2024-06-01

Die köstlichen Aromen Siziliens im Terra Verde

Im kommenden Jahr, 2025, wird in Berlin die erste von True Italian organisierte Sicilian Week zelebriert. Bis dahin gehen zwar noch ein paar deutsche und sizilianische Monde in beiden Ländern auf und ab. Aber in Kooperation mit der Agentur Io Compro Siciliano, Herausgeberin des Online-Magazines «Made in Sicily», die sich besonders in der Vermarktung sizilianischer Produkte in der EU und im Ausland engagiert, können wir schon im Vorfeld immer wieder leckere Food-Events in der Stadt erleben und uns die schmackhaften Produkte Siziliens auf die Teller und in die Gläser zaubern lassen!
Der Auftaktveranstaltung Aperitivi Sicilani durfte ich im Mai dieses Jahres beiwohnen. In den beiden Salumerien Terra Verde Landkost von Nicolò Sparacino und Giuseppe Leone fanden die Events statt, die übrigens gleichzeitig die Geburtstagsfeier der Läden waren. Das Terra Verde feierte sein achtjähriges Bestehen – beide Geschäfte liegen im Berliner Bezirk Schöneberg bzw. Friedenau! Livemusik von Luca Burgio und Maison Pigalle, köstliche Aperitivi und feine Weinbegleitung (oder die üblichen italienischen Limonaden) haben unsere Party begleitet. Es war wie in Italien, mit der typischen italienischen Lebensfreude, die kaum jemand so gut wie die Italiener zelebrieren können, haben wir das Leben, Sommerwetter und die Köstlichkeiten gefeiert!
Bei Nicolo und seinem Team in den Läden in der Rheinstraße 18 und Grundwaldstraße 78 kann man die delikaten Produkte, die der Erde der wunderschönen Insel Italiens abgerungen wurden, einkaufen. Dazu natürlich sizilianische Olivenöle und Weine! Und noch einen Anlass gab es zu feiern: Das Terra Verde in der Grundwaldstraße hat ab sofort die Gaststättenlizenz. So kann man dort auch köstliche Antipasti wie Arrancini, Formaggio, Oliven, gegrilltes Gemüse und Mortadella und direkt im Restaurant bzw. auf der Straße genießen! Natürlich zum klassischen Aperitivo – oder zu den fantastischen Weinen der Cantina Di Bella.
Wir hatten die besondere Freude anlässlich der Presseveranstaltung auch die Produzenten einiger Produkte Siziliens kennenzulernen, die uns ihre Köstlichkeiten präsentierten. Da war zum einen Salvatore Bilello, der etwas sehr Seltenes geschafft hatte: Nämlich auf der IMEAT-Fleischmesse in Turin mit seiner besonderen Mortadella-Kreation die Silbermedaille zu gewinnen. Das zu schaffen als Fleischermeister aus dem Süden Italiens in der norditalienischen Hochburg der Mortadella – es ist schon eine Sensation!
Die Besonderheit seiner Mortadella liegt in der zusätzlichen Verwendung von wildem Bergfenchel aus Sizilien – was dieser Wurst nicht nur ein zartes Finocchio-Aroma schenkt, sondern sie darüber hinaus besonders bekömmlich macht. Fenchelsaat enthält ätherische Öle wie Anethol, Menthol und Fenchon – sie helfen unserem Organismus, die schon recht fettige Wurst besonders gut zu verdauen. Die Mortadella von Salvatore war ein Genuss, wie auch übrigens seine Salami, die wir kosten durften. Appetit bekommen? Seine Wursterzeugnisse gib es bei Terra Verde!
Wie auch die ausgesuchten Weine, die uns Sebastiano Di Bella von Di Bella Vini, Winzer aus Leidenschaft, an diesem Abend kredenzte – und uns an seinen Philosophien im Weinbau teilhaben ließ. Zum Beispiel den Catarratto DOC Sicilia 2019 (seit 2012 dürfen Weine von Sizilien mit dem DOC Sicilia gekennzeichnet werden) aus der Linea Jetas, einer autochthonen Rebsorte Siziliens. Die Trauben werden von Hand gelesen und mazerieren bei maximal 14 Grad Celsius bis 36 Stunden im Stahltank vor ihrer Pressung.
Ohne Sulfit-Zugabe wird der Catarratto acht Monate im Eichenfass und drei Monate auf der Flasche ausgebaut. Im Glas strahlt er hellgelb und offeriert Aromen von Pfirsich, Vanille und Zedernholz. Ein trockener und frischer Naturwein, der gut gekühlt der perfekte Wein für einen Sommerabend.
Die Rebsorte Catarratto ist so alt und wird wohl von den Griechen, die im 8. Jahrhundert als Kolonisten nach Sizilien kamn, gebracht worden sein. Im Jahr 1860 wurden auf Sizilien versteinerte Weinreben entdeckt, die bereits vor einigen Millionen Jahren entstanden sind.
Ein feiner All-Day-Wein ist sein Grillo Siclia DOC, der uns gleichfalls durch den Abend begleitete. Hellgelb mit grünen Reflexen kommen viele Blumen und reife gelbe Früchte und ein ordentlicher Schwung Mineralität ins Glas. Elegant und frisch, ausgebaut wird dieser Wein im Stahltank und später in der Flasche.
Und Sfincione wurde uns vom Chefkoch Thiago Valente serviert. Die typische sizilianische Pizza – eine Variante zwischen Pizza und Foccacia mit würziger Sardellenpaste, Sugo und jungem Caciocavallo gebacken wird. Und natürlich mit viel gutem Olivenöl beträufelt wird. Sfincione leitet sich vom lateinischen Spongi, Schwamm, ab und das trifft die Konsistenz dieser Köstlichkeit ziemlich gut. Sfincione schmeckt heiß und kalt und kann noch mit viel mehr Zutaten belegt werden – hier z. B. eine würzige Caponata – das perfekte sizilianische Sandwich! Dazu eine würzige Arrancine auf Mayonaise.

