2023-04-21

Casa Museo Remo Brindisi in Lido di Spina

Von Ravenna aus sollte man unbedingt Comacchio (Provinz Ferrara) besuchen, das ca. 40 Kilometer an der Küste entlang entfernt liegt. Entlang der Küstenroute folgt nach Bellocchio der Strand Lido die Spina – in dessen Hintergrund sich ein kleiner gleichnamiger Ferienort entwickelt hat, der im Oktober, da die Besitzer wieder in ihren Alltag nach Mailand oder Rom zurück gekehrt sind, etwas verschlafen wirkt. Aber hier wartet ein echtes Juwel auf an Kunst interessierte Menschen!

Der Maler, Bildhauer und Kunstsammler Remo Brindisi (1918-1996)
hatte sich hier einst seinen persönlichen Traum erfüllt und in seiner – nach seinen Ideen gebauten – Sommerresidenz ein Atelier und Kunstmuseum eingerichtet.
Es ist nun nach seinem Tod als Museum für zeitgenössische Kunst als Casa Museo Remo Brindisi für die Allgemeinheit geöffnet. Für dieses Geschenk an die Gemeinde durfte Remo Brindisi im Garten seines Traumhauses beerdigt werden.

Dieses 1970-1973 vom Architekten Nanda Vigo im Bauhaus-Stil gebautes Haus ist schon Kunst für sich. Außen geschachtelter Kubus. Die Innenarchitektur des Hauses, alleine das weiß gekachelte von den im Kreis führenden das Foyer beherrschenden Treppen mit der zentralen Sitzinsel, ist beeindruckend. Viele Wände in diesem Haus sind rund gestaltet.
Alles an diesen Haus und was in diesem Haus steht und hängt, ist Kunst.
Sie wird immer wieder im Wechsel gezeigt. Man kann es in Anbetracht der Vielfalt kaum glauben, tatsächlich wird hier lediglich die Hälfte seiner über 2000 Kunstobjekte fassenden Sammlung präsentiert. So begegnet man den Originalen von Chagall, Modigliani, Picasso
Dali, Fontana, Moranid und Boccioni in einem Wohnumfeld, das atmosphärisch für sich einzigartig wirkt. Andy Wahrhol ist in der illustren Runde genauso vertreten wie ein Max Ernst. Brindisi schwärmte vor allem für die Mailänder Kunst der 70iger Jahre, wo er nach seinem Einsatz als Soldat hingezogen war und sich als Künstler etablierte.
Er selber kreierte vor allem abstrakte Kunst – diese große Sammlung schaffte er übrigens vor allem im Tausch seiner eigenen Skulpturen bzw. Zeichnungen.

Die Menge, Vielfalt an Kunst im ehemaligen Wohnumfeld des Maestro Brindisi, das größtenteils unverändert geblieben ist nach seinem Tod, hat mich extrem beeindruckt. In seinem Atelier warten die Pinsel auf seine Rückkehr und das Geschirr in der offenen kleinen Küche möchte auch wieder benutzt werden, dient sich solange als Ausstellungsort an,
wie auch sein Schlafzimmer.
Der Ausflug in dieses Museum war eine unerwartete Bereicherung für mich. Architektonisch ein Ausflug in die Moderne des letztes Jahrhunderts, künstlerisch mit einer großzügigen Vielfältigkeit, die ihresgleichen sucht. Wie die Liebe und Leidenschaft zu etwas von einer einzigen Person noch so viele Jahre später andere Menschen einfach glücklich macht!
Casa Museo Remo Brindisi
Via Nicolò Pisano, 51
44029 Lido di Spina FE
web:Remo Brindisi

2023-04-20

Let's face the truth!

Benjamin von Stuckrad-Barre hat ein Buch geschrieben, einen Roman namens „Noch wach?”, und wie es die Welt der Publizisten will, geht das gerade bei ihm nicht ohne sehr viel Presse und Meinung vorher ab. Tatsächlich aber hatte der Verlag im Vorfeld das Werk nur sehr wenigen Medien zur Rezension überlassen worden, um nicht ggf. juristisch gezwungen vorab die gedruckten Werke schwärzen zu müssen, weil sie zu nahe an der Wahrheit liegen könnten.

Worum geht's? Im Roman werden lt. Rezensionen die Machenschaften in einer großen Chefredaktion beschrieben. Überhebliche Männer, Seilschaften von Kerlen im Amt, Koks, Nutten und wohl auch Nötigung von Frauen im Beruf. Benjamin von Stuckrad-Barre spricht von Fiktion. Ehemalige Chefs und Redaktionsmitglieder (männliche) im Springer Verlag lassen sein Werk anwaltlich prüfen. Im Grunde wird hier vermutlich nichts Neues erzählt werden als das, was seit Jahren durch die #MeToo-Debatte öffentlich wurde, als Realität von niemanden wirklich angezweifelt wurde. Und deutlich zu lange als gegeben hingenommen wurde.

Der Autor hat bekanntlich viele Jahre freiberuflich für die spannendsten deutschen Redaktionen geschrieben (taz, Stern, Rolling Stone) und als Gag-Autor für die Harald Schmidt Show gearbeitet. Polarisierte von Anfang an als gehyptes schreibendes Talent mit großer Liebe zur Öffentlichkeit und hatte später seine persönliche Kokain-Sucht zugegeben, öffentlich thematisiert und bereits niedergeschrieben. Er ist einer von außen, der in der Clique der bekannten Springer Verlag-/Bild Redaktion-Fratzen wohl gelitten war und dem man somit Insider-Wissen wohl unterstellen darf. Er war jung, talentiert, erfolgreich und hat das Spiel Sex, Drugs und Rock 'n Roll mitgespielt, bis er ausgebrannt war. Und für sich die Reißleine gezogen hatte.

Vor diesem Insider-Wissen haben nun bestimmte Herren Angst. So prüfen derzeit die Anwälte von z. B. Julian Springer, sorry, Reichelt (und vermutlich auch Mathias Springer, ups, Döpfner), wie von Reichelts Anwalt bestätigt, sein neues Werk auf zu große literarische Nähe zu ihrem Mandanten. Diese peinliche Blöße muss man sich auch erst einmal geben. Nichts anderes ist man von Reichelt gewohnt.

