2022-11-02

Gekauft und nicht gekauft

Rad aufgepumpt und zu den Märkten gefahren (Mittwoch lohnt sich es immer besonders, da kann ich auf meiner Strecke Schöneberg/Charlottenburg drei abfeiern). Noch einmal Zwetschgen gekauft. Und frisches Sauerkraut.

Bauveränderungen der alten Wohngegend der Kindheit bestaunt.

Kein Katzenfutter bekommen, weil nicht ausgepackt, weil man zu wenig Personal hat. Vielleicht sollte man die Personalsuche attraktiver gestalten als nur mit einem lieblos handgeschriebenen Zettel auf DinA4 irgendwo hingeklebt? Ich weiß es auch nicht. Mir ist nur aufgefallen, dass der Discounter mit dem L das jetzt z. B. relativ attraktiv mit klarer Benennung der Fakten macht, sprich Gehälter benennt – und eben über Mindestlohn bezahlt.

Sonne schön befunden. Keine gefüllten Lebkuchenherzen gekauft und auch keine Rosinenschnecke. Mich selbst an Banane und Weintrauben zu Hause verwiesen. Lieblingsspanischer Supermarkt um die Ecke ist weg. Gab es keinen guten Kaffee von denen auf den ich mich eigentlich gefreut hatte.

Nun denn, dann jetzt selbst gebrühter Kaffee.

2022-10-26

Die Sehenswürdigkeiten von Classe

Anlässlich der Eröffnung der Biennale Ravenna Mosaico 2022 durfte ich auf Einladung zu einer Pressereise von Ravenna Tourismo die Stadt Ravenna und ihre Sehenswürdigkeiten sowie die umliegende Ortschaften Classe, Milano Marittima, Cervia und Comacchio in der Emilia Romagna besuchen.
Wer erstmals Classe besucht, wird kaum auf die Idee kommen, dass dieser Vorort von Ravenna einmal ein großer militärischer Hafen war, dem eine große Flotte von 240 Schiffen vorstand.

Nun, wir sprechen von den Jahren in denen Kaiser Augustus I. regierte. Dem Kaiser, der schon vor aber auch noch ein paar Jahre nach Christus sein bewegtes Leben lebte.

Die natürlichen Kanäle und Lagunen ließen damals dort nicht nur die Verteidigungsflotte des oberadriatischen Meeres als ihren Ausgangshafen (Classis lat. Flotte) entstehen, sondern auch den Handel mit dem Orient florieren. Doch schon im IV. Jahrhundert n. Christus versandeten die natürlichen Wasserwege und gaben diesen Hafen als Stützpunkt dem Verfall preis. Zwei Jahrhunderte später war der Hafen nicht mehr brauchbar, ein Überfall der Langobarden machten Classe beinahe dem Erdboden gleich.

Classe ist heute klein und von den früheren Stadtmauern oder Hafenanlage sieht man nichts mehr. Es hält aber für den an Kunst- und Historie interessierten Besucher zwei interessante Ausflugsziele bereit: Die Basilika Sant’Appolinare mit ihren wundervollen Apsis- und Mittelschiffmosaiken und ihrem zylindrischen Glockenturm. Sowie das Museo Classis Ravenna – Museo della Città e del Territorio. In einer ehemaligen restaurierten Zuckerfabrik untergebracht erzählt es von der langen Geschichte von Classe und Ravenna. hält zahlreiche Fundstücke der frühen Epochen bereit.
Ein Ausflug von Ravenna aus hierher lohnt sich absolut! Nur sechs Kilometer entfernt liegt Classe im Speckgürtel der Provinzhauptstadt, der Bahnhof von Classe – der als visuelles Horsd’œuvre ein kleines Freiluft-Eisenbahnmuseum (darf man überhaupt noch Freiluft sagen oder muss man schon von Open Air sprechen?) bereit hält – wird von der Provinzhauptstadt aus mehrmals täglich in nur drei Minuten für € 1,50 angefahren. Die Basilika und auch das Museum sind vom Bahnhof Classe fußläufig erreichbar.


Basilika Sant’Appolinare
Die Basilika verdankt ihre Existenz dem Wirken des Heiligen Appolinaris, dem man zeitlich seine Existenz vor Ort nicht so ganz genau nachweisen kann. Es wird beschrieben, dass dieser 79. n. Chr. in Ravenna sein Leben verlor und so wird er geschichtslogisch auch im I. Jahrhundert n. Chr. im Hafen von Classe angelandet sein. Er gründete dort die erste christliche Gemeinde und trieb die Verkündung des Evangeliums über die ganze Emilia voran, was ihn auch zum allerersten Bischof von Classe machte.

Selbstverständlich konnte der Heilige Appolinaris Tote wieder zum Leben erwecken, Blinde sehend machen, Kranke heilen – das übliche Heldentum jener Zeit war ihm nicht fremd und er überzeugte damit die syrischen Handelsleute, die seinerzeit Classe vorallem bevölkerten. Gedankt wurde ihm sein religiöses Schaffen schlussendlich schlecht, er starb unter Folter für seinen Glauben und fand dort, wo heute die Basilika gebaut wurde auf dem Friedhof vor den Stadtmauern von Classe seine (erste) letzte Ruhe.
Der Mann bzw. seine Reliquien scheinen in den späteren Jahrhunderten noch ziemlich weit herum gekommen. Interessanterweise liegen seine Reliquien heute im Altar dieser Basilika – und gleichzeitig sein Kopf wohl in Düsseldorf, dessen Stadtpatron er ist. Während weitere Anteile seiner Gebeine sich in einem Sarkophard in Remagen aufhalten sollen. Nun, die Jahrhunderte kann man natürlich leicht den Überblick verlieren, wessen Gebeine wo für immer ruhen.

Das soll uns aber nicht von der wundervollen Mosaikkunst ablenken, die in diesem Bau die vielen Jahrhunderte überdauert hatte.

