch.” Sie wollte aber nicht alleine sterben. Das war also der Deal, sie nicht alleine zu lassen. So saßen wir da diese letzten Tage, lüfteten regelmäßig, kühlten Gesicht und Hände und beguckten ihren Brustkorb, an dem sich der Sterbeverlauf noch am ehesten abzulesen ließ. Nebenbei lief im Fernseher »Criminal Minds«. S. liebte Splattermovies und Krimiserien, so hatte sie ihre bewusste Zeit verbracht. So tat sie das auch die letzten Tage. Und wir sprachen in dieser Zeit mit ihr als wäre sie bei uns und bei Bewusstsein. Abends saßen wir bei ihr mit einem Getränk unserer Wahl (Alkohol oder auch nicht) und guckten zusammen mit ihr Krimis. Das tat immer gut so mit ihr zu sein.

Ganz selten gab sie noch – außer des geräuschvolleren Atmens – Töne von sich. Vorrangig während der Pflege, wenn sie umgelagert werden musste. Selten öffnete sie dabei die Augen, die dann aber schon verdreht waren. Das war ihr unangenehm, der Dekubitus machte nun zu schaffen – aber eine andere Lagerung hätte ihr das Atmen erschwert und das wäre vorrangig für sie unangenehmer gewesen. Es war sehr deutlich zu merken, dass sie, solange sie nicht bewegt wurde, wirklich gar keine Schmerzen hatte. Einzig das Atmen strengte sie manchmal an. Sie schlief einfach sehr viel und tief.

Am Freitag wurde ihr Atmen angestrengter. Zunehmend. Sie hatte schon seit Monaten unterstützend eine Luftversorgung im Haus, die sie über die Nase mit Sauerstoff versorgte. Diese Versorgung erhielt sie natürlich weiterhin. Freitag war an ihrem Atmen sehr deutlich zu spüren, dass sie in die finale letale Phase eingetreten war. Die Schnappatmung, die am Mittag erst jeden 16. Atemzug auftrat mit einem abschließenden Atmenaussetzer von mehren Sekunden, kam am Abend nach dem letzten Pflegeintervall mit jedem Atemzug. Bei jedem zweiten Atemzug hatte sie sehr lange Atemaussetzer, die ein wenig an unseren Nerven kratzten. Wir hielten es für sehr wahrscheinlich, dass sie den Samstag nicht mehr erleben würde.

Freitag haben wir ihr gesagt, dass ihr Vater (der nicht in Berlin wohnt und schon hochbetagt ist) nicht mehr kommen könne und sie bitte nicht auf ihr warten solle. Freitag haben wir ihr auch gesagt, dass es nun definitiv dem Ende zugeht, dass sie loslassen darf. Wir haben ihr gesagt, dass sie nun gut versorgt ist, dass wir sie nicht mehr alleine lassen würden; dass immer jemand bei ihr sein würde und sie keine Schmerzen haben würde und dass sie einfach einschlafen würde unter der medikamentösen Versorgung. Wir haben versucht, ihr die Angst zu nehmen. Diese Dinge auszusprechen, das war nicht leicht. Aber S. wollte immer und zu jeder Zeit über ihren Zustand informiert sein und dann musste wir eben für sie stark sein. Sie wurde ruhiger. Die Medikamente machten einen guten Job.

Samstag empfing sie nochmals zwei liebe Freundinnen, da atmete sie nur noch flach und ruhig. Sie öffnete wohl auch noch mal die Augen – ob sie das im Bewusstsein tat oder ob das einfach nur die Phase war in der der zusammenbrechende Kreislauf, die in der Folge mangelnde Sauerstoffversorgung des Gehirnes die Menschen noch einmal ihr Leben erleben lässt – das weiß keiner. Dies ist übrigens eine Phase in der Sterbende noch ein letztes Mal erstaunlich körperlich aktiv werden können, sich sogar wieder aufsetzen im Bett und die Beine baumeln lassen. Sie sind dann nicht mehr ansprechbar aber man soll sie um Himmelswillen das machen lassen und sie nicht in Positionen festhalten („fliegende Arme” fliegen lassen), weil sie sonst innerhalb des Sterbeprozesses auch noch mal gefangen sein könnten und er sich dann unnötig lange hinzieht, hatte mir eine Freundin, die in der Hospizbetreuung arbeitet, erklärt.

Sonntag früh zwischen sechs und sieben Uhr ist S. neben ihrem Mann ganz sanft entschlafen.

Ich durfe S. danach noch einmal besuchen und mich bei ihr bedanken und verabschieden. Mir ihr einen letzten Kaffee trinken. Sie lag ganz friedlich in ihrem Bett, die Spasmen der letzten Wochen, die ihre Körperhaltung so beeinflusst hatten, waren gänzlich verschwunden. Sie lag gemütlich da, als würde sie schlafen. Im Gesicht war sie etwas schmaler geworden über die letzten Wochen und finalen letzten Tagen, weil sie nicht mehr viel gegessen hatte. So sah sie wieder mehr aus wie die S. bevor die hohen Cortisondosen sie äußerlich sehr veränderten. Sie sah wieder richtig schön aus, so wie sie einfach war: eine sehr schöne Frau!

