2006-09-08

Zuhause bei Eva H.



Für jede junge Frau kommt einmal der Augenblick, wo ihr klar wird, dass sie nun für das Wohl und Wehe, für Gesundheit und Wachstum ihrer kleinen Familie verantwortlich ist. Es ist ein sehr stolzer und wiederum ein nicht ganz leichter Augenblick. Denn alle Nahrungsmittel, die nun durch ihre Hand gehen, die durch ihre Kunst und Sorgfalt, durch ihre Gewissenhaftigkeit und Erfahrung in Spesen umgewandelt werden, beeinflussen in irgendeiner Weise Wohlbefinden und Stimmung ihrer Lieben. Einseitigkeit schadet, Abwechslung regt an. Wohl ausgewogene Zusammenstellung von Hauptgericht und Zuspeisen führt dem Körper alle lebenswichtigen Stoffe in richtigen Mengen zu. Bevorzugung nur einer Nahrungsmittelgruppe ruft Mangelerscheinungen hervor. Zu viel Gewürze reizen zu wenig machen lustlos – es ist eine wahre Wissenschaft, die sich der jungen Hausfrau plötzlich auftut. […]

Und wenn dann klar wurde, warum manche Stoffe vom Körper restlos ausgewertet werden, andere dagegen nur wie ein reinigender Besen rauh und kräftig durchrutschen, dann ist es ein leichtes, den Küchenzettel so aufzubauen, dass die Schlanken zunehmen, die Molligen nicht dicker werden, die Allzurundlichen aber etwas abnehmen von ihrer freundlichen Fülle. Und auch was einem kranken Magen, dem gestörten Verdauungsorganismus gut tut, was den Kindern frommt, dem Berufstätigen, dem Abgespannten, wird der verantwortungsbewussten Hausfrau erst richtig klar, wenn sie etwas über die inneren Vorgänge bei der Ernährung weiß.

Was nun die Beschaffenheit unserer Nahrungsmittel anbelangt, so darf sie ruhig kaufen, was in guten Geschäften angeboten wird. Denn alle Lebensmittel unterliegen heute einer strengen Kontrolle. Vor allem die Markenerzeugnisse sind es, die eine gute Hausfrau getrost zur Grundlage ihrer Ernährung machen kann.

Aus Das grosse Dr. Oetker Kochbuch, 1963


'Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks.' (Escoffier)

[…] Unser Wunsch ist es nun, dass im Sinne des Leitspruches, den wir dem Buch vorangestellt haben, ein tragender Pfeiler jenes schönen und dauerhaften Gebäudes sein möge, das jede Hausfrau zu errichten trachtet: der glücklichen Häuslichkeit. (Dr. August Oetker)

2006-09-07

Stöckchen – Holz – Papier – Buch

Also, ich betone: Pepa hat das Stöckchen NICHT geworfen. Sie hat es hingelegt. Nur hingelegt. Sie dachte, so niemanden zu verletzen. An so prädestinierter Stelle hat sie's hingelegt, dass ich einfach darüber stolpern und mich beim Halt suchen an meinem Bücherregal festhalten mußte, dabei die Dübel samt Regal aus der Wand gezogen habe. Daher habe ich nun den Salat: Ich weiß, ich sollte mal wieder Staubwischen im Regal und ich weiß, manche meiner Bücher habe(n) (m)ich intellektuell abgehängt …



1. Unser Wortschatz aus dem Georg Westermann Verlag
Das Buch kennen viele aus meiner Schulgeneration. Meines wurde mir vom Land Berlin am 28.8.1973 übereignet. Meins! Es kennt das Wort 'aufwendig' nicht. Und 'aufwändig' schon gar nicht. Computer übersetzt es mit 'elektronische Rechenanlage'. Ansonsten kennt das Buch ein Internat, das Internet noch nicht. Direkt daneben steht übrigens 'Die wirtschaftliche Entwicklung der beiden Staaten in Deutschland', Karl C. Thalheim von 1978. Als man noch 1 Berlin 62 schrieb.