Unter Kaiser Justinian wurde der Bau der Basilika durch den Bischof Ursicinus initiiert und am 9. Mai 549 von Bischof Maximian eingeweiht. Tatsächlich war sie als letzte Ruhestätte für den Saint'Appolinares gedacht.
Sie steht heute in der flachen, sehr grünen Landschaft und wird von einer beeindruckenden Kuhherde bewacht wird. Ein Kunstprojekt, die Rindviecher sind statisch und man verliert dann doch recht schnell die Angst vor ihnen.

Die Basilika beeindruckt mit einer erstaunlich einfachen Fassade aus rotem Ziegelstein. Die offene Vorhalle (Ardika) der Basilika wurde Anfang des 20. Jahrhunderts restauriert, beherbergt einige Exponate der früheren Basilika. Von den rechts und links zur Ardika angeordneten turmartigen Bauten (Risalite) existiert heute nur noch die linke Variante – und beherbergt den Kassenraum. Die in der oberen Fassade beeindruckende Originaltrifore (dreibogiges Fenster) soll sogar noch im Original erhalten sein!

Das zur Basilika gehörende Kloster wurde 1512 völlig zerstört, dessen Nachfolger neu aber direkt in Ravenna errichtet. Zum rückseitigen linken Seitenschiff angeordnet steht der bemerkenswert hohe (37,5 Meter) Glockenturm. Er ist – wie nur für die Gegend um Ravenna üblich – in zylindrischer Form gebaut und ist nicht für Besucher zugänglich. Sein Durchmesser misst ca. 6,17 m, davon beträgt an einigen Stellen die Mauerdicke mindestens 1,91 m. Ein Durchgang ermöglicht den Zugang zum Seitenschiff der Basilika.
Diese wirkt in ihrem Innern erstaunlich weitläufig, wenn man sie betrifft. In einigen ihrer Fenster wird noch die ursprüngliche Verglasung vermutet. Die beiden Seitenschiffe trennen jeweils beeindruckende zwölf monolithische Säulen vom Mittelschiff. Die Säulen finden ihren oberen Abschluss in byzantinischen Kapitellen in Form von Akanthusblättern, stehen unten auf viereckigen Postamentbasen.

Die zahlreichen Versuche über die Jahrhunderte die Basilika zu zerstören, letztmals 1944 im zweiten Weltkrieg haben sie leider ihres originalen Fußbodens und der Decke beraubt. Ein kleiner Bereich des originalen in Mosaik gestalteten Fußbodens findet sich im rechten Seitenschiff der Basilika. Er lässt vermuten, dass der ursprüngliche Basilikaboden früher mindestens 30-40 cm tiefer lag.
Die gesamte Decke besteht heute aus einer schmucklosen Holzbalkendecke, sie soll früher mit Kassetten geschmückt gewesen sein. Auch die mit Marmor verkleideten Wände der Seitenschiffe existieren so nicht mehr.
Dafür stehen in beiden Seitenschiffen elf Mamorsarkophage aus unterschiedlichen Epochen, die unbedingte Aufmerksamkeit verdienen. Sie dienten vorrangig, zwei Kindersarkophage ausgenommen, als Gräber den ravennatischen Bischöfen bis in das VIII. Jahrhundert. Nicht immer kann deren Zugehörigkeit eindeutig bestimmt werden und da man auch hier und da mehr als ein Skelett bzw. zwei Schädel in einem der Steinsärge vorgefunden hatte, ist auch hier die reale Zugehörigkeit der Gebeine zumindest fraglich.
Sich von einer fachkundigen Person in einer Führung die Unterschiede der sakrophalen Steinkunst erzählen zu lassen, ist sehr zu empfehlen.
Die besondere Schönheit der Basilika Saint’Appolinare sind aber wirklich die in Technik, Farben und Geschichte beeindruckenden Mosaike, die die zum Mittelschiff zugewandten oberen Wände der Seitenschiffe zeigen. Vor allem natürlich das große gesamte Mosaik, das die Apsis der Basilika vollends auskleidet und mit dem das Licht der Fenster zu jeder Tageszeit – besonders hübsch am Morgen – spielt. Demgegenüber wirkt der Altar aus Marmor oberhalb der Treppe, der Jungfrau Maria gewidmet, erstaunlich klein, zierlich und zurückgenommen.
Man sieht im unteren Bereich der Apsis in chronologischer Reihenfolge die ravennatischen Bischhöfe um die Zeit des Heiligen Appolinaris dargestellt. Dem einen oder anderen von ihnen soll das Antlitz des Appolinaris nachts im Gebet begegnet sein, was zu deren Darstellung hier legitimierte. In dem Altar werden also (auch) die Reliquien dieses ersten Bischofs aufbewahrt und die dahinter hängenden Mamortafeln erzählen von seinem Wirken und der Überführungsgeschichte seiner sterblichen Überreste.

Die Apsismosaike werden zeitlich dem VI. Jahrhundert zugerechnet und gehören zum auslaufenden frühchristlichen ravennatischen Zyklus. Sie sind in zwei Zonen aufgeteilt, Im oberen Bereich wird die Geschichte Christi am Berg Tabor erzählt, wobei Christus hier als Symbol in Form des Kreuzes deklariert wurde mit einem nur ganz kleinen Antlitz mitten im Kreuz. Wir sehen Moses und Elias. Als drei Lämmer dargestellt und seitlich aufgeteilt die Aposteln Petrus, Jakob und Johannes. (Wie immer: click aufs pic makes it big!)
Im unteren Bereich grüßt der Heilige Appolinaris betend aus dem Paradies – zumindest aus einer paradiesischen Landschaft. Auch ihn begleiten Lämmer, hier zwölf an der Zahl, die wohl die christliche Glaubensgemeinschaft symbolisieren.

Die Szenen wirken realistisch, wenn auch etwas naiv dargestellt. Überall finden sich Motive aus der Pflanzen- und Tierwelt wieder. Und seitlich aus dem Zentrum heraus tretend werden rechts und links Szenen aus dem Alten Testamente erzählt. Es ist alles in allem eine farbliche Vielfalt, die viele Jahrhunderte überdauert hatte, stellenweise überarbeitet und Blattgold lässt häufig grüßen.