So lange ich es noch nicht geschafft habe, Sizilien selber zu besuchen, bin ich wirklich froh, es ein klein wenig in Berlin erleben zu dürfen. Nur möglich dank enthusiastischer Menschen, die nicht zögern, uns etwas von ihrer Heimat mitzubringen und vorzustellen! Das ist gelebtes Europa!

2024-05-24

Sylt – und seine reichen rechten Besucher

Diese Sylt-Geschichte ist für mich das beste Beispiel dafür, wie sich eine Gesellschaft entwickelt, wenn sich einzelne Klassen innerhalb dieser zu sehr abgrenzen. Und sich nicht mehr integrieren wollen.

Wir werfen so gerne den Menschen, aus dem Ausland zu uns kommend, vor, sie würden sich nicht integrieren. Was sich z. B. Amerikaner*innen oder Brit*innen, die nach Berlin ziehen, und auch noch nach sechs Jahren Aufenthalt kaum ein Wort Deutsch sprechen können, wirklich auch vorwerfen lassen müssen.

Da haben es Menschen, die aus sehr unglücklichen Umständen ihre Heimat (ungewollt) verlassen mussten, zu uns kommen vielleicht besser? Immerhin werden sie zu Fremdsprachsenkursen gezwungen, weil man ihnen unterstellt, sich sonst nicht in unsere Gesellschaft gut zu integrieren.

Was übrigens auch sehr deutlich macht, welches Spiel Parteien wie CDU, CSU, FDP und die vom Verfassungsschutz in Teilen für rechtsextremistisch befundene Partei eigentlich spielen, wenn sie jetzt in einer Zeit des selbst produzierten (Nichtstun) höchstakuten Fachkräftemangels fordern, Menschen im Asylzustand sofort in Arbeit zu verpflichten, ohne ihnen die Chance geben zu wollen, unsere Sprache lernen zu dürfen. Sie möchten sie als Arbeitstiere benutzen – ihnen aber später Aufenthalte verweigern, weil sie sich sprachlich nie in die deutsche Gesellschaft integriert hätten. (Als ob der Südbayer das je tun könnte.)

Wenn ich mir angucke, wie sich da völlig verpeilte junge Menschen auf Sylt offensichtlich benommen haben – und, Unterstellung, das vermutlich nicht zum ersten Mal so getan haben, muss man sich mittlerweile fragen, wie sehr integrieren sich überhaupt noch reiche Deutsche in unsere Gesellschaft die bunt ist, offen, sozial? An fremden Dingen interessiert? Auf andere Menschen zugehend?

