Dieser Tage …
… läuft durch die Blogs ein 20-Punkte-Blogstöckchen. Da schreiben mir bekannte Blogger, und manches Mal in der Realität auch mir bekannte Menschen, sehr persönliche Dinge über sich auf. In den letzten Tage ist mir oft passiert, dass ich vor einem Punkt saß und nicht mehr mit dem Denken aufhören konnte. Dann lese ich woanders einen anderen Punkt und mir schießen die Tränen in die Augen. Woanders muss ich schallen lachen. Plötzlich denke ich, ich kenne die jetzt ein Stück besser. Und ich habe so viel Respekt vor deren Offenheiten. Manche Blogger machen sich richtiggehend nackig dabei. Es ist … ach, ich wünsche mir in einem Jahr ein Blogstöckchen, in dem alle Blogger erzählen, wie die Offenheit über die eigene Person im eigenen Blog das eigene Leben verändert hat.
Ich könnte 20 Punkte zur Zeit nicht über mich formulieren. Das ist harte Arbeit, erlebe ich. Kommt ein Punkt einem in den Sinn, folgen ihm die Gedanken um jede Ecke in jede Tiefe und Weite. Danach bin ich müde. Und intensiv im Gefühl angekratzt. Es ist nicht nicht anstrengend.
Ansonsten geht es mir seit einer Woche nicht gut. Schlaflos. Und zwar, ganz neu jetzt, auch mit Einschlafstörungen. Einschlafen konnte ich immer, ich war nur mitten drinnen fertig mit Schlafen, wenn auch nicht fertig ausgeruht. Jetzt fällt es schon schwer überhaupt den Aus-Knopf zu finden. Das ist neu. Der Rest schnürt mir derzeit schon wieder den Brustkorb bis zum Hals zu, eh schon schwere Dinge werden beschwerlicher denn je. Gerade laufe ich rückwärts, statt vorwärts. Schwierig.
Dinge, die ich mir ins Leben geholt habe, um Abwechslung zu finden und Aufgaben zu schaffen, grätschen gerade kontraindiziert in mein Erleben. Im Nähkurs nähen alle besser als ich, schneiden besser zu als ich, bla bla fasel fasel besser als ich. Den Kurs letzten Montag habe ich nicht antreten können. Im Fotokurs gibt es Aufgaben, die ich mit links erledigen kann, weiß ich. Sie stehen hier gerade riesengroß unerfüllbar vor mir im Raum … natürlich hasse ich mich dafür. Gleiche Schleife wie immer.
Ich habe nie zu den Menschen gehört, die das Heil aller meiner Probleme in meiner Kindheit gesehen habe. Ich meine, ich wusste natürlich, dass in meiner Familie – vor allem für uns Kinder – die Dinge verdammt schief gelaufen sind. Aber ich habe mir immer eingeredet, es ist mein Leben und es ist meine Kunst aus meinem Leben etwas zu machen. Ich habe jedes mögliche Verständnis für meine Eltern und Großeltern haben wollen und in allem Erlebten für mich immer befunden, dass trotz allem ich von ihnen allen geliebt worden bin. Mein Bruder händelt das sehr anders, er macht für sein Scheitern heute noch mit 50 unseren Vater dafür verantwortlich.
Dummerweise merke ich im Rahmen meiner Krankheit, zu der ich so viele Fragen habe, die ich alleine ohne Hilfestellung mir nicht beantworten kann – über allem schwebt zum Beispiel „wie konnte ich es soweit kommen lassen?”, dass ich mit meiner bisherigen Einstellung viel verdrängt habe. Und jetzt muss ich im therapeutischen Gespräch Fragen zu meiner Familie und Kindheit beantworten, die ich nicht beantworten kann, weil ich diese Dinge einfach weggepackt habe. Warum auch immer. Ich merke nur, dass ich mich andauernd seit Jahrzehnten in allem überfordert gefühlt habe, vor allem von mir selbst. Und jetzt kann ich einfach nicht mehr. Sense. Auf allen Ebenen.
Ich war zwischen meinem vierten und fünften Lebensjahr das Kind, dass sich mehrmals nachts schützend vor meine Mutter und meinen Bruder gestellt hatte und meinen Vater angefleht hatte, die beiden nicht weiter zu schlagen. Mir tat er nie etwas. Ich habe das immer gewusst und als gegeben hingenommen. Es war mein Job in dieser Familie unter den gegebenen Umständen. Momentan gucke ich darauf mit großem Erstaunen, weil mir auch klar wird: in dem Jahr hat meine Kindheit geendet. Die meine Mutter versucht hatte doch noch zu retten, in dem sie sich und uns von dem alkoholsüchtigen gewalttätigen Mann wegbrachte. Aber ich war danach einfach gefühlt kein Kind mehr. So erlebe ich das momentan rückblickend. Da sind keine familiären Highlights in der Erinnerung. Also keine ehrlich tiefempfundenen. Nur künstlich hochstilisierte, an denen ich mich rettend verankert habe. Dummerweise rosten die mir gerade unter dem Arsch weg. Macht mich gerade ganz irre.
