habe ich eine Freundin auf Facebook „entfreundet”. Warum? Sie ist derzeit dabei sich beruflich neu zu orientieren. Ihr Job ist ganz klar die Kommunikation. Soweit so gut und verständlich. In ihrem Bemühen sich jetzt nach außen als die beruflich sehr kompetente Person zu positionieren, die sie zweifelsohne auch ist, tut sie dies nun auch verstärkt in dem Bereich Social Media. Verstärkt heißt, sie ist seit jeher immer stark in ihrem Blog und auch, aber hier deutlich weniger aktiv als andere Freunde, bei Twitter und Facebook aktiv gewesen. Hier nur, wenn das Berufsleben Zeit für die Kommunikation ließ. Auf Facebook habe ich sie auch stärker nur in der Kommunikation erlebt, denn mit eigenen geposteten Inhalten. Das geschah übrigens auch immer hinsichtlich ihrer aktuellen beruflichen Funktion und besonderer Umstände sehr bewusst reduziert in den privaten Statements. Dies zur Erklärung. Und alles verständlich.
Neuerdings in dem ebenso verständlichen Ansinnen, sich aufgrund der Neuorientierung besonders in den Social Media-Kanälen kompetent zu positionieren, hat sie ihre Online-Aktivität vor allem bei Facebook stark erhöht. Das ist soweit sehr schön, denn ich lese immer gerne von den Leuten, denen ich bewusst in diesen Medien folge. Zunehmend wurde ich aber mit Inhalten aus dem Unternehmensprogramm (es ist ein in der Kultur aktives Unternehmen) „bespaßt” und gestern war es mir die eine Unternehmensmeldung zu viel! Ich befinde ehrlich: wenn mich das Unternehmen und dessen Aktivitäten über Gebühr interessiert (also jenseits des üblichen bereits existenten Kommunikationsflusses, den man eh über so ein Unternehmen erhält, weil die Freundin dafür aktiv ist), dann würde ich sicherlich dessen Kommunikationskanäle eigenständig in meine Feeds und Timelines holen – ganz unabhängig von der Zugehörigkeit meiner Freundin zu dessen Team. Aber tue ich das bewusst nicht, möchte ich im Bereich Unternehmenskommunikation unbehelligt bleiben. Und der Unterschied in diesem Fall ist mir zu omnipräsent greifbar, dass hier nicht mehr die Privatperson, der ich folge, kommuniziert; sondern nur noch die Unternehmenssprecherin, der ich bewusst nicht folge.
Es ist ein relevanter Unterschied, ob ich einer Person – von der ich weiß, sie verkauft sich im Internet auch mit ihrer freiberuflichen Tätigkeit – von deren Wissen ganz bewusst auch von ihren beruflichen Informationen partizpiere, weil ich genau das möchte und für mich entscheide. Oder ob ich so mitten drinnen zum Spielball für die eigenen Interessen, dann aber auch für die Interessen eines mir verhältnismäßig fremden Unternehmens gemacht werde. Ich fühle mich benutzt und wenn auch ich bereit bin, das als Freundin partiell zu ertragen – hier wurde es zu offensichtlich, ich musste die Reißleine ziehen. Auch als Freundin, denn das ungute Gefühl wird zu groß, das ich dabei empfinde! Interessanterweise ist die Kommunikation der Freiberufler einfach eine viel ausgewogenere, denn in der Kommunikation wird die gesamte Person gemeinschaftlich mit der Tätigkeit in einem gesunden Verhältnis verkauft! Wer aber einerseits sehr offensichtlich im Web selber als private Person ganz reduziert präsentiert, dann in einer solchen privaten Verkaufssituation wie einer Arbeitsuche seinen derzeitigen Arbeitgeber allzu offensiv featured, das passt nicht gut zusammen.
Im übrigen zweifle ich keine Sekunde, dass Arbeitgeber oder Personaler nicht auch so klug sind, diesen Aktivismus im Stream zurückzuverfolgen und als plötzlichen Aktivismus klar zu hinterschauen. Ich bin mir also nicht sicher, ob sich die Person mit ihrem Handeln überhaupt einen Gefallen tut. Darüberhinaus sehen viele Personaler eine allzu offensichtliche Nichttrennung von Job und Privatleben heute gar nicht mehr als unbedingte Kompetenz, die Zurschaustellung blinder Unternehmenshörigkeit in gleichzeitiger Reduktion privater Interessen, mag für viele Personaler eher ein Grund sein nicht einzustellen.
Kurz, ich denke persönlich, man tut sich keinen beruflichen – und wie man an diesem Post merkt auch keinen persönlichen – Gefallen, nutzt man Social Media-Kanäle nur um gefallen zu wollen. Wer die persönliche Authentizität aus dem Auge verliert, sich als Angestellte/r zu sehr über den Job definiert, wirkt eher allzu gläubig. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass jemand seinen Beruf mit Begeisterung ausübt und dies auch als Privatperson deutlich kommuniziert, die gesunde Ausgewogenheit mag hier das berühmte Zauberwort sein. Vor allem wer sich sehr bewusst – aus legitimen Gründen – als Person lieber reduziert sehen möchte, die Reduktion zugunsten eines Dritten plötzlich aufgibt, wirkt nicht mehr authentisch. Und nicht authentisch sind die allermeisten Unternehmen sowieso im Web, der Bedarf ist also gedeckt, mangelnde Authentizität brauchen wir nicht auch noch bei privaten Personen!
Ja, ich denke man muss für sich eine Entscheidung treffen, ob man wirklich Part dieser neuen Medien sein möchte – oder nur den willkürlichen Spielball geben möchte. Zunehmend sortiere ich Menschen aus meinen Timelines, bei denen ich merke, dass sie sich vor lauter Angst, sie könnten sich im Web den Hauch einer Blöße geben, ausschließlich auf eine sehr oberflächliche Art kommunizieren. Dann meine Empfehlung: lasse es lieber ganz! Eine Online-Identität zu führen, nur „weil man das ja so macht” und sich dann ein völlig uninteressantes, weil allzu neutrales Google-Image zu kreieren, das geht auf Dauer genauso nach hinten los, wie die berühmten Partybilder.
Ich wünsche der Freundin, sie möge alsbald eine neue Tätigkeit finden und dann wieder sie selbst sein auf Facebook. Dann bin ich herzlich gerne wieder in ihrem Kommunikationsstream dabei. Ich habe mir die Entscheidung übrigens nicht leicht gemacht und bin mir auch nicht sicher, ob ich es nicht doch auch hätte aushalten sollen. Gestern jedenfalls war bei mir die Störung leider definitiv zu groß, ich fühlte mich für „fremde” Zwecke missbraucht!