Ich kann jedenfalls nur wünschen, dass diese gar nicht mal so helle leuchtenden jungen Seelen auf Sylt auschließlich in deutscher Kleidungsmanufaktur, von deutschen kleinen Kinderhänden genäht, gekleidet waren und nur deutsches Bier, Champgagner (Ach, Mist: geht ja gar nicht. Zu blöd!) Wein und Cocktails aus rein deutschen Produkten und deutscher Produktionen zu sich genommen haben, weil sonst müsste man denken, dass sie ziemlich dummes deutsches Pack sind.

Salute, meine kleinen reichen deutschen Mitbürger. Ihr seid echt arm dran: Kulturell. Und vor allem intellektuell! Meiner persönlichen Meinung nach, seid ihr eine selten dumme Brut!

Und mit «Brut» meine ich nicht die Klassifzierung eines französischen Champagners.

2024-05-09

Zu Besuch bei Matteo Sansone – das archäologische Nationalmuseum von Mattinata Matteo Sansone

Ein großer Teil der Sammlung im archäologischen Nationalmuseum «Matteo Sansone» von Mattinata entspringt der Privatsammlung von Matteo Sansone. Der Apotheker aus Mattinata, hatte zu seinen Lebzeiten die von seinem Onkel übernommene archäologische Sammlung mit großem Enthusiasmus weiter zusammen gestellt. Sansones Familie übergab die Sammlung als Schenkung dem italienischen Staat mit Fertigstellung und Eröffnung des Museums Museo Archeologico Nazionale di Mattinata «Matteo Sansone» im Jahr 2022.


Die Daunier – Vorfahren der Apulier im Gargano

Denn um sie entsprechend zu würdigen, wurde in Mattinata extra das Gebäude des ehemaligen Stadtmuseums restauriert und ist nun das neue – barrierefreie – Zuhause einer der umfangreichsten Privatsammlungen Italiens. Über 2.500 Keramik-, Metall-, Stein- und Münzfunde aus der Provinz Foggia, vor allem dem Gargano und der Tavoliere-Ebene sind hier eingezogen.

Hauptsächlich entstammen sie der Daunia-Kultur. Daunien, so nannte man das Gebiet des Gargano in sehr früher Zeit. Ab dem 7./6. Jahrhundert v. Chr. ist die Bezeichnung Daunier bzw. Daunien erstmals in antiken Schriftquellen belegt. De facto nachgewiesen ist die daunische Kultur ab dem 9./8. Jahrhundert v. Chr., vor allem durch Grabfunde.


Erzpriester Giuseppe Antonio Azzarone

Die Sammlung von Matteo Sansone (1916–1992) gilt als eine der bedeutendsten Privatsammlungen in Apulien. Begonnen hatte diese Sammlung allerdings Erzpriester Giuseppe Antonio Azzarone (1871–1909), der eine bedeutende geistliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Persönlichkeit seiner Zeit war. Ein Onkel mütterlicherseits infizierte ihn wohl mit der Liebe zur Geschichte seiner Geburtsstätte. Während seiner Arbeit in der Pfarrei in Mattinata lebte er die Leidenschaft zum archäologischen Erbe seines Onkels fort und bewanderte umliegende Dörfer in den umliegenden Bergen, wie z. B. den Monte Saraceno auf den Spuren seiner Vorfahren.
Dabei erlebte er, dass die Bauern am Monte Saraceno in die von den Dauniern in die Felsen gehauenen Gräber Mandel- und Olivenbäume pflanzten und erkannte den archäologischer Schatz, der sich in diesen Felsgräbern, Chiote, noch befand. Die er dann sicherstellte ebenso wie die Stelen, am Grab aufgestellte Mahnsteine mit Inschriften und nicht selten mit in Stein gehauenen Gesichtern. Die Vorläufer unserer heutigen Kultur der Totenmasken und Grabsteine? Die Dauner waren sehr fürsorglich mit ihren Toten und in deren Grabbeigaben reichhaltig. Eine Besonderheit der Nekropole auf dem Monte Saraceno – für die Gegend eher unüblich – waren auch Keramikgefäße in den Gräbern, auch sie mit Abbildungen von Gesichtern.
Sie bilden heute einen besonderen Schatz des Museums.

