2013-01-20

Der Südseekönig

Die Debatte ob der „Negerkönig” durch den „Südseekönig” bei Astrid Lindgrens Pipi Langstrumpf ersetzt werden soll, sie lässt einen nicht los. Gerade folgte ich den Verlinkungen von Kiki auf ihrem Blog e13.de zu diesem Thema und las die persönlichen Stellungnahmen vom wondergirl und kittykoma. Beides sehr interessante Ausführungen zu dem Thema – mit sehr unterschiedlichen Sichtweisen.

Meine persönliche Meinung ist vergleichsweise trivial. Grundsätzlich finde ich, dass an den Werken von Künstlern, also auch Autoren, nicht von fremder Hand herum gefeilt gehört. Schon gar nicht post mortem eines Künstlers, wenn er dazu nicht Einspruch erheben kann. (Im Fall von Lindgren ist ihre Verweigerung an Änderungen ihres Werkes übrigens bekannt, denn sie musste sich mit den Rassismus-Vorwürfen noch zu Lebenszeiten auseinandersetzen). Üblicherweise wird Kunst zu ihrer Zeit geschaffen und wenn sie so verbreitet, also angesehen ist, dass sie diese überdauert, ist das ein Qualitätsmerkmal. Insbesondere dann, wenn sie zudem diskutiert werden muss. Dass sich die Diskussion der Kunst über eine gesellschaftliche Entwicklung hinweg ändert, ist logisch nachvollziehbar. Aber muss sich deswegen die Kunst auch ändern? Und wer, bitteschön, will bestimmen, dass die heutige Entscheidung hierzu noch in 100 Jahren eine richtige war?

Vor allem, wo wollen wir anfangen, wo sollen wir aufhören? Den „Otello the Moor of Venice”, also „Otello, der Mohr von Venedig” in „Otello, der People of Color von Venedig” umbenennen? Was nun die nächste einzig sinnvolle Entscheidung wäre, würden wir diesen Weg gehen hinsichtlich eines Reinigung aller diskriminierenden Texte. Mir ist persönlich lieber ein Kind erhält die Chance sich dem Wort „Mohr” bei Otello bewusst sehr kritisch zu nähern, weil es Bescheid weiß. Weil es nämlich zuvor ein Kinderbuch gelesen hat, das als Bildungsauftrag gleich mitgegeben hat, welcher Sprachgebrauch heute kein angemessener ist – und vor allem: warum er es nicht ist.

Vermutlich würde es Astrid Lindgren sehr gefallen, wenn anhand ihrer Bücher über die Zeit, eine sprachliche Hausaufgabe an die Eltern inklusive käme. (Womöglich tut es dem einen und anderen Erwachsenen auch gut beim Vorlesen und Erwähnung des „Negerkönigs” eine erklärende Fußnote gleich mitzulesen?)

So oder so aber gilt für mich, wenn Menschen mit dunkler Hautfarbe, People of Color, in diesem Land entscheiden, sie möchten dieses Wort ersetzt sehen – weil es sie verletzt – sollte man dies tun. Mich stört aber massiv, dass es hierzulande die „weißen” Sprachwissenschaftler sind, die das für sie entscheiden – vor allem die Diskussion für sie führen.

Ich habe mir im Zuge der Diskussion seit Tagen Gedanken darüber gemacht, wie ich damals diese Pipi-Geschichte als solche als Kind erlebt habe. Es gibt ja die Szene, wenn Pipi Taka-Tuka-Land betritt, dass sich die Menschen dort vor ihr verneigen. Natürlich kann einem aufstoßen, dass sich bildlich hier dunkelhäutige Menschen vor einem hellhäutigen Menschen verneigen. Vielleicht aber verneigen sich dort auch nur Menschen vor einer Königstochter? Ist das wirklich von der Autorin willentlich dargestellter Rassismus oder lediglich eine (hierzulande bei europäischen Königshäusern durchaus noch übliche) Ehrerbietung? Nach meinem Gefühl damals haben sich lediglich Menschen an einem anderen Ort vor meiner Heldin verneigt, was ich als völlig stimmig empfand. Zudem sie rote Haare hatte, wie nämlich meine Mutter auch. (Kinder können Kinderbücher so subjektiv lesen, wir Erwachsenen haben ja gar keine Ahnung!)

