Tanti Auguri Mamma Angela!
Neunzig Lebensjahre! Ein Ehemann, den sie früh beerdigen musste. Zwei Söhne, zwei Enkel. Ein Umzug in ein fremdes Land. Ein arbeitsreiches Leben. Ein mutiges Leben.
So lässt sich wohl in kurzen Stichworten das Leben von Angela Mattarese beschreiben. Am 5. Juni 2025 ist die Lukanerin Mamma Angela – wie wir Berliner sie nennen dürfen (sie besteht auf die Schreibweise mit zwei M) – 90 Jahre alt geworden. Am darauf folgenden Sonntag haben wir sie herzlich hochleben lassen in ihrer Wirkungsstätte, der Trattoria a' Muntagnola, und diese wunderschöne, sehr aktive Frau gefeiert! Es war der Abschluss einer viertägigen Geburtstags-Sause – die ihren müde aussehenden Enkeln etwas ins Gesicht geschrieben stand.
Sie dürfte wohl die älteste, immer noch in der Küche arbeitende Köchin Berlins sein!
Unsere Mamma Angela, die Mama der Gastronomen Pino und Mimmo Bianco kocht seit nun vierunddreißig Jahren im Restaurant ihres Sohnes Pino, Trattoria a' Muntagnola in der Fuggerstraße 27 (nahe Wittenbergplatz), das, was ihr im Blut liegt: ursprüngliche, köstliche lukanische Küche. Geboren in Cirigliano, einem kleinen Ort südwestlich von Matera in der Provinz Basilikata, wuchs sie in der Bergregion ohne fließendes Wasser oder Kanalisation auf. Dieser kleine Ort war damals nur mit dem Maulesel zu erreichen. Ihre Herkunft gab dem Restaurant den Namen: Muntagnola – Frau aus den Bergen. Ihr erstes Geld verdiente sie als Bahnwärterin in dem kleinen Küstenort Scanzano, wo sie in ihren Jugendjahren hingezogen war. Der Ehemann, ein Kind der Küste, schenkte ihr liebevoll den Kosenamen Muntagnola.
Es ist die Küche ihrer Heimat, der Basilikata, die sie mit nach Berlin gebracht hatte, um Pino in seinem 1991 eröffneten Restaurant zu unterstützen. Eine dringend notwendige Mission, denn, wie Pino selber zugibt, ist er bewiesenermaßen ein umtriebiger und kreativer Gastronom, ein wundervoller Gastgeber – aber ein miserabler Koch. Zwei Monate wollte sie gekommen, um ihren Sohn zu unterstützen. Und ist geblieben, genießt diese lebendige Stadt.
Seit über 34 Jahren serviert Angela uns diese aromatische Küche Süditaliens. Eine Küche mit einfachen Zutaten, mit geschmackvollem Gemüse, nach den Rezepten ihrer eigenen Mama und ihren Nonnas. Immer sollte man in der Trattoria nach den Tages- bzw. Wochengerichten fragen, denn die besten Gerichte sind die der Saison, sie stehen nicht auf der Karte. Diese Ausflüge in die Küche Lukaniens sind besonders wertvoll, man wird sie oft kein zweites Mal essen können.
Auch heute noch vergeht kein Tag – außer sie ist im Sommerurlaub in der Heimat (wo sie sich schnell langweilt) oder mit Sohn Pino in der Welt unterwegs – an dem sie nicht mindestens einmal am Abend durch ihr Restaurant geht, mit ihrem besonderen Lächeln ihre Stammgäste begrüßt und in der Küche nach dem Rechten sieht. Ist sie in Berlin, steht sie beinahe täglich am Vormittag, gemeinsam mit Chefkoch Sibi, in der Küche. Bereitet die hausgemachte Pasta zu oder setzt den Teig für das fantastische Brot an. Kommen die vielen Kisten mit frischen Artischocken oder Limonen aus der Heimat nach Berlin, weil sie gerade Saison haben, schält sie und bereitet sie diese zu bzw. kocht sie ein, setzt den Limoncello an.
Wie viele Tonnen von Pasta wird sie über die vielen Jahre zubereitet haben? Lange Jahre wurde Angelas jüngster Sohn, Mimmo Bianco,
im Fiat auf die Autobahn geschickt, um die Gemüse der Saison, Kräuter, Käse- und Wurstwaren der Basilikata für das Restaurant einzukaufen.