2. Domenicas Kopfkissenbuch, uns aller Domenica
Vom Buchtitel: 'Guter Rat von einer, die es wissen muß… […] Feinfühlig und mit Humor schildert sie ihre Erfahrungen mit dem 'starken Geschlecht'.'
Ich habe aufgehört zu lesen, als sie mir ernsthaft vorschlug beim Blow Job an die berühmte Eiscremetüte zu denken. Mir war sofort klar, dafür bin ich mit viel zu viel Fantasie gesegnet, als das ich künftig beim mündlichen Anblick von 'El Heini' meines Liebsten an Amaretto-Kirsch und Cookies & Cream denken wollte. Was ist das überhaupt für ein perfider Ratschlag? Immerhin gibt es viele Frauen, die ins Eis hinein beissen! Sehr wahrscheinlich ist das der typische Humor einer Domina, der sich mir als 08/15-Sexuelle nur nicht erschließt.

3. Euro-Schnäppchen Autokauf – So können Sie bis zu DM 20.000,– sparen, Norbert 'Nobsi' Albrecht
Ach herrje! Wann bitte noch mal habe ich denn allen Ernstes geglaubt, ich würde mir jemals ein neues Auto kaufen? Zumal, selbst wenn ich unverhofft im Geld wühlen könnte, es immer einer Oldtimer werden würde. Ach so um 1994 herum, da muss ich ja die optimistische Phase meines Lebens überhaupt gehabt haben. Ein sehr schöner Satz in diesem Buch so aus dem Stehgreif: 'Viel in Dänemark zu telefonieren hat, wie gesagt, wenig Sinn.'

4. + 5. + 6.
Bildbände mit Titeln wie 'Das Abenteuer das Hamburg heißt' (ein Weihnachts-Juleklappgeschenk), 'Preußen ohne Legende' (keine Ahnung woher) und 'Die Welt des Bayerischen Märchenkönigs' (keine Ahnung woher).
Wer ist oder war Hamburg?
Ich? Ich bin doch noch nie in Preußen gewesen!
Ha! Womit bestätigt ist: der FC Bayern hat seinen Ursprung in Grimms Märchen.

7. Ich wollte Hosen, Lara Cardella
Seitdem habe ich nie mehr ein Buch von der Bestsellerliste gekauft und gelesen. Büchermainstream kotzt mich so was von an. (pardon my french!)

8. Nietzsches Werke 1-4
Hm, naja leicht hatte ich es nie mit dem: als Frau! Aber vielleicht hatte er es auch schwer mit Frauen. Ich wünsche es ihm!



9. Die grosse Welt von Entenhausen
Das Besondere an diesem Buch sind seine Maße: ca. 60 x 40 cm. Wenig Text. Um nicht zu sagen, gar kein Text. Hat auch nur sechs Seiten. Meine Lieblingsszenerie ist die von der 1. Entenhausener Verkehrsausstellung, der Metallica-Elefant … (und wieder die verwunderte Frage, warum kauft sich eine, die sich ihr Auto lieber in Entenhausen kaufen würde, ein Buch zum Thema Euro-Autokauf-
Schnäppchen?)



10. Warenkunde (raumgestaltender Textilien), Rittümlich
Von meinem Opa geerbt. Der besaß früher einen Teppich-Großhandel in Berlin Halensee.
Im Buch ist tatsächlich ein Stempel seiner Firma mit sechsstelliger Telefonnummer. Es meldete sich irgendeine Firma. Die Telekom, diese Saubande! Da geben die einfach die Telefonnummer von meinem Opa schon nach nur 40 Jahren an irgend so ein hergelaufenes Unternehmen weiter …



Das Buch sollte ich nun wirklich einmal lesen. Die Einrichtungs-
fotografien sind auf alle Fälle sehenswert. Und es erklärt sehr deutlich die Unterschiede zwischen Batiksamt, Chinésamt, Blumensamt, Velour couché, Chiffonsamt, Velour-Chiffon façoné, Velour rayé, Wollsamt, Velour d'Utrecht, Doppelseitiger Samt, Chenillesamt, Frisésamt (auch Epinglé oder Nadelsamt), Velour antique, Velour broché, Brokatsamt, Ätzsamt, Velour de lin usw.
Jaa, da seid Ihr baff, wat? Mein Opa! Der hat Dinge über Sachen gewusst, da wisst Ihr doch noch nicht mal, das es die gibt! Jawohl!

P.S. Teppichverlegen ist und bleibt Männerdomäne!