Es ist eine faszinierende Welt voller kleiner Steine. Sehenswert ist dieser Ort, dieser Kunstschatz auf jeden Fall!


Classis Ravenna – Museo della Città e del Territorio
Keine zehn Fußminuten von der Basilika Saint’Appolinare entfernt wartet das Classis Ravenna – Museo della Città e del Territorio mit einem anderthalb Hektar großen Park und einer Ausstellung auf 2600 Quadratmeter Fläche darauf, Besucher in die besondere Geschichte von Classe und somit ein Stück weit auch Ravennas zu entführen.
Die modern gestaltete Exposition zeigt multimedial ganz modern aber auch im herkömmlichen Ausstellen der archäologischen Exponate und früher verwendeten Technologien eine nie langweilige Reise zurück in weit entfernte Jahrtausende. Interessierte Besucher*innen begegnen den etruskisch-umbrischen Wurzeln der Stadt, der Ausweitung von Classe in der römischen Phase, der gotisch-byzantinischen Epoche bis in das Mittelalter.
Der Eintrittspreis für beide Sehenswürdigkeiten, also Basilika und das Classis Ravenna Museo, beträgt zusammen derzeit 8 Euro. Für die Basilika wählt man ein Zeitticket, das Museum kann den ganzen Tag von 10-17 Uhr besichtigt werden. Ermäßigungen sind möglich, Kinder bis sechs Jahre haben freien Eintritt.

Weitere Informationen zu den Sehenswürdigkeiten in und rund um Ravenna findet ihr auf ravennantica.it.

2022-10-03

57

Als ich vor ca. einem Jahr in Apulien Urlaub machen durfte bei meiner Freundin Carmen, da trat eines Tages diese Jacht vor dem Hafen von San Focca auf. In den Hafen kann das Schiff nicht. Dieses Schiff kann wohl in die allermeisten normalen Häfen nicht einlaufen, so ein Koloss ist das.

Die Yacht A in einer Kieler Werft gebaut. Dreimaster, acht Decks mit 142,81 Metern wohl die längste Segelyacht der Welt. Stahlrumpf.

Wir waren alle fasziniert. Das Schiff ist wirklich schön – und seine Beschichtung lässt es je nach Sonnenstand weiß, silbern oder wie hier goldig scheinen. Ich kann es beurteilen, die Yacht A lag zwei Tage vor dem kleinen Badeort. Nur liegt sie wohl in Triest vor Anker, beschlagnahmt. Denn sie gehört dem Oligarchen Andrei Melnitschenko. Und damit schließt sich der Kreis. Hätte ich letztes Jahr gedacht, dass wir eine Weltsituation wie diese heute hätten?

Ich hatte keine Vorstellung. Gar keine! Wir alle wohl nicht. Ist das nicht alles unglaublich schräg?

Sei es drum. Es ist ein Jahr rum. Und ich hatte gestern Älterwerdung. Kann man nix machen. Oder ist einfach dankbar. Vermutlich so ein Ding dazwischen. Und wieder einmal wird mir klar, das Leben ist sehr unvorhersehbar. Es war persönlich eigentlich ein sehr schönes Jahr und ich hatte lang nicht mehr so viel Zuversicht mein Leben betreffend, wie in diesem Jahr. Bis nun … naja.
Ich mache mich heute wieder auf in dieses schöne Land Italien, das uns mit den letzten Wahlen auch den europäischen Gesamtschock versetzt hat. Aber ich werden mich wohl auf das Gute konzentrieren. Ein paar Tage Apulien, ein paar Tage Emilia Romagna nach Ravenna und wieder ein paar Tage Apulien. Ich freue mich. Und vermisse Shiina jetzt schon!
Im Hintergrund seht ihr den Turm der Liebenden (bei Otranto). Liebe. Ist es nicht das, was wir zur Zeit ganz besonders brauchen? Also bitte: Macht etwas daraus.

2022-09-26

Christian Lindner

Wenn Christian Lindner jetzt in die Kamera spricht, die Gasumlage wäre das falsche Mittel, denn sie würde die Gaskosten verteuern, dann frage ich mich ob der Bundesfinanzminister intellektuell im Sinne seiner beruflichen Position noch ganz fit ist?

Sollte ihm das nicht schon bewusst gewesen sein – als Bundesfinanzminister –, dass x-viele Cents auf die Preise für Gas und Strom erhöhen?

Sollte ihm wirklich nicht vorher schon bewusst gewesen sein, dass er damit mitten in einer Inflationen Haushalte und Unternehmen mit der Gasumlage in die Privatinsolvenzen/Insolvenzen/Stilllegungen entsendet?

Sollte ihm nicht bewusst gewesen sein – hier aber auch in Gemeinsamkeit mit dem Bundeswirtschaftsminister – dass der kurz- und langfristige Schaden für die deutsche Wirschaft Stillstand und Rückschritt verursacht? Wobei ich dem Bundeswirtschaftsminister zugute halten möchte, dass seine Idee zur Gasumlage letztendlich aus Lindners Weigerung, die Schuldenbremse nochmals um ein Jahr auszusetzen, resultiert.

Und jetzt kommt Lindner plötzlich geläutert und lahmfromm um die Ecke, da ihm deutlich wird, dass er in Niedersachsen höchstwahrscheinlich um den Einzug in den Landtag fürchten muss? Und er natürlich nun versucht, Habeck als den Trottel darstehen zu lassen, nur um ihn ein paar Punkte abzuluchsen?

Er ist, meiner Meinung nach, nur erbärmlich. Dieser Christian Lindner macht keine Politik für dieses Land. Er ist immer noch im Modus der langjährigen Opposition gefangen, die ihm als Grundhaltung Verweigerung gelehrt hat.

