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2024-02-28

Matera

Dieter Weirauch von einfachraus.de ist schuld. Er hatte mir auf unseren gemeinsamen Reisen durch Apulien immer wieder von Matera vorgeschwärmt. Und als ich 2022 das erste Mal Urlaub in Monopoli verbrachte, was mir gleichzeitig etwas mehr Mobilität verschaffte, andere Orte zu besuchen, als unten im Salento es mir möglich war, stand Matera ganz klar auf meiner Must-See-Liste.

Wenn man reist, gibt es Orte, die berühren. Es gibt Orte, da setzt man den Fuß hin und ist glücklich. Oder mag die Energien überhaupt nicht und möchte nur schnell weg. Orte, die faszinieren. Matera ist der Ort, der mich berührt hat, wie kein anderer Ort zuvor. Matera macht mich sehr glücklich. Matera hat mich so viel gelehrt über die Großartigkeit der Menschheit. Kein Ort hat mich so sehr die Urfrage der Menschheit stellen lassen. Matera finde ich unendlich faszinierend, besonders – und ganz einmalig. Dorthin möchte ich immer und immer wieder und ich wünsche mir sehr, noch viele Tage in diesem UNESCO-Weltkulturerbe herumwandern zu können.
Tatsächlich ist es von Bari oder Monopoli dorthin ein kleiner Reisekatzensprung – immerhin fährt man in eine andere Provinz Italiens. In die Basilikata oder, wie die Einheimischen gerne sagen, nach Lukanien.

Ich nahm einen frühen Zug um 06.42 Uhr in Monopoli, um in Matera Villa Longo um 9.31 Uhr auszusteigen. Die Tour beinhaltete zwei Umstiege. Einen in Bari Centrale auf die höher gelegene Plattform Bari Centrale F.A.L. – der Ferrovie Appulo Lucano – benannt nach den historischen Bezeichnungen für Apulien und Lukanien. Hier gehen die Züge in die Basilikata, mein Zug endete in Altamura, dort wartete schon der Zug nach Matera Villa Longo. Nette Bahnhofsmitarbeiter stehen dort auch außerhalb der Saison auf dem kleinen Bahnhof und zeigen den richtigen Zug für die Weiterfahrt. Diese einfache Fahrt kostet in 2024 € 9,80.

Vom Bahnhof Villa Longo läuft man ca. 30 Minuten hinunter bis zur Altstadt von Matera. Die Sassi di Matera sind sehr gut ausgeschildert. Entlang der Via Nazionale, die an dem kleinen Park Villa dell'Unità Italia in die Via delle Beccherie über geht, einen Schlenker nach rechts und auf Höhe der Handelskammer von Matera noch einen nach links gemacht – an der kleinen Markthalle vorbei. Hier ist Matera schon voller Leben, pittoresk großstädtisch.

Alternativ läuft man hinter der Villa dell’Unità Italia die Via T. Stigliano geradeaus und ist direkt im Centro Storico von Matera. Verpasst dann aber die faszinierenden Eindrücke auf der Piazza Duomo und den Blick vom Balkon auf die Altstadt, den ich unbedingt empfehlen würde. Außerdem locken auf der Piazza beeindruckende Palazzi, diversen Museen, u. a. die Multimediaausstellung über die Sassi in der Casa Noha und der Info-Point für Touristen. Rund um diese Piazza kann man locker einen ganzen Tag mit Ausflügen in die Kirchen und Museen verbringen.
Aber hier wartet vor allem der legendäre Balkon Belvedere Luigi Guerrichhio detto dei „Tre Archi”. Der Blick, der sich von hier auf die Altstadt von Matera offenbart, ist überwältigend.
Für mich wurde in diesem Moment alles, war ich bis dahin unter Centro Storico in Italien gesehen hatte, gänzlich neu definiert. Zu meinen Füßen – in nicht unerheblicher Tiefe – öffnete sich der Blick auf die riesige Altstadt Materas. Und ich sollte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, das „Tre Archi” durchaus ein sinngebender Begriff ist, da sich die wunderschöne Altstadt Materas noch weit nach rechts und links weit erstreckt. Auch wenn dieser Balkon selber vergleichsweise unspektakulär scheint – seine Königsdisziplin ist der Blick!