In der Konklusio fand ich die Geschichte aber als Kind großartig, denn sie vermittelte mir ein Gefühl von einer Welt in der Menschen zwar unterschiedlich aussehen aber für eine Sache gemeinsam etwas tun und schlussendlich zusammen glücklich mit dem Ergebnis sind. Das ist, was ich aus dieser Geschichte mitgenommen hatte: eine glückliche Gemeinschaft vieler unterschiedlicher Menschen. Der „Negerkönig” oder nun „Südseekönig” war für mich ausschließlich Pipis Vater. Die Idee, dass ein Volk einen Fremden sich als König erwählt, fand ich als Kind völlig abwegig. Als König wird man nämlich geboren, das hatten mir vorher längst meine Märchenbücher unmissverständlich beigebracht.

Man kann aus so vielen Blickpunkten – allgemeinen, gesellschaftlichen, subjektiven, politischen – auf so ein Werk blicken, dass ich es für mich ablehne, entscheiden zu wollen, was heute für die Kinder von morgen die richtige Entscheidung wäre. Können wir überhaupt Rassismus in der Zukunft wirklich eliminieren, weil wir ihn aus der Vergangenheit löschen? Nein. Vor allem wir Deutschen können genau das nicht, Rassismus und Diskriminierung ist ein Teil unserer Geschichte. Und wir haben schon zu viel Schaden an Kunst und Kultur aus den falschen Gründen angerichtet, als dass ich mir hier noch mal die Finger dreckig machen würde wollen. Auch wenn die Beweggründe heute andere bessere sind.

Ich habe eben gegoogelt, weil ich mich noch mal mit Pipi näher beschäftigen wollte und in Google das Wort „Südseekönig” eingegeben. Bereits an dritter Stelle folgt ein Wikipedia-Eintrag zu dem Stichwort einer Person namens Johan Cesar VI. Godeffroy. Dieser Mann entstammt einer Familie mit hugenottischen Wurzeln, die Anfang des 18. Jahrhunderts von Berlin kommend nach Hamburg übersiedelte. Seine Firma „Joh. Ces. Godeffroy & Sohn” war eine Handelsgesellschaft, man handelte mit und verschiffte Erze, später Zucker aus Nord- und Südamerika und dann Südafrika, Australien sowie der Südsee. Also den Kolonialgebieten.

Ich zitiere aus diesem Wikipedia-Artikel:

1857 verlegte Johan Cesar VI. Godeffroy seine Aktivitäten in den Südpazifik. Er verschiffte auf der Route dorthin bis 1881 zahlreiche Auswanderer nach Südafrika und Australien. Auf Samoa betrieb er Kokosplantangen. Die Früchte wurden zerkleinert, nach Hamburg verschifft und zu Öl gepresst. Die Erfolge dieses Geschäftes brachten ihm den anerkennenden Beinamen „Südseekönig“.

[…]

Auf Samoas Hauptinsel Upolu wurden 1865 große Gebiete gekauft und erste eigene Plantagen eingerichtet, um in den beginnenden Koprahandel einzusteigen. Godeffroy organisierte Expeditionen ins Landesinnere, bei denen Ureinwohner verschleppt wurden, um diese auf den Plantagen als Zwangsarbeiter einzusetzen.

Ist das so? Wir haben in der deutschen Historie einen Menschen, der diesen Titel „Südseekönig” trug, auch weil er sich als typischer Kolonialist gebärdete? Und jetzt wollen wir mit genau mit diesem Titel ein Kinderbuch in der deutschen Ausgabe von Diskriminierung und Rassismus rein waschen?

Das können auch nur wir Deutschen bringen. Den vermeintlichen Missgriff einer Fantasie mit dem Vergehen einer realen Vergangenheit im positiven Sinn ersetzen zu wollen.

Wenn dem so ist, sollten wir natürlich schleunigst den „Negerkönig” durch den „Südseekönig” in den Kinderbüchern von Astrid Lindgren ersetzen, dann sind wir Deutschen wenigstens wieder auf der rechten Seite.