Ich selbst erachte es als sehr wichtig noch einmal Abschied nehmen zu können im Tod. Es ist nicht der gleiche Abschied wie im Leben. Es tut gut jemanden anzusehen, dass er nun gar keine Qualen mehr hat. Wenn man es einmal gemacht hat, ist es im Rahmen der Trauer unbeschreiblich hilfreich.

Der Arzt kam die notwendigen Formalitäten zu erledigen, damit der Haustod nicht der Polizei gemeldet werden musste. Es kam sogar noch eine ihre liebsten Pflegerinnen, um sie anzukleiden, obwohl diese gar keinen Dienst mehr hatte. Mittags wurde sie dann vom Bestatter abgeholt.

Ihr Ehemann hatte ihr ermöglicht ihre letzten Tage so leben und dann so gehen zu dürfen, wie sie es wollte. Die letztendliche Entscheidung hatte sie immer ihm überlassen, denn er musste ja mit diesem Geschehen in der Wohnung weiterleben können. Er hat das durchgezogen, hat sie gepflegt, hat sich den beruflichen und finanziellen Einschränkungen, die so eine Ganztagespflege nötig machen, ergeben. Er war für sie da, geduldig und liebevoll, auch in den Zeiten in denen die Krankheit sie veränderten und natürlich auch gemein und quengelnd sein ließen. Was ihr hinterher immer sehr leid tat. Sie tat das nie mit Absicht. Sie durfte zu Hause bleiben und gehen, sie durfte in ihrer Umgebung sein – obwohl man auch Hospize vorab besichtig hatte – sie wurde umsorgt und gepflegt. Sie durfte bei ihren Tieren bleiben. A. gab für sie sehr sehr viel. Er gab uns Freunden aber auch damit die besondere Gelegenheit, dass wir uns bei ihr zu Hause verabschieden konnten – und nicht in irgendein Krankenhaus oder Hospiz gehen mussten, was das Bild im Abschied doch auch sehr beeinträchtigt.

Ein wahnsinnig starker Akt! Ich ziehe vor A. meinen Hut!

Sie durfte so gehen. Und sie hatte – auch aufgrund ihrer Patientenverfügung – einen selbstbestimmten, schnellen und schlussendlich fast schönen Tod. Das war das, was A. und wir ihr, sie begleitend, geben konnten.

Ich habe das aufgeschrieben, um Euch da draußen zu erzählen, wie friedlich, umsorgt und schön es sein kann, wenn man jemanden zu Hause sterben lässt. Die Palliativversorgung – zumindest in den Städten – macht das heutzutage möglich. Es gehört sicherlich viel Mut dazu und Kraft. Aber was am Ende bleibt, ist das sehr schöne und tragende Gefühl, dass man der Person den Abschied so schön und gut wie möglich gemacht hat – wenn man es kann. Ich hoffe, S. macht Euch für die Zukunft Mut.

2016-03-15

Vorhin …

… war ich beim Friseur. Da wollte ich schon seit Wochen hin aber … naja, leichte Prioritätenverschiebung. Fünf Zentimeter gelassen. Mir Lob für meine Haare eingesammelt. Dann sitzt man da und überlegt, wie man wohl aussieht ohne Haare, was das mit einem macht? Hätte ich den Mut sie gleich in der Gänze abschneiden zu lassen? Für eine Echthaarperrücke?

S. hatte immer raspelkurz geschnittene Haare, ausrasiert, vorne einen Bürzel. Eine Länge, die von heute auf Sonntag wieder nachgewachsen wäre. Und trotzdem hatte sie gelitten wie ein Hund, als diese unter den zahlreichen Chemos ausfielen. Die Frau, von der ich dachte, Haare wären nie ihr Thema, hatte plötzlich ein riesengroßes Thema: ihre Haare.

Beim Blick in den Spiegel vorhin festgestellt, wie scheiße ich gerade aussehe. Ich bin mit ihrem Tod soweit im Reinen, die Vorbereitungszeit war ausreichend lang, der Tod unter den fürchterlichen Umständen ein erstaunlich guter, relativ schneller. Ich bin traurig, aber dankbar dafür, dass sie wortwörtlich entschlafen durfte. Dann guckste in den Spiegel und siehst eine einzige große Selbstlüge.

Die erste Freundin ist gegangen. Das ist eine verfluchte Hausnummer.

2016-03-10

Die Kampfmaus

An so einem Sterbebett zu sitzen, das schlaucht. Der Atmung lauschen, im Hintergrund laufen ihre Lieblingskrimis in Dauerschleife, bei jedem Atemaussetzer angstvoll auf den Brustkorb starren, ob er sich nicht doch wieder bewegen will. Noch will er. Aber der Atem geht jetzt schnell, setzt eben auch aus. Die Pflege spricht von der finalen Phase, rät der Schwester bis Sonntag zu bleiben. Aber letztendlich weiß man es nicht.