Ich war übrigens sehr froh, dass ich diesen Moment damals alleine für mich haben durfte. Nicht in einer Reisegruppe während einer z. B. Pressereise. Auch waren Anfang März bei mäßigem Wetter, die Touristen in der frühen Morgenstunde noch rar gesät. So konnte ich in Ruhe und angemessen lange diesen Blick auf diese faszinierende alte Schönheit mit ihrer sichtlichen Geschichte still genießen.
Das Centro Storico Materas teilt sich in drei geografische Bezirke auf: Im Nordwesten Sasso Barisano (in Blickrichtung Baris gelegen), die Civita – das Zentrum, das ist das, was man vom Belvedere aus lediglich sieht – und Sasso Caveoso, im Süden gelegen und gleichzeitig der Bereich mit den meisten Höhlenwohnungen.

Vom Balkon aus geht es bergab!
Was ich auch noch nicht ahnen konnte, dass hinter dem Wall alter Häuser und Treppen, die tief unter mir lagen, an deren Ende sich eine Panoramastraße mit der Brüstung zur Gravinaschlucht befinden sollte, und es dort noch einmal sehr tief bergab gehen würde.
Der Fluss Gravina verläuft durch die Schlucht, die heute den Namen Nationalpark Parco della Murgia Materana trägt. Die stabile Hängebrücke Ponte sulla Gravina führt wander- und kletterfreudige Touristen hinüber in den Teil des Nationalparks, der mit etwas Kletterbegabung bewältigt werden möchte.
Hier kann man stundenlange Wanderungen machen. Führungen dafür zu buchen, lohnt sich schon aufgrund der historischen Erläuterungen. Oder man wandert entlang des Flussbettes bis hoch zu Materas kleiner Schwesternstadt Gravina.
Aber bevor man zur Schlucht aufschließt, muss man viele Treppen hinab und wieder aufsteigen. Lässt man sich von rechts nach links treiben, entdeckt hier Kunst, trinkt dort einen kleinen Caffè, freut sich über herum schleichende Katzen (ich), lauscht den Glockklängen der Kirchen.
Alleine 26 Kirchen mit der Kathedrale, Crypta und diversen Felsenkirchen sind in meinem kleinen Stadtführer vermerkt.
Es bimmelt also ordentlich und lange zur vollen Stunde in Matera. Je nach Jahreszeit freut man sich über erste Blüten und Flora (ich) oder legt sich auch mehr und weniger elegant auf dem glatten Stein ungeplant hin (auch ich).

Wer ganz Matera zu Fuß erfassen und durchwandern möchte, sollte mindestens zwei Tage einplanen. Wollen auch die vielen Kirchen und Höhlen ausgiebig erkundet werden, sollten zwei weitere Tage einkalkuliert werden. Wer sich auch den faszinierenden Wanderwegen durch die Schlucht und hoch auf die Seite, wo heute noch die offenen Höhlen, die Sassi, liegen, gönnen möchte, rechne nochmals zwei Tage hinzu.
Matera sehr intensiv entdeckt, das kann unter einer Woche nicht funktionieren. Es wollen schließlich auch die vielen kleinen Kunsthändler*innen besucht werden, die überall versteckt lauern. Und natürlich sollte man das eine und andere Restaurant mit der typischen lukanischen Küche für sich entdecken.
Das ist das eine Erleben Materas. Das andere ist, dass einem hier – in einer der ältesten Städte Europas – die Geschichte der Menschheit in einer ursprünglichen Dimension präsentiert wird, wie man es selten erlebt.

Die Geschichte der Sassi di Matera findet ihren Ursprung in den Villaggi Trincetari, den ersten festen Ansiedlungen von Menschen. Da reden wir von der Neusteinzeit. In der Nähe von Altamura wurde das vollständige Skelett eines Hominiden gefunden. Und die haben vor 250.000 Jahren gelebt! Das ist Matera auch und dieses Erleben, wie sich Menschen in so früher Zeit mit einfachsten Hilfsmitteln Höhlen geschaffen haben.
Aber auch die Tatsache, dass diese Höhlen noch 1950 von den Menschen bewohnt wurden. Was man in einigen frei stehenden Höhlen immer noch fühlen kann.

Als ich in die Schlucht auf den Gravina geguckt habe, war ich gefühlt sehr nahe an der Lösung auf die Frage: Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei? Wenn man Menschheit begreifen möchte, dann kann man das in Matera. Diese Stadt ist ein einziges Faszinosum der Geschichte.

