2006-08-12

Aha

so langsam fängt das Unterbewußtsein wieder an zu arbeiten, die Nächte sind kurz, weil ich überhaupt nicht gut einschlafen kann, und ständig unterbrochen, weil ich im Allgemeinen um fünf Uhr wieder wach bin, noch bevor der Kater singt oder sich die Katzen um die Toiletten streiten. Der Kopf arbeitet an den quälenden Fragen und macht vor den Dingen, die da noch kommen werden, nicht halt und macht sich daher Sorgen. Diese Zwiespalte sind es, die mich nicht zur Ruhe kommen lassen. Natürlich bin ich einerseits sehr froh, dass nicht ich sie gefunden habe. So etwas ist nie schön und ein Schock, und im besonderen Fall kann ich wohl mehr als dankbar sein, das es die Polizisten für mich getan haben. Ich muss das Bild also nicht für den Rest meines Lebens im Kopf herumtragen. Nur bin ich nicht sicher, ob die Bilder in allen denkbaren Variationen, die ich dafür alternativ im Kopf trage, besser sind. Nachts überfordern sie mich. Das steht fest.

Gestern habe ich in böser Vorahnung einen Kontoauszug von ihrem Konto gezogen – und natürlich hat die Bank schön alle Daueraufträge ausgeführt, die ich deutlich verboten habe auszuführen, als ich Ende des Monats die Bank darüber informiert habe. Die Ansage war: keine einzige Kontobewegung mehr von dem Konto raus, denn die noch für August vorab überwiesene Rente wird zurück gefordert werden. Also Montag zur Bank und die Transaktionen stornieren lassen. Brauche ich so etwas wirklich gerade zusätzlich? Vermutlich, sonst wäre es ja einfach. Ich sollte mich über solche Ablenkungen wohl freuen.

Mich irritieren die Dinge, die ich tun kann, die ich früher in Todesfällen nie hätte tun können. Unterlagen lesen, Fotos sichten, manchmal rationale Entscheidungen treffen. Bin ich mittlerweile doch so Trauer erfahren, dass ich das tun kann? Oder einfach nur betäubt im Dienste der Sache? Ich kann mir ihre Fotos angucken, ohne tiefe Gefühle zu empfinden – das zeigt mir, dass ich sie überhaupt noch nicht in mir trage, die traurige Tatsache in ihrer ganzen Konsequenz. Ich finde meine Mama auf den Fotos immer nur so schön. Warum ist mir das zu Lebzeiten nicht so direkt aufgefallen?

Von meinem Gefühlshaushalt habe ich gerade sehr wenig Ahnung. Mich sorgen Dinge, die ich nicht verstehe …

5 comments:

silli hat gesagt…

das ist normal. mein vater ist vor ungefähr 7 jahren gestorben. ich weiss noch nicht mal genau das jahr. muss immer wieder nachgucken. so richtige trauer empfinde ich jetzt erst. es dauert.manche dinge tut man einfach nur um zu überleben. deine schlaflosen nächte zeigen dir ja das dein unterbewusstsein arbeitet.

liebe grüße und kraft
silka

creezy hat gesagt…

Vielen Dank! Sieben Jahre (und mehr)? Genau so etwas befürchte ich auch. Andererseits ist es ein gutes Zeichen, denn solange hast Du Deinen Vater offensichtlich nah in und bei Dir gehabt … diese Trauerphasen kommen übrigens immer wieder. Ein Leben lang, vermute ich nach meinen Langzeittests, mein Vater ist dieses Jahr 20 Jahre tot, das zehnte Jahr war fast noch schlimmer als der Moment seines Todes.

silli hat gesagt…

ja das ist schon komisch. zur zeit durchlebe ich die trauerphase auch heftiger als alle anderen jahre. das heulen kommt von ganz weit unten. kaum zu erklären. leider kann man sich sehr selten mit menschen über dieses thema austauschen. ne selbsthilfegruppe braucht man ja nicht gleich immer *lolol*

creezy hat gesagt…

Ja, das Thema wie lange darf man eigentlich in der deutschen Kultur offiziell trauern und ab wann darf man nur noch inoffiziell, ist ein schwieriges.

Hm, nö Selbsthilfegruppe muß es nicht gleich sein. Aber man kann immer mal bei Hospiz-Leuten anrufen, die kennen im allg. Leute, die sich mit Trauer professionell auseinandersetzen und da bin ich entspannt, sobald ich merke, meine Trauer läuft aus dem üblichen Ruder (was im aktuellen Fall in der besonderen Geschichte leicht passieren könnte), werde ich die Krankenkasse in Anspruch nehmen und mir professionelle Unterstützung holen. Man muss die Dinge nicht immer alleine ausfechten, und jeder hat nicht im Bekanntenkreis Menschen, die die gleiche Erfahrung teilen.

Ich glaube aber auch, dass man die 'alte' Trauer auch immer wieder neu erlebt, weil man sich als Lebender ja weiter entwickelt und so – auch zu – Verstorbenen immer wieder ein neues anderes Verhältnis entwickelt. Je älter man wird, desto näher kommt man vermutlich seinen Eltern und deren Ansichten, das macht es nicht leichter.

Das wird schon! Lass es raus – sei es Dir wert vor allen Dingen!

Kirsten hat gesagt…

Bei mir ist sind es mein Onkel (gestorben Heiligabend vor vier Jahren) und mein Opa (gestorben 1978), die mir immer mal wieder heftigst fehlen, obwohl der eine weit weg gewohnt hat und ich mich an den anderen eigentlich kaum erinnern können dürfte.
Aber es stimmt, die Trauer verändert sich mit den Jahren - je nachdem, wie man selber sind entwickelt. Aber - und das hört sich jetzt furchtbar eso-mäßig an - ich weiß, dass die beiden immer noch irgendwie da sind. Und das tröstet irgendwie schon.

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