2011-10-17

Immer schon …

… guckte ich mir in meiner frühen Jugend mit großer Begeisterung die Otto- und Quelle-Kataloge an, die uns pünktlich weit vor Saisonstart ins Haus fielen. Wir waren ein Haushalt des primären Mangels und dank der Kataloge konnte man sich das Leben ein bisschen schöner träumen. Je nach fortgeschrittenem Alter interessierte ich mich für Ken und Barbiepuppenhäuser und signalisierte völlig unauffällig Geburtstagswünsche in der Herbst-/Winterausgabe, die in kurzer Folge von Signalen für Weihnachtswünsche überknickt und bezettelt wurden. Später dann wanderte ich mit zugenommenen Alter ein kleines Stück weiter nach hinten zu dem Chemie-Baukasten, den ich mir sehr wünschte, den ich zu Weihnachten auch bekommen hätte, hätte es Quelle jemals geschafft diesen vor Ostern zu liefern. (Dieses sollte sich übrigens in meinem späteren Lebensverlauf als schlechtes Omen für meine schulchemische Karriere herausstellen.) Noch später wanderten meine Leidenschaften wieder weiter nach vorne in den Katalaog, wo es galt meine pubertären Kleidungsfantasien zu stillen (H&M sollte erst noch geboren werden) und sehr viel später bestaunte ich gerne auch die Seiten mit den Gesichtsmassagegeräten in Stabform und in Rosa, die freundlich mir zulächelnden Frauen mit hoch gesteckten Haaren viel gelassene Freude bereiten schienen. Irgendwann interessierten mich übrigens nur noch die HiFi-Seiten. Merkwürdigerweise wollte ich jedoch nie Fahrräder aus einem Katalog! Wenig später starb Quelle den ersten seiner vielen Tode, Amazon kaufte Otto oder Zalanda frühstückte Otto zum Brunch am FFK Strand. Irgendwie so etwas. Übrigens schrie man damals noch nicht beim Anblick von Paketboten, die viel später erst neudeutsch in DHL-Boten umbenannt wurden.

Was diese Kataloge gemeinsam hatten und ich mit meinem Interesse ebenfalls gerne beglückte: Betten! Und zwar spürte ich immer eine heimliche Faszination beim Anblick dieser Betten im Billig-Leder-Look, schwarz mit goldenen Applikatoren und wildestem Leoparden-Tiger-Löwen-Print-Lookalike-Matratzenfestbezug. Natürlich mit Radio im Kopfende! Ich fand die Dinger heiß und gräßlich zugleich und insgeheim ahnte ich, solche Betten würden mir nie in einem Zuhause der Eltern meiner Freunde und Freundinnen oder überhaupt begegnen. Es sei denn, ich würde mich emanzipieren und ein Bordell als ein Zuhause bezeichnen, was ich bis heute nicht geschafft habe. Kurz, mir war immer klar, es gab eine Bettenkultur in deutschen Versandhauskatalogen, die vornehmlich wohl ausschließlich an Adressen wie c/o „Chez Jaqueline” per Spedition verschickt wurden.

Heute, da bin ich ehrlich, vermisse ich den Anblick dieser Betten in Katalogen ja. In einem Manufactum-Katalog (der Einzige, den ich heute noch den Einzug ins Haus gestatte) werde ich ein solch lustvolles Exemplar von Bettenästhetik wohl niemals finden.

Neulich in der Filiale eines Möbel-Discounters, ein US-KingSize-Bett mit stoffbespannten Nachtischen und Ablageglasflächen. Ich war drauf und dran zu weinen! Es ist beruhigend zu wissen, dass Geschmacklosigkeit doch niemals aussterben wird!

11 Kommentare:

creezy hat gesagt…

Ich muss dazu vielleicht gestehen, dass mein Herz doch gelegentlich für ein US-KingSize-Hotelbett (in schöner) schlägt … das ist schon echte Schlafkultur!

Nathalie hat gesagt…

*** Gerne gelesen ***
:-)

Kiki hat gesagt…

Ich lache hier Tränen – danke!