Dieses Mal hat er mit der Entscheidung für die Gasumlage, dem in dieser Zeit strunzdämlichen Festhalten an der Schuldenbremse aber vorrangig damit seinen eigenen Wählerkreisen in die Hinter getreten, nur weil er für den kleinsten Teil seiner Wähler (1 %) keine Reichensteuer abtrotzen müssen. Und hat das nicht vorhersehen wollen?

Er ist in einem Dilemma und nicht wirklich Willens für das Land eine konstruktive Finanzpolitik zu gestalten, um Deutschland in dieser besonderen Zeit mit geringsten Schaden zu bringen. Vor allem ist er nicht Willens in einer solchen Zeit auch von den Reichsten im Land gesetzlich die sinnvolle Unterstützung der Landesfinanzen abzufordern.

Er ist ein Schaumschläger. Hängt sein Mäntelchen in den Wind und knickt bei der kleinsten echten Brise ein.

Ich finde Christian Lindner gruselig!

2022-09-21

Dante und Käse aus der Grube – Montegridolfo und Modaino

Montegridolfo – Meisterhaft in der Wiederaufstehung

Hügel runter, Hügel wieder rauf. Montegridolfo ist nur knappe 12 Kilometer von Montefiore Conca entfernt. Entlang der Serpentinen ist man dann doch 30 Minuten unterwegs. Knappe 1.000 Einwohner leben hier auf einer Fläche von nur 6,8 Quadratkilometern. Vorrangig besteht Montegridolfo aus einer mittelalterlichen Festungsanlage, der Ortskern ist von einer Stadtmauer umgeben. Die besondere Schönheit dieser Ortschaft wird vor allem in Luftaufnahmen deutlich. Das Stadttor Torre dell’Orologio trägt seinen Namen zu Recht, denn es wird von einem hohen Uhrenturm beherrscht. Dieser Turm wurde im Jahr 1338 von der uns nun schon bekannten Familie Malatesta errichtet.
Der Ort, liegt auf einem Hügelkamm, der die Provinzen Pesaro (Rimini) und Urbino (Marken) trennt. Diese Trennung mochten die Familien Malatesta (Rimini) – und auf der Seite des Urbino, die Montefeltro – nicht für sich gelten lassen. Beide Familien kämpften im gesamten Conca-Tal gegeneinander, um ihre Territorien zu erweitern – da war Montegridolfo klassisches Objekt der Begierde. Namensgeber war ursprünglich die Adelsfamilie Gridolfo, die im 13. Jahrhundert dort residierte. Nachdem über 300 Jahre in und um Motegridolfo gestritten wurde, kam es im Jahr 1936 zu der kompletten Zerstörung des Ortes durch Graf Nolfo von Urbino.

In den folgenden Jahren baute Galeotto Malatesta den Ort wieder auf – und dabei errichtete er den Uhrenturm. Die komplette Übernahme von Montegridolfo durch die Malatesta dauerte allerdings noch bis in das 16. Jahrhundert. Die jüngste Restaurierung des Castellos wurde finanziert von der Gemeinde Montegridolfo und der Region Emilia-Romagna und im Jahr 1994 fertiggestellt. Faszinierend wirkt die komplett erhaltende Stadtmauer.

In einem Teil des Castellos, im Pallazo Viviani, kann man sich heute als Hotelgast einbuchen.
Das luxuriös ausgestattete Hotel hat besonderen Charme, weil man in Rücksicht auf die Bausubstanz nicht jeden möglichen neumodernen Komfort eingebracht hat. Aber keine Sorge, WLAN ist natürlich verfügbar. Dafür hängen in den 43 Zimmern und Suiten noch ursprüngliche Wandteppiche. Die Katze des Hauses ist gemütliche 17 Jahre alt, wirkt dementsprechend ramponiert, ist aber im Haus hoch geschätzt – und einem Streichler vom Gast nicht abgeneigt. Übrigens sind hier Haustiere erlaubt! Das Haus – so unscheinbar es von außen wirkt – und seine Lage – bei besserem Wetter auch seine Außenanlage – sind etwas Besonderes.
Osteria Dell'Accademia

300 Meter entfernt bin ich in der Osteria Dell’Accademia zum Mittagessen eingeladen. Das Accademia im Namen entstammt der Historie, dass in Montegridolfo im 19. Jahrhundert eine namhafte Musikakademie ansässig war. Alle servierten Produkte entstammen der Romagna, wie gerne betont, im Rahmen der Initiative Zero Kilometre.

Die Vorspeise, Ricotta con Lamponi disidratati e olio d’olivia, luftig aufgeschlagener Ricotta mit getrockneten Himbeeren und einem herrlichen sanften fruchtigen Olivenöl (Eticcheta viola), ist zum Niederknien! Einfache drei Zutaten, so gut! Als Primo folgen zarte Gnocchetti di patata viola con fossa di Sogliano, Rote Beete-Gnocchi mit einer angenehm unaufdringlichen Käsesauce aus dem Grubenkäse aus Sogliano und Rote Beete-Staub. Dieser Gang hatte Spaß gemacht – den Grubenkäse werde ich später noch genauer kennenlernen. Mein Secondo ist ein Stubenküken mit gegrilltem Gemüse serviert, was sehr ambitioniert ist nach den Gnocchi. Dazu trinke ich einen robusten Rotwein von der Tenuta del Monsignore „La Levata”, einen Sangiovese aus dem Jahr 2021 (im Foto rechts, das Etikett mit dem Hahn). Zum Abschluss ein Sorbet aus zweierlei blauen Früchten – das fand ich etwas überparfümiert.
Ein ordentliches Mittagessen mit einer fantastischen Aussicht und einer Wassermischsteuerung im Bad, die … anders schön ist.


