2006-07-27

Erbmasse



Lino, 5 Jahre alt. Maunzt deutsch mit spanischem Akzent als gebürtiger Mallorquiner, kastriert, klassisch schwarz-weiß mit sehr dünnem Schwanz aber hohem Bein. Unglaublich entspanntes Katzenwesen. Die Polizei hatte ihn freundlicherweise in der Nacht des Grauens für mich auf dem Abschnitt bis zum nächsten Morgen verwahrt und nicht sofort ins Tierheim gebracht. Das macht ihn zu dem allerersten Mann, den ich jemals aus einer Arrestzelle abgeholt habe. Alter Knastbruder!

Er ist reizend. Er freut sich ungemein über das neue Zusammenleben mit den beiden Katzendamen. Die hingegen beraten sich seit Samstag in einer Ecke des Schlafzimmers darüber, wie viele rote Karten einschließlich Platzverweis sie mir und ihm erteilen können, weil ich dieses Erbe nicht ausgeschlagen habe.

In der Zwischenzeit hüpft er wie ein junges Fohlen begeistert auf sie zu, wenn er sie sieht und will eigentlich spielen. Sie finden das nicht so lustig. Er ist locker drei Mal höher, breiter und schwerer als die beiden Bonsai-Katzen. Okay, würde Arnold Schwarzenecker mit hocherhobenem Schwanz auf mich zu springen, würde ich auch davon rennen. Schnell.

Sie hat ihn abgöttisch geliebt. Er sie zurück. Er war der einzige, der bei ihr war, als es passierte und hat ausgehalten. Auch deswegen ist er mein Held.

Der Callcenter und der Tod!

Gestern in Mums Wohnung die Dinge gesichtet, die ich unbedingt für mein weiteres Seelenheil benötige. Dazu gehören unter anderem das neongrüne Brigitte Diät-Buch Nr. 1 von 1975 und eine uralte schreiend orangefarbige Rührschüssel in der alle meine Sachertorten (ich war als Kind schon komisch), die meine Mum mir immer gebacken hatte, zubereitet wurden.

Das Telefon klingelt – ich melde mich natürlich ordentlich mit 'creezy am Apparat von creezys Mama' – und der junge Mann am anderen Ende fragt sehr reizend, ob er denn die Frau Mama oder den Herrn Papa einmal sprechen könnte. (Ich weiß, ich klinge pfiepsig am Telefon und sicher im Moment noch ein bisschen mehr, aber soooo klein klinge ich nun doch nicht, oder?) Wir quatschen ein bisschen, er kommt nicht zum Punkt, ich behaupte, er will mir jetzt einen Telefonanschluß verkaufen, er verneint und meint, nur eine Dienstleistung. Ich sage ihm, das wird nicht klappen, weil die Anschlussinhaberin verstorben sei. Da denke ich, jetzt habe ich endlich mal den coolsten Callcentermoment der Welt in meiner Leitung – und er schnattert nach nur 0.2 Zehntelsekunden 'das täte ihm so leid, er weiß wie das ist, der Vater seines Lebensgefährten sei vor zwei Wochen verschieden und ich hätte sicher eine schwere Zeit und das täte ihm auch leid und alles Gute und viel Kraft und er konnte das doch nicht wissen… .'

Apropos, kann es sein, dass sich nach diesem Sommer unser Rentenloch komplett in Luft aufgelöst hat, weil kaum noch ein Mensch über 60 nach diesen Hundstagen am Leben sein wird?

Passt bloß auf Eure Eltern und Großeltern auf, zwingt sie zu trinken.

2006-07-26

Gestern

entschieden, dass ich mich nicht noch einmal persönlich von ihr verabschieden werde. Ich würde das gerne wollen, weil es wichtig ist Auf Wiedersehen und vor allem Danke, auch noch einmal Entschuldigung für dieses und jenes zu sagen. Der Mitarbeiter hat mir davon abgeraten, es vor der Obduktion zu tun, sondern auf die Arbeit des Bestatters zu warten. Aber wenn das erst nötig ist, hat sie wohl nicht mehr viel mit meiner Mum gemein. Dann sollte ich sie lieber so im Herzen und Kopf bewahren, wie ich sie in Erinnerung habe. So habe ich mich gestern für die Verabschiedung im Herzen entschieden.

Heute meint ihre Hospizgruppe (sie wollte selber als Hospizbegleitung arbeiten), sie würde gerne von ihr noch einmal persönlich Abschied nehmen.

Es ist egal, was ich will. Was andere wollen. Wichtig ist mir nur, was hätte sie gewollt? Wieder einer dieser klitzekleinen Punkte, die wir nicht festgelegt haben. Wir haben darüber gesprochen, aber sie hatte dazu keine Meinung, hätte es selber von dem Wie? zu diesem Zeitpunkt abhängig gemacht.

