2024-05-09

Zu Besuch bei Matteo Sansone – das archäologische Nationalmuseum von Mattinata Matteo Sansone

Ein großer Teil der Sammlung im archäologischen Nationalmuseum «Matteo Sansone» von Mattinata entspringt der Privatsammlung von Matteo Sansone. Der Apotheker aus Mattinata, hatte zu seinen Lebzeiten die von seinem Onkel übernommene archäologische Sammlung mit großem Enthusiasmus weiter zusammen gestellt. Sansones Familie übergab die Sammlung als Schenkung dem italienischen Staat mit Fertigstellung und Eröffnung des Museums Museo Archeologico Nazionale di Mattinata «Matteo Sansone» im Jahr 2022.


Die Daunier – Vorfahren der Apulier im Gargano

Denn um sie entsprechend zu würdigen, wurde in Mattinata extra das Gebäude des ehemaligen Stadtmuseums restauriert und ist nun das neue – barrierefreie – Zuhause einer der umfangreichsten Privatsammlungen Italiens. Über 2.500 Keramik-, Metall-, Stein- und Münzfunde aus der Provinz Foggia, vor allem dem Gargano und der Tavoliere-Ebene sind hier eingezogen.

Hauptsächlich entstammen sie der Daunia-Kultur. Daunien, so nannte man das Gebiet des Gargano in sehr früher Zeit. Ab dem 7./6. Jahrhundert v. Chr. ist die Bezeichnung Daunier bzw. Daunien erstmals in antiken Schriftquellen belegt. De facto nachgewiesen ist die daunische Kultur ab dem 9./8. Jahrhundert v. Chr., vor allem durch Grabfunde.


Erzpriester Giuseppe Antonio Azzarone

Die Sammlung von Matteo Sansone (1916–1992) gilt als eine der bedeutendsten Privatsammlungen in Apulien. Begonnen hatte diese Sammlung allerdings Erzpriester Giuseppe Antonio Azzarone (1871–1909), der eine bedeutende geistliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Persönlichkeit seiner Zeit war. Ein Onkel mütterlicherseits infizierte ihn wohl mit der Liebe zur Geschichte seiner Geburtsstätte. Während seiner Arbeit in der Pfarrei in Mattinata lebte er die Leidenschaft zum archäologischen Erbe seines Onkels fort und bewanderte umliegende Dörfer in den umliegenden Bergen, wie z. B. den Monte Saraceno auf den Spuren seiner Vorfahren.
Dabei erlebte er, dass die Bauern am Monte Saraceno in die von den Dauniern in die Felsen gehauenen Gräber Mandel- und Olivenbäume pflanzten und erkannte den archäologischer Schatz, der sich in diesen Felsgräbern, Chiote, noch befand. Die er dann sicherstellte ebenso wie die Stelen, am Grab aufgestellte Mahnsteine mit Inschriften und nicht selten mit in Stein gehauenen Gesichtern. Die Vorläufer unserer heutigen Kultur der Totenmasken und Grabsteine? Die Dauner waren sehr fürsorglich mit ihren Toten und in deren Grabbeigaben reichhaltig. Eine Besonderheit der Nekropole auf dem Monte Saraceno – für die Gegend eher unüblich – waren auch Keramikgefäße in den Gräbern, auch sie mit Abbildungen von Gesichtern.
Sie bilden heute einen besonderen Schatz des Museums.

Ein weiteres beliebtes Ziel für Azzarones Forschungen war das Gebiet von Agnuli mit den Überresten der, vom Meer überfluteten, römischen Stadt Matinum (Mattinata). Ein Teil der Ruinen haben sich als Reste der römischen Villa von Agnuli herausgestellt.


Matteo Sansone

Azzarones Sammlung wurde nach seinem Tod zerstreut, mit Ausnahme von etwa hundert Artefakten, die er seinen Enkeln vermachte. Einer von ihnen nahm als Onkel den verwaisten Matteo Sansone auf und vermittelte ihm so die Leidenschaft zur Archäologie. Sie prägte Sansones Leben so sehr, dass er später selber an Ausgrabungen mit Erfolg teilnahm. Zu Lebenszeiten erhielt er Auszeichnungen (Ehreninspektor für Altertümer und schöne Künste) und somit ehrliche Anerkennung von den Fachleuten für sein archäologisches, ethnologisches und wissenschaftliches Engagement.

