2013-09-24

Neues vom Nähen

Es hat schon seinen besonderen Charme. Als wir alle vor drei Wochen in den Raum kamen mit den Nähmaschinen, war offensichtlich alles neu. Das konnte ich selbst natürlich nicht beurteilen, war aber so den Aussagen der Dozentin und den wenigen Teilnehmerinnen, die offensichtlich dort schon Nähkurse gebucht hatten, zu entnehmen. Alles neu heißt, neues Mobiliar mit Schränken in denen man die Nähmaschinen verstauen konnte. Dafür weniger große Tische mit viel Zuschnittfläche, was bei einem Nähkurs mit zehn Teilnehmerinnen, die alle gleichzeitig zuschneiden, aus simpler Kurslogistik heraus, natürlich prima ankommt.

Auch neu: die Nähmaschinen. Der Bereichsleiter, dem man wenig Ahnung vom Nähen unterstellen sollte lt. Dozentin, war Technik einkaufen. Es stehen also jetzt superschicke Brother-Nähmaschinen auf dem Tisch mit Handbetrieb (also Taste drücken anstatt Fußpedal oder Taste drücken anstatt Nähnadeln über das Rad hochstellen.) Die Maschinen haben Display-Schnickschnack. Für den Garnrollenhalter benötigt man nunmehr einen zusätzlichen Plastikaufsatz, weil die Rolle liegt, anstatt aufrecht zu stehen wie bei herkömmlichen Nähmaschinen. Und möchte man mit einer Zwillingsnadel nähen, fehlt der zweite Rollenhalter bzw. ist er im Halter für die Rückspule integriert und nutzfähig mit: einem Plastikersatzteil. Dafür benötigt die Spule für den Unterfaden keine Halterung mehr. Natürlich kann man mit der Maschine nähen, kann sich aber auch sicher sein, was als erstes davon kaputt gehen wird bzw. was man für Teile an ihr so vertrödeln kann.

Die Dozentin hasst die Dinger. Es gab zwar einen Einführungskurs für sie, aber die Dozentin ist sich nicht zu fein uns darauf hinzuweisen, dass sie das alles nicht wirklich begriffen hat und keinen Bock auf die Maschinen hat. Deswegen müssen wir Teilnehmerinnen uns auch jede einzeln mit deren Bedienung befassen, anstatt dass sie uns allen eine gemeinsame Einweisung gibt. Wohlbemerkt: der Kurs richtet sich vor allem an Nähanfänger.



Das ist natürlich alles nicht so tragisch, letztendlich mit einem Blick in die Gebrauchsanweisung kann man das Ding recht schnell begreifen, hat man vorher schon einmal an einer Nähmaschine gesessen. Ist wie beim Auto, die Dinger nähen jetzt halt ohne Choke, dafür mit Tasten.

Die eigentliche Tragik ist, dass die vorher altgediente Pfaff-Nähmaschinen hatten. Unkaputtbare semiprofessionelle Nähmaschinen, die Leder und Denim nähen, was ich bei den Brother-Modellen hier erst mal sehen möchte. Nähmaschinen, die wohl noch in zehn Jahre nähen, was ich bei diesem Plastikmodellen auch erst einmal sehen möchte. Nähmaschinen, die jeder, der Ahnung hat vom Metier, niemals weggeben würde. Alle Maschinen sind angeblich an eine soziale Einrichtung gewandert. (Was an sich natürlich gut ist, aber in sich so unfassbar unnötig.) Weil der Bereichsleiter keine Ahnung hat vom Nähen übrigens ohne Nähfüße. (Hey, selbst wenn Omas Pfaff den Geist aufgeben würde, würde ich die nicht weggeben wollen in der Hoffnung auf ein Wunder.)

Als wir alle, auch die Anfänger, das gehört haben, haben wir erst einmal stillverzweifelt eine Schweigeminute einlegen müssen.