Nun regt sich das Internet auf, respektive regen sich vor allem Frauen im Internet auf, weil sie dem Autor vorwerfen, er würde sich ihr Thema #MeToo zu eigen machen. Ich finde das nachvollziehbar wie auch schwierig, denn wir können uns sehr sicher sein: Hier geht es um noch so viel mehr als alleine um den Missbrauch von Frauen im Job. Der Machtmissbrauch dieser Männer geht darüber weit hinaus. Haben wir im Fall Döpfner letzte Woche doch erst mitbekommen. Dass seine SMSe passend eine Woche vor Erscheinen dieses Romans geleakt worden sind, gehört eben auch zum Spiel namens Macht. Haben halt jetzt andere die Fäden gezogen.

Lesen wir das Buch doch bitte erst einmal, setzen wir nicht auf Klappentexte und Rezensionen, bevor wir uns über Inhalte aufregen – die wir noch gar nicht kennen können zum allergrößten Teil. Immerhin ist das Buch seit gestern überhaupt im Handel erhältlich. Ich mag diese verfrühte Aufregung nicht, wenn klar ist, dass die allerwenigsten Personen den Inhalt dieses Romans wirklich kennen können.

Und: Ja! Dieses Buch, wollen wir unterstellen, dass es tatsächlich weniger fiktiv ist, als es dem Autor in der Berichterstattung vorab unterstellt wird, kann tatsächlich leider nur ein Mann schreiben. Es tut mir wahnsinnig leid, Frauen können dieses Buch gar nicht schreiben, weil sie in der erlauchten Runde dieser Redaktionen und Geschäftsführungen tatsächlich nur als Verbrauchsobjekte anerkannt waren. Frauen haben hier nie ernsthaft mitgespielt. (Die, die etwas mitbekommen haben, haben sehr sicher Verschwiegenheitserklärungen im Arbeitsvertrag unterzeichnet.)

Alles andere würde auch eher wundern, die verkokste toxische Männlichkeit hätte Frauen in dieser Runde nie Macht eingeräumt. Da braucht es einfach jemanden, der in dieser Runde als Mensch mit Talent aber vor allem Fehlern, hier also jugendlicher Leichtsinn, Sucht nach Öffentlichkeit, falscher Liebe und Drogenkonsum bis zur Abhängigkeit wohlgelitten war. Der auf der anderen Seite miterlebt hat. Selbst Friede Springers einziger aktiver Beitrag war wegzugucken.

Von Stuckrad-Barre jetzt vorzuwerfen, dass er diesen Part übernimmt, als jemand, der in der deutschen Öffentlichkeit aufgrund seines Standing nicht mehr von den Mächtigen weg zu redigieren ist, trifft den Falschen. Schließlich kann er sein Thema aus der Sicht eines Mitspielers, der nahe genug dran war, erzählen. Die (peinliche) Offenheit solcher Männer unter Männern ist einfach die größere, man gönnt sich alle Peinlichkeiten – die man sich Frauen gegenüber nie leisten würde.

Machen wir uns nichts vor, Bücher von Opfern müssen immer auch ein Stück weit anklagen, machen wenig Spaß zu lesen – werden Aufmerksamkeit dieser Art nie erhalten können. Deren Bücher werden auch nie von denjenigen gelesen werden, denen man die Übergriffe vorwirft und sogar beweisen kann. Für diese Art – aus deren Sicht – Trivialliterataur hat man schließlich seine Anwälte. Die blendet man aus.

Aber Benjamin Stuckrad-Barre blendet man nicht mehr aus in diesem Land. Er hat sich schon so oft so nackig gemacht hinsichtlich seiner Fehler, Probleme, Süchte: er hat sich damit absolute Glaubwürdigkeit erarbeitet. Dieses Buch einen Roman zu nennen, ist seiner Genialität geschuldet. Ein Roman dieses Inhalts von Benjamin Stuckrad-Barre können wir sehr sicher sein, dass die Reichelts, Döpfners und Porchardts, sorry, Springers dieser deutschen Redaktionszunft seinen Roman lesen werden respektive schon gelesen haben werden. Falls sie überhaupt noch lesen können, vielleicht hören sie auch nur das Hörbuch. Vielleicht kapiert der eine oder andere von ihnen, was für elendige Mistmaden sie im Grunde bloß sind. (Glaube ich nicht daran.) Vielleicht lernen daraus künftige Chefredakteure, was man tunlichst nicht macht: Nämlich Macht missbrauchen oder sich von Macht missbrauchen zu lassen, was ja kein reines Frauenthema nur ist.

Vielleicht wacht nach der Lektüre endlich das Umfeld auf, dass solches Verhalten ausschließlich toleriert hatte.

Friede Springer, Sie meine ich!

2023-04-17

A-ha The Movie

Frühlingsputz. Ausmisterei. Schweren Herzens. Verstanden in diverse Kleidung nicht mehr zu passen und so sortiere ich sie endlich aus. Das ist verbunden mit viel Leid, weil man bei jeder Berührung eines dieser Kleidungsstücke weiß, da ist zum einen Geschichte mit verbunden und zum anderen wird es solche Kleidung in der Stoffqualität kaum noch zu finden sein.

Das ist natürlich zwangsläufig in der letzten Woche viel Gewasche und auch hier und da etwas Gebügele gewesen. Beim Bügeln habe ich nebenbei den Film über A-ha (A-ha, The Movie, 2022) laufen lassen, der gerade in der arte-Mediathek rumdümpelt. Den hat sich die Band (gefühlt als Schlussstrich) ihrer gemeinsamen Arbeit zur letzten Tournee geschenkt. Man weiß es halt nicht, sie haben ihre Tournee 2022 beendet. Ich habe vom aktuellen Album ”True North” nicht so viel mitbekommen. Aber ein Film, in dem sich die Protagonisten eher nicht gemeinsam in einen Raum setzen, spricht eine ausreichend klare Sprache.

Er wirkt anfänglich leicht anstrengend, weil man mit einer krude geschnittenen, viel zu großen Bildermenge konfrontiert wird. Gemäß dem Motto, alles muss rein. Aber später verläuft sich das auch wieder, wenngleich ich im Schnitt die einzzige Schwachstelle im Film sehe.