Tipps für einen gelungenen Matera-Besuch

Matera braucht keinen gleißenden Sonnenschein. Die Stadt und die Höhlen wirken eindrücklicher, wenn der Himmel auch bewölkt ist. Auch würde ich Matera-Besuche immer außerhalb der Saison empfehlen – und vielleicht nicht ausgerechnet am Wochenende. Seitdem Matera 2019 Kulturhauptstadt in Europa war, ist das Interesse der Touristen groß und da bleibt aufgrund der Menschenmassen oft viel ungesehen.
Flache und bequeme Schuhe anziehen. Und zwar ausschließlich. Will man zur Schlucht hinunter sowieso, der Abstieg geht über Stock und Stein, da sind Schuhe mit festen Sohlen das Must-have. Ich habe schon junge Frauen aka Influencerinnen mit Trolley und in Highheels durch die Altstadt zum B & B stöckeln sehen – die sahen nicht sehr glücklich aus. Schnieke Absatzschuhe sind hier einfach keine gute Idee.
Generell sollte man gut zu Fuß sein, um diese Altstadt zu erkunden. Es sind nur wenige Straßen in der Altstadt überhaupt mit dem Auto befahrbar. Und das dürfen lediglich die Anlieger. Natürlich gibt es Shuttles mit e-Apes. Sonst sind die Fußwege meist uralte Steinwege und -treppen, deren Steigungen durchaus anspruchsvoll gelegentlich sind.

Anreise

Die Anreise erfolgt per Bahn oder Flugzeug (Bari Karol Wojtyła Airport) mit den öffentlichen Verkehrsmitteln immer über die Stazione Centrale Bari. Von dort aus kann man mit dem Zug, wie oben beschrieben, in ca. drei Stunden in Matera sein. Es gibt auch eine Buslinie ab Bari nach Matera.

2025-02-25

Ein Spaziergang durch den Sasso Caveoso di Matera

Der Himmel ist strahlend blau über den Sassi di Matera in der Basilikata, kleine Schäfchenwolken schweben, die Sonne leuchtet die alten Häuser aus Tuffstein freundlich, beinahe weiß aus.
Müde Katzen, die sich von den Restaurants haben mit den Resten füttern lassen, liegen entspannt im Schatten.
Die Kunsthandwerker beziehen wieder ihre Outdoor-Werkstätten und die Straßen füllen sich langsam wieder nach der ruhigen Mittagszeit.

Contróra

Es ist nach der Contróra, der in Süditalien praktizierten Mittagszeit, in der sich alle Menschen aus der Hitze zurückziehen in ihre Häuser, um sich nach dem Mittagesseen etwas ausruhen. Wenn um ein Uhr die Schulen aus sind und die Kinder abgeholt werden, wird es sehr geschäftig in den Städten und Gemeinden Süditaliens. Eine Art Feierabendverkehr zu einer, für uns, ungewohnten Zeit setzt ein.

Und ganz plötzlich zieht sich das Leben völlig zurück. Alles wird ruhiger, gelassener. Die Innenstädte leeren sich. Sogar die Züge fahren jetzt in einem deutlich reduzierten Takt. In den Restaurants bzw. in die Familien wird zusammen Mittag gegessen und danach geht man dorthin, wo es kühl ist.
Das kann durchaus heißen, das man in den Restaurants gegen 14 Uhr gebeten wird, langsam zum Ende zu kommen mit seinem Besuch. Und es erklärt auch, warum man in Süditalien um zwei Uhr bei sehr vielen Restaurants vor geschlossenen Türen steht. Die meisten Geschäfte sind nun zu. Keine Unhöflichkeit, die hart arbeitenden Menschen benötigen in der Hitze einfach ihre Ruhe!

Auch in den Familien ziehen sich alle Mitglieder nach dem Essen in ihre Zimmer zurück und ruhen sich aus. Ja, auch die Kinder genießen diese Zeit in Ruhe. Die Sicherheit, dass sie nichts versäumen in der Zeit, scheint ihnen eine gute Beruhigung zu vermitteln. Erst zwischen 16-17 Uhr kehrt das Leben zurück in die Straßen.

Und genau jetzt, um diese Zeit, beginnt unsere geführte Wanderung durch den Sasso Caveoso von Matera.

Kirchen aus Stein im Stein

Unser B&B liegt in diesem Bereich der unteren Altstadt Materas, den Sassi di Matera, Wir folgen von dort aus dem Verlauf der Via Bruno Buozi, die auf einer Piazza endet, wo uns der Blick auf die beeindruckende tiefe grüne Schlucht, durch die der kleine Fluss Gravina plätschert, erwartet. Ihrem Verlauf folgt die untere Altstadt von Matera mit ihren berühmten Höhlenwohnungen. In dem Felsmassiv gegenüber liegen die früher auch bewohnten Höhlen und sind als größere dunkle Löcher im Gestein zu erkennen.