Ein weiteres beliebtes Ziel für Azzarones Forschungen war das Gebiet von Agnuli mit den Überresten der, vom Meer überfluteten, römischen Stadt Matinum (Mattinata). Ein Teil der Ruinen haben sich als Reste der römischen Villa von Agnuli herausgestellt.


Matteo Sansone

Azzarones Sammlung wurde nach seinem Tod zerstreut, mit Ausnahme von etwa hundert Artefakten, die er seinen Enkeln vermachte. Einer von ihnen nahm als Onkel den verwaisten Matteo Sansone auf und vermittelte ihm so die Leidenschaft zur Archäologie. Sie prägte Sansones Leben so sehr, dass er später selber an Ausgrabungen mit Erfolg teilnahm. Zu Lebenszeiten erhielt er Auszeichnungen (Ehreninspektor für Altertümer und schöne Künste) und somit ehrliche Anerkennung von den Fachleuten für sein archäologisches, ethnologisches und wissenschaftliches Engagement.

Der italienische Staat hatte 1990 diesen kulturellen Schatz in privater Hand als Sammlung von außergewöhnlichem künstlerischem, historischem und archäologischem Interesse anerkannt. Es war der besondere Wunsch von Matteo Sansone, nach seinem Tod, die komplette Sammlung dem italienischen Staat zu vermachen.
Sein Nachlass ist zweigeteilt. Liegt das Museo Archeologico Nazionale di Mattinata «Matteo Sansone» archäologische Museum mit all seinen Schätzen an einem Ende des Centro Storicos von Mattinata, kann man am Beginn der Hauptstraße Corso Mattina in den Räumen einer Apotheke, die ehemalige Arbeitsstätte von Matteo Sansone mit einer wunderschöne Holzeinrichtung bestaunen. Zwei Räume der Apotheke sind in Gedenken an den großen Sammler Mattinatas als Museum erlebbar.
In den Vitrinen der Respekt einflößenden historischen Schrankwände sind zahlreiche Gegenstände aus dem Apotheker- aber auch Alltagsleben von Matteo Sansone ausgestellt. Im hinteren Apothekenbereich scheinen Sansones Labor und Büro mit den Originalmöbeln und -werkzeugen beinahe unberührt – wenngleich dort heute nach wie vor gearbeitet wird. Zu besichtigen während der normalen Öffnungszeiten.
Man ist sich heute noch der Bedeutung dieses besonderen Bürgers von Mattinata auf jeden Fall bewusst.


Museo Archeologico Nazionale di Mattinata «Matteo Sansone»

Die Exponate der daunischen Zivilisation seiner Sammlung findet man modern installiert und spannend präsentiert im archäologischen Nationalmuseum. Sie sind in sechs Abschnitten ausgestellt und vermitteln den Besucher*innen einen ausführlichen Überblick (auch in englischer Sprache) über die Sitten und Verhaltensweisen dieser frühen Kultur, auch im Kontext ihrer späteren Prägung der italienischen Bevölkerung.
Abschnitt 1, „Die Sammlung und das Territorium von Daunia“, ist der Geschichte der Daunier und den Nekropolen von Monte Saraceno gewidmet.