(Kommentare geschlossen)

2013-01-19

Dünnenschwalben

Berlin liegt bekanntlich am Meer und außerdem wohne ich fünf Minuten fußweit vom Kanal (und zehn Minuten Fußweit links runter auch). Es gibt also Möwen im näheren Umfeld unserer neuen Behausung. Eine/r meiner Nachbarn im Haus wirft einmal am Tag Brotkrumen aus dem Fenster, dann sind sie direkt bei uns und liefern ihr übliches Möwen-fang-den-Keks-Spektakel direkt vor unserem Schlafzimmer- bzw. Küchenfenster ab.

Ihr kennt das? Ich behaupte der eigentliche Grund, warum wir so gerne am Meer und im Sand sitzen, ist dieses Möwen-TV.

Die Katzen jedenfalls finden es toll, toll, toll.

(Bloggerin nach Veröffentlichung zum Brot holen verreist.)

2013-01-18

Diese Woche …

… habe ich die Fotos von 2011 sortiert. Das war hart. Die Lino-Fotos. Und überhaupt alle diese Fotos aus einem anderen Leben. Vor dem Schnitt.

Bin müde.

2013-01-17

Meine Katzen und die Seealge …

Sehr liebevolle Menschen aus diesem Internet schickten uns vergangenes, nein mittlerweile schon vorvergangenes Jahr tolle Pakete mit wundervollem Katzenfutter, von dem wir heute noch zehren. Eines der tollen Pakete beinhaltete sehr leckeres gesundes Futter, frei von Konserierungs- bzw. künstlichen Geschmacksverstärkern oder Zucker. Unter anderem Dosen von Applaws. Diese sind mir beim Einzug beim Wegräumen ein bisschen zu gut von mir weggeräumt worden, so dass ich sie neulich erst wieder fand.

Das ist das erste Katzenfutter vor dem ich stehe, wenn ich eine Dose aufmache und denke, „ja, das würdest Du auch essen!” Ich glaube, es gibt konserviertes Lebensmittel für Menschen, das deutlich unangenehmer aussieht, riecht (vermutlich auch schmeckt.)

Gestern öffnete ich eine Dose mit für mich neuer farblicher Banderole in einer angenehm abgedunkelten Küche und sehe einen riesigen dunklen Fleck in der Dose. Das Erste, was man als Mensch dann denkt: verdorben. Aber die Dose war vor dem Öffnen flach und der Inhalt roch auch gut, keinesfalls nach Verwesung. So suchte ich leicht verstört die Lesebrille den Lichtschalter und des Futterrätselslösung entpuppte sich als Thunfisch mit Seealge.

Also Maki für Katzen nur ungerollt (Reis ist nämlich bei Applaws auch immer dabei). Die Spannung beim Servieren könnt Ihr Euch vorstellen. Und was soll ich Euch sagen selbst Nishia, die berühmt dafür ist eine sehr mäklige Esserin zu sein, war äußerst beglückt. Seit wir dieses Futter füttern, hat sie sich sogar wieder ein paar Gramm zugelegt. (Nicht weil das Futter dick machen würde, im Gegenteil, einfach nur weil sie mehr isst.) Also Seealge muss das Ding überhaupt sein aus Katzensicht! Shiina war in nur drei Minuten fertig. Tally noch schneller, (aber dafür leider mit Rückwärtsgang.)

Applaws vertreibt auch Trockenfutter ohne Getreideanteil, was Talythas (meine Katzen bekommen morgens Trockenfutter und Abends Feuchtfutter) Allergie zugute kommen sollte. Ich werde es einmal probieren.

Aber Thunfisch mit Seetang ist wirklich der Hammer. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal Thunfisch mit Seetang?

Der reizenden Spenderin vielen Dank für diese schöne neue Futtererfahrung!

2013-01-16

Rollin Restaurant

in.puncto (ARD) hat in der letzten Sendung das Rollin Restaurant vorgestellt, (Mediathek) dieses wunderbare (Berliner) Kochprojekt von Paul Fritz, Paul Nonnemacher und Björn.



Ich durfte einmal dabei sein bisher. Und das war eines meiner schönsten Food-Erlebnisse überhaupt. Die Atmosphäre war entspannt, die Köche zum Anfassen, die Mitesser so sympathisch, die Drinks, vor allem der Begrüßungscocktail, waren toll und das Essen unbeschreiblich gut. (Vielen Dank noch mal Anja!) Ich kann mir kaum vorstellen, dass es derzeit ein besseres Food-Projekt in der Stadt gibt, als dieses. Vermutlich kaum ein liebevoller zubereitetes Essen in so einem professionellen Umfeld.

