Tiefe Dankbarkeit
empfinde ich, wenn ich wie heute auf spiegel.de lese, wie sich der Körper von Ariel Sharon nun entgültig verabschiedet. Sie können den Mann einfach nicht in Würde gehen lassen, obwohl er doch fast achzig Jahre alt ist. Jedem, der sich auch nur ansatzweise in das Krankheitsbild eines Strokepatienten eingelesen hatte, war bereits nach der zweiten Operation klar, das kann (zumal in dem hohen Alter) nichts mehr werden. So liegt der Mann nun seit Anfang Januar im Koma auf der Intensivstation und die Maschinen arbeiten für ihn. Der Sprecher wollte sich nicht dazu äußern, ob bei nun akuter doppelseitiger Lungenentzündung und zunehmendem Nierenversagen unmittelbare Gefahr für Sharons Leben besteht. Wenn beide Lungenflügel den Kollaps haben, leidet der Mensch, das Atmen ist keine Freude mehr. Wenn die Nieren aufhören zu versagen, sollte man einen Menschen einfach gehen lassen – der Körper will einfach nicht mehr.
Das Krankheitsbild meiner Mama hätte früher oder später in der Konsequenz aufgrund der Erkrankungen und auch aufgrund ihrer medikamentösen Therapien Erblindung, möglicherweise dem Verlust von Extremitäten, Nierenversagen, Leberversagen, Herzinfarkt und Schlaganfall zur Folge gehabt. Da sie in den vergangenen Jahren nicht den unbedingten Willen und die Kraft besessen hatte, gegen ihre Krankheitsbilder aktiv anzugehen, hätte sie das im Falle eines Infarktes oder eines Schlaganfalles das noch weniger geschafft. Sie wäre ein Pflegefall geworden. Etwas wovor ich ihr – und ganz egoistisch auch mir – zuliebe wirkliche Angst hatte. Sehr große Angst.
Ich weiß, was langes und fürchterliches Sterben bedeutet. Wie es dem Sterbenden ergehen mag, kann man nur erahnen. Die Ahnung, das Zusehen meldet nichts Gutes. Ich weiß aber, was es für die Menschen bedeutet, die das Sterben eines lieben Menschen miterleben müssen. Ich kenne den Zwiespalt am Krankenbett zu sitzen und zu hoffen, das es doch bitte endlich vorbei sein soll und den Schrecken über genau den Gedanken, denn er bedeutet doch gleichzeitig jemandem, den man liebt, den Tod zu wünschen. Ich habe meinen Opa und meinen Vater an den Krebs verloren. Ich habe eine Oma noch tagelang auf der Intensivstation im Koma erlebt, nach einem dritten Herzinfarkt. Ich habe gehofft, ich habe resigniert, ich habe den Wunsch nach dem entgültigen Ende gespürt, ich habe die grenzenlose Angst vor dem ulimativen Ende gefühlt. Das alles kenne ich. Genau.
Nein, sie ist zusammen gebrochen und gestorben. Vielleicht lag sie noch einen Moment im Koma. Die Umstände deuten daraufhin, dass es einfach schnell vorbei war, sie zumindest gar nichts mehr bewusst mitbekommen hatte von ihrem Zustand. Keine Intensive. Keine Maschinen. Keine Pflege. Kein Rollstuhl. Kein Dahinsiechen. Kein Leiden mehr. Keine Schmerzen mehr. Keine Demenz bis zum Nichterkennen ihres sozialen Umfeldes.
Danke! Inständig und aus dem allertiefsten Herzen dafür Danke!