Denn von dort stammt eine besonders große Anzahl der Fundstücke. Der zweite Abschnitt zeigt anhand der „Daunischen Stelen“ die hohe Gräberkultur der Daunier und beweist gleichzeitig den originellen künstlerischen Ausdruck dieses Volkes.
Der dritte Bereich erzählt unter dem Titel „Daunia und die Adria“ anhand der Artefakte in der Sammlung von Beziehungen, die die Daunier bereits in der letzten Bronzezeit mit der dalmatinischen Küste und dem Balkanraum unterhielten. Man vermutet übrigens, die Daunier hätten den Berufsstand der Piraterie mitbegründet.
Für mich persönlich die eigentliche Sensation dieser Sammlung ist der Bereich der Keramiken, denen sich die Teilbereiche vier und fünf widmen.
Ich durfte nun schon das eine und andere Museum in Apulien besuchen und haben viele Exemplare prähistorischer Keramik, Tongefäße und Amphoren bewundern dürfen. Aber so viele Keramiken auch über die zeitlichen Epochen hinweg, die in einem erstaunlich großen Maß völlig unbeschädigt scheinen, das ist ein Novum und – für mich – stellt gerade dieser Abschnitt eine große Sensation dar. Und ist meinem Erleben nach, das besondere Herausstellungsmerkmal dieses Museums in Mattinata.
Wer immer sich für Archäologie (oder auch nicht) interessiert und sich in der Gegend Apuliens aufhält, dem kann ich einen Besuch dieses Museums nur empfehlen. Ich bin nachhaltig beeindruckt von dem, was ich dort sehen durfte.

Die Überschrift des vierten, so kunstvollen Abschnittes: „Keramikproduktion in Daunia“. Er enthält eine sehr reiche Sammlung geometrischer Keramik. Im fünften Teil „Daunia im hellenistischen Zeitalter“ wird anhand der Keramiken von den Veränderungen in der daunischen Gesellschaft erzählt.
Insbesondere vom 4. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. veränderte sich sichtlich die Kultur der daunischen Keramikproduktion, die bis dahin schlicht schwarz glasiert und monochrom übermalt wurden. Bekannt als Gnathiakeramiken gestaltete man sie jetzt geometrisch-floral und polychrom. Die Keramiken zeigen eine Periode neuer Vitalität in der handwerklichen Produktion und sie wirken erstaunlich modern.

Im letzten Abschnitt 6, „Daunia in der Römerzeit“, werden einige Funde Giuseppe Antonio Arrazones aus der römischen Villa von Agnuli (Mattinata) vorgestellt, deren Ruine in den Ausgrabungen am Hafen zu besichtigen sind.

Museo Archeologico Nazionale di Mattinata „Matteo Sansone
Via Torquato Tasso, 1
71030 Mattinata FG

Farmacia Sansone
Corso Matino, 114
71030 Mattinata FG


Weitere Blogposts zu Mattinata und den Gargano

2024-05-07

Wanderungen im Gargano: Monte Sacro, die Abtei SS Trinità und die Welt der wilden Orchideen

Im Norden Apuliens liegt der Gargano, 65 Kilometer ragt diese Halbinsel in die Adria hinein. Zu ihm zählen die drei ihm vorgelagerten Inseln, die Isole Tremiti: San Nicola, San Domino und Caprara. 150 Kilometer Küstenlinie bilden die Verbindung zur Adria am Golf von Manfredonia.
Blick auf die Buch Baia delle Zagare

Kieselstrände, Felsküsten, unberührte Natur mit lebendiger Flora und Fauna und sehr viel Historie – das alles ist der Gargano.
Il Parco nazionale del Gargagno

Der Gargano ist gleichzeitig Namensgeber seines Nationalparks: Gargagno – il Parco nazionale del Gargagno. Auf 118.144 Hektar wachsen vorrangig Pinienbäume. Buchen dominieren in dem vom Nationalpark umschlossenen Forest Umbra. Auch selten Eichen-Arten findet man hier. Er beherbergt eine reiche Flora und ebensolche Fauna, darunter seltene Spechtarten, wie den Weißrückenspecht; Greifvögel wie den Habicht und die Eule, unter den Säugetieren kann man Wildkatze, Marder und Wildschweine beobachten. Ungefähr 120 Exemplare der Gargano Hirsche leben hier. Auch halbwilden Pferden wird man begegnen können.
Drei Wanderungen darf ich hier während meines kurzen Aufenthaltes in dieser wunderschönen Natur machen, jede einzelne ist ein besonderes Geschenk. Jede ist anders – ob die Berge hoch, entlang der Küste. Überall begegneten mir andere Pflanzen. Rosmarin, Thymian, Mastix, die wilden Arten von Fenchel, Ruccola und Knoblauch, die Malven, Königskerzen und Wolfsmilche blühen, ganze Landstriche bemalt, stolz der weiß-rosa blühende Ästige Affodill, den ich so sehr liebe, mit seinen jetzt hoch stehenden Blüten. Und natürlich: Die wilden kleinen Orchideen, die hier mit einer Häufigkeit wachsen, wie selten!
Freunde: Der Ästige Affodill hat Hummelbesuch

Der Nationalpark selber ist in vier Zonen eingeteilt, zwei sind für Fußgänger zugänglich, die dritte nur mit besonderen Auflagen bzw. mit Führung. Die vierte Zone zu bewandern, das ist strikt untersagt.

