Il Tavole di San Giuseppe – Die gedeckten Tische des heiligen Josef
Der Vatertag findet in Italien fest an einem bestimmten Tag statt, immer am 19. März eines jeden Jahres. Dieser Tag ist dem Heiligen Josef gewidmet ist, dem vermeintlichen Vater von Jesus Christus. Tatsächlich wird an diesem Tag nicht wie bei uns maßlos dem Alkohol zugesprochen – der Ursprung unseres Vatertages ist deutlich ein weltlicher.
Die Italiener indes beziehen sich auf den religiösen Ursprung, feiern San Giuseppe, den Heiligen Vater. Der Feiertag wird in kirchlicher Tradition mit Prozessionen begangen. Lebenden Vätern werden an dem Tag rote Rosen geschenkt und dem bereits verblichenen Elternteil werden weiße Rosen auf das Grab gestellt. Gerne werden Feuer angezündet. Man zelebriert in Hochachtung den Todestag des San Giuseppe, der so vom Papst Sixtus IV in den katholischen Feiertagskalender notiert wurde.
Dem Tag ist überall in Italien gemein, dass die Zeppole di San Giuseppe gegessen werden müssen. Was nicht so schwer fällt!
Eine fantastische italienische Süßspeise, die interessanterweise durch alle Provinzen Italiens sehr unterschiedlich zubereitet wird und somit im Norden Italiens komplett anders als im Süden daher kommt. Im Norden ist es ein gefüllter Ravolo, der ab der Höhe Roms gerne frittiert wird. In Apulien ist es ein kleiner Windbeutel mit Cremefüllung, hin und wieder mit einer Amarenakirsche zur Dekoration. Auf Sizilien nennen sie die Köstlichkeit im Dialekt Sfince di San Giuseppe, hier sind es frittierte Pfannkuchen. Allen ist gemein: Sie sind sehr lecker. Und es ist wirklich ein Glück, dass es im Salento Zeppole das ganze Jahr über in den Konditorein zu kaufen gibt.
Le Tavole Di San Giuseppe
Auf eine besondere und sehr charmante, dabei auch recht lange Weise wird dieser Vatertag in Apulien in der kleinen Stadt Giurdignano zelebriert. Wann immer ihr am 19. März in Apulien seid, dann gönnt euch einen Ausflug dorthin! Es ist ein Erlebnis voller besonderer religiöser Tradition, Köstlichkeiten, Historie und Kunst und Menschlichkeit, das mich persönlich sehr beeindruckt hatte und seither begleitet als eines meiner schönsten Erlebnisse in Apulien. Es sind „Die gedeckten Tische des Heiligen Josef”.
Sie fußen in der Historie einer Armenspeisung und Ehrerbietung zum Heiligen Vater und wurde erstmals vermutlich um 900 n. Chr. zelebriert. In Giurdignano ist es ein großes gemeinschaftliches Fest, extra für diese Anlass von einem gegründeten Verein organisiert über lange Wochen vorbereitet, das über zwei Tage zelebriert wird.
Kein Fest im Salento ohne die herrlichen bunten Lichter des Salento. Die machen sofort gute Laune. Vor allem in den noch kühleren Jahreszeiten in den das Leben noch zurückgezogener stattfindet, wirken sie sehr lebensbejahend!
Die gesame Gemeinde vom Bäcker bis zu den älteren Küchengöttinnen helfen bei der Vorbereitung der rituellen Speisen. Am Vorabend des 19. März wird schon im Dorf gemeinsam gegessen, nachdem in dem kleinen Rathaus die Festivität offiziell eröffnet wurde.
Natürlich wird dabei die lebendige Pizicca getanzt, die ihre Lebenslust sofort auf uns Anwesenden überträgt – und es gilt eine kleine Fotoausstellung zu besichtigen, die diese Feierlichkeiten in früheren Dekaden dokumentieren.
Einer der Höhepunkte ist die rituelle Speisung an einem langen Holztisch. Er steht auf einer großen Tribüne auf der Piazza vor der Kirche Chiesa Trasfigurazione del Signore. Einer schönen Tradition folgend werden auch Menschen aus der Ferne zu Tisch gebeten. 13 Teilnehmer*innen stellen dann die heilige Personen dar. Später laden die teilnehmenden Bürger Giurdignanos alle Festteilnehmer ein, die in ihrem Haus für den Heiligen Vater gedeckten Tische zu bewundern.
