2009-06-20

Rednoseday in Tempelhof



In Berlin wusste man heute nicht, auf welcher politischen Party man eigentlich zuerst rocken sollte: gemeinsam mit dem Iran demonstrieren? Gegen dumme null webaffine Politiker? Oder Tempelhof besetzen? Tempelhof besetzen ist natürlich genau mein Ding! T-Hof ist mein Kiez, hier darf ich sein und wenn hier ein Happening passieren soll, dann bitte mit mir. Obwohl ich im Vorfeld die Leute von dem Orga-Team nicht verstanden habe, denn wenn es tatsächlich ein Konzept vom Senat für die Grünfläche gibt – was ist genau das Problem dieser Leute? Dass der Zaun sie erst mal vor einer mittelschweren Kerosinvergiftung schützt, wenn sie darauf picknicken? Gut, das wäre natürlich doof. Aber ich frage mich auch – wer kommuniziert da eigentlich mit wem nicht?

Egal, ich las heute früh in der Zeitung: 1.800 Beamte müssen heute den Flughafen schützen. Da dachte ich so bei mir: sauber! Wie viele Leute werden da heute diesen komischen stillgelegten Flughafen besetzen wollen? 500? 800? Und wenn, was sollen die paar People auf diesem riesigen Feld ausrichten? Meine Güte, wenn die heute mal an einer Stelle den Zaun auf zwanzig Meter geöffnet hätten, dann hätten sich die paar Leute auf dem Feld verlaufen – vermutlich nicht mal das, denn die ganze Strecke bis rüber zum S-Bahnhof Tempelhof hätten die eh nicht ausgehalten, danach hätten sie für zwei Tage ihr persönliches kleines Berliner Woodstock für Prenzelwixer abgehalten und Montag morgen wären sie glückselig zurück in die Schule zu ihrer Abi-Klausur gegangen. Der Senat hätte an der Stelle einen tollen festen Drahtzaun hinstellen können, wie schon am Ende des Rollfeldes zum Gebäude hin – alle hätten richtig viel Knete gespart und jut wäre es gewesen.

Also für mich hatte diese Kinderkacke heute zur Folge: ich kann morgens meine Route auf dem Rad in die City nicht fahren und zurück natürlich auch nicht. Ich durfte nicht mal als mit Perso ausgewiesene Anwohnerin durch die Sperre (weil ich ja auch wie ein Zaunhopper aussehe), weil ich nicht „direkte“ Anwohnerin sei. Auf meine Frage in Richtung der (verdammt hübschen) Polizisten, ob sie jetzt eine gehbehinderte nicht direkte Anwohnerin auch die sechste Umleitung gehen lassen würde, guckte sie mich nur irritiert an, Mademoiselle Polizei. Klar. Egal, ist ja auch nur Befehlsempfängerin.

Nun denn, irgendwo in den Nebenstraße wurden schon vormittags „Büdchen“ aufgebaut mit lecker Kuchen, Säftchen gegen Spende und Kiezküche. Unschuldige Kinder wurden frühzeitig – wegen der erschwerten Bedingungen auf Pflasterstein – mit Kreide malend trainiert, wie man später Graffitis entwirft und zur Transparentmalerei gezwungen.



Schuldige Erwachsene ließen sich die Gesichter bemalen, Deppen haben die Kindersprungburg gekillt und überhaupt war das eine ganz komische Klientel, die da aktiv war, ein bisschen zu jung, um an ernsthafter Nutzung von grünen Flächen interessiert zu sein, ein bisschen zu bunt in der Kleiderwahl, ein bisschen zu unbekümmert, ein bisschen zu blass und partiell auch einfach zu blöd und zu unengagiert und zu unmutig, um Zäune zu entern.



Und man verzeihe mir den Kiez-Rassismus, aber bitte, könntet Ihr (meistens) zugereisten Prenzelwichser bitte einfach mal da bleiben, wo der Pfeffer wächst? Ihr macht Euch hier in letzter Zeit in so einer ordinären, dreisten, unangemessenen Art in Neukölln schon breit. Nehmt Abstand von Tempelhof, Ihr habt vor heute noch nie einen Fuß in diesen Bezirk gesetzt – also was soll dieser nervöse sinnlose Kinderkram? Guckt mal: Tanja und Johnny Häusler von Spreeblick, die haben brav zehn Jahre vorab in Kreuzberg campiert, bevor sie hier einreisen durften. Das ist okay. Aber Ihr habt hier erst mal a) nix zu melden und b) nix zu suchen. Geht woanders spielen!