600 Höhlen und 128 Seegrotten sind im Gargano heute bekannt und 4000 Dolinen in diesem riesigen Karstgebiet von Kalkstein geformt. Es wäre also eine Schande, hierher zu reisen, nur um am Strand zu liegen. Auch wenn diese sehr reizvoll sind, mit ihren zahlreichen Buchten! Aber der Naturpark ist vor allem ein perfekter Schattenspender im Sommer – und es gilt hier wirklich viel zu entdecken!
Zwei Seen liegen hier, der Lago di Varano gilt als der größte See Süditaliens mit einer Fläche von 60,5 km². Getrennt ist der (Brackwasser-)See von einer 10 Kilometer langen sandigen Landzunge vom Meer. Bewachsen mit Mastixsträuchern, Pinien und Eukalyptusbäumen. Zwei Zuläufe aus der Adria sorgen für den Wasseraustausch. Beeindruckend groß ist auch der Lago di Lesina mit einem Umfang von 50 Kilometern. Auch er wird von zwei Kanalgängen mit Meereswasser versorgt und ist ebenfalls durch eine Düne von der Adria getrennt.

Entlang der Küste vom Golf von Manfredonia wechseln sich Sumpffelder, Salzfelder mit einem hohen Flamingoanteil, raue abfallende Felsenküsten und wunderschöne Strandbuchten ab. Vico del Gargano, Monte Sant’Angelo, Vieste, Carpino, Peschici und Mattinata heißen die Ortschaften, die zur Communità Montana del Gargano gehören.

Von meinen Wanderungen im Gargano, war eine so wunderschön wie die andere, geprägt von fantastischen Aussichten auf die Landschaft, das Meer. Blicke in die Natur, die eine Vielfalt der Botanik zeigen, die unendlich scheint.

Endloses Blütenmeer! Der Ästige Affodill verzaubert Apulien im Frühling mit seinen Blüten

Die besondere Schönheit des Monte Sacro

Bei unserem ersten Ausflug zum Monte Sacro erwarteten uns – dem Grund unserer Reiseeinladung entsprechend – kleine wilde Orchideen satt.
Anacamptis papilionacea

Er ist der höchste Berg, der das Tal von Mattinata bewacht. In den unteren Ebenen wird Landwirtschaft betrieben. Kolonien von Olivenbäumen stehen in Reihe und Glied. die Agroturismi freuen sich über Gäste, die einen Urlaub in der Natur am Berg vorziehen als direkt an der Küste. Kurz unterhalb seines Gipfels wartet die im Verfall begriffene Abtei Santissima Trinità di Monte Sacro.


Die wilden Orchideen des Gargano

Wir sind früh unterwegs und fahren mit dem Minibus von unserem Hotel Residence Il Porto vielleicht zwanzig Minuten in Richtung Monte Sacro und bewältigen die ersten Höhenmeter dieses insgesamt 874 Meter hohen Berges bequem fahrend. Die Abtei liegt unterhalb seiner Spitze. Ein bisschen motorisierte Pferdestärke für die ersten Meter können also von Vorteil sein.
Aber schon die Fahrt dorthin ist besonders. Wir lassen Mattinata hinter uns. Den Tunnel, der Mattinata mit den Nachbargemeinden und der Provinz Foggia verbindet. Wir kommen auf unserem Weg an Agriturismi vorbei. Das allzu sportliche Fahren verbietet sich hier auf der schmalen Landstraße, denn mehrmals begegnen wir Stuten mit ihren Fohlen, die unseren Weg kreuzen und entlang der Straße an der reichhaltigen Flora knabbern. Sind es nicht die Pferde, können es hier durchaus auch Ziegen oder halbwilde Rinder sein, die hier die Gebietspflege betreiben. Es bimmelt kontinuierlich am Monte Sacro.
Ophrys apulica (Apulische Hummel-Ragwurz, weil sie eine Hummel immitiert – um von dieser besucht zu werden)