Soppressata, Capocollo und Pancetta, frische Saubohnen (die hier in Deutschland keiner mehr anbauen wollte), Cime di Rape, Zicchorie, Zucchiniblüten. Mittlerweile alltägliche Zutaten unserer heutigen Fusion-Küche, die es damals auf dem Berliner Großmarkt kaum zu kaufen gab. Frittierte, gefüllte Zucchiniblüten wurden in Berlin erstmals wohl in der Trattoria a’ Muntagnola serviert.
Dabei taten wir Berliner uns in den ersten Jahren schwer mit dieser sehr ursprünglichen, echten italienischen Küche. War sie doch so anders als das, was uns eingedeutscht bisher in anderen Restaurants als Küche Italiens verkauft worden war. Pino aber hielt an dem Konzept für sein Restaurant fest: authentische, köstliche Küche seiner Herkunftsregion. Und wer sich verzaubern ließ, der war immer von der Küche Mamma Angelas gefangen! Fällt heute in einem Gespräch die Trattoria a' Muntagnola, folgt grundsätzlich mit einem sehnsuchtsvollen Seufzer: „Die Caponata von Mamma Angela!” Es ist so, ganz Berlin schwärmt von Angelas Caponata!
Und wie fantastisch schmeckt es hier: Fave e Cicoria, aromatisches Saubohnenpüree mit wildem Löwenzahn und gutem Olivenöl. Sensationell das Carpaccio aus dünnen Zucchinischeiben, mit Minze, Olivenöl und Limone parfümiert – in der nicht vegetarischen Variante umhüllen sie Garnelen. Cicoria di Catalogna – in Streifen geschnittene Puntarelle mit dieser köstlichen Soße aus Sardinen, frischem Knoblauch, Öl und Limone. Wenn es die mit Brennessel und Ricotta gefüllten Ravioli gibt: probieren! Zwiebelsuppe gibt es hier – mit den süßen roten Zwiebeln aus Tropea, Kalabrien, der Nachbarregion der Basilikata. Beide Provinzen teilen sich viele Köstlichkeiten – auch die erwärmte, sehr pikante Nduja findet man in den Vorspeisen der Trattoria a’ Muntagnola. Dazu das luftige, knusprige Pane di Matera, das hier noch selber gebacken wird.
Die Pizza, der Teig aus einem Mehl-Mix bekommt eine tagelange Gare. Die Pizza Limone – mit dem Saft und Zesten aromatischen Limonen Kalabriens – unbedingt probieren! Ravioli serviert Mamma Angela schon lange mit Kürbis, bevor dieser hierzulande seine Renaissance erlebte. Bei der Pasta in leicht süßlicher Variante, mit Zimt im Kürbis und in Butter geschwenkt, machen diese Ravioli sehr zufrieden. Dann die Fleischgerichte: Gebackenes Kaninchen, im Ofen geschmortes Lamm. Oder Rind, das Ossobucco, deftig geschmort mit süßen Pomodorri und Gemüse. Wie köstlich sind die hausgemachten Tagliatelle in cremiger Soße mit Thunfisch oder Lachs!
Gemeinsam mit ihrem Mann hatte Angela bis zu dessen unerwarteten Tod in der Basilikata eine Pizzeria geführt, auch von ihm hat sie viel seiner Kochkunst übernommen. Dann holte sie Pino nach Berlin in sein gerade eröffnetes Restaurant im bunten Motzstraßen-Kiez von Berlin. Dieses Erbe, eine hervorragende Gastgeberin zu sein, hat sie an die Söhne bis in die Enkelgeneration weitergegeben. Das ist ihr sehr wichtig, Traditionen zu pflegen, überliefertes Wissen den Enkeln weiterzugeben, ihnen den Respekt vor den Lebensmitteln zu vermitteln.
So wirkt sie auf ihre beiden Söhne und mittlerweile auch auf Zwillingssöhne von Sohn Mimmo ein. Beide führen in Berlin erfolgreich Restaurants, das Marina Blu und die Mozarella Bar. Mimmo selber hatte sein langjähriges Restaurant in Berlin Al Contadino Sotto le Stelle vor einigen Jahren verkauft und ist wieder zurück in seine Heimat gekehrt, wo er wieder – sehr erfolgreich – das Restaurant Ferrovie Calabro Lucane mit einem Partner in Rocca Imperiale (Kalabrien) führt.
