2020-05-19

Doch, doch … ich lebe noch!

Aber es ist zur Zeit … puh … ja, was soll ich sagen, schreiben, was Ihr nicht schon selber wissen würdet?

Es geht mir relativ okay. Ich liege nicht auf irgendwelchen Intensivstationen nach Luft japsend. Oder eben gar nicht japsend im kritischen Zustand, was wohl das Besondere an diesem Virus sein soll, was ich sehr gruselig finde. Also im gesamten gruseligen Ausmaß.

Auch – das war sehr faszinierend zu erleben – hatte sich zum Anfang des Lockdowns im Grunde, das, was ich in meinem Leben eher als negatives Vorzeichen erlebt habe, sehr plötzlich zu einem positiven Vorzeichen gewandelt. Auch wenn ich von sehr wenig Geld lebe, wusste ich, ich bin finanziell abgesichert – ich kann zum nächsten Ersten meine Miete bezahlen. Diese Art der Existenzängste, die viele Millionen Menschen in diesem Land, in der ganzen Welt, aushalten mussten – und müssen – musste ich nicht ertragen. Das macht demütig und dankbar!

Aber eben auch, dass ich in dieser Situation jederzeit professionelle Ansprechpartner – wenigstens telefonisch – hatte, um über meine Ängste, Sorgen sprechen zu können, das war sehr hilfreich und Kraft gebend. Ich habe in den letzten drei Monaten so viel telefoniert, wie in den letzten drei Jahren zuvor nicht. Na gut, weil man nun auch eher mit FreundInnen telefoniert. Doch, gerade auch in dieser Situation war ich im Vergleich zu vielen anderen Menschen sehr dankbar.

Die Sorge um die mir wichtigen Menschen, die ist schwierig auszuhalten. Natürlich geben wir uns alle Mühe aber es ist sehr schwer.

Der Umstand, dass wir zu Beginn des Lockdowns (im Berliner Raum) durchaus mehr als passables Wetter hatten, wir hinaus gehen durften, wenigstens, um sich die Beine zu vertreten oder etwas Rad zu fahren, hat mich das gut ertragen lassen. Da ich ja nun Kontakte nach Spanien und Italien habe und weiß, wie deren Leben extrem anders in der Zeit ausgesehen hatte, kann ich kein bisschen verstehen, warum hierzulande die Leute gerade abdriften in ihren Vorwürfen an den Staat hinsichtlich der verhängten Maßnahmen.

Das Ganze – so schrecklich dieses Virus wütet – finde ich indes wissenschaftlich und medizinisch sehr spannend. Naja, als unbetroffene Beisitzerin natürlich nur. Die letzten Wochen waren für mich ein einziger sehr intensiver Bildungsurlaub hinsichtlich Virologie, Pandemie und … hierzulande … Förderalismus und Menschlichkeit.

Immer wieder dankbar bin ich für meine Wohnsituation hier – dass ich Besorgungen fußläufig machen kann ohne die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen zu müssen, hilft mir sehr im Aushalten. Ich möchte momentan wirklich nicht mit der BVG fahren. Wenngleich mir ein fahrender Untersatz zum „raus fahren” gerade sehr fehlt. Dieses weiter draußen vor den Toren Berlin wandern zu können, das fehlt mir sehr! Natürlich haben wir hier in unserer kleinen Enklave den nachbarschaftlichen Kontakt gehalten, uns immer wieder draußen getroffen mit den Nachbarkindern, die ausgelüftet werden mussten (nochmal mein Respekt hier an die Menschen in Spanien und Italien). Das hat natürlich enorm geholfen, täglich jemanden zu sehen und zu sprechen. Mit Abstand – aber tägliche minimiale soziale Interaktion. So wichtig und heilsam!

Somit bin ich dankbar für meinen Balkon und das Vorgärtchen. Wieder für die guten Wetterverhältnisse. So fühlte ich mich nie eingesperrt – im eingesperrt sein. (Was wir hierzulande nie wirklich waren.)

Wenn der tägliche Baulärm von nebenan nicht gewesen wäre, wäre es fast Urlaub gewesen. Beim nächsten Lockdown wäre ich dafür gesetzlich aufzunehmen, dass Baustellen in Wohngebieten das gesamte Wochenende über zu ruhen haben.