Uns erwartet in dieser noch natürlichen Umgebung eine traumhaft schöne Wanderung, die allerdings anlässlich des Festivals und der Hauptblütezeit der wilden Miniatur-Orchideen nicht gerade mit großer Einsamkeit überzeugen kann. Aber wen wundert es? Entlang des schmalen Pfades „Sentiero Religiose Naturalistico per l’Abbazia di Monte Sacro” zur Hochobene, wachsen besonders gerne im Frühling 60 bekannte Arten wilder Orchideen. In Relation gestellt: In der Region des Gargano existieren insgesamt 80 Arten, weltweit sind 200 Arten bekannt. Wir haben an diesem Ort quasi den Jackpot aller wilden Orchideen gewonnen.
Professoressa Angela Rossini kennt sie alle! Sie erforscht seit Jahrzehnten diese wilden Orchideen. Ein seltenes Exemplar, das sie hier als noch weltweit unbekannt entdeckt hatte, hat sie nicht – wie gemeinhin üblich in Botaniker-Kreisen – nach sich benannt, sondern namentlich der Stadt Mattinata gewidmet. Anlässlich des Festivals führt sie hier die Menschen zu den kleinen Schönheiten und kann zu jeder Spezies alle relevanten botanischen Eigenheiten benennen.
Serapias lingua (Zungelstengel)

Das macht sie ehrenamtlich. Ihr Dank ist, wenn man den von ihr und Co-Autoren Giovanni Quitadamo herausgegebenen Orchideenführer „Orchidee spontanee nel parco nazionale del Gargano” erwirbt. Und wer sich für eine Führung mit Angela Rossini anmelden möchte, Kontaktmöglichkeit über ihre Homepage: Orchidee del Gargano

Der Frühling 2024 ist auch hier, wie im restlichen Europa, weiter fortgeschritten als üblich. Ein großer Teil der kleinen Orchideenpracht ist schon vergangen. Aber wir dürfen noch einige faszinierende später blühende Schönheiten entdecken und bewundern, diese sind immer noch reichhaltig und bezaubernd anzusehen. Je mehr Zeit man sich nimmt und dabei sehr vorsichtig durch die Hochebene wandert, will man diese kleinen Wunder der Natur nicht platt treten, umso mehr von ihnen kann man entdecken. Klein müssen wir uns machen, unser Ausflug in die Orchideen ist gleichzeitig das perfekte Training für unsere Knie – zumindest will man die Blüten in einer ansprechenden Perspektive fotografieren. Sie wachsen vielleicht 15 Zentimeter hoch, die größeren Arten erreichen höchstens 30 Zentimeter.
Sie lieben Steine, trockenen Boden und viel Sonne. Faszinierende Formen, Farben – es ist einfach von Orchideen an diesem Ort völlig neu in den Bann gezogen zu werden. Davon abgesehen blühen reichhaltig wilde Salbei-Zistrosen, Wolfsmilch und Affodill. Es ist ein visueller und duftender, als auch summender Traum! Einer mit Aussicht!
Neotinea tridentata

Die kleinen Orchideen wandern übrigens früher oder später in den Magen der Huftiere, die das Gebiet ordnungsgemäß sauber knabbern. Liegt es vielleicht an dieser exklusiven Kost, dass der Ziegen-/Schafs-/Kuhmilch-Käse hier so wunderbar schmeckt?