Das einzig Negative, was man überhaupt zu Rollin Restaurant schreiben könnte, ist, dass es mittlerweile eher nicht mehr möglich ist noch Plätze dafür zu erhalten. Kaum ist das nächste Event online angekündigt, sind in der nächsten Zehntelsekunde die Plätze weggebucht. Wer es schafft und einen der wenigen Plätze für sich reservieren kann und hingehen darf, der hat den Berliner Food-Jackpot geknackt.

Der oben verlinkte Beitrag (und das Interview mit Paul) beschreibt sehr schön, wie ich mein erstes Mal die „Wild at Heart”-Rollin Küche auch erlebt habe. Sympathisch, wohltuend und von einem wundervollen Esserlebnis gekrönt.



Das war im Januar 2012 und ich bin von Anja eingeladen worden. Gekocht wurde im „The Naked Lunch” und das Thema war, an Björns Herkunft angelehnt, schwedisch und winterlich: Elch!



Begrüßt wurden wir von einem heißen Cocktail, der sehr butterig schmeckte – lecker war und mich in eine sehr entspannte Stimmung brachte. (Edit: der Cockatail heißt „Hot Buttered Rum”, das Rezept ist hier zu finden!) So ein echter Souldrink! Die Vorspeise bestand aus geräuchertem Elch mit Preiselbeerengelee an einem Frischkäsespiegel.



Der Hauptgang war ein sehr zartes Stück Elch und mit Pilzen gefüllten Kartoffel-Dumplings



und zum Nachtisch gab es einen Toffeekuchen, eine in einem Preiselbeerensud gedünstete Birne und Ingwercreme.



Und dazu sehr gut abgestimmte Weine.



Das war ein so schöner Abend, der rundrum einfach nur gelungen war und der Seele gut tat. Und ich bin heute immer noch fasziniert, dass drei (man sollte sie so gar nicht mehr nennen dürfen) Laienköche für eine große Menge Gäste auf den Punkt hervorragende Cuisine servieren.



Paul ist übrigens stellvertretend für alle drei Rollin Restaurant-Köche mit ihrem Projekt in der Kategorie „Food” der 5. Shorty Awards nominiert. Neben einigen weltweit sehr bekannten Kochpersönlichkeiten. Jedes Tweet von Euch zählt!

2013-01-12

Kurvenlage

In der U-Bahn-Station Hausvogteiplatz bin ich bisher lediglich ausgestiegen, haben noch nie auf einen Zug gewartet und mich insofern nie mit dem Bahnhof näher befasst beim Hinauslaufen.



Neulich hatte ich dann einen schönen Moment. Ich stand im Bahnhof nach einem Weihnachtsmarktbesuch, auf die Bummelbahn wartend und stellte fest, das dieser in einer kompletten Kurve liegt. Von solchen Bahnhöfen kann meine Minitrix nur träumen!

Kurz hinter dem Bahnhofseingang saß ein Mann und spielte Akkordeon. Und er konnte das. Er spielte sogar mit Herz und Leidenschaft. Er griff mit viel Liebe in die Klaviatur und spielte eine der schönsten Intonationen von „My Way”, die ich je hören durfte.

So schön, dass man Züge abfahren lassen musste …

2013-01-11

burn it down the house …



Das war komisch neulich. Abends geht man die Straße entlang, nach Hause und bewundert noch den Transporter (einer karitativen Organisation) und am nächsten Tag geht man die gleiche Strecke zurück und sieht dann das …

Die Brände waren so etwas von direkt in der Nähe meiner Wohnung, um genau zu sein zwei Häuser weiter, und ich habe nichts aber auch gar nichts von dem Feuerwehreinsatz mitbekommen.

Laut Polizeibericht passierte das übrigens nicht in Hipsterhausen (Mitte), sondern bereits in Friedrichshain-Kreuzberg. Dann weiß ich nun auch, wo genau die Grenze verläuft.

Übrigens stand in der Polizeimeldung zum Tatgeschehen nichts von Brandstiftung. Ursache war zum Zeitpunkt noch nicht ermittelt.