Im späteren Verlauf wird im Familien- bzw. Bekanntenkreis gemeinsam gegessen. Das geschieht am eigentlichen Feiertag, in Italien landesweiter Feiertag. Am Vorabend indes speist man in Giurdignano in offener fröhlicher Gemeinschaft. Die Gemeinde wird dann von vielen Menschen aus der Umgebung Apuliens besucht, denn nun liegt ein ganz besonderer Zauber über dieser Stadt.
Am Abend des 19. März folgt zum Abschluss eine Prozession, dabei wird der Heilige aus der Kirche einmal durch Giurdignano – möglichst im absoluten Schweigen getragen – begleitet von allen gläubigen Bürgern. Es hat besonderen Charme, wenn der Zeremoniemeister während dieser Prozession über ein umhängendes Mikrofon die ganze Zeit mit einem „Pssst!” zum Schweigen ermahnt! Man spürt: Dieser Tag ist der Todestag des Vaters von Jesus Christus.
Opfergabe und der Geist der Nächstenliebe stehen im Mittelpunkt dieser Tradition. Deren Ursprung lässt sich nicht mehr genau bestimmen. Für den Salento liegt dieser höchstwahrscheinlich in der Fürsorge der Basilianermönche, die vom Geist der Nächstenliebe und vor allem der Fürsorge für die arme und von Krankheit und Elend heimgesuchte Bevölkerung Apuliens durchdrungen waren. So war es ihnen ein besonderes Anliegen diesen Menschen Schutz und warme Mahlzeiten anzubieten. Für diese Herkunft spricht die Häufigkeit der Krypten rund um Giurdignano bzw. dem südlichen Teil Salentos.
13 Teller müssen es sein – oder drei!
Während der Speisung – ob öffentlich oder privat – ist sehr wichtig, dass immer eine ungerade Anzahl an Personen am Tisch sitzen. Im Minimum sind es drei und höchstens dreizehn. Ein langer Tisch wird mit einem weißen Tischtuch gedeckt und mit Blumen und Kerzen geschmückt. Natürlich darf das Bildnis des Heiligen Vaters, San Giuseppe, nicht fehlen!
Dann wird das Pane Pugliese – zu diesem Anlass ausnahmsweise gerne im Kreis und mit liebevoller Ausschmückung gebacken – aufgelegt. Die Brotlaibe müssen fünf Kilo wiegen. Ihre Mitte dürfen sich frischer Fenchel und eine Orange teilen. Und drum herum werden aufgereiht: Vermiceddhi, ein frittierter Pastateig aus Kircherbsen. Pasta mit Honig und Semmelbröseln, gekochtes Gemüse, gebratener Fisch oder gedünsteter Stockfisch, Lampascioni (Pamapsciuni im Dialekt, die sauer eingelegten Zwiebeln der Traubenhyazinthe),
Kichererbsen, Cartellate (das typische apulische Weihnachtsgebäck, das aus den Streifen eines süßen frittierten Pastateiges besteht und die Stoffstreifen des Jesuskindes symbolisiert) entweder in Honig oder Vincotto getränkt wird.
Oder Pitulle (Purciddruzzi), ein frittiertes Gebäck mit bunten Streusseln aus Kichererbsenteig in Honigwasser getränkt und natürlich oben schon vorgestellten Zeppole. Purciddruzzi finde ich sehr geschmacklich sehr banal, dem tollen Namen gar nicht entsprechend. Aber Zeppoli sind „to die for”. Selbstverständlich darf nicht auf die Anwesenheit von Flaschen mit dem guten Olivenöl als auch hervorragendem Rotwein Apuliens verzichtet werden. Hiervon gibt es im Salento reichlich in hervorragender Qualität!
Ich war die heilige Agnes
Natürlich haben alle Speisen ihre historische Bedeutung. Nudeln und Kichererbsen stehen wegen ihrer weißen und gelben Farbe für die Narzisse, die Frühlingsblume. Die Lampascioni indes für den Übergang vom Winter zum Frühling, wie naheliegend. Der Fenchel gilt als Symbol für die Rute des San Giuseppe mit deren Aufstamppfen auf dem Boden er den Takt für die Speisung vorgibt, jeden neuen Gang ankündigt und beendet. Dass Fisch Jesus Christus darstellt ist bekannt, die Cartellate hatten wir schon – und der Stockfisch war als Geschenk des Meeres schon immer ein Lieblingsessen bei großen Festen.