Nur zum Spaß bin ich eben mal auf die Seite von Pfaff gegangen. Das Nähmaschinen-Geschäft ist heuer ein sehr lustiges. Erst einmal lande ich auf der Homepage in der Navigation unter Nähmaschine in einer Auflistung von sieben unterschiedlichen Modellen, deren fantasievolle Namen wie „passport™ 2.0” oder select line™” mir so richtig viel sagen. Klicke ich dann auf eines der Modell, wird mir in der hervorgehobenen Featurebeschreibung als erstes genannt:

• Großes, hochauflösendes Display
• Tastbildschirm (ambition™ 1.5)
• Original IDT™ System

Features, die bis jetzt nicht sooo viel mit der eigentlichen Aufgabe einer Nähmaschine haben. Ausgenommen das IDT™-System beschreibt den Stofftransport der Pfaffmaschinen. Aber Display ist voll wichtig beim Nähen, wa ey? Dann folgt totschlagende Masse:

• Bis zu 195 Stiche
• Bis zu 4 Schriften
• 29 Nadelpositionen

29 Nadelpositionen. Ich vermute diese Nähmaschine kann steppen? Also im Sinne von Stepptanz? Und hat es wirklich nicht zu der einen 30. Nadelposition reichen wollen?

Kurz und praktisch, mich beschleicht zunehmend das Gefühl die Nähmaschine von heute ist der Frau der tiefgelegte Golf GTI des Mannes. Oder so.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Also, keine Angst, die Brother hält schon auch was aus. Ich hab eine - allerdings wurde ein Fußpedal mitgeliefert. War Standard. Es wundert mich, dass die Fußpedale bei Euch nicht dabei waren. Oder hat da einer eventüll einen Fehler gemacht? Bei Menschen, die Pfaff-Maschinen wegschmeißen, muss man ja das Schlimmste vermuten...

michilge hat gesagt…

Ja, das ist ein bodenloses Thema. Ich empfehle vor Anschaffung einer eigenen Maschine dringend in mehrere Fachgeschäfte zu gehen und erstens in Erfahrung zu bringen, ob eine eigene Werkstatt angeschlossen ist.

Ich habe die persönliche Präferenz Robustheit vor Funktionsumfang. Wir hatten mal eine Singer, aus der nach drei Jahren gelegentlichen Gebrauchs Plastikspäne rieselten. Mit der sind wir zur Werkstatt. Der freundliche Mechaniker hätte gerne geholfen, aber das Plastikteil war nicht mehr zu bestellen. Ganz toll.
Ich hab' dann gefragt, ob Pfaff denn vielleicht zu bevorzugen sei. Das hat er verneint mit dem Hinweis, daß Pfaff bei den Modellen, die in den letzten Jahren angeboten werden auch komplett auf elektronische Steuerung mit Schritt-/Hilfsmotoren umgestellt hat. Der Funktionsumfang, der das Preisniveau bestimmt, wir dabei in erster Linie über umfangreiche oder abgespeckte Software definiert.

Er hat mir dann eine Maschine einer Marke verkauft, von der ich bis dahin noch nie gehört hatte (newlife), von der er aber zu wissen schien, daß dieser Hersteller von Pfaff die entsprechenden Patente und Produktionsanlagen für die eingestellten mechanischen Baureihen erworben hätte und jetzt unter anderem Firmenlogo die bewährte Qualität weiter anböte. Produziert würde allerdings inzwischen in China. (Auch Pfaff gehört lt. wikipedia seit diesem Jahr einer chinesischen Firma.) Die Marke "newlife" wird wohl inzwischen auch unter "Gritzner" vertrieben. die sehen aber vom Gehäuse her noch genauso aus.

Ich habe den freundlichen Monteur gefragt, ob er mir an einem Modell in seiner Werkstatt mal zeigen könnte, wie es in so einer Maschine unter dem Gehäuse aussieht und ob wirklich alles so robust ist, wie er meint. Das was ich gezeigt bekam, erinnerte mich tatsächlich stark an meine alte Pfaff-Tretmaschine aus den Sechzigern (Erbstück von Muttern). Das hat mich dann überzeugt und seit ca. 6 Jahren läuft sie klaglos. Keine Ahnung, ob die das in China noch so gut im Griff behalten, wenn an den Werkzeugen zur Herstellung erste Toleranzen und sonstige Probleme auftreten, aber wie gesagt, unsere vor 6 Jahren gekaufte ist top.

Ich nähe durchaus auchmal dickes Gurtband auf Taschen oder für Kameragurte. Oder LKW-Plane oder Leder. Ich bekomme dann zwar Mecker, weil ich für das dickere Garn die Unterfadenspannung verstellen muß, aber ansonsten liebe ich unsere newlife. Einzig die Bedienungsanleitung war superschlecht. Aber wer liest schon f***ing manuals

Bei den Funktionen bin ich nicht so wählerisch, allerdings wollen wir hier zuhause auch beide keine vollautomatisch gestickten Teddybärchen produzieren.