Hier scheinen drei Menschen ihrem Job nachzugehen und sich ansonsten nicht mehr viel zu sagen haben. Der Film ist so interessant, weil wirklich auch anders in seinen Aussagen als von mir erwartet – er ist nämlich so gar keine Werbesendung für ein Stück Musikkultur und hebt sich damit sehr deutlich von üblichen Werken ab, die sich mit der Geschichte von Bands auseinandersetzen, dass ich ihn tatsächlich empfehlen möchte sich anzusehen. Selten so viel Selbstkritik in einem derartigen Medium erlebt, kritische Auseinandersetzung mit dem Erfolg, Abwesenheit von Leidenschaft zu dem, was man gemeinsam schafft. Und auch immer noch auch Selbstzweifel an dem eigenen Talent. Ich weiß nicht, ob das typisch norwegisch ist? Aber all das vermittelt im Film eine eigene Art der Tiefe dieser Band.

Mir ist dabei aufgefallen, wie wirklich sehr viele Songs ich von der Band kenne. Ich konnte die Musik von A-ha immer gut aushalten. Dabei war mein Zugang nicht so leicht. Ich konnte, als sie mit „Take on me” die Charts erklommen und in unser europäisches Musikbewusstsein eindrangen, nicht so viel anfangen. Das Video war super für die damalige Zeit und hatte sehr sicher einen großen Anteil an dem Erfolg des Songs. Morten war mir zu schön. Unheimlich aufdringlich, kitschig schön. Interessant zu hören, wie er nach 35 Jahren erzählt, wie sehr ihn selber belastet hatte, das Aushängeschild dieser Band zu sein aufgrund seiner Physiognomie, für die er nichts konnte – und im übrigen auch, wie sehr alle das Teenie-Band-Image verabscheut hatten. Insofern ist dieser Film auch ein exzellentes Lehrbeispiel für ambitionierte junge Musiker, Dinge nicht mit sich machen zu lassen.

Mich hatten damals A-ha übrigens gecatcht mit dem Cover von „Crying In The Rain” (Everly Brothers) und dem wunderschönen, zum Song so gut passenden Depri-Video. Eines der besten Cover aller Zeiten, für mich. Damals gebraucht beim großen A. gekauft, das mir danach noch ein ganzes Jahrzehnt übrigens Alben der Band empfehlen sollte. Sonst hatte ich nie das Bedürfnis Alben zu kaufen bzw. auf eines ihrer Konzerte zu gehen.

Ich hatte sie einmal erlebt in Berlin bei dem LiveAid-Konzert im Jahr 2005. Hingegangen war ich eigentlich wegen Audioslave, A-ha spielten sehr zeitnah danach – und die waren so schlecht abgemischt, dort jedenfalls, wo ich stand – dass ich vor Mortens Stimme geflüchtet bin. Sie tat so weh im Ohr. Und das hatte mich für alle Zeit geheilt, denn tatsächlich ist seine Stimme besonders und schön. Aber wenn da irgendetwas schiefgeht, sei es seine Gesundheit oder üble Technik, dann kann die sehr schnell zu einer Qual werden.

Dann fand ich doch faszinierend, dass in einer Szene des Films bei Proben zu neuen Tonaufnahmen, er das selber klar für sich definiert, in dem er sagt, er könne den Song nicht durchgehend in der gleichen Tonhöhe singen. Nicht etwa, weil er es nicht könne, sondern weil ihn seine eigene Stimme dabei nerven würde.

Der Film vermittelt einen neuen Blick, einen interessanten und nachvollziehbaren Blick auf die Band und ihre Mitglieder, auf echtes Bandleben eben auch mit seinen großen Nachteilen. A-ha haben mich seit meiner Jugend begleitet. Vermutlich auch eure? Schon deswegen kann ich diesen Film empfehlen, sich anzusehen.

Morten Harket ist immerhin jetzt 64, Pål Waaktaar-Savoy, 62, und Magne Furuholmen, 61. Alle drei Musiker sind erstaunlich gut gealtert. Und ich habe gelernt, dass Magne ein außerordentlich talentierter bildender Künstler ist.

2023-04-15

Es werde Licht!

Ich habe mir im vergangenen Jahr ein kleines tragbares Dauerlicht Simorr SmallRig gegönnt (RGB/LED) – für Foodfotos in Restaurants mit Plüschbeleuchtung, Neonstrahlern mit hässlichem Schattenwurf oder romantischem Kerzencharme. Alles atmosphärisch mal so oder so toll, hilft aber den Fotos nicht immer weiter.

Frau Indica hatte so ein ähnliches Modell und konnte mir die Technik herzlich empfehlen. Da ihr Modell mit Plastikchassis leider schon die Rückseite verloren hatte, lenkte ich meine Aufmerksamkeit direkt auf eines mit Metallchassis und entschied mich für dieses Modell beim großen A. Das war nicht ganz günstig, kam aber damals im Bundle mit einem patenten Standmikrofon. Diesbezüglich bin ich versorgt und habe es neulich zu einem sehr guten Preis auf ebay verkaufen können – weil es gerade nicht lieferbar ist – und somit im Nachhinein für das Licht vielleicht zehn Euro bezahlt.
Das Videolicht ist der Hammer. Regulierbare Farbtemperatur (2500K bis 8000K), Lichtstärke von 0-100 % regelbar. Einsatzbereitschaft von 12h bis 1h je nach Helligkeit. 1500mA (gibt übrigens welche mit mehr Leistung, die man auch als Powerbank nutzen kann.) Ich fotografiere meist bei nur 29 % und das ist schon irre hell. Und es kann 21 Lichtmodi zaubern, die vermutlich eh kein Mensch braucht. Dieser bloggende Mensch hier jedenfalls nicht. Dabei wiegt es süße 117 Gramm, die Wahrscheinlichkeit, dass man es in der Tasche gerne mitnimmt ist also relativ groß.
Und ihr glaubt gar nicht, wie man damit so manchen Spiegelreflexkamerabesitzer bei einem Foodevent glücklich machen kann, wenn man hilfreich das Buffett elegant ausleuchtet.

Den einzigen Punkt, den ich kritisieren würde wollen: Das Ding hat leider keinen Soundchip, der einem beim Anschalten (und dann ist Umgebung am Tisch wirklich richtig wach aufgrund der plötzlichen Helligkeit) Queen's „Flash! Da! Daaaaa! Savior of the Universe!” entgegen schreit. Wenn schon pornös auffällig, warum nicht auch gleich laut dabei?

Jetzt muss ich das immer selber singen.
Auch nicht schön!

