2008-10-24

Wenn meckern, bloß nicht Frau dabei sein.

Mann, schon älter, zur schreibenden Zunft gehörend, begrummelt vor laufender Kamera selbstgefällig eine Sendung in einem bestimmten Medium, ihre Qualität beschimpfend. Tut so, als sei ihm vorher noch nie aufgefallen, dass in diesem Medium neben einigen wenigen als qualitativ gut zu bezeichnenden Formaten, seit langem ziemlich viel Schrott gezeigt wird. Zufällig soll der Mann an diesem einen Abend an der er das Deutsche Fernsehen erstmals in einem realistischen Licht sieht, einen Preis verliehen bekommen. Mit dem Preis ist kein Preisgeld verbunden. Vor Schreck muss der Mann den Preis ablehnen, sich selbst produzieren. Bekommt eine Sondersendung beim ZDF geschenkt in der er seinem Ärger weiter Luft machen darf, darin den angestoßenen Ball aber erstaunlich flach hält.

Mann hat gerade eine Dokumentation am Start die heißt «Marcel Reich-Ranicki – Mein Leben», die im April 2009 im WDR (!) gezeigt werden soll. Mann tritt eine Woche später in dem Zusammenhang als Protagonist in den ganzseitigen Anzeigen eines großen deutschen Kommunikationsanbieters auf.

Alle finden toll, was er tut.


Frau schon älter, zur schreibenden Zunft gehörend, greift die Kritik des ollen Mannes auf und formuliert die Vorwürfe etwas deutlicher, dabei viel weniger selbstzogen als ihr Vorkritiseur und nicht nur auf eine Sendung eingeschränkt, sondern auf eine ganze deutsche Fernsehlandschaft bezogen und muss zwangsläufig – aber ehrlich und für jeden nachvollziehbar – dabei auch ihren Haussender kritisieren, bei dem sie eine Sendung zu sehr später Stunde unterhält. Sie tut das mit der ihr eigenen deutlichen, wenn auch unbequemen Sprache, für die sie im Besonderen immer geschätzt wurde und die ein Grund war, warum man Sendungen mit dieser Frau sehen wollte oder ihre Texte lesen wollte. Ungeschminkt also, so wie sie meist auch vor die Kamera tritt.

Frau bekommt gedroht, man würde ihren Vertrag kündigen, wenn sie nicht still sei und sich angemessen verhielte. «Man beisse die Hand, die einen nährt, schließlich nicht.» Obwohl gerade diese nähernde Hand von der Gemeinschaft der gebührenzahlenden Fernsehzuschauer finanziert wird.

Frau lässt sich nicht drohen und diskutiert, Journalistin die sie nun mal auch ist, im öffentlichen Raum weiterhin das, was sie persönlich am deutschen Fernsehen stört und ist dabei konstruktiv in ihren Vorschlägen.

Sehr viele finden nicht toll, was sie da tut. Die öffentliche Diskussion indes über das was sie sagt, schlägt dabei erstaunlich oft um in eine merkwürdige persönliche Befindlichkeit gegenüber dieser Frau und lässt dabei gerne aus, worum es in der Debatte faktisch geht «weil man E. Heidenreich nicht mag». Der Sender entlässt sie.

Sabbeljan guckt sehr treffend statistisch auf weibliche TV-Hintergründe im deutschen Fernsehen.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Darüber habe ich heute mit einer Kollegin diskutiert. Wie man der Frau die niederen Beweggründe unterstellt, dabei sehr offensichtlichen misogynen Haß zelebriert, die auf den alten Mann viel eher zuträfen - der sich ja bemerkenswert handzahm und männerbündlerisch gab, sobald er wieder im TV-Kaminzimmer sitzen durfte. Man muß die Frau nicht mögen, daß sie klug, mutig und eine Zier für jeden Sender ist, hat sie bewiesen.

Anonym hat gesagt…

Meine Rede

Anonym hat gesagt…

Wie las ich heute irgendwo? Poltert und kritisiert ein Mann los, ist er durchsetzungsfähig. Poltert und kritisiert eine Frau los, ist sie hysterisch und übertreibt. So war es in der Vergangenheit, so ist es heutzutage und ich fürchte, so wird es auch in der Zukunft sein.

Anonym hat gesagt…

Es ist so lahm und liegt mir nicht, immer die Gender-Schublade aufzuziehen, wenn es mal nicht so läuft, aber heute hab ich´s auch getan, nachdem ich all die vernichtenden Presse- und Leserkommentare gegen Heidenreich gelesen habe. Ich finde einfach keine andere Erklärung dafür, wie man sie für ihre geradlinige, gerechtfertigte Meinungsäußerung steinigt, als ihr Geschlecht.

Anonym hat gesagt…

Ich glaube, die Frau Generator hat da mal eine ähnliche Erfahrung mit einem Gender-Thema auf der Republica gemacht. Die Diskussion wurde in einem Ton, in einer Art und einer Schärfe geführt, die einem die Schuhe ausziehen.

Es ist eine Binse, aber immer noch so was von wahr, was Frau Liisa spricht. Fragen Sie mal meine männlichen Kollegen...

Anonym hat gesagt…

nicht zu vergessen das MRR selbst einen veritablen hang zum sexismus hat.

Anonym hat gesagt…

Bei all dem Mann-Frau-Zeug habe ich schnell so ein blödes Gefühl. Einerseits denke ich "naja, aber jemanden verteidigen, gerade weil es eine Frau ist, das ist ja eigentlich auch schon sexistisch", andererseits aber ist es eben leider Fakt, daß ein verbitterter alter Mann schlimmstenfalls ein verbitterter alter Sack genannt wird, wohingegen eine Frau mit Meinung gleich als Zicke gilt. Eine Scheißwelt ist das, und aufgeregt gehört sich da, auch wenn davon wieder der einzige Nutznießer die Pharmalobby ist. Baldrian für alle!

Anonym hat gesagt…

Ich glaube, man nimmt ihr weniger das Frausein übel als das Trittbrettfahren. Ihre Fernsehkritik hätte sie auch früher schon anbringen können, warum bedurfte es dazu des Vorpreschens ihres 88-jährigen "Amtsvorgängers" auf dem ZDF-Literaturpapstthron?

Das wirkte ein bisschen so, als wolle sie nur auf diesen Zug aufspringen, um sich ebenfalls mal wieder ins Gespräch zu bringen.

Und davon abgesehen kann sich MRR aufgrund seines Alters, seiner Vergangenheit und seines Ansehens einfach mehr herausnehmen als EH, das hat mit dem Geschlecht wahrscheinlich wenig zu tun.

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