Lustige Szene: ein Mädel durchbricht die Absperrung, rennt aber gleich wieder zurück als sie den ersten Polizisten auf sich zu kommen sieht, die rennen indes zu fünft (!) wie abgestochen zu der Wahnsinnigen, machen da ‘ne Lücke, wo sechzig Sekunden vorher schon ein kleiner Pulk (sechs Leute, der Rest nur Gaffer)


versucht hatte mit vorgetäuschtem Wagemut an den Polizisten vorbei zu gehen. Ruft einer der Demonstranten den kostümierten Jungs hinten zu: „Ihr wisst aber schon, dass es vorne jetzt dünn geworden ist oder?“ Und das war genau der Punkt: mit etwas Cleverness, Konzeption und Enthusiasmus, hätten sie die Polizistenmauer lässig durchbrechen können – aber sie haben da agiert wie Zehnjährige auf dem Schulausflug. Aber Hauptsache rote Nasen tragen beim „politisch sein“ und in der Gemeinschaft auf der Straße trommeln!



Übrigens: von wegen Tempelhof wird nicht für's Volk geöffnet: Pyromusikale



(Nachtrag: zwei Millionen hat der Schwachsinn gekostet, ich fasse es nicht.)

6 comments:

Anonym hat gesagt…

Feuerwerk für 38 Euro Eintritt. Wenn das das Konzept für Tempelhof ist. Das Grünflächenkonzept sieht erhebliche Bebauung vor und ist ein typisches Produkt des Berliner Wunschdenkens. "Kreativwirtschaft", "Urbanes ökologisch nachhaltiges Wohnen", "Umwelttechnik-Cluster" - derweilen werden mit der derzeitigen Nutzung als Eventlocation Fakten geschaffen, wie der 10-Jahres-Mitevertrag mit der Modemesse "Brot-und-Butter". Aus meiner Erfahrung mit Berlin wird am Ende doch die Prgramatik und die Invertoreninteressen siegen. Tempelhof als dezentrale Messe- und Event-Location, ein wenig Bebauung an den Rändern, zähe Renovierung und Vermietung der riesigen Flächen im Hauptgebäude, da das Geld fehlt. Auf keinen Fall eine generelle Öffnung und Begrünung. Das könnte derzeit keiner bezahlen und wäre auch nicht im Sinn der Immobilienmafia.

creezy hat gesagt…

Klar, ein Feuerwerk macht natürlich gleich ein Gesamtkonzept für Tempelhof. Ich frage mich, was wäre denn der Vorteil einer Öffnung – hier ebenfalls einer „dezentralen“ (wie kommt man eigentlich bei der Lage von Tempelhof darauf von dezentral zu reden?) Grünlage? Das Areal ist groß genug, als das man es nicht einer gelungenen Mixlösung zuführen könnte.

Der Senat guckt und probiert momentan, wie die Akzeptanz von Tempelhof für solche Veranstaltungen seitens der Bürger ist. Das kann man positiv sehen, man kann es natürlich auch verteufeln. Ich erlaube mir schlicht zu den Optimisten zu gehören.

Anonym hat gesagt…

Den Bildern fehlt ein anständiger Aufhellblitz, mit Ausnahme des letzten Bildes von dem Alien im Grün, Reportagefotografie ohne Aufgellblitz ist wie … Campari Orange ohne Orange.

creezy hat gesagt…

@anonym
Es ist so schade um die guten Canon-Fotografen, dass sie den Stil und die Schönheit der Available Light-Fotografie so gar nicht mehr sehen noch schätzen können. ,-)

Anonym hat gesagt…

Einige Nutzungsmöglichkeiten beissen sich, obwohl das Gelände gross ist. Zudem ist die Lage und Verkehrsanbindung vorgegeben, positiv wie negativ. Eine Event-Arena passt nicht zur Wohnbebauung, insbesondere der eher hochpreisigen. Wohnbebauung ist auf der Seite der Autobahn aus Lärmschutzgründen wohl nicht denkbar. Ein "Kreativzentrum" mit 5000 Arbeitsplätzen im Hauptgebäude würde 7/24-Betrieb und auch viele Events bedeuten. Inklusive der Verkehrsprobleme und Bedenken der direkten Anwohner rund um den Platz der Luftbrücke (Tempelhof, Kreuzberg, Schöneberg). Am Columbiadamm sind ja auch die Wohnviertel vorgesehen. Jedoch ist die U-Bahn, S-Bahn und Autobahnanbindung auf der West- und Südseite des Geländes. Nicht optimal für die angedachten 5000 Wohnungen und 10.000-15.000 Bewohner. Eine bebauung am Columbiadamm würde auch eine Grünschneise zur Hasenheide erschweren.

Optimist zu sein, ist ein Privileg, besonders in Berlin. Jedoch darf man die Entwicklung Berlins in den letzten 10 Jahren nicht ignorieren. Das einzige, was boomt ist der Tourismus. Airport Tempelhof ist ein Mythos. Daher befürchte ich, dass bei der Nutzung eher an Gäste (Messebesucher, Eventtourismus, Veranstaltungen) gedacht wird, als an die Bevölkerung im Süden Berlins.

Anonym hat gesagt…

Mit Stil und Schönheit hat es nix zu tun wenn Himmel ausgefressen und Gesichter nicht zu erkennen sind. Aber vielleicht sind Pentax-Dokumentationen auch nicht dafür da zu informieren, vielmehr nur so eine Art von Kunst in der Landschaft.

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