2023-04-14

Liebe!

„Danach habe ich das geerbte Silber geputzt, für das bisschen Downton-Abbey-Feeling am Werktagnachmittag.”

Der Herr Buddenbohm wie immer in seinem besonderen feinen Element der Wortfindung und Satzbildung! (Ganz viele Herzen)

2023-04-13

Mein Osterrisotto

Tatsächlich bin ich so gar nicht der allergrößte Reis-Fan. In meiner Kindheit hatte meine Mum zu oft irgendwelche Reispfannen auf den Tisch gestellt. Generationsbedingt bin ich auch zu oft mit Reis aus dem Kochbeutel ernährt worden. Den muss man mögen. Tue ich nicht. Obendrauf waren bei uns aufgrund der buddhistischen Praxis meiner Mum sehr oft chinesische, indische und vor allem japanische Speisen auf dem Tisch – die ich meistens sehr lecker fand, den Beilagenreis aber eher banal. Für Onigri hätte ich indes schon als Kind meinen Bruder verkauft ohne mit der Wimper zu zucken. Aber ich würde mir nie beim Asiaten Pfannen bestellen, bei denen das Reiskorn direkt beigemischt ist.

Risotto, ein gutes, ursprüngliches softes Risotto, indes – das habe ich mittlerweile gelernt richtig gerne zu essen. Und, wie ich finde, kann ich es mittlerweile auch ganz ordentlich zubereiten. Auch wenn ich es nicht immer mit Wein zubereite. Und auch nicht immer vorher den Fond selber gekocht habe. Risotto kochen gelernt, habe ich, wenn ich es richtig erinnere, bei Alfred Biolek.

Denn tatsächlich beschließe ich meist kurzfristig einen Risotto zuzubereiten. Mein persönlicher Lieblingsreis ist hierfür die Sorte Aroborio – ich bilde mir ein, der Kern hat länger Biss als das Korn des Carnaroli – aber das ist subjektives Gedöns. Auf jeden Fall achte ich mittlerweile beim Risotto-Kauf so etwas von auf das IGP-Label. Dem Zeichen, dass der Reis wirklich aus italienischem Anbaugebiet, z. B. Po-Delta, kommt – also bei Risotto IGP, noch viel besser DOP. Und bitte Sustainable Rice, also wirklich klug und nachhaltig ohne Wasserverschwendung und Pestizideinsatz in der EU angebaut. Wir haben auf unserem Kontinent engagierte Produzenten, die wirklich klug und naturbezogen qualitativ hochwertige Produkte für uns anbauen bzw. herstellen. Doch ja, man schmeckt es auch. Und ja, ich gebe zu mit immer mehr fachlichem Know How zum Thema Reis wächst bei mir auch die Zuneigung zum Produkt wieder. Meine Favoriten sind Steinpilzrisotto, dazu weiche ich getrocknete Steinpilze ein. Saisonbedingt. Oder Limonenrisotto. Gerne mit grünem Spargel.

Ostersamstag hatte ich Lust auf Risotto. Risotto nero, um genau zu sein, denn ich hatte große Lust endlich einmal mit Sepia-Tinte zu kochen. Ich habe mich aufgemacht zu meiner Lieblingsfischtheke (Frische Paradies) und habe dort Calamaretti und ungekochte Garnelen gekauft. Und einige gekochte, wie es sich gehört für einen Katzenhaushalt. Ich hatte für mich selbst nicht das Bedürfnis extra einen Fischfond zu kochen, wie ich es für Gäste tun würde. Für mich tat es also dieses Mal ein Päckchen Jürgen Langbeins Fisch Fond. Die Fischpasten/-fonds kann man durchaus sehr gut anwenden, als Geschmacksgeber in kleiner Menge übrigens auch die Krebs-/Hummerpasten. Ich friere den Rest ein. Den Einsatz von Palmfett finde ich wirklich blöd, haben sie m. E. früher nicht verwendet.

Okay, die Fischpaste in Wasser aufgelöst und aufgekocht. Die Calamaretti vom Stil befreit und gereinigt, sowie die Haut abgezogen und kurz im Wasser blanchiert und klein geschnitten. Sie sind so absolut zart. Die Köpfe verwende ich auch. Augen ab und Mund heraus nehmen, sie wurden mit gekocht. Im gleichen Wasser habe ich die Garnelen blanchiert. Ach ja, ich hatte auch noch Eismeergarnelen im Kühlschrank.
Für den Reis habe ich (weil hier Farbgebung egal war) eine rote Zwiebel mit etwas Knoblauch in einer ordentlichen Menge Olivenöl angedünstet und dann ca. 200 Gramm – in dem Fall tatsächlich Carnaroli aus dem Vorrat meiner Bildungsreise nach Arles mitgebracht (da durften wir französischen Reis und perfekten italienischen Risotto in unsere Koffer legen) – mit angebraten. Mit Rotwein abgelöscht, farblich schon sehr schön! Dann wurde immer wieder der Fischfond angegossen. Parmigiano klein gerieben, die sehr kalte Butter in kleinere Stücke geschnitten.
Als der Reise noch ordentlich Biss hatte, wurden Eismeergarnelen und Calamaretti-Ringe dazu gegeben und die Sepia-Tinte (auch Frische Paradies) eingerührt. Was für ein farbiger Spaß! Und Duft! Schlussendlich als der Reis fast schon sehr gut war, die Hitze abgestellt und die Butter sowie den Parmigiano eingerührt mit Salz und Pfeffer, etwas Zitronensaft und -abrieb abgeschmeckt. Eine Kelle Risotto in den Teller, wo er wunderschön verlaufen ist – so wie er es soll. Einige Tropfen Olivenöl und die Dekogarnele und Dekotube bzw. -köpfchen oben drauf.

So gar keine Zauberei und so lecker. Der einzige Trick beim Risotto ist rechtzeitig mit dem Kochen aufzuhören. Mag ich!

2023-04-07

Frauengespräche

Neulich war ich im Kramladen (TKmaxx), schlawendelte durch die Kofferabteilung (ich mag Kofferabteilungen, keine Ahnung warum) und da rannte ein Kind rum. Sehr zielgenauund ohne einen anzurempeln. Aber rannte halt rum. Und ich dachte bei mir: „Kind, was rennst du hier so rum?” Und plötzlich bog das Kind von der einen Seite um die Ecke, um die ich gerade von der anderen Seite bog und dann guckten wir uns an, danach fielen wir uns in die Arme. Es war meine Großcousine.