11. English in Electrical Engineering and Electronics, Ericht H. Glendinning (Teachers Edition)
Wie bitte kommt ein Lehrbuch über englische Elektronikfachtermina in mein Regal? Und dann auch noch die Lehrerversion? Äh … hallo? Was habe ich denn da verpasst? Ich schwöre, ich hatte auch noch nie Sex mit jemanden der Glendinning heißt.

12. Was war? Ach so, nur zehn Bücher … mist, ich war gerade so schön drinnen. Der Titel heißt jedenfalls: 'Nimm das Stöckchen und mache was draus!'

2006-09-05

Großartige Songs

perfekt zum direkten Zusammenbrechen und Losheulen sind für mich gerade

'Hiroshima' von Wishfull Thinking
'In The Ghetto' von Elvis
'Nothing Else Matters' von der Combo aus Eisenhüttenstadt Metallica.

Ansonsten weiß ich momentan wie sich ungefähr die Akkus in meiner Kamera fühlen, wenn sie gemeinsam in ihren Reserverzustand rutschen. Richtig besch… nämlich.

Und dann möchte ich gerne meine Mama wiederhaben. Sofort. Hier. Jetzt. Und lebendig.

2006-09-04

Der Bonker

OK, tendentiell (und traditionell) bin ich immer gerne die Späte. Wann immer ich grandiose Dinge aus dem Web gezeigt bekomme und diese voller kindlicher Begeisterung weiter reiche, steht grundsätzlich in den Antwortmails: 'LOL. Kenne ich. Hatte ich schon vor drei Jahren im Postfach.' Den Walter Moers-Song und Clip hat mir gestern der beste Freund der Welt gezeigt und ich habe – kurz meinem tiefen Loch entstiegen – unter dem Tisch gelegen vor Lachen! Nee, ist wieder nicht nagelneu. Aber an manche Dinge will man ja von Zeit zu Zeit wieder erinnert werden, nicht wahr? Die Badeenten sind doch das Geilste überhaupt, oder? Und auch hier gilt: niemals nich das Kino vor dem Abspann verlassen nich!

2006-09-03

Eine Anekdote

von meiner Mum erzählten mir am Samstag die Mitglieder aus der Hospitzgruppe in der meine Mum ehrenamtlich tätig war. An einem der vielen Ausbildungstage waren Rollenspiele angedacht. Es ging darum, wie man als Sterbebegleiter bei einem renitenten Patienten, der einen nicht nach Hause gehen lassen möchte, dennoch 'Auf Wiedersehen' sagt bis zum nächsten Tag. Meine Mutter war in dem Fall die Sterbebegleiterin, eine andere Mitstreiterin spielte die renitente Patientin – und war das wohl außergewöhnlich renitent.

Patientin: 'Aber sie können jetzt nicht gehen. Sie müssen bei mir bleiben. Ich könnte doch heute nacht sterben. Ich kann morgen schon tot sein!'
Mum: 'Und wer garantiert mir das?'

Mama, der war SAUGUT!

Wunderschön…



Der einzige Tag in einer für die Jahreszeit viel zu nasskalten Woche, an dem die Sonne strahlend scheint, die Luft wärmt, den Tag zu einem besonders schönen Tag macht. Als ich das realisiert habe, habe ich über das Glück vor Freude zum ersten Mal geweint an dem Tag.

Vier ihrer für sie 'wichtigsten' Freundinnen war sie nicht einmal die telefonische Absage wert. Als ich das realisiert habe, habe ich vor Scham um sie für meine Mama geweint. DAS muss ich erst einmal verdauen.

Die Urne bei mir zu haben, hat die Sicht auf das Tragische und Schlimme an ihrem Tod verändert. Der Bestatter hatte uns an einem Tag die Kette meiner Mum überreicht, die sie zum Zeitpunkt ihres Todes getragen hatte. Eine goldene Kette mit einer Eule als Anhänger. Sie liebte Eulen. Diese Kette zu besitzen, konnte ich überhaupt nicht ertragen. In der Trauer sind es sind die ganz kleinen Dinge, die einen plötzlich aus der Bahn werfen. Meine Freundin hat sie für mich in Verwahrung genommen, musste sie aber auch für sich ganz weit verstecken. Wir beide waren mit dieser Kette nicht im Reinen. Sie lag uns im Magen und auf der Seele. Ich wollte sie mit dieser Kette unbedingt schmücken, sie war nun mal unzertrennbar mit ihr verbunden. Mit dem kurzzeitigen Einzug der Urne war aller Schrecken vor dieser Kette weg. Es war problemlos möglich, sie aus der Zellophantüte zu nehmen, anzufassen, umzulegen. Ich mag sie wieder. Sehr viele Dinge haben mit der Anwesenheit ihrer Asche den Schrecken verloren.