Liisa hat gesagt…

Ich lache mit! Bin kürzlich in einem Möbelhaus auch nur knapp an einem Nervenzusammenbruch vorbeigeschlittert. Konnte das hysterische Lachen über diverse Highlights der Geschmacklosigkeit fast nicht mehr abstellen. ;o)

Christian hat gesagt…

Der Artikel könnte ja komplett von mir sein - bis auf einen Unterschied: Irgendwann - ich schätze, ich war so acht oder neun - bei einer größeren Familienfeier wurde ich im Bett der gastgebenden Verwandtschaft geparkt. Und die hatten so ein Bett. Und einen Fernseher am Bett! ... ich war quasi im siebten Himmel.

Erst sehr viel später habe ich den Gesichtsausdruck meiner Eltern verstanden.

Auf der letzten größeren Familienfeier vor ein paar Jahren traf ich die beiden auch noch einmal wieder und stand vor einem goldkettchenbehängten, sonnengegerbten Kreuzfahrerpaar, die problemlos als B-Besetzung der Fußbroichs hätten durchgehen können. Nette Menschen aber.

Monika hat gesagt…

Frau Creezy, ganz ehrlich:

***made my day***

1:1 meine Vergangenheit. Sind wir eventuell Zwillinge?

creezy hat gesagt…

@all
Vielen Dank Euch allen! ;-)

@Christian
Skandalös! Ich wette, die haben heute noch ein gesundes und aktives Sexleben! ,-)

Mendian hat gesagt…

Ein Blick bei eBay lohnt immer ;-)
http://tinyurl.com/3hb7wpg

creezy hat gesagt…

@Mendian
Hammer und so ein Schnäppchen im Prinzip! ,-)

Anonym hat gesagt…

Ich hab auch gern in Katalogen geblättert! Und dann dem Papa einen großen Bestellzettle mitgegeben, wenn er zum jährlichen Beuch Richtung Westen fuhr.
Damal fand ich alles chic, was es da so in den Katalogen gab, außer, naja, seltsame Unterwäsche gabs da manchmal.
Später, als ich dann keine Bestellzettel mehr mitgeben musste sondern selber in die Läden durfte, fand ich die Sachen plötzlich nicht mehr so chic. Ich dachte, das läge am plötzlichen Überfluss. Aber jetzt weiß ich: Kataloge folgten ihrem ganz eigenen Trend!

creezy hat gesagt…

@ichtomania
Interessant was Du schreibst mit dem „nicht mehr so chic”. Das ist glaube ich nicht dem Überfluss geschuldet, sondern der zeitlichen Entwicklung im Angebot. Wir hatten ja früher im Westen ja oooch nix. ,-) Nein im Ernst, was gab es früher im Westen tatsächlich großartig für Kleidungsofferten? Im Grunde die Kaufhäuser wie Karstadt, Hertie etc. (und regionale Besonderheiten) und vor allem – wo es günstigere Kleidung gab: C&A, und dann gab es eigentlich nur: die üblichen kleinen Boutiquen und Jeans-Shops. In Berlin dann noch so Besonderheiten wie Stottrop. Daher waren die Kataloge tatsächlich eine Möglichkeit an Kleidung zu kommen, die nicht überall im Handel verfügbar war, teilweise deutlich günstiger als dort. Man merkte der Katalogmode aber auch immer an, dass sie zum einen ganz gut das Modediktat bestimmten – aber oft auch Waren anboten, die dann auf der Straße gar nicht angenommen wurde. Wir fuhren damals auch deswegen gerne ins Ausland, um dort mal „andere” Kleidung kaufen zu können!

Das erste sonnige Wochenende im Jahr (meist zu Ostern rum) war immer sehr spannend, denn dann hast Du am Ku'Damm die Frauen die Quelle- und (vor allem) Otto-Sommermode erstmals ausführen sehen. Mode wurde damals viel weniger auf der Straße gemacht als heute. Da hatten die Katalog auf den Normalbürger erstaunlich viel Einfluss.

Diese Filialen à la H&M, Pimkie etc. sind erst viel später dazu gekommen und haben, kann man sich heute kaum noch vorstellen, so etwas wie Abwechslung ins Bild gebracht.

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