Das Rumgerenne, wie sich später heraustellte, als Kompensation, um dem familiären Kofferdiskurs zu entgehen. Drei verschieden farbige Koffer gegen drei andere verschiedenfarbige Koffer – für das eine Set hegte die Großcousine (und Cousine) Zuneigung. Für das andere der Großcousin. Der ein bisschen schmollte, weil die Chancen für ihn nicht gut standen.

Dass erst das eine Set (Großcousine) gekauft wurde, um es wieder umzutauschen und dann das andere Set gekauft wurde (Großcousin) lag dann an den Henkeln. Das merkt man manchmal erst, wenn man den halben Laden durchschritten hat.

Jedenfalls ist die Familie mit Koffern versorgt und wir gingen Kaffee trinken.

Letztes Jahr hatte ich der Großcousine zur Einschulung ein Taschenmesser geschenkt. Kein Kindermesser mehr, sondern eines für das ganze Leben, wenn sie darauf aufpasst. Das legendäre Taschenmesser aus der Schweiz in rot mit Korkenzieher, Schraubendreher und Schere. Das gleiche Messer hatte ich mir auch zum Geburtstag gewünscht und geschenkt bekommen. Schwarz. Dann kommt es nicht zu Verwechselungen. Gleiche Konfiguration. Hatte mich sofort daran geschnitten.

Jedenfalls fing Großcosuine mit mir ein fachmännisches Taschenmessergespräch an. Ob ich auch eines hätte. Ob ich es dabei hätte. Ob meines auch eine Schere hätte u.s.w.

Ich glaube, sie findet das gut, das mit dem Taschenmesser. Und wird nicht so schnell vergessen, von wem sie es hat. Tolle Maus!

2023-04-02

Die Salinen des Dolce Sale di Cervia

Meine erste Begegnung mit dem Dolce Salce di Servia hatte ich bei einem Geschmackserlebnis während meines ersten Ausflugs in die Emilia Romagna nach Misano Adriatico. Auf dem Filetsteak im Restaurant Il Mulino schmeckte ich dieses köstliche Salz, das eine eigene kleine Hauptrolle auf dem Teller für sich beanspruchte, sodass ich unbedingt wissen musste, was es für eines war. Ihr erinnert euch vielleicht?

Ihr könnt euch also vorstellen, wie begeistert ich über die Aussicht war, dass während der Reise nach Ravenna ein Ausflug nicht nur nach Cervia in die Stadt des Salzes geplant war, sondern vor allem ein Ausflug in die dazu gehörigen Salinen! Hier ermöglicht ein Verein interessierten Besuchern das Begehen der historischen Salinen.

Es war für mich nicht nur ein sehr lehrreicher, sondern ungemein charmanter und friedlicher Ausflug. Zwar waren die Felder zu dieser Jahreszeit bereits abgeerntet, die regenfreie Saison ist spätestens im Oktober vorüber, da muss das Salz eingebracht sein. Aber der Aufenthalt hier war wunderschön und ich kann ihn nicht nur Salz-Enthusiasten empfehlen. Weite, Farbspiele, Ruhe und in der Weite unendlich viele Flamingos, beim richtigen Sonnenstand ist diese Landschaft in so schönes Licht getaucht! Und: Ornithologen kommen hier sehr auf ihre Kosten.

Warum ist Sale di Cervia so besonders?

Nun – es ist das „Il Sale dei Pape”! Ist in Ländern mit Monarchien das beste Prädikat, das ein Produzent bekommen kann, Hoflieferung zu sein, ist es hier der Vatikan. Italien halt. Wer Salz verschenkt in Italien, wünscht der/dem Beschenkten übrigens Glück und Wohlstand.
Dolce Sale di Cervia ist es ein sehr mildes Salz. Die Art der frühen Ableitung vom Meer sorgt dafür, dass viele Bestandteile üblicher Salze hier nicht mehr zum Tragen kommen. Diese Bestandteile geben Salzen im Abgang die bittere Note. Da sie hier fehlt, schmeckt das „Dolce Sale di Cervia” tatsächlich rund und beinahe süß – und ergänzt Essen auf eine umschmeichelnde Weise, wo andere Salze einen Kontrast generieren.
Durch frühzeitige Messung des Salzgehaltes im ursprünglichen Meerwasser in der ersten Verdunstungszone, Moraro, wird das Wasser ab einem Gehalt von 3,5 Grad Baumé über Wochen auf die immer kleiner werdenden Felder umgeleitet, mit klanghaften Namen wie Gaitone, Lavorieri, Corboli und Salanti. Mit dieser frühen Ableitung (Cervese) erreicht es eine Konzentration von maximal 26/28 °­Bè. Geerntet wird es aus den kleinen Feldern, den Cavedini, die nur noch 32 Quadratmeter groß sind. Aufgrund dieser frühen Begrenzung im Salzgehalt wird die Ablagerung anderer Substanzen verhindert, die dem Salz den sonst üblichen bitteren Nachgeschmack verleihen. So bleibt dieses Salz sehr mild, beinahe süßlich und besonders im Geschmack.

Ach ja: Für alle, die sich, wie ich, in Physik lieber unten im Schulfoyer einen heißen Kakao gezogen haben: Baumé ist die altertümliche Grad-Einteilung des Beaumé-Ärometer zur Dichtebestimmung nach Antoine Baumé benannt. Wird heute nur noch in der Nahrungsmittelindustrie verwendet.

Abgepackt wird Sale di Cervia in zwei Varianten: Grosso (grob) in der blauen Verpackung und in der roten Verpackung in Medio Fine (mittelfein). Üblicherweise kann man das Kilo in Plastikverpackungen verpackt einkaufen. Es gibt aber auch die netten Geschenkverpackungen in den Jutesäckchen mit meist weniger Inhalt für – Überraschung – mehr Geld. Wer gerade nicht in der Emilia Romagna weilt, diverse italienische Onlineshops haben es mittlerweile im Sortiment, das große A. sowieso. Ich empfehle Medio Fine, es ist noch ausreichend strukturiert, um auf dem Steak sichtbar zu sein.

Das „Sale dei Pape” ist übrigens 2004 als Slow-Food-Produkt anerkannt!