Die Feier war wunderschön – glaube ich. Ich war zwar über weite Strecken die Hauptaktive, habe aber erschreckend viel nur durch einen Schleier mitbekommen – die meisten Dinge habe ich hinterher erst erfragen müssen. Ich habe keine Ahnung von wem die ganzen Blumen sind oder die lieben Karten. Viele haben die Karten an meine Mum geschrieben, nicht an mich. Das finde ich besonders schön. Sie haben es verstanden!

Marylin Monroe war da und hat für sie 'I wanna Be Loved By You!' gesungen, sie hatte sich das gewünscht. Beide, die Begrüssungs- und ihre persönliche Rede habe ich gehalten. Der Plan sah vor erst bei dem Abschnitt in dem ich auf sie als meinem Mama eingehe mit absoluter Sicherheit unter Tränen und mit gebrochener Stimme zu stammeln. Pläne sind in solchen Momenten relativ sinnlos, ich habe schon viel früher zu meinen Gefühlen und meiner Verzweiflung stehen müssen. Also waren Pausen in meinen Gedanken zu ihr in denen mir Freunde sofort Taschentücher reichten und mir auf die schönste Weise alle Zeit gaben, um mich zu sammeln: sie weinten einfach mit mir mit. Dafür habe ich sie zum Dank dennoch an ein, zwei Stellen zum Lachen bringen können. Das war mir so wichtig. Es muss gewesen sein, als ich damit angab wohl als einzige Anwesende Nacktfotos von meiner Oma zu besitzen. Oder der Stelle, als meine Mum meinen Vater* (*miesester Beifahrer der Welt ohne Führerschein) einmal aus dem Auto geworfen hatte. Mitten auf der Landstraße. In Österreich. (Er kam dann zwei Tage später per Bahn zurück nach Berlin.) Aber ich weiß es nicht genau, ich war nicht anwesend. Nicht wirklich.

Ich hätte nie von mir gedacht, jemals eine Rede für einen Verstorbenen halten zu können. Schon gar nicht für meine Mum. Niemals. Ich wußte immer, ich würde es für meine Mama eines Tages unbedingt tun wollen, weil niemand das sagen könnte, was ich für sie zu sagen hätte – nur war mir klar, ich würde das niemals durchstehen können. Ich habe es durchstanden. Ich weiß nicht, ob und wie gut. Ich behaupte auch nicht, ich bin stolz auf mich. Ich bin nur wirklich unendlich froh darüber, es selber und alleine geschafft zu haben. Für sie.

Die buddhistische Zeremonie war sehr friedlich und Kraft gebend. Meine Freunde, die die Songs von Elvis so kurzfristig einstudiert haben, waren beide so großartig. Mir haben viele Menschen in diesen Tagen unerwartete schöne Geschenke gemacht mit ihren Gesten und Worten und Taten. Das die beiden meiner Mum eine so schöne Feier ermöglicht haben, das wird mir immer das Herz erhellen. Ich weiß, das hat meine Mum so glücklich wie kaum etwas zuvor gemacht. Wie schön, wie professionell, wie einmalig sie gespielt und gesungen haben. 'Suspicios Minds' von Elvis – ich hatte gehofft, alle singen beim Chorus mit. Sie haben das ganze Lied gesungen. Ich soll in meiner Rede Menschen zum Weinen gebracht haben, die andere Freunde in den 30 Jahren, die sie sie kennen, niemals haben weinen sehen. Bin mir nicht sicher, ob das positiv ist. Zum Schluß haben wir alle mit ihr und auf sie mit einem Glas Prosecco (den Mama besonders mochte) angestoßen. Alle schienen nach der offiziellen Feier fröhlich zu sein. Was will ich mehr?