Mondaino – ein Spaziergang mit Dante

Nächster Besuchspunkt ist Mondaino, knappe 5 Kilometer von Montegridolfo entfernt. Ein Stündchen Fußweg – mit dem Auto eingestiegen und gleich wieder ausgestiegen. Im Prinzip gibt es zwei Mondainos: Uptown und Downtown. Uptown ist wieder Romagna, Downtown die Marken.
Eine Klassifizierung, wie der in roten Samt gewandete Dante Alighieri erzählt, während er durch Mondaino führt, die wohl heute noch Bestand hat und an den Kaufpreisen der Häuser zu spüren ist. Der frühere Geschichtsprofessor, Angelo Chiaretti, der nach seiner Pensionierung nun Touristen durch diese kleine Ortschaft führt, macht das sehr charmant und humorvoll – und sucht sich aus der Truppe auch zielsicher seine Beatrice aus mit der ihn eine große, leider viel zu kurze Liebe verbunden hatte. Ein frühes Ende mit seiner neuen Beatrice ist aber auch hier leider sehr absehbar.
Dante (1256-1321) ist den Italienern ungefähr das, was uns Goethe ist vom Stellenwert. Er hat Italien in der Sprachkultur weg vom Latein hin zu dem heute gesprochenen lebendigen Italienisch geführt. Ansonsten war er streitbarer Politiker, Philosoph und Schreiberling. Italien verehrt ihn. Als über Dante in seiner Heimatstadt Florenz die Todesstrafe verhängt worden ist, ist er in die Romagna ins Exil gegangen und durch diese gereist. Gelebt hatte er vor allem in Ravenna, wo heute auch sein Grab liegt. Ich weiß nicht, wie es in anderen Provinzen Italien ist – aber die Romagna vergöttert ihn.

In Mondaino haben die Familien Malatesta und Da Montefeltro übrigens dann irgendwann einmal ihren Friedensvertrag unterschrieben – womit sich im Rahmen meiner Reise durch diese drei Dörfer der Romagna ein friedlicher Kreis schließt. Dennoch, die Streitigkeiten, die vor dieser Einigung hier viel Schaden angerichtet haben, haben den Ort schlussendlich entzweit – was man heute sogar noch an unterschiedlichen Dialekten hören kann. Und wir reden von einem Dorf mit nur knapp 1355 Einwohnern auf nicht ganz 20 Quadratkilometerfläche. Mit einer Ampel. Und einem Verkehrszeichen, das extra darauf hinweist, dann demnächst eine Ampel kommt!
Ausgangspunkt unserer Führung mit dem wiederbelebten Dante ist die Piazza Maggiore auf der Via Roma, die uns zur Stadtmauer auf der Seite der Marken führt. Es lohnt sich die Häuser entlang der Straße genau zu betrachten, sie weisen teilweise noch uralte Schmuckwerke auf. Als Berlinerin, die sehr nah dem Mauerstreifen wohnt, bekomme ich etwas Magendrücken als Dante uns an der Kirche San Michele Arcangelo die dort befindliche Grenze durch den Ort im Terroir zeigt Die Kirche selbst wirkt von außen unscheinbar ist aber in ihrem Innern ist sie ein helles, jüngst renoviertes Juwel. Sie wirkt erstaunlich modern und ist wenig opulent ausgestattet. Bemerkenswert ist ein Gemälde eines italienischen Malers namens Pomarancio. Da sich zwischen 1530-1626 aber drei Maler Italiens so selbst bezeichneten, ist die Bestimmung des tatsächlichen Schöpfers der Gemälde immer ein Stück weit fragwürdig.


Käse aus der Grube – Formaggio delle Fosse della Porta di Sotto
Am Ende der Via Roma, genauer der Porta Montanara, beschützt diese Stadtmauer das Castello der – wer soll es anderes sein – Malatesta. Hier liegt in einem Eckhaus die Il Mulino della Porta di Sotto. Diese Mühle hat mit ihrem kulinarisch Geschichte geschrieben. In all den Jahren der Kriege haben die Menschen von Mondaino angefangen, ihre Lebensmittel in die Tufsteinfelsen gegrabene Gruben zu verstecken und sie so vor Plünderungen zu schützen. Als man in friedlicheren Zeiten sich wieder der versteckten Lebensmittel erinnerte, stellte man fest, dass sich nicht nur einige Lebensmittel erstaunlich gut gehalten hatten. Man bemerkte auch, dass sich einige Lebensmittel – wie der Käse – in Eigenschaft und Geschmack angenehm verändert und sogar verbessert hatten.
Der Formaggio delle Fosse della Porta di Sotto D.O.P. wird heute in einem Ritual mit beinahe minutiös einzuhaltenden drei goldenen Regeln produziert, dem die Besitzer nun in der vierten Familiengeneration befolgen. Die Schafe werden im April und Mai gemolken, wenn sie nach dem langen Winter wieder auf herrlich grünen Wiesen in 420 Meter Höhe weiden können. Ihre Milch gilt nun als besonders aromatisch und wird mit natürlichem Lab eingedickt. Der daraus produzierte Käse reift in kleine Quader geformt nun drei Monate im Raum. Im August kommen dann 7-8.000 Käselaibe in jeweils eine der drei historischen Gruben. Auf denen sitze ich im übrigen gerade als uns die Historie des Käses erklärt wird.

Sie haben einen doppelten Holzboden. Boden und die Wände sind mit Stroh ausgekleidet, das die Wärme gut speichert. 30 Grad Celsius herrschen in dieser Grube und der Käse verliert in nur drei Tagen ordentlich Masse an Salz, Wasser und Fett und bildet ein eigenes schützendes Vakuum. Drei Monate Fermentation, genauer: 81 Tage, wird der Käse nun hier reifen und am 18. November eines jeden Jahres um genau 5:00 Uhr morgens aus den Gruben befreit. Dabei sind die Käseberge um einen ganzen Meter im Volumen geschrumpft!

Gerne wird hier wieder Dante aus seinem bekannten Werk „Göttliche Komödie” – dem ersten nicht in Latein verfassten literarischen Werk, das die italienische Sprachrevolution auslöste – zitiert, dass der Käse mit der Entnahme der Grube wie aus dem Fegefeuer befreit wird, um schöner, gereifter und leckerer empor zu fahren! Nun ja. Habe ich also auf dem Fegefeuer gesessen, verdammt nahe dran und nix gemerkt.