Die Historie der Salinen di Cervia

Allererste Erwähnung in Dokumenten stammen aus dem 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. Sie beschreiben erstmals die Bedeutung des Ficolense-Gebietes. Das Gebiet der Salinen direkt in der Nähe der Küstenlinie, liegt heute gut zwei Kilometer von der Adria entfernt. Dünen und Schwemmland und sehr lehmhaltiger Boden trennten das Meer von der Staatsstraße „Adriatica” und hier entdeckte man zur Zeit der Römer, dass sich die im Sommer absetzende glitzerne Substanz gleichzeitig sehr würzig schmeckte.
Erstmals offiziell wird Cervia und dessen Salzproduktion im Jahr 1000 n. Chr. erwähnt. Es existieren heute zwei Pergamentrollen von 1192 und 1194, die deutlich machen, dass ein Mönch der Abtei Santa Maria di Marola, Don Guido, zwei Salzsalinen besaß und mit diesen alle Mönche in der Region – damals nur Emilia – mit Salz versorgte.

„Weißes Gold” nannte man damals das Produkt aus dem Meer und die Region, die es schöpfen konnte, galt als reiche Region und war dementsprechend hart umkämpft bis in das 20. Jahrhundert. Cervia unterstand in den Jahren den Herschafften der Da Polenta (1285-1371), der streiwütigen Malatesta (1383-1463), der damaligen Republik Venedig und die Kirche wollen wir auch nicht außer Acht lassen. Der Kirchenstaat verdiente sehr gut am Salz bis zur Vereinigung Italiens, dann traten die Salinen in den Besitz des Staates über.

1959 wurde die Art der Salzproduktion industrialisiert. Die ehemals 148 kleineren Salinenbecken, die von Hand und mit Geräten wie Ghévar, Forabus und Cariòl im Dialekt genannt beerntet wurden, legte man zusammen und sie wurden nach der sogenannten französischen Methode nur noch einmal im Jahr mit großen Gerätschaften geerntet. Die Handkarren wurden durch einen kleinen Zug ersetzt, Arbeitskräfte spezialisiert, anderen dagegen eingespart – das übliche Dilemma.
Im Jahr 1994 wollte der Staat die Salinen sogar ganz schließen – die Produktion schien nicht mehr kommerziell attraktiv. Nicht so lukrativ wie es sicher gewesen wäre, das attraktive Gebiet am Meer den Bauspekulanten für den sich gerade sehr erfolgreich entwickelnden Strandtourismus zu überlassen. Was man in Cervia wohl schon Jahre früher hatte kommen sehen, sodass man das Gebiet 1971 in das RAMSAR-Abkommen in Feuchtzonen von internationaler Bedeutung aufnehmen ließ, 1979 wurden die Salinen zum Tierschutzgebiet erklärt und 1988 als südliche Destination in den Regionalpark des Po-Deltas aufgenommen.

Gegen das Vorhaben, die Salinen nun endgültig zu schließen, liefen die Cervianer Sturm und engagierten sich für den Erhalt des Gebietes, in dem Wunsch, die wichtigen ökologischen Aspekte ihrer Region zu erhalten. Aber vor allem kämpften sie dagegen, dass man ihnen die historisch gewachsene Identität und Geschichte nehmen wollte. Man entwickelte Konzepte, die Salinen zu erhalten und in ein Projekt zu überführen, das ihren naturalistischen, ökologischen und auch didaktischen Wert in die Zukunft hinein sichern sollte. Dass nebenbei die Region um Cervia auch immer mehr für den Tourismus interessant wurde, spielte hier natürlich mit hinein.

2003 trat der italienische Staat die Verwaltung des Gebietes an die Gruppo Culturale Civiltà Salinara ab und erlaubt ihren (oft ehrenamtlichen) Mitarbeitern in geregelter Menge das Salz di Cervia zu schöpfen. Und auch weiterhin Schlamm und Meerwasser für die Thermalbäder abzuführen.


Saline Camillone

Das Gebiet der Saline 89 von den insgesamt 148 Salinen – bevor es zu ihrer Zusammenlegung kam – ist heute die Saline Camillone. Sie ist das Add-on zu dem Museo del Sale, MUSA, in Cervia und wird vom Kulturverein mithilfe vieler engagierter ehrenamtlicher Mitarbeiter bestellt. Es ist ausgerechnet die Saline, die von allem am schwierigsten zu beernten ist, heute das Freiluft-Museum vom MUSA.
Auf einer Gesamtfläche von 23.570 Quadratmetern wird das Salz nach der Methode „cervese”, wie oben schon beschrieben, immer weiter in die Felder umgeleitet, bis es in den kleinsten Feldern, der sogenannten Ausblühfläche, geerntet wird. Getrennt durch einen Entwässerungskanal, der das Wasser wieder zurück ins Meer leitet – und auf dem die Besucher in Booten an die Saline gefahren werden.
Je näher das Wasser in den Feldern steht in denen die Ernte erfolgt, desto mehr nimmt es an rosa Färbung zu. Der Grund ist die einzellige Alge Dunaliella Salina. Sie wächst mit dem Salzgehalt und bildet unter der Sonneneinstrahlung β-Carotin aus.
Davon nicht wenig, immerhin 5-15 % ihres Trockengewichts. Da sie auf dem Speiseplan von Garnelen und Flamingos steht, kommt die rosa Färbung der Schale (Garnele) und dem Federkleid (Flamingo) nicht von ungefähr. Ihr findet Dunaliella Salin übrigens häufig in eurer Kosmetik oder in Nahrungsergänzungsprodukten.

Nach historischem Vorbild Salz ernten!