Ich habe die Schnauze von so manchem Politiker voll! Was für Idioten wir hier und dort in politische Leitungsfunktionen gewählt haben – aber eben auch, was für sehr kompetente Menschen uns an den politischen Spitzen in dieser harten Zeit gut (und unter den auch für sie völlig neuen Umständen) geführt haben. Das sieht ja auf anderen Kontinenten eher komplett haarsträubend aus. Da musste ich, das merkte ich selber, mich zugunsten meiner Seelenhygiene die letzten Wochen öfter aus dem Nachrichtengeschehen raus halten. Politische Talkshows habe ich für mich schon vor sechs Wochen bewusst abgewählt.

Dieses Virus macht mit uns allen etwas. Da muss man gut auf sich aufpassen. Das Bloggen fiel mir sehr schwer, gebe ich zu. Ich hätte hier viel zu sehr das Virus zum Thema gemacht, hatte aber auch einige Zeit kaum Synapsen frei für andere Dinge. Die letzten Wochen konnte ich mich wieder etwas freier fühlen, konnte wieder etwas backen, einkochen, Pasta machen (ganz lieben Dank für das schöne Buch an den Diätfutterbeauftragten, habe mich wahnsinnig gefreut darüber) – mich still beschäftigen.

Ich habe sehr wenig entrümpelt und auch immer noch nicht die Fenster geputzt. Gestern habe ich endlich das alte Ikea-Regal rausgeschmissen, das schon so lange gehen sollte. Bücher sortiert, kaum Platz. Ein paar Sachen bei ebay Kleinanzeigen hinein gestellt. Aber wenigstens den Balkon fertig und bin sehr verliebt in ihn in diesem Jahr (mich sehr über Ikea geärgert, andere Geschichte.) Fotos reiche ich nach.

Was mich wahnsinnig schmerzte, das war die Absage der Pilateskurse seitens der VHS. Die und meine tolle Lehrerin vermisse ich unendlich, psychisch und physisch. Ich war da auf so einem guten Weg und nein, so ganz alleine bekomme ich das nicht gut gewuppt. Liegt halt mit daran, dass ich immer gegen Schmerzen antrainiere. Nach vier Wochen Physiotherapie-Pause (von mir gewählt, auch weil ich den Physiotherapeuten schützen wollte), bin ich wieder hingekrochen. Das musste ich tatsächlich lernen: Ohne geht es nicht mehr. Doof. Da war immer noch ein kleiner Keim namens Hoffnung in dem Punkt die Krankheit zu besiegen. Aber da ist wohl „chronisch” nicht nur der verwalterische Begleiter meines Daseins.

Ich bin sehr glücklich, Shiinchen an meiner Seite zu haben. Sie schien mir anfänglich etwas genervt von meiner ständigen Anwesenheit aber mittlerweile hat sie mich ganztägig akzeptiert. Sie ist weiterhin unfassbar niedlich und unterhaltsam und gibt mir das Gefühl ab und an nützlich zu sein. Vermutlich kommen Menschen mit Haustieren besser durch diese Zeit. Hier ist es auf alle Fälle so! (Danke auch an alle Nachbarhunde, die sich in den letzten Wochen schwanzwedelnd über mich freuten!)

So, lange Schreiberei, ich hoffe so sehr, dass es Euch allen gut geht, dass Ihr Eure Lieben wieder sehen könnt, gesund seid und bleibt. Ich denke, wir haben den ganzen Mist hier in diesem Land erstaunlich gut hinbekommen bis jetzt. Ich bin darüber sehr froh! Lasst uns das so beibehalten, wenn irgendwie möglich!

Alles Liebe an Euch alle da draußen!

2 Kommentare:

N. Aunyn hat gesagt…

Danke für den ausführlichen Bericht. Habe mich schon - als still mitlesend - gefragt, wie es Ihnen wohl geht. Habe auch den Eindruck, daß Menschen mit Haustieren und / oder in Gemeinschaft lebend, besser durch die Zeit kommen.

GudrunPlett hat gesagt…

Immer wieder nachgeschaut und keine neuen Texte gefunden - aber nun! Beruhigt. Einen ähnlichen (aber doch anderen, selbstverständlich!)Bericht könnte ich auch schreiben. - Ich habe kein Haustier. Aber meine eine Tochter ruft täglich an, die andere kommt gelegentlich über die Terrasse (!) her. Wir sitzen dann draußen mit Kuchen und Prosecco, das Desinfektionsmittel ist mit eingedeckt. Ein "neues Normal?"

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!