Der italienische Staat hatte 1990 diesen kulturellen Schatz in privater Hand als Sammlung von außergewöhnlichem künstlerischem, historischem und archäologischem Interesse anerkannt. Es war der besondere Wunsch von Matteo Sansone, nach seinem Tod, die komplette Sammlung dem italienischen Staat zu vermachen.
Sein Nachlass ist zweigeteilt. Liegt das Museo Archeologico Nazionale di Mattinata «Matteo Sansone» archäologische Museum mit all seinen Schätzen an einem Ende des Centro Storicos von Mattinata, kann man am Beginn der Hauptstraße Corso Mattina in den Räumen einer Apotheke, die ehemalige Arbeitsstätte von Matteo Sansone mit einer wunderschöne Holzeinrichtung bestaunen. Zwei Räume der Apotheke sind in Gedenken an den großen Sammler Mattinatas als Museum erlebbar.
In den Vitrinen der Respekt einflößenden historischen Schrankwände sind zahlreiche Gegenstände aus dem Apotheker- aber auch Alltagsleben von Matteo Sansone ausgestellt. Im hinteren Apothekenbereich scheinen Sansones Labor und Büro mit den Originalmöbeln und -werkzeugen beinahe unberührt – wenngleich dort heute nach wie vor gearbeitet wird. Zu besichtigen während der normalen Öffnungszeiten.
Man ist sich heute noch der Bedeutung dieses besonderen Bürgers von Mattinata auf jeden Fall bewusst.


Museo Archeologico Nazionale di Mattinata «Matteo Sansone»

Die Exponate der daunischen Zivilisation seiner Sammlung findet man modern installiert und spannend präsentiert im archäologischen Nationalmuseum. Sie sind in sechs Abschnitten ausgestellt und vermitteln den Besucher*innen einen ausführlichen Überblick (auch in englischer Sprache) über die Sitten und Verhaltensweisen dieser frühen Kultur, auch im Kontext ihrer späteren Prägung der italienischen Bevölkerung.
Abschnitt 1, „Die Sammlung und das Territorium von Daunia“, ist der Geschichte der Daunier und den Nekropolen von Monte Saraceno gewidmet.

Denn von dort stammt eine besonders große Anzahl der Fundstücke. Der zweite Abschnitt zeigt anhand der „Daunischen Stelen“ die hohe Gräberkultur der Daunier und beweist gleichzeitig den originellen künstlerischen Ausdruck dieses Volkes.
Der dritte Bereich erzählt unter dem Titel „Daunia und die Adria“ anhand der Artefakte in der Sammlung von Beziehungen, die die Daunier bereits in der letzten Bronzezeit mit der dalmatinischen Küste und dem Balkanraum unterhielten. Man vermutet übrigens, die Daunier hätten den Berufsstand der Piraterie mitbegründet.
Für mich persönlich die eigentliche Sensation dieser Sammlung ist der Bereich der Keramiken, denen sich die Teilbereiche vier und fünf widmen.
Ich durfte nun schon das eine und andere Museum in Apulien besuchen und haben viele Exemplare prähistorischer Keramik, Tongefäße und Amphoren bewundern dürfen. Aber so viele Keramiken auch über die zeitlichen Epochen hinweg, die in einem erstaunlich großen Maß völlig unbeschädigt scheinen, das ist ein Novum und – für mich – stellt gerade dieser Abschnitt eine große Sensation dar. Und ist meinem Erleben nach, das besondere Herausstellungsmerkmal dieses Museums in Mattinata.
Wer immer sich für Archäologie (oder auch nicht) interessiert und sich in der Gegend Apuliens aufhält, dem kann ich einen Besuch dieses Museums nur empfehlen. Ich bin nachhaltig beeindruckt von dem, was ich dort sehen durfte.

Die Überschrift des vierten, so kunstvollen Abschnittes: „Keramikproduktion in Daunia“. Er enthält eine sehr reiche Sammlung geometrischer Keramik. Im fünften Teil „Daunia im hellenistischen Zeitalter“ wird anhand der Keramiken von den Veränderungen in der daunischen Gesellschaft erzählt.
Insbesondere vom 4. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. veränderte sich sichtlich die Kultur der daunischen Keramikproduktion, die bis dahin schlicht schwarz glasiert und monochrom übermalt wurden. Bekannt als Gnathiakeramiken gestaltete man sie jetzt geometrisch-floral und polychrom. Die Keramiken zeigen eine Periode neuer Vitalität in der handwerklichen Produktion und sie wirken erstaunlich modern.

Im letzten Abschnitt 6, „Daunia in der Römerzeit“, werden einige Funde Giuseppe Antonio Arrazones aus der römischen Villa von Agnuli (Mattinata) vorgestellt, deren Ruine in den Ausgrabungen am Hafen zu besichtigen sind.

Museo Archeologico Nazionale di Mattinata „Matteo Sansone
Via Torquato Tasso, 1
71030 Mattinata FG

Farmacia Sansone
Corso Matino, 114
71030 Mattinata FG


Weitere Blogposts zu Mattinata und Umgebung:

Mattinata – La Farfalle bianca del Gargano

Wanderungen im Gargano: Monte Sacro, die Abtei SS Trinità und die Welt der wilden Orchideen

1 Kommentare:

lamiacucina hat gesagt…

die ganze Reise sehr schön beschrieben. Toll! Macht Lust, dorthin zurückzukehren.

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