Auch die Personen am Tisch ersetzen in ihrer Symbolik jeweils ein/e Teilnehmer*in der früheren Kirchengeschichte. In kleiner Runde San Giuseppe, das Jesuskind und die Madonna. In der großen Runde finden sich neben eben diesen drei Personen zusätzlich: die heilige Anna, die heilige Elisabeth, der heilige Zacharias, der heilige Joachim, de heiligen Philippus, der heiligen Johannes, die heilige Maria Kleopas, die heilige Agnes und der heilige Josef von Arimathäa.
Giurdignano – in engagierter Frauenhand!
Wir wurden als Reisegruppe sehr herzlich von der Bürgermeisterin Monica Laura Gravante und ihrer Stellvertreterin Gabriella Vilei (die sich freute in mir auch endlich eine große Frau zu treffen) empfangen. Beide sind Juristinnen und bildend seit Jahren ein tolles engagiertes Team für diese Gemeinde mit knapp 2000 Einwohnern. Sicherlich ist noch nicht so sehr üblich in Italien, dass sich die politischen Geschicke ein Frauenduo teilt! Aber das merkt man irgendwie diesem Ort an – wir haben uns sehr wohl gefühlt in den Tagen, die wir dort Anteil nehmen durften an der herzlichen Stadt, ihrem wunderschönen geschichtsträchtigen Umland und den besonderen Festivitäten.
Giurdignano liegt in der Provinz Lecce im Salento, knapp 10 Autominuten von Otranto – und somit der Küste des adriatischen Meeres – entfernt. Lecce liegt 40 Kilometer und der Flughafen Brindisi 80 Kilometer entfernt. Die Lage Giurdignano im historischen Megalithenpark „Giardino megalitico d’Italia” spricht für sich – wer sich für die frühhistorische Geschichte Apuliens interessiert und wundervolle Spaziergänge in der Natur schätzt, ist hier genau richtig. Ich beschrieb es bereits.
Ein aufregender Abend!
Wie oben erwähnt, werden zu der offiziellen Speisung auch Gäste aus dem Ausland eingeladen. Einige Teilnehmer unserer Reisegruppe wurde die Ehre zuteil, die eine oder andere Heilige oben auf der Bühne darzustellen. Im Vorfeld für uns eine große Aufregung, im Nachhinein ein wahnsinniger Spaß und Freude. Man stellt sich vor, dass man in Reihenfolge zu Tisch gebeten wird – und die ganze Piazza ist voller Menschen guckt zu wie wir rituell die Speisen zu uns nehmen – und schlussendlich erhält man dafür auch noch Applaus.
Was hatten wir vorher für Sorgen, dass es zu kalt wäre (die zeitlichen Angaben zum Prozedere wurden uns von einer bis drei Stunden vorhergesagt, am Ende war es lediglich eine Stunde) was ist, wenn wir uns verschlucken und und und …?! Dann ließen wir uns aber verzaubern von der ehrenvollem Prozedur. Unser Gastgeber, der Heilige Josef stilvoll gewandet, sprach dabei ein Gebet, schlug von Zeit zu Zeit mit dem Stock auf den Boden, während uns von Zauberhand die jeweiligen Speisen angereicht wurden. Mit einem Stockschlag durften wir davon kosten, mit dem nächsten Stockschlag mussten wir aufhören (was manchmal sehr schade war) und durften uns mit dem nächsten Stockschlag dem nächsten Gang widmen und zwischendurch natürlich einen Schluck Wein genießen. Währenddessen die Gemeinde immer den Rosenkranz betete.
Zum Dank unserer Teilnahme erhielten wir am Ende wunderschöne üppige Blumensträuße und natürlich die tollen Gaben des gedeckten Tisches des San Giuseppe. Die Übergabe des Brotes ist dabei ein besonders wichtiger symbolischer Akt.
Überhaupt sind die Blumen an diesem Tag ein sehr wichtiges Element. Alle gedeckten Tische sind üppig geschmückt, teilweise mit echten Blumen. Wer weiß, wie teuer diese in Südeuropa sind, hat eine Idee, welchen Stellenwert der Tag für die Menschen in Giurdignano hat. Dieses Foto zeigt – nur einen Teil – der floralen Dekoration im Haus der Vizebürgermeisterin Gabrielle Vilei:
Was für ein Zeichen der Gastfreundschaft und Offenheit Süditaliens, wenn auch Fremde, wie wir, zur Armenspeisung eingeladen werden? Die gedeckten Tische sind manchmal sehr opulent, manchmal ganz einfach gehalten in ihrer Präsenz:
Legendäres Brot von Panificio Protopapa
Apropos Brot: Das wird in Giurdignano in der Bäckerei Panificio Protopapa gebacken, Salvatore macht das mit seiner Frau heute in der dritten Generation im fast schon 80 Jahre alten Holzbackofen mit einer noch älteren Livieto Madre. Und natürlich haben die teilnehmenden Foodbloggerinnen dieser Reise es sich nicht nehmen lassen von dieser Livieto Madre etwas nach Berlin mitzunehmen. (Ich habe sie gerade wieder aktiviert, sie wird älter und älter – auch in Berlin.)