Sterben kannste zu Hause vor allem eines: nicht in Ruhe! Ständig klingelt es an der Tür, weil die Pflege, der Sauerstoffdienst, der Pallitativarzt, die Pflege, der Ergotherapeut, die Apotheke, eine Freundin, die Pflege, (DHL-Bote), nochmal die Apotheke, die Pflege klingelt. Die akute Krise heute früh – gestorben wird, verdammte Hacke noch mal, an der Hirnstammmetastase und nicht an an einer schnöden Lungenentzündung, da haben wir auch unseren Stolz! – nochmal mit Antibiose und Fiebersenkern abgewendet. Und vor allem Flüssigkeit. Keine Ernährung mehr, so will es ihr Wille. Der geschieht.

Heute Abend dann gemütliches Beisammensein mit Morphium (sie), Fun-Jever (er), Jever (Schwester), Prosecco (ich). Jedem seine Drogen. Friedlich. Dem Aquarium zusehen. Die Katzen niedlich finden. Dumme Sprüche reißen. Tropfen der Infusion zählen. Ihren Atem hören.

Bleibt es so wie jetzt, fühlt es sich fast gut an im Schlimmen. Das Morphin belügt uns frech ins Gesicht und behauptet, es ginge ihr da, wo sie jetzt ist und so schnell atmet, halbwegs gut.

Na dann …

2016-03-07

Gestern …

… habe ich Kirschstreusel gebacken. Tiefgefrorene Sauerkirschen, selbst entsteint. Dann haben wir mit meiner Freundin, ihrem Mann, ihrer Schwester und ihr und den beiden Katzen Kuchen gegessen. Wir konnten sie sogar noch mal für 20 Minuten in den Rollstuhl setzen. Das wird nicht mehr oft gehen. Sie hat ein ganz kleines bisschen Kirschkuchen gegessen, später im Bett noch einmal. Winzig kleine Portionen. Wir haben Späßchen gemacht über meine Kirschentkernkompetenz. (Kompetenz ist im Zusammenhang mit dem Kirschentkerner und mir vielleicht nicht das richtig Wort.)

Sie ist noch ganz klar, hinter all dem was ihr Körper ihr nicht mehr erlaubt zu tun, das merkt man. Sie kann nicht mehr kommunizieren. Da ist eine ganz leise Sprache mit kaum verständlich gesprochenen Worten, manchmal kann ihr Mann sie noch verstehen. Oft nicht. Also müssen wir ständig fragen und die Zeichen erahnen, selbst ein Nicken ist nur noch angedeutet. Manchmal werden ihre Augen feucht.

Sie ist noch wach und bei uns. Wohl nur noch wenige Stunden in ihrem Leben. Das sind die schönen Stunden im Abschied, die bleiben werden.

Sie sieht uns, ihre Freunde, nun alle kommen, so konzentriert und sie kann natürlich 1 + 1 zusammen zählen. Ich wünsche ihr so sehr, dass sie loslassen kann.

2016-01-12

Immer, wenn ich lese …

„starb friedlich im Kreis seiner/ihrer Familie”, frage ich mich, ob das der/die Verstorbene das wohl genauso empfunden hat und so formulieren könnte?

2016-01-11

David Bowie †

Ich denke zurück und erinnere mich an all die Zeiten in meinem Leben in denen mich die Musik von David Bowie begleitet und beeinflusst hatte. Ohne ihn wäre da wohl an vielen Stellen ein großes schwarzes Loch.

David, danke für so viel Entertainment auf so vielen Ebenen!

2015-12-29

Der Lemmy †

… ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Lemmy Kilmster Samstag die Diagnose „Krebs im Endstatium” vernommen hat, daraufhin in die nächste Bar gegangen ist und sich konsequent zwei Nächte höchstpersönlich selbst in den Tod gesoffen hat. Na, 'nen bisschen gevögelt hat er wohl auch noch mal.

Schönes Interview mit ihm von 2010. Ich hätte ihn wirklich zu gerne Abbas „Fernando” singen gehört.

2015-11-12

Tally …



… die kleine verwaiste Adoptivkatzenmutti von Nishia ist bezaubernd und genießt die alleinige Aufmerksamkeit. (Mir war immer klar, sie würde sehr viel weniger wegen eines früheren Wegganges von Nishi leiden als umgekehrt. Für Nishi war Tally immer ihre Göttin, die Mama halt.) Natürlich war eher zu erwarten, dass Tally vor Nishi gehen muss und ich hatte davor, ehrlich gesagt, immer etwas Angst. Nun ist es anders gekommen. Das einzig Gute an der Sache.

Tally entdeckt neue Spielwelten, sie versteckt sich plötzlich gerne! Hier unter einem Proberock, den ich im Rahmen des VHS-Rockkonstruktionskurses nähte. Nach den letzten Wochen durfte ich alles noch mal neu abmessen und zeichnen, Katzensorgen haben gute drei Zentimeter im körperlichen Umfang gekostet. Eine echte Scheißdiät! (Pardon my french!)