Es gibt den Formaggio delle Fossa in drei Variationen: Natur, mit Weizenkorn fermentiert und mit Trüffel. Er ist fettarm, enzymreich und wird hier natürlich fast als eine Art Heilmittel beschrieben. Natürlich dürfen wir ihn verkosten – zusammen mit den anderen wirklich guten Spezialitäten der Region, andere Käsesorten, Salami, Schinken und Pasta, die hier in der Mühle auch verkauft werden – denn sie ist auch ein wundervolles Delikatessengeschäft. Hier sollte man unbedingt vorbei schauen, wenn man in Mondaino weilt. Nun ratet, wo ich also das Sale Docle di Cervia gefunden und eingekauft habe?
Ein Stück Käse habe ich natürlich auch mitgenommen und in Berlin mit dem Bespaßungspersonal von Shiina redlich geteilt. Naturale fand ich etwas blass, Trüffel mag ich eh nicht aber die Variante mit der Weizenekörnern fand ich durchaus angenehm, da würziger im Geschmack. Hier in der Region wird dieser Käse im Grund wie ein Parmigiano verwendet. Warm als Käsesauce, ich mochte ihn zu den Gnocchi sehr gerne, weil er gar nicht bissig käsig daher kam – und tatsächlich auch nicht so gehaltvoll, wie anderen Käsesaucen es gerne vermitteln. Oder man legt ihn kalt auf die Piadina, reicht ihn aufgeschnitten als Antipasti. Sehr lecker mit dem intensiven Il miele aceto

Es war ein schöner Abschluss dieses – gelegentlich sehr feuchten – Tagesausfluges in das historisch und kulinarisch so reich beschenkte Hinterland von Misano Adriatico!

Osteria Dell’Accademia
Via Roma 14
47837 Montegridolfo Rimini
Tel.: +39 378 303 4411

Formaggio di Fossa di Sotto
Via Roma 134
47836 Mondaino Tel.: + 39 (0) 541 981 550
Mail: info@portadisotto.it

Misano Adriatico
Baden, Wandern, Köstlichkeiten – Misano Adriatico
Dante und Käse aus der Grube – Montegridolfo und Mondaino

2022-09-20

In fremder Sache!

In Berlin ist es leider gang und gäbe Einladungen für Veranstaltungen, Partys, Presseevents zuzusagen und dann nicht zu kommen. Sogenannte No-shows! Bekommste eine Einladung, sagst zu, kommt etwas vermeintlich Hipperes um die Ecke, gehste halt dahin. Dass da irgendwo anders Leute mit dir rechnen, für dich mit planen, kann dir doch egal sein.

Das kann man machen aber man verhält sich auf vielen Ebenen wenig sozial, was, so scheint’s mir manchmal, in Teilen bestimmter Generationen der neue Maßstab ist. Schade. (Aber ich bin da auch ein Stück weit Karma gläubig, das Leben wird solches Verhalten regeln.)

Ich durfte die letzten Wochen eine Freundin ab und zu bei ihrem Brot-Job begleiten. Die Vorbereitungen zu diesem sind sehr sympathisch, man trifft sich zum Essen und bekommt sehr feine Küchenkunst serviert, dazu exklusive Getränke und von den Restaurantchef*innen bzw. Koch/Köchinnen interessante berufliche Werdegänge erzählt. Mir ist es eine pure Freude.

Und prompt sind wir mitten im Thema: Restaurants. Was in den Gesprächen mit den Profis natürlich immer ein Thema war, das sind die harten Zeiten für Restaurants, die sie die letzten drei Covid-Jahre zu überstehen hatten. Oder nicht überstanden haben, den einen oder anderen Koch z. B. hätte man 2018 noch als Restaurantbesitzer gesprochen und nicht, wie jetzt, als angestellten Koch. Wir reden hier also auch von menschlichen Schicksalen!

Nun steuern Restaurants aber in die nächste Krise und es sieht leider nicht so aus, als hätten die zuständigen Minister im Bundeswirtschaftsministerium als auch im Finanzministerium greifende Ideen (BWM) oder überhaupt echtes Interesse (BFM) hierfür zeitnah gute, die Existenzen sichernde Lösungen zu finden.

Die Krise ist dergestalt: Wir haben alle deutlich weniger Geld inflationsbedingt und was man in einer solchen Situation tut, man spart am Freizeitgeschehen. Die Menschen gehen also seltener Essen oder passender formuliert, die Menschen können einfach nur noch seltener Essen gehen. Wenn sie es überhaupt noch tun können. Restaurants müssen also mit schwindender Kundschaft leben. Restaurants haben aber auf der anderen Seite ebenfalls mit den Preissteigerungen zu kämpfen, sie kaufen (hochwertige und somit teure) Waren ein, sie kochen meist auf Gas, mindestens mit Strom – und das nicht nur eine halbe Stunde am Abend wie der private Haushalt, sondern vorbereitend den ganzen Tag. Und sie müssen in der kommenden Jahreszeit ihre Restaurants beheizen.

Wenn es uns allen schon finanziell dreckig geht, was glaubt ihr, wie dreckig ergeht es Restaurantbesitzern gerade?

Ich war neulich in einem Restaurant, das nicht all zu viele Plätze vorhält. Es ist sehr charmant für einen Gast, weil leiser und man wird wirklich noch als Gast gesehen und betreut und nicht als Durchlaufposten für die Bilanz. An dem Abend als wir dort essen waren, sind alle Plätze reserviert gewesen. Und dann sind an dem Abend einfach mal vier der Reservierungen nicht erschienen! Vier Tische für die frische Waren eingekauft wurden, gekocht wurde, Energie verbraucht wurde – und keiner von ihnen hat überhaupt angerufen und seine Reservierung gecancelt. Keiner!

Das ist in einem Restaurant mit vielleicht nur zwölf Tischen ein Drittel!