Ich denke immer noch, meine Eltern haben ihr Ding so gut gemacht, wie sie es eben unter den ihnen gegebenen Umständen tun konnten. Aber ich muss meine harte Nuss nun mal jetzt auch knacken.
Potzblitz.
Bin schrecklich dünnhäutig gerade über das Leid anderer Menschen.
Ich wollte nie über die Krankheit lesen. Je weniger ich darüber weiß, um so weniger kann ich mich selber ausknocken. Das ändere ich gerade. Ich wollte auf Spezialisten vertrauen. Jetzt lese ich. „Sie haben es doch gut gemeint.” von Josef Giger-Bütler hatte ich am Buchregal in der Hand, habe hinein gelesen, knappe drei Seiten und es erschrocken wieder zu gemacht. Mir ging das zu nahe. Ich habe es dann doch gekauft und lese es gerade. Lesen geht so zäh zur Zeit. Aber nun … den folgenden Teil habe ich zum Geburtstag geschenkt bekommen.
Apropos Geburtstag, zwei Jahre vor der 50. Ein Jahr den Vater überlebt. Es bleibt immer weniger Zeit die Dinge gut zu richten. Das richtet in mir auch gerade viel zu viel an. Keine Ahnung, wie ich so weit kommen konnte, also so alt weit. Ging ich nicht gestern noch zur Schule?
Vielen lieben Dank für Eure Geburtstagswünsche, Grüße, Post und Mails! Für mich eine große Freude, wirklich! Ich kann nicht beschreiben, wie wirklich wichtig für mich in dieser Kampfzeit, die Kraft kostet und von der gerade so wenig am Start zu sein scheint. Herzlichen Dank!
Und jetzt weitermachen. Wird schon werden.
8 comments:
Dann auch von mir (nachträglich) alles Gute zum Geburtstag. Da sind wir anscheinend altermäßig so ungefähr drei Wochen auseinander.
(((((creezy)))))
Oh war länger nicht mehr hier, hoffentlich wird der nachträgliche Glückwunsch noch angenommen. Alles soll einfach gut werden.
take care
Auch von mir ganz herzliche Glückwünsche nachträglich.
So ein klein wenig kann ich fühlen, wie es dir ergehen mag. Als in einer Sitzung zum ersten mal die Frage nach meiner Kindheit aufkam, sagte ich, da war alles gut. Es kam so plötzlich und ohne Vorbereitung. In den Tagen danach ließ mich dieses "alles gut" nicht mehr los. Mir wurde immer klarer, ich hatte gelogen. Einfach und schlicht gelogen, weil ich lange nicht drüber nachgedacht hatte und der Deckel fest drauf saß. Es war gar nichts gut.
Dank dir für all deine Offenheit und das Teilen deiner Gedanken.
Wir lassen uns nicht unterkriegen....noch nicht.
Herzlichen Glückwunsch nachträglich.
arboretum überreicht einen Strauß Adonisröschen.
Alles Gute Ihnen!
@trippmadam
Auch so eine unterm Christbaum gezeugte? ;-)
@bhuti
Naja, hat ja niemand behauptet, das würde alles ein Spaziergang werden …
@corazon
Ich hoffe sehr, wir lassen uns nicht unterkriegen. Aber es ist ein weiter Weg zu gehen und … naja … Erinnerungen rauskramen, die gut weg gelegt sind, ist nicht so einfach.
Und ja, es war sehr vieles gelogen!
@all
Sehr lieben Dank für Eure Glückwünsche! ;-)
Ich kenne dich ja nun nicht 'in echt', aber ich habe den Eindruck, dass du eine ziemlich starke Person bist. Das wollte ich nur mal so dalassen - und sicher nähst du auch besser, also du denkst ;) (besser als ich sowieso). Und herzlichen Glückwunsch!
Alles Liebe nachträglich. ♥
Das Unterbewusstsein hält vieles sicher. Das ist gut.
Ich wünsche Dir alles, was Du Dir wünschst. Knuddel mal Deine süßen Katzen.
Ela
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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