Diese Seite ist jedoch nie bebaut worden. Heute führt eine kleine Hängebrücke nach einem Abstieg über den Fluss, und man kann auf angelegten Wegen wandern. Eine Führung hierfür zu buchen, um die geschichtlichen Zusammenhänge erklärt zu bekommen, kann sich sehr lohnen.

Auf der Piazza San Pietro, auf der wir stehen, befindet sich auch die Chiesa San Pietro Ceveoso, die Kirche stammt aus dem Jahr 1300. Ihre heutige Fassade erhielt sie im Jahr 1706.
Beeindruckend thront dahinter ein großer Kalksteinfelsen – der Monterrone. Oben bzw. in seinem Inneren befindet sich die Kirche Santa Maria de Idris aus dem 13. Jahrhundert. Es gibt einige Höhlenkirchen in Matera – aber eine, die so in die Höhe gebaut wurde, findet man weltweit nicht oft.

Sie scheint das rustikalere Spiegelbild des ebenfalls erhöht gebauten Duomo auf der gegenüber liegenden Seite, den Sasso Barisano, zu sein. Wer ausreichend höhenfest ist, kann über eine kurze steile Treppe diese Kirche erreichen, äußerlich blieb sie immer über die Jahrtausende unverändert. Von ihr aus gelangt man in die Krypta von San Giovanni in Monterrone (11. Jh. geweiht). Dort warten Fresken aus dem 12. bis zum 17. Jahrhundert, gemalt, aber auch in den Stein gehauen.

Diese Schande Italiens

„Die Schande Italiens” so sprach der italienische Ministerpräsiden Alcide De Gaspari von den Sassi di Matera nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und ließ die Stadt 1953 räumen. Zuvor wurden am Rande der heutigen Altstadt viele Wohnblöcke hochgezogen und in diese die 15.000 Bewohner der Sassi zwangsweise umgesiedelt.
Die untere Altstadt wurde gesperrt, eingezäunt und verfiel.
1986 vergab Italiens Staat einen Kredit von 50 Millionen Euro, damals waren das ca. 100 Milliarden Lire für den Wiederaufbau und die Modernisierung der Sassi. Immerhin gilt Matera – zusammen mit dem syrischen Aleppo – als eine der ältesten Städte unserer Welt. Eine Frischwasserversorgung wurde installiert, ebenso ein Stromnetz und die Kanalisation wurde angelegt. Die Besiedelung erfolgte neu, heute leben ungefähr 3.000 Menschen wieder in den restaurierten Häusern.

Viele Häuser wurden in den letzten Jahren restauriert und in Luxus-Etablissements für Touristen umgewandelt. Aber man findet auch noch viele Höhlen, die zwar vor Zugängen gesichert sind, aber mit den erkennbaren Spuren der Bewohner aus ihrer Vergangenheit.
Darin liegt – von der Historie abgesehen, der man hier folgen kann – der besondere Charme der Sassi: diese Brüche. Ruinen, die hoheitsvoll in ihrer Bedeutung neben dem touristischen Ausverkauf liegen. Aber ich möchte fair sein, es gibt auch viele Häuser, die sehr bedacht auf die besondere Geschichte Materas rücksichtsvoll neu aufgebaut wurden, in denen die Menschen wirklich noch leben. Und hoffentlich nicht so verdrängt werden, wie es an vielen anderen Orten geschieht.

Bei der zum Wiederaufbau dazu gehörigen Inventur zählte man alleine 3000 Höhlenwohnungen und 162 Höhlenkirchen, die zum Teil immer noch einen unfassbaren Schatz an den Wänden mit oft hervorragend erhaltenen bunten Fresken tragen.

Man erkennt von außen nicht, dass sich hinter den kleinen Häusern oder Kirchenfassaden teilweise Räume und Gänge mit bis zu 15 Metern Tiefe in das Gestein gehauen befinden. Die Höhlen, die nachweislich in der Steinzeit bereits bewohnt waren, wurden erst im Mittelalter mit Türen verschlossen.

Chiesa Santa Lucia alle Malve

Unser Spaziergang folgt der Panoramastraße und wir besuchen die Chiesa Santa Lucia alle Malve. Eine kleine Felsenkirche mit drei unterschiedlich geformten Schiffen, die durch ihre sehr gut erhaltenen Fresken aus dem 11. bis 17. Jahrhundert besticht.
Zwölf wunderschöne Fresken sind hier zu sehen. Unter anderem sieht man das Bildnis einer stillenden Madonna. Im dritten Seitenschiff kann man einen besonderen Fresko der Heiligen Lucia sehen. Ihr Martyrium bestand in einer Blendung und in dem Bildnis hält sie uns Betrachter*innen ihre beiden Augen hin.
Ich begegne an diesem Ort erstmals dem Abbild der Heiligen Agnes – deren Vertretung ich anlässlich der Feierlichkeiten der Il Tavole di San Giuseppe in Apuliens Giurdignano einmal bei der feierlichen Speisung übernehmen durfte.