Ich frage mich, ob den Menschen klar ist, was sie unserer Restaurantszene damit antun? Sie killen sie, sie machen sie arm. Sie treiben sie in die Insolvenz. Und das ist einfach nicht fair! Wenn man per Telefon oder Mail einen Tisch reservieren kann – warum kann man nicht auch absagen, wenn man – auch kurzfristig – nicht kommen kann oder möchte? Worin liegt das Problem sich hier einfach fair gegenüber den Restaurantbesitzern zu verhalten?

An dem gleichen Abend sind zwei Gäste in das Restaurant gekommen, die dort gerne kurz entschlossen gegessen hätten. Sie musssten aber weggeschickt werden, denn man war vermeintlich ausgebucht. Zwei von vier Tischen hätten also trotz der No-shows vergeben werden können! Der Materialeinsatz hätte verwendet werden können und wäre nicht in die Tonne gewandert und hätte kein Minus in den Tageseinnahmen verursacht. Wenn man es nur rechtzeitig gewusst hätte: die gebuchten Gäste kommen nicht!

Und vermutlich haben sogar Gäste angerufen und gefragt, ob am gleichen Tag noch ein Tisch zu bekommen wäre und es genauso verneint werden musste.

Leute, hört doch bitte auch damit. Habt doch ein bisschen mehr Respekt vor der Existenz anderer Leute! Wenn ihr irgendwo reserviert oder Einladungen zusagt, dann sagt ab, wenn ihr nicht könnt. Bestenfalls langfristig. Aber selbst kurzfristige Absagen – und es kann einem immer etwas dazwischen kommen – sind für einen Restaurantbesitzer eine große Unterstützung, weil sie dann wissentlich einen Tisch nach kurzfristiger Absage doch noch vergeben können.

Einige Restaurantbesitzer stark nachgefragter Küchen fangen in ihrer Verzweiflung jetzt an, Anzahlungen bei Reservierungen zu nehmen, damit diesem Nichterscheinen erzieherisch etwas gegengehalten werden kann.

Wie traurig ist das denn eigentlich? Da müssen erwachsene Menschen von Gastronomen erzogen werden, weil sie die Mindestregeln im höflichen Umgang miteinander nicht mehr beherrschen?

Seid fair der Restaurantszene gegenüber, die arbeiten für euch! Sie haben es verdient, dass ihr nicht gegen sie arbeitet!

Ich würde mich freuen, wenn dieses Blogpost geteilt würde, um ein Bewusstsein der traurigen Situation zu schaffen in der Gastronomen gerade wirtschaften müssen. Oder sprecht bitte darüber im Kollegen- und Freundeskreis. Macht darauf aufmerksam, dass ein Mindestmaß an Höflichkeit – in diesem Fall eine Absage – für ein Restaurant existenziell ist in dieser besonderen Zeit.

Eurem Lieblingsrestaurant geht’s nicht gut gerade!

Danke!

2022-09-19

Das schöne Hinterland von Misano Adriatico – Ausflug nach Montefiore Conca

Von der blauen Schönheit, die die Küste von Misano Adriatico umgibt, abgesehen, ist da noch die satt grüne Kulisse des hügeligen Hinterlandes der Emilia Romagna. Dort, wo die fantastischen Lebensmittel der Region produziert werden. Wo tiefgründige Sangiovese aber auch leichte weiße Albana di Romagna angebaut werden, in großer Vielfalt geschmackvolle Käse geschöpft werden, würzige Schinken und Salami in den Trockenräumen hängen. Und dann ist da noch die lange Geschichte der Burgen, die überall in der Struktur auf den Bergen verteilt stehen voller Geschichte und Kunstwerke. Langweilig wird’s hier nicht.


Tourenvielfalt

Wandern, Rad fahren – oder mit dem Auto fahren. Es gibt vielfältige Möglichkeiten diese Landschaft zu erleben. Eine Wanderung entlang der Mündung des Conca ab Misano Adriatico in Richtung Süden bis nach Cattolica ist ein leichtes Wandervergnügen. Man ist ca. 4 Stunden unterwegs auf der knapp 16 Kilometer langen Strecke mit vergleichsweise geringen Höhenunterschieden (70 m).

Radfahrer, die anspruchsvolle Touren suchen, sind in den Steilwänden des Conca im Marecchia Tal mit vier kurzen aber anspruchsvollen Aufstiegen gut unterhalten. Ein besonders intensiver aber auch landschaftlich wunderschöner Abschnitt liegt zwischen Mercatino Conca und Monte Grillo: sieben Kilometer aufwärts mit 10 % Steigungen – das muss man mögen! Diese Strecke ist fast 94 Kilometer lang und man überwindet 1870 m Höhenunterschiede.


Anbaden in Misano Adriatico
Tatsächlich ist am zweiten Tag meines Aufenthalts in Misano Adriatico das Wetter perfekt für die Landwirtschaft, ich habe den vermutlich einzigen Regentag in diesem Juni abgegriffen. Die Wetter-App verspricht Regen ab acht Uhr. Also stelle ich mir meinen Wecker auf sechs Uhr und gönne ich mir einen schönen Moment am Meer und schwimme ein paar Runden in der Adria. Wenn schon am Meer, dann auch einmal im Meer sein. Es ist herrlich, ich bin fast alleine, nur hinten auf See schaukeln die kleinen Fischerboote.

Nach dem köstlichen Frühstück im Hotel machen wir uns auf und fahren hoch auf den Rocca di Montefiore Conca um das gleichnamige Castello zu besichtigen. Der Ort gehört zur Provinz Rimini und liegt davon 18,5 Kilometer südöstlich entfernt. 2240 Einwohner leben hier fest.
Zu Fuß könnte man diese Strecke von 16 Kilometern in vier Stunden bewältigen, dank der Serpentinen sind es immerhin auch mit dem Auto ca. 30 Minuten. Die Landschaft im Conca-Tal ist wirklich herrlich grün. Wann immer der Conca gekreuzt wird, zeigt er sich in diesem Frühsommer eher wasserarm.