2006-07-24

Ferngesteuert

Genau. Ferngesteuert. So lässt sich mein Zustand wohl am treffendsten beschreiben. Und ungläubig. Und nicht begreifen, warum ich funktioniere.

So schlimm die Anrufe bei ihren Freunden und es ihnen sagen zu müssen. Sie wissen sofort, das etwas nicht stimmt, weil i c h anrufe. Zu sagen 'ich habe keine gute Nachricht', den unbedingten Wunsch am anderen Ende zu spüren, das ich doch bitte um Himmels willen nicht das sagen werde, was ich sagen muss. Ich habe das zu oft machen müssen, die letzten Tage.

Registrieren, dass der Mitarbeiter bei der Gerichtsmedizin Fröhlich heisst. Er entschuldigt sich dafür.

Die Hoffnung, sie würden sie in Frieden lassen können, sie nicht aufmachen, zerschlagen seit heute mittag.

Alles ist so schlimm und schlecht gelaufen, wie es in einem solchen Fall laufen kann.

Der innige Wunsch, sie nach Hause, nach Mallorca bringen zu können.

Mich schon zwei Mal bei der Urnenfarbe umentschieden. Der Bestatter meint gelassen, ich habe noch Zeit dafür.

Freunde zu haben. Liebe. Starke.

Vielen Dank Euch allen für Eure lieben wertvollen Worte.

2006-07-22

Meine Mama ist tot.

Um ein Uhr nachts vorhin haben mich Polizisten aus dem Halbschlaf geklingelt und es mir mitgeteilt.

Der Alptraum vor dem ich so viel Angst gehabt habe, ist wahr geworden. Einfach so da.
Hier liegt ein Vordruck vom Polizeipräsidenten mit der Aufforderung einen Bestatter zu beauftragen. Eine Vorgangsnummer. Der Name von meiner Mama.

Das kann doch nicht sein.

2006-07-21

Berlinquatsch

Morgen findet der wegen der WM von Juni auf Juli verschobene Berliner Christopher Street Day statt. Selbst wenn ich den Termin nicht auf dem Plan hätte, weil's mein liebstes fotografisches Date im Jahr ist, die Zeichen mehren sich, dass die Stadt gerade mehr als sonst im schwulen Fieber ist. Aus für mich logischen Gründen achte ich mehr auf männliche Hintern als auf feminine D-Werte und kann melden: äußerst charmante Po-Ansichten in Town!

Eines der Berliner Wahrzeichen befindet sich immer noch im passenden Anstrich zur privaten Neigung unseres Bürgermeisters – und an dieser Stelle und diesem Wochenende rückt das T-Magenta und die tolle WM-T-Kampagne in eine völlig neue Richtung und vermittelt eine Aussage, die dem Marketingtreibenden des Unternehmens vielleicht gar nicht soooo recht sein mag…



Allerdings Jungs, das muß ich jetzt mal mit aller Strenge meiner heterosexuellen nur rudimentär vorhandenen Dominaattribute so hart sagen, gilt IMMER und zwar ohne jede Ausnahmen folgende mathematische Klausel: Wenn Sandalen ohne Socken (sehr löblich) DANN vorher zur Fußpflege! Ich will nicht in der U-Bahn, nichts Böses ahnend, plötzlich einer Sammlung sich hochwölbenden Fußsnägeln gegenüber sitzen, deren Fehlform, Nagelbrüche und milchige Verfärbung sehr deutlich auf eine seit mehreren Jahren existierende unbehandelte Pilzerkrankung der Protagonisten hinweisen. Auch eine Fußnagellänge von mehr als 0,2 mm ist nicht zu akzeptieren.

Eine Freundin von mir hat per se nichts gegen Bartträger. Aber sie könnte nie gemeinsam mit einem Bartträger an einem Esstisch sitzen und ihm beim Essen zu sehen. Da vergeht ihr sofort der Appetit. Aus. Vorbei. Genauso einen Hauwech habe ich bei zu langen Fußnägeln. Deren Anblick ist für mich die reine Körperverletzung. Ich kann nur noch auf die Zehen starren und spüre es kalt den Rücken hochkriechen, gleichzeitig schlägt die Aggressionsnadel stetig sehr weit in den roten Bereich aus.

Ich siniere über gedruckte Visitenkarten
'Ihre Füße sind fürchterlich ungepflegt und wiederlich anzusehen.
Gehen Sie bitte zur Fußpflege!
Oder verzichten Sie ab sofort auf offenes Schuhwerk!'

Still aber direkt mit boshaft zusammen gekniffenen Augen überreicht.

Ich hab's momentan nicht leicht da draußen.

Sachlicher Zusammenhang



durch Layoutkunst in den richtigen Kontext gebracht. BILD eben.