Sant'Agostino al Casulvuovo

Mit dem gleichen Eintrittsticket kann man die direkt daneben liegende Höhlenkirche Sant'Agostino al Casulvuovo besichtigen. Deutlich rustikaler im Ausbau enthält sie eine der Schneezisternen, die, lange vor der Erfindung des Kühlschranks, für die Wasserversorgung und Speisekühlung verantwortlich waren. Man differenzierte den weißen und den schwarzen Schnee. Der weiße Schnee war für die menschliche Versorgung geeignet, den verschmutzten schwarze Schnee bekam die Landwirtschaft bzw. wurde für die Reinigung verwendet.

Unterhalb der Kirche existierten sogar Wohnungen.
Diese Höhlenkirche aus dem 13. Jahrhundert interpretiert sich heute gleichzeitig als eine Galerie für moderne Kunstobjekte und landwirtschaftliches Museum.
Gerade werden Feierlichkeiten für die Vernissage vorbereitet.
Ich liebe das so in Italien, diese unbekümmerte und durchaus auch liebevolle Verknüpfung uralter Geschichte mit der heutigen Zeit.

Storica Casa Grotta di Vico Solitario

In unmittelbarer Nachbarschaft können Interessierte die Casa Grotta besuchen, und ich möchte es jedem Besucher Materas empfehlen. Die ehemalige Höhlenwohnung der Familie Vico Solitario wurde mit zahlreichen erhaltenen Möbeln und Gegenständen des gelebten Alltags ausgestaltet, sodass man einen guten Einblick in das frühere Leben der Materani erhalten kann.
Diese Art Museum ist klein, so klein, dass die Besucher in kleineren Gruppen eingelassen werden – und nach angemessener Zeit auch wieder zum Verlassen gebeten werden. (Das gilt für viele Sehenswürdigkeiten hier in den Sassi.)
Aber die ganzen Artefakte sind so liebevoll aufbereitet und diese Höhle so anschaulich eingerichtet – sie ist sehr entzückend!
Tatsächlich waren diese nicht allzu großen Behausungen, in denen die Großfamilien lebten und schliefen, gleichzeitig auch die Ställe für die Tiere, Toiletten und Waschräume – und nicht selten erledigte man das alles in einem einzigen großen Raum.
Im Winter war die zweifache Nutzung als Stall und Wohnung durchaus praktisch, weil das Stroh Feuchtigkeit aufnehmen konnte und die Tiere auch Wärme spendeten.
Die Wohnungen hatten keine Fenster, waren dunkel, viele von ihnen bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts ohne Stromversorgung. In der Casa Grotta steht das Pony mitten im Raum – gegenüber dem großen Bett der Eheleute. Ein interessanter Ausflug in eine Zeit, der uns das Leben in den Sassi um einiges bewusster erleben lässt – im Nachhinein. Alleine von dem olfaktorischen Erlebnis der damaligen Zeit wird man heute verschont.
Natürlich wurde in der früheren Zeit fast überall so gemeinsam gelebt, purer Pragmatismus. Aber dass in den Sassi di Matera so lange, bis Mitte des letzten Jahrhunderts, in einem sonst so zivilisierten Europa so gelebt wurde und erst durch eine politische Agenda verändert wurde … Ich nehme einige besondere Eindrücke für mich mit aus der Casa Grotta.

Storica Casa Grotta di Vico Solitario
Vicinato di vico Solitario, 11
75100 Matera (MT) Italia
e-mail: info@casagrotta.it

Turismo di Matera

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2024-09-17

Ein Ausflug in die Basilikata zur Cripta del Peccato Originale – und zu den Weinen der Dragones

