2013-10-01

Rush

Gestern habe ich im Kino „Rush” gesehen, den Film mit Daniel Brühl, der die besondere Rennfahrersaison 1976 und den Zweikampf um die Weltmeisterschaft zwischen Nicki Lauda und James Hunt beschreibt. Die Rennfahrersaison in der Nicki Lauda so fürchterlich, beinahe tödlich verunglückte aber unfassbare sechs Wochen später wieder in den Rennwagen stieg und den Kampf um den Titel neu aufnahm.

1976 war ich zehn Jahre alt. Durch den Unfall Laudas habe ich damals als Kind Rennsport erstmals überhaupt wahrgenommen. Natürlich, da sind sich die Deutschen nie zu fein, wenn ein Österreicher international Großes leistet, dann adoptieren die Deutschen die Ösis gerne einmal. Insofern hatte durch Laudas Erfolg die Formel 1-Welt auch ihren Erfolg und wurde von den Menschen hierzulande wahrgenommen, die vielleicht vorher nicht viel mit dem Rennsport am Hut hatten. So war es auch in meiner Familie.

Das Intro im Film, von Nicki Lauda gesprochen, verkündet als lapidare Tatsache, dass es Usus sei, dass von den Fahrern in der Saison mindestens zwei auf der Strecke blieben. Genauso war Rennsport damals letztendlich auch.

Der Film ist schnell geschnitten, auch jenseits der Rennszenen. Da ist keine langweilige Leere, keine falsch gesetzte Romantik, kein übertriebener Pathos. Beinahe dokumentarisch wird zurück in das wilde Leben der 70iger geblendet, dieser Zeit in der alles möglich schien. Die Rennszenen gewinnen an Spannung durch die Straßenperspektive in die der Zuschauer geholt wird, aufbereitet im Stil der damaligen Filmtechnik, dass man technisch nicht merkt, wenn echte Rennszenen eingeblendet werden. Genau diese Entscheidung, den Film nicht superscharf und perfekt wiederzugeben, tut ihm richtig gut.

Daniel Brühl spielt den ernsthaften, introvertierten, immer kompromisslosen Perfektionisten Nicki Lauda. Und das tut er ziemlich, verdammte Hacke noch mal, richtig richtig gut. Er wird in dem Film immer mehr zu diesem österreichischen Rennfahrergenie „The Rat”, der Schauspieler verschwindet komplett. Auch Chris Hemsworth, der den blonden, sonnigen James Hunt, dieses totale Gegenteil von Lauda, interpretiert, agiert perfekt an der klassischen Oberfläche von Hunt, so wie man ihn damals wohl nur verstehen wollte.

Alexandra Maria Lara, die die Rolle der Ehefrau von Nicki Lauda, Marlene, innehält, hat in ihrer ersten Szene noch einen halbwegs lebendigen Auftritt. Danach schlüpft sie wieder in ihr typisches Rollenbild: herumstehen und großäugig staunend den Film an sich vorbei spielen lassen. Interessanterweise sieht sie in dem Film immer zehn Jahre älter aus als Lauda selbst.

Der Film spielt mit allen Klischees der damaligen Rennepoche, aber setzt immer dann, wenn Hunt und Lauda sich zwischen den Wegen in den Boxen einen kurzen Schlagabtausch liefern, viel Tiefgang – und zwar ohne lange dröge Dialoge. Ganz nebenbei wird der Mythos Ferrari „La Familia” pragmatisch demontiert.

Der Soundtrack ist großartig und selbst Hans Zimmers Kompositionen haben dem Film keinen Schaden anrichten können, im Gegenteil. „Rush” bleibt, obwohl man den Ausgang der Rennsaison 1976 kennt, bis zum Schluss unglaublich spannend. Es waren einfach noch andere Rennzeiten. Es waren vor allem Kai Ebel-freie Rennzeiten.

Ich habe lange nicht mehr einen Film so genossen!