Die Arbeiter schöpfen hier noch barfuß bzw. in Badelatschen und tatsächlich ausschließlich von Hand. Sie arbeiten mit den alten Gerätschaften, die ich schon in dem Blogpost zum Museum zeigte, und tragen die Ernte in Holzkörben zur Sammelstelle. In der Erntezeit Mitte Juni bis Mitte September kann man sich am Besucherzentrum anmelden und wird in Gruppen mit einem Salzarbeiter auf die Saline geführt, wo die Salzproduktion genau erklärt wird.
Wer immer schon einmal Salz selber ernten wollte (wie ich), kann dies sogar auch tun für einen Tag (Terminabsprache) und gegen eine Spende. Bequeme, leichte und vor der Sonne schützende Kleidung ist dann unbedingt empfohlen – von einem Salzbauern bekommt man gezeigt, wie die Ernte vonstattengeht. 50 bis 200 Tonnen Salz Jahresernte wollen schließlich in den Handel gebracht werden!
Nach der Ernte wird das Salz einfach gewaschen und zentrifugiert für die Trocknung. Es ist daher nicht ultraweiß. Aber so erhält es alle Bestandteile und Spurenelemente der Adria. Der restliche Feuchtigkeitsgehalt liegt bei 2 %, wenn es also in der Verpackung nach einiger Zeit härter wird: Das gehört sich so und ist mit etwas Krafteinwirkung wieder verschwunden. Es ist halt pur ohne Rieselhilfe, ein Qualitätsmerkmal.

Salina Camillone
via Salara
48015 Cervia (RA)
musa@comunecervia.it
web: Salina Camillone

Musea Del Sale Di Cervia
via Nazario Sauro, 24
48015 Cervia (RA)
musa@comunecervia.it
web: MUSA

Cervia – Vielfalt an der Adria
Ravenna – einfach köstlich!
Die Sehenswürdigkeiten von Classe

2023-03-27

Cervia – Vielfalt an der Adria

Ravenna als Ausgangspunkt zu nehmen in die vielfältige Umgebung, das bietet sich einfach an. Ob mit dem Auto oder der Bahn, viele attraktive und geschichtsträchtige Orte wie Cervia, Milano Marritima, Comacchio und Classe sind in kürzester Zeit erreicht.

Heute geht es nach Cervia! Die Stadt fließt entlang eines neun Kilometer langen Strandes. Muscheln sammeln, jede Art von Wassersport oder einfach nur in der Sonne liegen und baden gehen – typischer italienischer Badeflair wird hier geboten. Wem das zu gemütlich ist: Radsport ist in Cervia und Umgebung das bewährte Fortbewegungsmittel im Urlaub. Es gibt Radwege von 150 bis 300 Kilometern Länge. Auf Wunsch im Hinterland auch mit charmanten Anstiegen. Das ganze Jahr über feiert Cervia diverse Sportereignisse, die zum Mitmachen oder nur Zugucken einladen, z.B. der Ökomarathonlauf, Ecomaratona del sale; Radrennen, Granfondo via del sale Cervia u.v.m.


Cervia – Stadt der Salinen

Cervia ist vor allem bekannt als die Salzstadt der Emilia Romagna. Von hier stammt das süße Salz von Cervia. So locken nicht nur der kilometerlange Strand sondern auch Salinen, in denen das Salz der wunderschönen Adria geerntet wird. In den unterschiedlichen Stadtbereichen Cervias kann man sich auf vielfältige Weise die (Urlaubs-)Zeit vertreiben, Museen, die über die lange Historie der Region aufklären, Kunst auf den Straßen, Mosaike sind auch hier immer wieder als faszinierende Kunstform zu finden. Die vielfältige Küche der Emilia Romagna muss ich wohl nicht erst erwähnen.


Pinarella und Tagliata

Südlich von Cervia gelegen findet man einen sicheren, weil in der Saison gut bewachten Strand (ausgezeichnet mit der blauen und grünen Flagge) mit unzähligen vielen Sport und Spielmöglichkeiten auf dem Meer oder am Strand: Pinarella. Im Namen ist nicht ohne Grund Pino, die Pinie, angedeutet, denn an diesem Strand schließt ein heute nur noch 240 Hektar großer Pinienwald an, den sich Pinarella und ein weiterer Ortsteil von Cervia, Tagliata, teilen.
Im Sommer spenden die Bäume in der Hitze Schatten und Kühle, ein Trimm-Dich-Pfad lädt zum Sport ein und ein Verein stellt bei Bedarf auch Wanderführer an die Seite, die Familien und Kindern die Geheimnisse des Waldes erklären. Zum Meer hin wurden Strandkiefern und Olivenbäume gepflanzt. Nun schützt er die dahinter liegenden Häuser vor den starken Winden des Meeres. 1977 ist Pinarella zu einem Naturschutzgebiet erklärt worden. Heute wachsen hier auch Eichen, Kiefern, Eschen und Ulmen und Sträucher wie Wacholder, Mäusedorn, Weißdorn und Wildblumen. Während sich im Wald Fasan, Bussard, Eule, Käuzchen, Igel, Wiesel und Otter „Gute Nacht!“ sagen. Besucher können hier unter Berücksichtigung auch Kajak fahren und auf bestimmten ausgewiesenen Strecken Rad fahren.
Der Ortsbereich Tagliata bietet neben Strand und typischen Köstlichkeiten der Emilia Romagna für die jüngsten Besucher den Parco Lento, ein Spieleparadies mit neun Themenbereichen, wo sich die Kinder richtig austoben können.


Die Gartenstadt Milano Marittima
Nordöstlich in Cervia liegt Milano Marittima. In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts war Cervia eine typische kleine Stadt, in der die Menschen sich ihr Geld mit der Fischerei und Salzproduktion verdient haben. 1882 entstand eine erste Badeanstalt, man wurde sich zunehmend der heilenden Wirkung des Salzes und somit der finanziellen Attraktivität der Thermalbäder bewusst. 1884 wurde Cervia daher in das italienische Bahnnetz integriert und konnte direkt von Ravenna angefahren werden, im Jahr 1889 wurde diese Strecke auf Anschlüsse an die Orte Ferrara und Rimini erweitert.
Cervia definierte einen Teilbereich des Strandes – im Zusammenschluss mit den wohlhabenden Bürgern Mailands – für den Tourismus und so konnte sich die Mailänder Bohème am Strand einen eigenen Badeort schaffen: Milano Marittima. Die Lungomare ist zu unserer Reisezeit im Oktober längst von ihren Sonnnenstuhl- und schirmanlagen befreit und wenn jetzt gestählte sportliche Körper für den Ironman aus dem Wasser entsteigen, um noch ein bisschen auf dem Sand zu joggen. Das Auge isst am Meer eben immer irgendwie mit.
Die »Società Milano Marittima per lo sviluppo della spiaggia di Cervia« gründete sich 1911, um die Entwicklung des Strandes und der Bauvorhaben nicht allzu entgleisen zu lassen. Zu dieser Gesellschaft gehörte Giuseppe Palanti (1881-1946) aus Mailand, der ein bekannter Kostüm- und Bühnenbildner im Teatro alla Scala Milano war – und als Multitalent nicht nur als Porträtmaler, Illustrator und Plakatmaler einen Ruf über Mailands Grenzen hinaus hatte. Hier in Milano Marittima tat er sich erstmals als Stadtplaner hervor. Er war begeistert von der Theorien des englischen Stadtplaners Ebenezer Howard, der als Begründer der Gartenstadt gilt.
Seiner Idee nach sollte sich Milano Marittima von einer Vorstadt Cervias zu einer eigenständigen Stadt möglichst im gemeinschaftlichen Besitz (zur Vermeidung von Spekulationen) entwickeln. Dabei wurde auf die bestmögliche Beibehaltung des existierenden Pinienwaldes geachtet. So ist Milano Marittima heute eine kleine Stadt am Strand, mit hübschen, oft gut restaurierten kleinen Ferienvillen aus Holz im Jugendstil, derer Straßen erstaunlich grün angelegt sind.
Vor allem die Kreisverkehre sind von Sponsoren wunderschön floral gestaltet und stellen sich jährlich einem internationalen Gartenwettbewerb. Hier und da wird es abstrus, wenn eine ausgemusterte Seilbahngondel auf so einem Rondell herumsteht. Aber als Retter vor Regen im Frühling bestimmt auch praktisch.