Knappe 10 km² Gesamtfläche. 570.000 Einwohner. Die Basilikata (Lukanien) ist keine allzu große Provinz im Süden Italiens. Aber sie ist eine wunderschöne Region, die mit langen Wäldern, kurzen Meeresküsten, wilden Bergregionen und geschwungen Hügellandschaften lockt. Sie bietet viel Grün und vor allem einfach viel unberührte Natur. Ihre abwechslungsreiche Landschaft schenkt aromatische Olivenöle und tiefgründige Weine, Getreide, Hülsenfrüchte und die Peperone Crusco wird hier angebaut, auf dem Tisch serviert liebevoll Cruschi genannt.
Drei Tage durfte ich (endlich!) durch die Basilikata reisen, nachdem mich 2019 schon Matera verführt hatte. Und dieses Mal, nach zwei selbst gestalteten Tagestouren dorthin, erfüllte sich mein großer Wunsch: Einmal in den Sassi di Matera schlafen dürfen. Und ich durfte sogar zwei Nächte hier an diesem magischen Ort ruhen – aber auch die südliche Vielfalt der Basilikata sollte ich entdecken dürfen. Ihren Nervenkitzel auf ZIPLines oder auf einer ewig langen tibetanischen Brücke erleben, tief in ihre Historie eintauchen. Und die köstliche lukanische Küche genießen.

Von Matera im Norden der Basilikata nach Maratea an die lukanische Küste – alles geht im Prinzip an einem Tag. Obwohl man sich natürlich deutlich mehr Zeit nehmen sollte, um diese schöne und vielfältge italienische Region zu entdecken! Es war traumhaft.

Die Basilikata, deren Süden vor allem noch wenig vom internationalen Tourismus entdeckt ist, bietet wohl als eine der nur noch wenigen italienischen Regionen ein sehr unverfälschtes italienisches Leben.
An unserem ersten kompletten Reisetag haben wir Matera sehr früh mit dem Auto verlassen. Ivana Scilipoti von der Reiseagentur Ivy Tour Basilicata, hatte unsere Reise im Auftrag des Tourismusverbands der Basilikata nicht nur organisiert, sondern uns höchst charmant begleitet. Unser erster Weg führte nach ca. 1,5 Stunden Fahrzeit nach Castelmezzano in die lukanischen Dolomiten (Dolomiti Lucane). In dem kleinen Ort kann man das aufregende Erlebnis eines ZIPLine-Fluges erleben. Quatsch, hier wird das Erlebnis jeder anderen ZIPLine Europas noch getoppt, denn hier fliegt man – wer es möchte – gleich zweimal kurz hintereinander. Hier fliegt man nicht nur über eine Schlucht … die Reise durch die Luft führt auf den nächsten Hügel zu dem gegenüberliegenden Ort Pietrarossa. Und von dort kann man gleich noch einmal zurück nach Castelmezzano fliegen, wenn man es denn möchte.

Wir wären nicht in Italien, dem Land der puren Romantik; wäre hier der neumoderne Sprachgebrauch „ZIPLine” nicht ersetzt worden. Natürlich bucht man in Castelmezzano oder in Pietrarossa den Volo dell’Angelo – den Flug der Engel. Natürlich bin ich geflogen (ja, das bin ich auf dem Foto oben), teile meinen Einsatz als Engeline ein anderes Mal intensiver mit euch hier im Blog.

Die Cripta del Peccato Originale

Den Nachmittag verbrachten wir wieder in der Nähe Materas. Eingeladen waren wir, die „Cripta del Peccato Originale” zu besichtigen. Sie liegt ca. 15 Kilometer von Matera entfernt auf dem Gelände der Azienada vitivincola Casal Dragone an der Via San Biagio. Ein Agriturismo, ein Familienbetrieb, der seit mehreren Jahren in der Basilikata Getreide anbaut und seit dem letzten Jahrhundert auch Weine keltert. Erst 1963 wurde diese Krypta auf dem Gelände der Familie entdeckt. Familienpatron Vincenzo Dragone hatte am Ende der 2000er die Krypta einer Stiftung geschenkt, damit sie mit Spendengeldern und staatlicher Unterstützung restauriert, konserviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte, was einige Jahrzehnte dauern sollte. Seit 2023 sind die Restaurationen der Fresken aus dem 8. und 9. Jahrhundert abgeschlossen und die Krypta der Erbsünde kann von interessierten Besuchern (in kleinen Gruppen) besichtigt werden.

Wir waren begeistert von diesem Ort. Es ist ein einfaches multimediales Erlebnis, dem man sich sehr entspannt – zumal nicht fotografiert noch gefilmt werden darf – in der Höhle hingeben darf. Nur 20 Personen dürfen während einer Führung in den Raum und werden auf dem Boden sitzend platziert. Was schon einmal ein sehr geerdetes Erlebnis verspricht, denn der Kontakt zu dem Höhlenstein schafft eine seltene Verbundenheit. Eine musikalische und tonale Führung (es gibt Kopfhörer und Übersetzungen in den üblichen internationalen Sprachen), während die besprochenen Objekte – natürlich alle relevanten Persönlichkeiten des christlichen Geschehens – der Wandmalereien durch Lichter hervorgehoben werden, lässt diesen Ort in Ruhe und mit erstaunlicher Spannung erleben. Die Fresken sind wunderschön, teilweise erstaunlich gut erhalten. Die Besonderheit dieser Krypta sind die Mohnblumen, die die bemalten Wände über und über schmücken und diesem Ort eine fröhliche Leichtigkeit vermitteln.