Ein wirklich sinnvolles Feature ist der Oberfußtransport (auch 'ne Erfindung von Pfaff) Freiarm ist gut für engere Sachen, Ärmel, Täschchen o.ä.
Es sollten gängige Nadeln auch von Fremdherstellern passen. Einen Knopflochfuß mit Millimeterskala finde ich auch praktisch und eine halbautomatische Knopflochfunktion (Tasten A,B,C,B oder so für rechte Kante, breit, linke Kante breit) ist auch schön. Wichtig ist mir aber auch ein Motor, dessen Geschwindigkeit sich von langsam bis schnell möglichst fein regeln läßt, und der auch längeres Langsamnähen gut verkraftet.

Zum Einfassen von Nahtzugaben gegen Ausfasern ist auch der eine oder andere Stretchstich zu gebrauchen. Wer wirklich regelmäßig Overlockunktionen benötigt, kann sich auch 'ne zweite Maschine hinstellen. Aber auf gar keinen Fall, wirklich niemals, wollte ich auf einen Fußschalter verzichten.

Anonsten Doppelumlaufgreifer, Transport, kraftübertragende Wellen, Gleitlager, alles schön aus Metall. Beim Thema Gleitlager denke ich sofort an Ölen und Schmieren. Auch das ist ein Thema, das einem am besten einer erklären kann, der selbst repariert und daher die typischen Knack- und Schwachpunkte kennt. Zur Maschinenpflege gehört nicht nur das Entfernen von Staub und Fadenresten, an einige Stellen muß auch regelmäßig Öl.

Gruß, Michael

die paule hat gesagt…

ich hab (vermutlich) die besagte brother (innovis 10-a) schon seit drei jahren und bin damit sehr zufrieden. man mag es ihr nicht ansehen, aber ich näh damit auch mehrere lagen kunstleder, gurtband und jeans, so sind schon einige sehr stabile taschen entstanden. dass neu und computergesteuert nicht immer besser ist, steht allerdings außer frage. und dass leute, die keine ahnung vom metier haben, nicht die hardware einkaufen sollten, auch ;-) (meine nähkurse hab ich in einem nähmaschinenladen mit angeschlossenem stoff- und kurzwarengeschäft absolviert, das war ne sehr praktische kombination)

viel spaß weiterhin!
die paule

Lily hat gesagt…

Nähmaschinenmechaniker sind eine aussterbende Art...

creezy hat gesagt…

@Anonym
Da bin ich mir sicher, dass die einiges aushält. Und die Fußpedale werden auch irgendwo sein. Ich sage es mal so: es wäre hilfreicher die Dozentin würde sich mit den Dingern einfach mal anfreunden. ,-)

Nun, der Bereichsleiter hat die Pfaff-Maschinen ja nicht weg geworfen, sondern weitergegeben. Also … hoffe ich sehr. Man weiß es ja nie … ,-(

@Michael
Vielen Dank für den langen ausgiebigen Text und die Tipps! Ich habe ja hier Omas Pfaff – und ganz ehrlich, hätte ich das Geld würde ich mir sofort noch eine auf Lager legen. Meine näht leider zur Zeit keine Zierstiche. Da hat der Mechaniker bei der Wartung irgendwie gepennt. ,-( Also werde ich sie demnächst noch einmal woanders vorstellen. Sie ist wirklich toll. Die liefert Stiche, da kommt der hier anwesende Plastikbomber (Wertarbeit W6 -> Privileg -> Janome), den ich auch sehr sehr schätze, weil unkompliziert und praktisch und ein echtes Arbeitstier, dann eben doch nicht mit. Die Pfaff ist eine ganz andere (Gewichts-)Klasse und ich freue mich sehr darauf, wenn sie dann mal bald ganz richtig tickt! Die näht einfach in einer ganz ganz anderen Klasse.

Übrigens steht bei der überall auf dem Motorblock „Oel” unter dem Gehäuse, wo welches hinsoll. Die haben damals wirklich an alles gedacht.

@die paule
Das lese ich sehr gerne! Ach, ich werde mich in der VHS schon noch mit ihr anfreunden. ;-)

@Lily
Stimmt. Aber ich habe neulich Müller Nähmaschinen entdeckt (und nicht sehr weit von mir). Die reparieren sogar noch die ganz alten Schwarzen ohne Strom. ;-) Und: ein toller toller Laden!

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