Über viele Jahre hatte Angela dem heutigen Chefkoch Sibi, der gemeinsam mit Tina Sento
inzwischen auch Teilhaber der Trattoria ist, ihre Rezepte gezeigt und ihm die Küche ihrer Heimat beigebracht. Er war einer der wenigen Köche, die in den Jahren zu ihrer Unterstützung eingestellt wurden, der blieb und dem sie ihre Familienrezepte anvertrauen wollte. Er bringt heute ihr Rezepterbe auf den Tisch, genauso wie Stammgäste, die Küche der Trattoria seit vielen Jahren wertschätzen.
Angela Mattarese liebt Berlin! Wohnt direkt über dem Restaurant – und möchte mittlerweile nicht mehr weg aus der Stadt, die ihr eine zweite Heimat geworden ist.
Die Trattoria a Muntagnola ist Familie. Wer hierher essen kommt und auch nur einmal wiederkommt, gehört einfach dazu. Die hervorragende, ehrliche Küche mit einigen Klassikern, die uns Gäste sofort wieder in den Urlaub zurückversetzen. Angela hat in den langen Jahren für viel Prominenz gekocht: Bundeskanzler Gerhard Schröder probierte ihre Pasta, die gesammelte Politikprominenz der Grünen kennt diese Trattoria. Vertreter der klassischen Opernhäuser von Berlin, Schlagersänger und Schauspieler. Die Wand, die mit den Fotos vieler prominenter, internationaler Gäste der Muntagnola gestaltet ist, zeigt ein kulturelles Potpourri von Angelas und Pinos Gästen.
Angelas Caponata ist – nicht nur für mich – die beste Caponata, die ich in dieser Stadt je gegessen habe und das absolute Vorbild meiner eigenen. Die herzliche Begrüßung, der typische schnelle italienische Service. Kein Chichi, karierte Decken, heimatliches Porzellan, großformatige Fotos – vor allem von Matera – machen einfach Lust auf die nächste Reise in diese einzigartige Region Italiens. Wo so herzliche Menschen herkommen, die diese leckere Küche servieren – da muss man einfach hinfinden.
Das sind Mamma Angela gemeinsam mit ihrem Sohn Pino eben auch: Die besten Appetitmacher für eine Reise in diese Region – und es funktioniert. Unterhält man sich mit den zahlreichen Stammgästen, die Mamma Angela auf ihrer Feier ein Blumenmeer bereiteten, gibt es kaum einen Gast, der nicht schon einmal auf deren Empfehlung in die Basilikata gereist ist – und begeistert war. Sogar so begeistert, dass einige von ihnen zwischenzeitlich sich dort ein Haus, ein Appartement gekauft haben, und sich spätestens im Rentenalter dort niederlassen möchten.
Und wer das nicht kann, der geht eben weiterhin zu Mamma Angela, zu Pino, zu Tina und Sibi – die beiden Letztgenannten bilden die junge Generation, die Pino als Teilhaber in die jüngst gegründete GmbH geholt hat. In Vorbereitung seiner eigenen Rente, um uns diesen schönen Ort unserer kurzen, köstlichen Lukanien-Urlaube weiterhin zu erhalten.
Denn Mama Angela hat noch viele Pläne, die außerhalb der Trattoria a’ Muntagnola real werden. So neugierig sie ist und in Berlin gerne andere Restaurants besucht, beispielsweise das Sticks n Sushi, wo ihr großes Geburtstagsessen mit der ganzen Familie stattgefunden hatte, will sie reisen. Der nächste Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff Richtung Spanien – an dieser Art zu verreisen, hat sie Geschmack gefunden – ist bereits in Planung!
Tanti Auguri, Mamma Angela! Grazie mille – und auf viele Jahre unterwegs in schönen Ländern.
Trattoria a' Muntagnola
Fuggerstraße 27, 1077 Berlin
Telefon: +49 30 211 66 42
E-Mail: trattoria@muntagnola.de
Reservierung