Apericena und Wein-Tasting in der Azienada vitivincola Casal Dragone

Die Familie Dragone verwaltet die Besucherströme zur Krypta in ihrem Empfangsgebäude und bietet in den Räumen ihres Agriturismo Azienda Viticonala Casal Dragone nun vier Zimmer zur Übernachtung an und serviert eine bodenständige Küche aus eigenen Produkten und die der Landwirte aus dem direkten Umland. Natürlich wird hier auch der Wein verkauft, den wir verkosten dürfen, denn wir sind zu einem Apericena eingeladen. Ein Aperitivo, der direkt hinüber in das Cena, das Abendessen, schwelgen lässt. Wie gut kann es einem gehen?

Im Jahr 1882 zogen die beiden Geschwister Antonio und Cristina Dragone nach Matera, die Stadt hatte damals schon einen Namen als Umschlagplatz für Weine. Das erste eigene Familienweingut wurde 1920 in der Via San Biagio eröffnet. Der erste Wein wurde 1955 in Flaschen auch für den Verkauf abgefüllt: Es war das Produkt von Reben, die auf einem zehn Jahre zuvor erworbenen Grundstück in Contrada Pietrapenta, wenige Kilometer von Matera entfernt, angebaut wurden. Heute baut die Familie in der fünften Generation auf fünfunddreißig Hektar ihre Weine an. Die Cantina gehört zu den Gründungsmitgliedern der 1990 entstandenen Initiative Matera DOC (Denominazione di origine controllata), die sich für die Vermarktung der besonders hochklassigen Weine aus Matera engagiert.