Die Tatsache, dass dann wirklich die Urne in einem privaten Haus stand, hat doch alle erstaunt. Vielen hatte ich es ja im Vorfeld gesagt, glauben konnte es wohl keiner. Ich habe ihnen von meiner Erfahrung mit der Urne erzählt, von meiner Angst (von unserer, Katrin) wie schön ich (wir) es nun wirklich finden, sie haben zu können. Die meisten haben meine Mum noch einmal in die Arme genommen, gestreichelt, ihr einen Kuss gegeben, ein stilles Gespräch mit ihr gehalten. Ich schätze 80% ihrer Freunde, haben wir nebenbei ein wenig den Schrecken vor dem Tod, die Angst vor diesem Gefäss nehmen können. Viele haben mir gesagt, wie wunderschön sie es fanden,
– wie gut es ihnen getan hat – sie noch einmal so nahe dabei zu haben.

Die schärfste Frau der Ex-DDR, der Welt, also Katrin hat sie jedes Mal, wenn sie an ihr in etwas Ruhe vorbei kam, zärtlich gestreichelt und mit ihr gesprochen. Mama, wir haben zwar irgendwann unterwegs Deinen Sohn verloren, aber Du hast eine zweite Tochter geschenkt bekommen. Irgendwie.

Nach einem viel zu üppigen – ich habe von meiner Mum in die Gene mitbekommen, ja nie Menschen hungrig gehen zu lassen – von uns selbst in tagelanger Vorbereitungszeit erstelltem Buffet, von dem alle sehr begeistert waren, einem Bad im Pool vom harten Kern, tanzen und nochmals zusammen singen, haben wir mit der kleinen übrig gebliebenen Runde spät nachts noch draussen bei der einen von den vielen Flaschen Prosecco im Garten gesessen und wir haben sie mit zu uns auf den Tisch gestellt. Das wird auch einer der wichtigen sehr schönen Momente sein, den mir keiner mehr nehmen kann. Einer an den ich mich erinnern kann. Und erst dann fing es an wieder zu regnen.

Wir haben aufgeräumt und zum Schluß war ich so fertig und kaputt, wie ich es wirklich noch nie in meinem Leben gewesen bin. Ich war mir sicher nicht mehr zum Bett ins Dachgeschoss hochgehen zu können. Ich fürchte, ich bin weinend eingeschlafen.

Die Hauptsache aber: meine Mama sah so wunderschön aus!

2006-09-01

Wat mut, dat mut.



Wir wollen ja nicht, dass noch jemand dabei umkommt.

Okay, der war jetzt von der ganz schwarzen Sorte. Sei es drum, heute nachmittag haben wir sie abgeholt: die Urne mit der Asche meiner Mum. Ich hatte wirklich sehr viel Angst vor diesem Moment. Davor Angst wie sich das anfühlen würde, ob ich die Urne in meiner Nähe überhaupt ertragen würde. Ob ich dann überhaupt noch schlafen könnte in meiner Wohnung, vor den Nächten hatte ich noch mehr Angst als vor den Tagen.

Dann hat der Bestatter sie auf den Tisch gestellt und in mir haben sich Dimensionen verschoben. Da ist ein ganzes Leben, im Verhältnis zu dem Leben anderer ein langes und zu anderen Leben wiederum ein kurzes Leben. Ein Leben mit viel Kampf, viel Freude, viel Leid, viel Leistung, viel Herz, viel Humor und viel Schmerz gelebt. Und dann ist da Asche. Es ist schnurzpiepsegal, wie reich und wichtig und toll Du vielleicht denkst, dass Du es bist. Oder wie arm, unwichtig und unschön Deine Existenz Dir scheint. Am Ende seid Ihr beide nichts anderes als Asche.

Es klingt jetzt komisch: Aber es fühlt sich gut an, die Urne in den Armen zu halten. Ich habe meine Mum in die Arme genommen und es war gut. Ich habe keine Angst mehr. Es ist schön, sie anzufassen und mit reden zu können. Wir haben unsere Witze mit ihr vorhin gemacht. Wir haben gelacht. Auf der Rückfahrt zu mir habe ich ihr die ganz wichtigen Sachen, die mir auf der Seele lagen und die ich die letzten fünf Wochen schon so oft in die Luft oder im Geiste gesprochen hatte, IHR sagen können. Es ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Aber im Moment fühlt es sich gut an. Wirklich. Friedlich.

Ich bin froh, es so gemacht zu haben.