Dieser Ausflug nach Giurdignano, die wundervolle Gastfreundschaft dieser Gemeinde war für uns alle ein traditioneller und unerwarteter Spaß! Am Abend nach der öffentlichen Speisung beginenn die üblichen farbenfrohen Feierlichkeiten des Salento mit den Ständen für die kindlichen Freuden. Natürlich die üblichen Getränke, Nussstände, es wird flaniert, gelacht und gefeiert!
Das Mahl des San Giuseppe für alle
Am Stand der Gemeinde, wo tagelang vorher in fröhlicher Stimmung die traditionellen Speisen von den engagierten Damen des Vereines zubereitet wurden (denen wir schon am Nachmittag bei ihrer Arbeit zuschauen und die Ergebnisse kosten durften) werden nun diese gegen einen Obolus abgegeben und es bilden sich sehr lange Schlangen.
Nach der gemeinschaftlichen Stärkung wandert man durch die Stadt und besucht die über 50 Menschen in ihren Häusern, die (in Apulien ist der Eingang oft gleichzeitig das Wohnzimmer an dem sich die Küche anschließt oder auch direkt integriert ist) dort die Tische sehr festlich gedeckt hatten und auf die Besucher warten. Hier und dort senden Lebensmittel auf den Tischen auch leichte Werbenachrichten bekannter italienischer Firmen – aber eben immer mit den oben beschriebenen Zutaten und Blumen auf der weiß gestärkten Tischdecke der Familie!
Dabei ist am Vorabend zum 19. März die Stimmung in den einzenen Häusern locker, gelöst und fröhlich. Am Feiertag selber spürt man an der Ruhe, dass mit dieser Tradition dem Todestag Josefs gedacht wird.
Berührende Berührungspunkte
Für mich war besonders zu erleben in diesen Tagen, wie man in Kontakt mit den Menschen und ihrer Lebensweise kommt. (Ich gebe zu, ich bin doch auch so eine Fensterguckerin und bin auf Reisen immer ganz glücklich, wenn ich vor Ort ins echte Wohngeschehen eintauchen darf.) Man trifft auf die Menschen Apuliens, die an diesem Tag durchaus sehr ernst sind und sich dem religiösen Hintergrund dieses Feiertages bewusst sind (was man als Tourist auch nicht vergessen sollte.) Berührend sind diese Hausbesuche, denn man erlebt auch Menschen, die auf dem Sofa an dem Fest teilnehmen, denen man ansieht, dass sie wohl im nächsten Jahr nicht mehr dabei sein können, weil hochbetagt und sichtlich sehr schwach. Aber wie schön ist so eine Tradition, wenn jemand gar nicht mehr vor die Tür gehen kann und dennoch einmal im Jahr viele Menschen vorbei schauen und man sich austauschen kann?
Alle teilnehmden Häuser sind natürlich auf Hochglanz geputzt und im Rahmen der Möglichkeiten ihrer Besitzer festlich geschmückt. Große und opulente Tische sieht man, andere Tische kleiner, sichtlich einfach und dennoch mit viel Liebe gestaltet. Woanders wird eigene Kreativität ausgelebt. Die „Le Tavole di San Giuseppe” sind ein sehr wichtiges Fest in dieser Zeit in dieser Region. Wer an ihnen einmal teilnehmen kann in Giurdignano, ist reich beschenkt!
Schon im Blog
Sehenswertes in und rund um Giurdignano
Apulia Stories
Otranto
2 comments:
Was für ein schöner Feiertag. Danke für diesen ausführlichen und interessanten Bericht mit den tollen Fotos.
Dankeschön liebe @N. Aunyn – es war auch ein sehr besonderes Erlebnis. Ich habe in diesem Jahr sehr stark daran zurück gedacht. Es lohnt sich eben doch in diese Länder zu fahren – ohne Sommerhitze, da passiert dennoch viel.
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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