Nach dem Abschied von Vincenzo im Jahr 2011 führt nun sein Sohn Cataldo Dragone mit seinen drei Geschwistern die Azienda und hat pünktlich zur Eröffnung der Krypta das alte Familienhaus restauriert und erweitert, sodass hier heute Verkostungen aber auch Feierlichkeiten in großem Rahmen zelebriert werden – und sie natürlich einen Shop beherbergt, wo man die fantastischen Weine und Produkte der Küche erwerben kann. Und natürlich alles, was begeisterte Besucher an die Krypta erinnert. Sagen wir es so: Der Vater hatte mit seiner Entscheidung, die Krypta abzugeben, sehr gut vorgesorgt für die seinen.
Wir wurden herzlich von Angela Dragone empfangen, die Schwester von Cataldo, die uns mit ansteckender Freude durch das kleine, jedoch sehr feine Weinangebot probieren ließ, während uns aus der Küche immer wieder neue Köstlichkeiten serviert wurden. Hier auf dem Foto zeigt sie uns voller Stolz die Teigschüssel ihrer Mama, mit der sie heute noch in der Küche arbeitet. Ich verstehe sie so gut.
Natürlich probieren wir die knackigen Taralli, aber auch die köstlichen, knusprigen Cruschi. Es sind an der Luft getrocknete rote Peperoni, die kurz in – natürlich – Olivenöl frittiert werden und sehr viel Freude machen beim Essen! Man muss sich keine Sorge vor etwaiger Schärfe machen. Cruschi sind eine typische lukanische Spezialität, die man außerhalb der Basilikata wohl nicht finden wird. Denn die süßlichen Früchte der Peperoni di Senise sind seit 1996 in ihrem Ursprung geschützt und dürfen nur um Matera und die Provinzhauptstadt Potenza angebaut, so bezeichnet werden.
Apropos Olivenöl. Natürlich stellt die Familie auch ihr eigenes Olivenöl her; die Bäume auf dem Weg zur Cripta tragen jetzt im September reichhaltig große und kleine Früchte je nach Sorte. Uns wird das hausgemachte Öl zum hausgemachten Pane serviert – und es ist unvergleichlich gut. Fruchtig, mild, mit einer fröhlichen Säure! Leider verkaufen sie es noch nicht, sondern verwenden es ausschließlich in der eigenen Küche. Darüber war ich richtig traurig! Nun, so musste getrocknete Pasta und die schwarzen Kichererbsen – eine Besonderheit Apuliens und der Basilikata – in die Tasche wandern.
Es war ein heißer (und mittlerweile langer) Tag und der sehr herunter gekühlte Pietrapenta aus der autochthonen Traube der Malvasia-Rebe, ein trockener, beinahe leichter Weißwein mit 12,5 % Alkohol-Gehalt von 2023, war genau der richtige Wein zu den Cruschi (Kruski) und der Platte mit Prosciutto, Salami (wie gut schmeckt bitteschön die Salami aus der Basilikata?!!!) und einer Käseauswahl aus drei unterschiedlichen Sorten Pecorino.
Pietrapenta natürlich nach dem Terroir benannt, auf dem die Dragones ihre Weine ausbauen.
Glücklich machte mich der Teller mit Ruccola und zarten Nodini (Mozarella zu Knoten geformt). Ich bin immer noch verspielt genug, um mich an diesem kleinen, so liebevoll geformten frischen Käse zu erfreuen! Große Zustimmung an unserem Tisch erhielt der Brotsalat (Panzarella), der in Lukanien anders heißt. Nur wie? Ich habe es vergessen!
Als besondere Zutat enthält er diese köstliche Gurke Süditaliens, Carosello (in Apulien) und Barratiere (Basilikata), die mit ihrem süßlichen Melonenaroma spielt. Diese Gurkensorten enthalten kein Cucurbitacin, den typischen Bitterstoff hiesiger Gurken. Für mich eines der besten Gemüse in der Hitze Süditaliens – reich an Wasser und sie werden eiskalt gekühlt serviert in den Sommermonaten zum Aperitivo. Köstlich! Gut gewürzte und gegrillte, hauchdünn geschnittene Zucchini und Auberginen, sowie sehr aromatisch gegrillte (und deswegen) besonders köstliche Peperoni machten die Vorspeisen komplett.
Zwischenzeitlich hatten wir auf den zweiten Wein, den ersten Rotwein im Angebot der Cantina Casal Dragone gewechselt. Kistos Cisto Rosso, ein Cuvée aus Primitivo, Merlot und Cabernet – schwarz wie die Nacht im Glas, 2021 abgefüllt. Der Wein ist üppig, mit ausgewogenem Tanningehalt, weich im Abgang.
Ich persönlich hatte leider wieder mein typisches genetisch bedingtes Cuvée-Problem. Bei mir schmecken weiße Verschnitte nach Bier, roter Verschnitt schenkt mir einen muffigen Abgang. Dem anwesenden Wein-Profi hat der Wein gemundet, und das lasse ich herzlich gerne als Empfehlung so stehen. (Das ist wirklich mein Problem und spricht mitnichten gegen den Wein!)
Der letzte Wein unseres Tastings, der Pietrapenta Primitivo 2020, konnte mich zufriedener stimmen. Ein strukturierter Wein mit der tiefen Säure der Primitivo-Traube und grandioser Substanz im Abgang. Weit weg von den leichten Tischweinen, von denen wir an Primitivi hierzulande mittlerweile leider überschwemmt werden. Dieser Primitivo ist ausbalanciert und lockt mit den Aromen von Holz, roten Beeren und Vanille, außerdem hat er für einen Primitivo eine erstaunliche Eleganz. Ein feiner Wein – für 10,— Euro die Flasche zu haben. Übrigens, der höchste Preis für die Weine der Familie Dragone.
Hier begleitete er ein geradezu faszinierend einfaches, dennoch ganz köstliches Gericht. Wir bekamen die „armen Ritter” Italiens in herzhafter Variante serviert! In Milch und Ei eingelegtes und in der Pfanne frittiertes altes Pane, das mit aromatischem Tomatensugo satt serviert wurde. Und unser zartes Dessert, ein Mandelgebäck, mit intensiver Schokolade bestrichen. Sehr einfach, zart und intensiv im Geschmack.
Fazit: Unser Nachmittag in der Cripta del Peccato Originale war ein faszinierendes Erlebnis, dem ein köstliches Abendessen mit soliden, hervorragend zu trinkenden Weinen in der Azienada vitivincola Casal Dragone folgte – alles mit der typischen herzerfrischenden, fröhlichen Gastfreundschaft Süditaliens präsentiert.
Wir haben diesen Abend sehr genossen – und später auf der Terrasse unseres B&B in Matera und einer Flasche Pietrapenta Malvasia von diesem wundervollen Weingut ausklingen lassen.


Adressen
Tourismusverband: Entdecke Basilikata!

Homepage der Krypta: Cripta del Peccato Originale

Homepage der Azienda Dragone: Azienada Vitivincola Casal Dragone