6 comments:

Frau Dinktoc hat gesagt…

Ich bin mit dem alten Nürburgring aufgewachsen. Meine Mutter stammt aus einem Dorf, das innerhalb der alten Nordschleife liegt - an Rennsonntagen saßen wir bei meiner Oma im Hof und lauschten dem Kommentator, der kilometerweit durch die Eifelwälder zu hören war. Oft führte der Sonntagsspaziergang an die Rennstrecke, die Wanderwege liefen auch innerhalb des Zauns entlang. Meine Mutter kannte alle Streckenposten, das waren alles Leute aus den umliegenden Orten, und so kamen wir immer mit "wir wollen nur durchgehen" zu einer halben Stunde Grüne-Hölle-Feeling.
Die Camping-Athmosphäre an der alten Nordschleife habe ich als Kind geliebt. Dass auf dieser gefährlichen Strecke jedes Jahr Rennfahrer starben, war halt damals so und wurde von uns Kindern nicht in Frage gestellt. Als der Unfall passierte, war ich gerade gut neun Jahre alt und habe es Niki Lauda noch jahrelang persönlich übelgenommen, dass die alte Strecke danach nicht mehr für die Formel1 genutzt wurde. Es war nie mehr der gleiche Ring (und damals wie heute bleibt meine Frage unbeantwortet: wenn der Ring zu gefährlich war wegen zu kleiner Auslaufzonen, warum findet dann Monaco immer noch statt?).
Ich werde mir den Film wohl nicht ansehen, weil ich nicht möchte, dass meine schönen Kindheitserinnerungen an den Ring überlagert werden durch eine andere Perspektive.

ker0zene hat gesagt…

Ich kann mit Motorsport im allgemeinen und der Formel 1 im speziellen heute recht wenig anfangen. Liegt vermutlich daran, das es sich dabei auf der einen Seite um einen hochtechnisierten Bereich handelt, in dem zu sehr großen Teilen Material und Budget entscheiden, auf der anderen Seite an der angesprochenen Ebelisierung der Aufbereitung. Fing für mich beides gefühlt mit Beginn der Schumacher-Dominaz an, vorher zur Zeit der (bewusst erlebten) Senna, Mansell, Piquet, Prost war das anders, echter.
Werde mir den Film ansehen, bin gespannt.

Btw: Im Kontext Formel 1 der siebziger Jahre empfehle ich wärmstens Wolf Haas' Buch "Ausgebremst". Spielt zwar mit (teil)fiktiven Figuren, spiegelt die Atmosphäre der Zeit aber großartig wieder und ist sprachlich herausragend.

creezy hat gesagt…

@Frau Dinktoc
Oh, was für eine tolle Geschichte! Wie sehr ich Dich darum beneide! Aber ich denke, den Film kannst Du trotzdem sehen. Die Szenen am Nürburgring sind nicht sooo lang. Es gibt eine Totale auf die ganzen Camper dort, die greift genau das auf, was Du erzählt hast. Es muss toll gewesen sein!

@ker0zene
Klar, das liegt nahe bei Deinem Nicknamen. ;-) Also ich mochte die Formel 1 schon sehr. Aber mittlerweile, seit ca. 4 Jahren, bin ich nicht mehr aktiv dabei. Es ist nur noch Taktik, Technik, Berechnung, kein sportlicher Freigeist mehr.

Lauda beschreibt es in diesem Interview sehr gut selbst. Und ja, es fing mit dem Ableben von Senna bzw. dem Antreten von Schumacher an.

Aber der Film greift die Emotionen, diesen ganz besonderen Flair, den Wahnsinn, sehr gut auf. Ich war gestern ziemlich glücklich, ehrlich gesagt. ;-)

Danke für den Buchtipp. Werde ich befolgen. ,-)

Anonym hat gesagt…

Vielen, vielen Dank für die Filmbesprechung - mir steht der Besuch des Films mit dem besten aller Partner ins Haus, der ihn unbedingt sehen möchte. Ich finde Formel 1 ja eher dröge, aber nach dieser Beschreibung gehe ich wirklich gerne und interessiert ins Kino. :-)

ker0zene hat gesagt…

Ach der Nickname ... das waren die Zeiten von EZboards und BNC-Lanpartys der ausgehendem 90er ... ;)

Weswegen ich den Film eh sehen muss - seit dem ich von dem Projekt hörte frage ich mich, wie man so einen Hemsworth in ein Formel 1 Cockpit bekommen soll?

creezy hat gesagt…

@Anonym
Na, immer jerne doch – viel Spaß Euch! ;-)

@ker0zene
Ja, guter Einwand. Aber tatsächlich war ja auch Hunt im Vergleich zu anderen Fahrern nicht klein. (Im verlinkten Interview bzw. bei Wiki stehen die Infos zu den verwendeten Wagen. ;-) ) Es sind natürlich nicht die Originalen …

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