Zu Hause bei den Malatestas

Die Befestigungsanlage der Familie Malatesta (ihr erinnert euch an sie als Namensgeber edler Weine) steht hoch über dem gesamten Tal, uneinnehmbar. Heute sind noch Teile der Stadtmauer erhalten und das Dorf drum herum scheint – zumindest bei bedecktem Himmel – erstaunlich mittelalterlich. Ist hier die Zeit stehen geblieben? Montefiore gilt tatsächlich als die intakteste architektonische Hinterlassenschaft des Malatesta-Imperiums. Die Festung wirkt aufgrund ihrer klaren Geometrie als Quader erstaunlich … modern. Das gesamte Dorf – das zu seinen Glanzseiten quasi als die Hauptstadt der Region galt – ist heute als eines der schönsten Dörfer in Italien ausgezeichnet. (I Borghi più belli d’Italia.)
Erste Ursprünge der Festung führen zurück ins 11. Jahrhundert. Malatesta Gustafamiglia (1299-1364) hatte den Bau der Festung im heutigen Stil im Jahr 1337 ersonnen und es ist überliefert, dass der Bau 1347 bereits abgeschlossene Sache war. Über die Jahrhunderte wurde von seinen mächtigen Nachkommen natürlich viel angebaut, das imposante Gebäude neu strukturiert und aufgestockt. So stand früher sogar eine Windmühle oben auf dem Dach der Festung!
Im allerjüngsten gelungenen Restaurierungsvorhaben wurden infolge der archäologischen Ausgraben tiefere Ebenen der Burg freigelegt, dabei wurden viele Artefakte der einzelnen Besiedlungsphasen entdeckt und freigelegt, die heute Teile der liebevollen Ausstellung sind. Leider sind die Beschreibungen in der Ausstellung nur auf Italienisch verfasst, das passt nicht mehr so ganz zur modernen Methodik der Präsentation innerhalb der EU. Der Kaisersaal mit den weltlichen Fresken (Jacopo Avanzi) ist seit der Fertigstellung zugänglich (angenehm spartanisch gehalten), ebenso das ursprüngliche Satteldach des Schlosses – man muss aber hier und dort enge und steile Treppen steigen wollen. Diese übliche italienische Spezialität macht diese beeindruckende Sehenswürdigkeit leider nicht barrierefrei.


Unglückliche Donna Constanza

Um die ganze interessante Geschichte der durchaus den Intrigen und Morden in zugewandten Malatesta-Dynastie zu erfahren, lohnt sich eine Führung absolut. So erfährt man aus fast erster Hand vom traurigen Schicksal der von ihrem geldgierigen Onkel (leider auch späteren Ehemann) ermordeten und deswegen verständlicherweise heute noch im Schloss wandelnden Constanza Malatesta.
Donna Constanza wurde sehr früh verheiratet, verwitwete ebenso früh und verliebte sich unter ihren Stand in den Bogenschützen Ormanno. Trotz dieser Liebe musste sie sich von ihrem Onkel freien lassen, der sie und ihren Geliebten mit einer Hinterlist sehr kurz nach der Eheschließung 1378 offiziell ins Jenseits befehlen durfte und in der Folge, intrigant geplant, Erbe dieser attraktiven Liegenschaft wurde. Die hohe Qualität dieser Ausstellung bemerkt man an der liebevollen Art, wie hier die früheren Wohnräume nachgestellt wurden. Im Schlafzimmer der unseligen Constanza fühlt man förmlich ihr Leiden, Gänsehaut ist da nicht fern.
Die gibt es gleich noch einmal in der Folterkammer. Hübsche verrostete Relikte, die in ihrer Funktion keinen Zweifel im Raum stehen lassen. Das tun die dazu gehörigen Zeichnungen auch nicht. Es gruselt und fasziniert mich gleichzeitig. Fasziniert bin ich ebenso von den Ausblicken vom Dach bzw. umliegenden Burgmauern ins Conca Tal, auf die Grenze der Romagna zu den Marken und weit hinten das Blau der Adria. Der Blick ist auch wolkenverhangen besonders schön.


Die Gastfreundlichkeit der Montefiorer

Ein kurzer Spaziergang durch Montefiore Conca vermittelt einen kleinen Eindruck von der Schönheit des Ortes, am Fuße des Castellos ist noch eine Kirche zu besichtigen. Sie wirkt aufgrund ihrer langjährigen Geschichte etwas renovierungsbedürftig aber gibt alles, was katholisches Kirchentum in farblicher Pracht bieten kann. Immerhin gibt es hier echte Kerzen und ich entzünde eine und bedanke mich irgendwo darüber, dass es meinen Lieben gut geht. Ich mag es echte Kerzen in Kirchen anzuzünden. Gibt es eh nicht mehr so oft. Ein ordentliches Regengebiet erzwingt einen etwas längeren Aufenthalt als geplant und der Pfarrer, dessen Mutter aus Österreich stammt, nutzt seine Chance und erzählt sehr kurzweilig, engagiert und witzig auf deutsch die ganze Historie der Kirche. Der Mann ist toll, hat einen brillianten Humor – und ich wünsche ihm von Herzen, die Katholiken mögen ein bisschen Geld in die Hand nehmen, um dieser Kirche ein bisschen Restauration und Erhalt zu gönnen.
Es folgt ein umfangreicher Aperitivo im Locanda Il Grillo – ein Tisch voller regionaler Köstlichkeiten und Getränke.

Ich lebe … wie Gott in Italien, na auf jeden Fall wie in Montefiore Conca!


Rocca di Montefiore Conca
Via Cella di Bonora, IT-47834 Montefiore Conca
Tel.: +39 0541 980179
E-Mail: castellodimontefiore@gmail.com

Ristorante Locando Il Grillo
Piazza della Libertà, 12, IT-47834 Montefiore Conca RN
Tel.: +39 0541 161 2292
Blogpost 1 Misano Adriatico Blogpost 2 Baden, Wandern, Köstlichkeiten – Misano Adriatico