Auf jeden Fall lässt es sich hier auch bei hohen Temperaturen im Schatten der Pflanzen angenehm flanieren. Natürlich sind kunstvolle Wasseranlagen und Wege ohne Mosaike hier nicht denkbar. Es ist wunderschön! MIt einem Gelato auf der Hand noch wunderschöner!
Palantis eigene Villa steht heute noch in Strandnähe in der Via 2 Giugno Ecke Via Toti.

Cervia – vom Papst kurzerhand umgezogen

Cervia selber ist eine Stadt in der man sich sofort wohlfühlen kann. In der Adria an der Molo di Ponente Cervia mit ihrem Hafen entspringt der Canale di Cervia.
Entlang seinen Ufern hat sich die Stadt nach einer von Papst Innozenz XII. befohlenen Umsiedlung im Jahr 1697 aus den Salinen heraus zwischen diesen und dem Meer entwickelt. Er wollte damit dem Volk etwas fern ab der Salinen und den dort aktiven, auch früher schon krankheitsübertragenden Stechmücken mehr gesundheitliche Lebensqualität zu geben.
Cervia ist eine Planstadt der Renaissance. Sie wirkt aufgeräumt, erstaunlich weiträumig und offen. Natürlich ist das heutige Centro Storico von ehrwürdigen Stadtmauern umgeben und wirkt wie eine kleine Stadt in der Stadt. Es ist eine große Freude entlang des Kanals spazieren zu gehen und die vielen großen und kleineren Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Wie z. B. den Torre San Michele, in dessen kleinem Oberstübchen geheiratet werden kann.
Auf jeden Fall hat man von hier eine wundervolle Aussicht auf Cervia. Zum Beispiel auf das MUSA, das Museo del Sale, früher Salzspeicher, heute wundervoll restaurierte Begegnungsstätte mit dem Salzmuseum im Seitentrakt und Restaurant bzw. Veranstaltungsgelände. Es führt die Besucher durch die frühe Geschichte dieser Salzstadt mit originalen Unikaten. Es ist umfangreich ausgestattet aber klein genug, um für Kinder ausreichend kurzweilig zu sein.
Auf jeden Fall ist es sehr charmant und liebevoll mit gesammelten charmanten Sammelutensilien rund um das Thema Salz ausgestattet.
Am Ende kann man auch handgeschöpftes unbehandeltes Salz aus Cervia gegen eine Spende mitnehmen.
Aber dem Salz von Cervia und Produktionsort soll noch ein eigener Blogpost gegönnt sein.


Pesce, pasta, Cervica

Man isst hier fantastisch – und natürlich, das wird nicht sehr verwundern, Fisch!
Ein typisches Mittagessen hatten wir in dem schönen Restaurant La Brasseria Borgo Marina in der V.le Nazario Sauro, 100/B, 48015 Cervia – direkt am Kanal gelegen. Köstliche Pasta und Frutti di mare fritto satt und dazu Insalata mista, das war nach unserem Ausflug am Vormittag am Strand genau das Richtige für unsere knurrenden Mägen. Eine reichhaltige, ursprüngliche Küche mit rasend schnellem Service.

Das Abendessen nach der spannenden Führung durch die Altstadt Cervias wird uns im Officine del Sale (Via Evangelisti 2, 48105 Cervia) mehr als reichhaltig serviert. Wir werden sehr herzlich empfangen und dürfen direkt vor der offenen Küche Platz nehmen und der Pastaköchin beim Zubereiten ihrer handwerklichen Spezialitäten zuschauen. Pasta ist hier garantiert hausgemacht! Die Küche schafft mich – wir bekommen nach einem wundervollen Artischockenflan mit einer Sauce aus Squacquerone gleich zwei Pastagänge serviert.
Ich musste da leider passen, dreimal am Tag Pasta schaffe ich einfach nicht. In dem Punkt muss ich noch an meiner italienischen Identifikation arbeiten.
Die Küche erlaubte mir als Alternative noch einen Artischockenflan, was mich sehr glücklich, aber auch nicht weniger satt machte, als die Pasta-Genießer. Die sich sehr begeistert darüber im Officine del Sale äußerten. Es gab für uns alle kein Erbarmen: Schweinerücken mit (fantastischem) Grillgemüse, danach eine Kuchenplatte. Wir sind zum Bus gerollt – nach einem wunderschönen Tag in Cervia. Von dem Flan träume ich übrigens heute noch!
Dabei Cervia lohnt sich auf jeden Fall auch für einen mehrtägigen Besuch. Hier kann man abschalten, genießen, wandern. Hat Strand und Kanallandschaft mit den wunderschönen alten Segelschiffen, die an seinem Ufer ankern. Man kann eine traumhafte Gegend erkunden – ob auf dem Land oder auf dem Wasser. Oder einfach nur stundenlang in einem der Cafés am Kanal sitzen und dem Treiben zuschauen. Echer Italien-Urlaub eben.

Mehr Informationen: Commune Cervia