L’Abbazia Santissima Trinità di Monte Sacro
Bisher haben wir lediglich einen netten Spaziergang ohne große Anstrengung gemacht. Ab jetzt schließt sich unserer Orchideenentdeckung der Aufstieg auf den Monte Sacro an. Und der fordert schon etwas mehr körperlichen Einsatz ab. Gute Schuhe mit ordentlichem Grip kann ich empfehlen. Am Berg kann es schnell regnen und spätestens dann sind hier nur Sneaker ein unnötiges Risiko. (Während unseres Abstiegs regnete es dann in Strömen, da war ich für gutes Schuhwerk und meinen mitgenommenen Faltstock nicht undankbar.)
Unser Aufstieg ist aber von wunderschönem Wetter begleitet. Entlang der Trockenmauern duftet die Natur. Die Sonne scheint, es ist frühlingshaft warm. Ich begegne meinem chinesischen Sternzeichen, das – mir in der Angewohnhet sehr ähnlich – völlig entspannt am Wegesrand liegt, die Natur genießt und sich sonnt.
Klapperschlange, gut genährt und tiefenentspannt im Grünen – lebt meinen Lebensentwurf
Der Weg ist schmal, aber gut begehbar, man muss nicht klettern – sollte nur gut aufpassen, wohin man tritt. Der Vormittag ist im vollen Gange – und es ist Feiertag (25.04.) in Italien. Wir sind jetzt nicht mehr unter uns in unserer kleinen Gruppe. Im Gegenteil, dieser Berg lebt in der Festivalwoche.
An einen Ort des Verschnaufens erinnert uns eine Madonnenfigur, wem wir unser Ausflugsziel zu verdanken haben. Es wird durchaus heilig.

Im 4. Jahrhundert war dieser Ort dem Jupiterkult geweiht – vielleicht wegen der Eichen, die für den König der Olympier als Symbol standen. Von ihnen haben wir während unserer Wanderung einige unterschiedliche Exemplare zu Gesicht bekommen. Am Ende des Jahrhunderts soll schon Schluss mit dem Heidentum und es soll dort ein Tempel der Heiligen Dreifaltigkeit entstanden sein. Die ersten Bauarbeiten am Kloster wurden im 10. Jahrhundert n. Chr. begonnen.
Die Benediktiner Abtei l’Abbazia di Monte Sacro in ihren weit laufenden Grundmauern entstammt wohl dem 11. Jahrhundert. Das Kloster gehörte zu einer der bedeutendsten Pilgerstätten seiner Zeit. Um die 100 Mönche lebten an diesem Ort gleichzeitig, bauten Gemüse an, sammelten Regenwasser in heute noch erhaltenen Zisternen.
Sie hielten Tiere und besaßen eine mehr als beeindruckende Bibliothek. Wandert man um das Gelände, erkennt man, wie unfassbar riesig dieser heute verfallene Ort gewesen sein muss. Die Reste der Kirche zeigen drei Schiffe, es soll einen riesigen Glockenturm gegeben haben. An einer Wand erkennen wir sogar noch Reste von Fresken. Dieser Ort ist … verzaubert!
Tatsächlich weiß man so sehr viel heute nicht aus ihrer Geschichte. Es wird gemunkelt, die Herren dort oben unter sich sollen etwas über die Stränge geschlagen haben. Schlussendlich ist ihr wohl der Monte Sant’Angelo mit seinen Heilgenerscheinungen den Rang in der Relevanz abgelaufen.
Jedenfalls wurde diese Abtei im 14. Jahrhundert mit der von Siponte zusammen gelegt. Die Abtei SS Trinità im 16. Jahrhundert aufgeben – die Natur hat sich in beeindruckender Weise ihr Gebiet wieder zurückerobert. Ein faszinierender Ort, dessen reichhaltige Geschichte man heute nur erahnen kann. Zeitweise bin ich ganz froh, nicht ganz alleine dort zu sein – denn ein bisschen gruselige Stimmung kann ich auch nicht von meinen Schultern streifen.
Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg hatte in einem Forschungsauftrag die komplette Anlage erforscht und 2013 eine reale 3D-Animation (Antonio Lupoli) dieser Abtei auf Basis der Forschungsergebnisse erstellt. Seht euch deren beeindruckende Größe bei Nicoletta de Rossi auf ihrem Blog sonoitalia.it an!
Wer nun möchte, kann auch noch die letzten Meter zum Gipfel des Monte Sacro besteigen. Auf uns wartet jedoch der nächste Programmpunkt an einem anderen Ort. Als die ersten Tropfen vom Regengebiet künden, begeben wir uns an den Abstieg. Und auch wenn wir unten am Wagen pitschnass ankommen – die Erlebnisse in dieser wunderschönen Natur, sie wirken nach.




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