Es hat schon seinen besonderen Charme. Als wir alle vor drei Wochen in den Raum kamen mit den Nähmaschinen, war offensichtlich alles neu. Das konnte ich selbst natürlich nicht beurteilen, war aber so den Aussagen der Dozentin und den wenigen Teilnehmerinnen, die offensichtlich dort schon Nähkurse gebucht hatten, zu entnehmen. Alles neu heißt, neues Mobiliar mit Schränken in denen man die Nähmaschinen verstauen konnte. Dafür weniger große Tische mit viel Zuschnittfläche, was bei einem Nähkurs mit zehn Teilnehmerinnen, die alle gleichzeitig zuschneiden, aus simpler Kurslogistik heraus, natürlich prima ankommt.
Auch neu: die Nähmaschinen. Der Bereichsleiter, dem man wenig Ahnung vom Nähen unterstellen sollte lt. Dozentin, war Technik einkaufen. Es stehen also jetzt superschicke Brother-Nähmaschinen auf dem Tisch mit Handbetrieb (also Taste drücken anstatt Fußpedal oder Taste drücken anstatt Nähnadeln über das Rad hochstellen.) Die Maschinen haben Display-Schnickschnack. Für den Garnrollenhalter benötigt man nunmehr einen zusätzlichen Plastikaufsatz, weil die Rolle liegt, anstatt aufrecht zu stehen wie bei herkömmlichen Nähmaschinen. Und möchte man mit einer Zwillingsnadel nähen, fehlt der zweite Rollenhalter bzw. ist er im Halter für die Rückspule integriert und nutzfähig mit: einem Plastikersatzteil. Dafür benötigt die Spule für den Unterfaden keine Halterung mehr. Natürlich kann man mit der Maschine nähen, kann sich aber auch sicher sein, was als erstes davon kaputt gehen wird bzw. was man für Teile an ihr so vertrödeln kann.
Die Dozentin hasst die Dinger. Es gab zwar einen Einführungskurs für sie, aber die Dozentin ist sich nicht zu fein uns darauf hinzuweisen, dass sie das alles nicht wirklich begriffen hat und keinen Bock auf die Maschinen hat. Deswegen müssen wir Teilnehmerinnen uns auch jede einzeln mit deren Bedienung befassen, anstatt dass sie uns allen eine gemeinsame Einweisung gibt. Wohlbemerkt: der Kurs richtet sich vor allem an Nähanfänger.

Das ist natürlich alles nicht so tragisch, letztendlich mit einem Blick in die Gebrauchsanweisung kann man das Ding recht schnell begreifen, hat man vorher schon einmal an einer Nähmaschine gesessen. Ist wie beim Auto, die Dinger nähen jetzt halt ohne Choke, dafür mit Tasten.
Die eigentliche Tragik ist, dass die vorher altgediente Pfaff-Nähmaschinen hatten. Unkaputtbare semiprofessionelle Nähmaschinen, die Leder und Denim nähen, was ich bei den Brother-Modellen hier erst mal sehen möchte. Nähmaschinen, die wohl noch in zehn Jahre nähen, was ich bei diesem Plastikmodellen auch erst einmal sehen möchte. Nähmaschinen, die jeder, der Ahnung hat vom Metier, niemals weggeben würde. Alle Maschinen sind angeblich an eine soziale Einrichtung gewandert. (Was an sich natürlich gut ist, aber in sich so unfassbar unnötig.) Weil der Bereichsleiter keine Ahnung hat vom Nähen übrigens ohne Nähfüße. (Hey, selbst wenn Omas Pfaff den Geist aufgeben würde, würde ich die nicht weggeben wollen in der Hoffnung auf ein Wunder.)
Als wir alle, auch die Anfänger, das gehört haben, haben wir erst einmal stillverzweifelt eine Schweigeminute einlegen müssen.
Nur zum Spaß bin ich eben mal auf die Seite von Pfaff gegangen. Das Nähmaschinen-Geschäft ist heuer ein sehr lustiges. Erst einmal lande ich auf der Homepage in der Navigation unter Nähmaschine in einer Auflistung von sieben unterschiedlichen Modellen, deren fantasievolle Namen wie „passport™ 2.0” oder select line™” mir so richtig viel sagen. Klicke ich dann auf eines der Modell, wird mir in der hervorgehobenen Featurebeschreibung als erstes genannt:
• Großes, hochauflösendes Display
• Tastbildschirm (ambition™ 1.5)
• Original IDT™ System
Features, die bis jetzt nicht sooo viel mit der eigentlichen Aufgabe einer Nähmaschine haben. Ausgenommen das IDT™-System beschreibt den Stofftransport der Pfaffmaschinen. Aber Display ist voll wichtig beim Nähen, wa ey? Dann folgt totschlagende Masse:
• Bis zu 195 Stiche
• Bis zu 4 Schriften
• 29 Nadelpositionen
29 Nadelpositionen. Ich vermute diese Nähmaschine kann steppen? Also im Sinne von Stepptanz? Und hat es wirklich nicht zu der einen 30. Nadelposition reichen wollen?
Kurz und praktisch, mich beschleicht zunehmend das Gefühl die Nähmaschine von heute ist der Frau der tiefgelegte Golf GTI des Mannes. Oder so.