2022-09-21

Dante und Käse aus der Grube – Montegridolfo und Modaino

Montegridolfo – Meisterhaft in der Wiederaufstehung

Hügel runter, Hügel wieder rauf. Montegridolfo ist nur knappe 12 Kilometer von Montefiore Conca entfernt. Entlang der Serpentinen ist man dann doch 30 Minuten unterwegs. Knappe 1.000 Einwohner leben hier auf einer Fläche von nur 6,8 Quadratkilometern. Vorrangig besteht Montegridolfo aus einer mittelalterlichen Festungsanlage, der Ortskern ist von einer Stadtmauer umgeben. Die besondere Schönheit dieser Ortschaft wird vor allem in Luftaufnahmen deutlich. Das Stadttor Torre dell’Orologio trägt seinen Namen zu Recht, denn es wird von einem hohen Uhrenturm beherrscht. Dieser Turm wurde im Jahr 1338 von der uns nun schon bekannten Familie Malatesta errichtet.
Der Ort, liegt auf einem Hügelkamm, der die Provinzen Pesaro (Rimini) und Urbino (Marken) trennt. Diese Trennung mochten die Familien Malatesta (Rimini) – und auf der Seite des Urbino, die Montefeltro – nicht für sich gelten lassen. Beide Familien kämpften im gesamten Conca-Tal gegeneinander, um ihre Territorien zu erweitern – da war Montegridolfo klassisches Objekt der Begierde. Namensgeber war ursprünglich die Adelsfamilie Gridolfo, die im 13. Jahrhundert dort residierte. Nachdem über 300 Jahre in und um Motegridolfo gestritten wurde, kam es im Jahr 1936 zu der kompletten Zerstörung des Ortes durch Graf Nolfo von Urbino.

In den folgenden Jahren baute Galeotto Malatesta den Ort wieder auf – und dabei errichtete er den Uhrenturm. Die komplette Übernahme von Montegridolfo durch die Malatesta dauerte allerdings noch bis in das 16. Jahrhundert. Die jüngste Restaurierung des Castellos wurde finanziert von der Gemeinde Montegridolfo und der Region Emilia-Romagna und im Jahr 1994 fertiggestellt. Faszinierend wirkt die komplett erhaltende Stadtmauer.

In einem Teil des Castellos, im Pallazo Viviani, kann man sich heute als Hotelgast einbuchen.
Das luxuriös ausgestattete Hotel hat besonderen Charme, weil man in Rücksicht auf die Bausubstanz nicht jeden möglichen neumodernen Komfort eingebracht hat. Aber keine Sorge, WLAN ist natürlich verfügbar. Dafür hängen in den 43 Zimmern und Suiten noch ursprüngliche Wandteppiche. Die Katze des Hauses ist gemütliche 17 Jahre alt, wirkt dementsprechend ramponiert, ist aber im Haus hoch geschätzt – und einem Streichler vom Gast nicht abgeneigt. Übrigens sind hier Haustiere erlaubt! Das Haus – so unscheinbar es von außen wirkt – und seine Lage – bei besserem Wetter auch seine Außenanlage – sind etwas Besonderes.
Osteria Dell'Accademia

300 Meter entfernt bin ich in der Osteria Dell’Accademia zum Mittagessen eingeladen. Das Accademia im Namen entstammt der Historie, dass in Montegridolfo im 19. Jahrhundert eine namhafte Musikakademie ansässig war. Alle servierten Produkte entstammen der Romagna, wie gerne betont, im Rahmen der Initiative Zero Kilometre.

Die Vorspeise, Ricotta con Lamponi disidratati e olio d’olivia, luftig aufgeschlagener Ricotta mit getrockneten Himbeeren und einem herrlichen sanften fruchtigen Olivenöl (Eticcheta viola), ist zum Niederknien! Einfache drei Zutaten, so gut! Als Primo folgen zarte Gnocchetti di patata viola con fossa di Sogliano, Rote Beete-Gnocchi mit einer angenehm unaufdringlichen Käsesauce aus dem Grubenkäse aus Sogliano und Rote Beete-Staub. Dieser Gang hatte Spaß gemacht – den Grubenkäse werde ich später noch genauer kennenlernen. Mein Secondo ist ein Stubenküken mit gegrilltem Gemüse serviert, was sehr ambitioniert ist nach den Gnocchi. Dazu trinke ich einen robusten Rotwein von der Tenuta del Monsignore „La Levata”, einen Sangiovese aus dem Jahr 2021 (im Foto rechts, das Etikett mit dem Hahn). Zum Abschluss ein Sorbet aus zweierlei blauen Früchten – das fand ich etwas überparfümiert.
Ein ordentliches Mittagessen mit einer fantastischen Aussicht und einer Wassermischsteuerung im Bad, die … anders schön ist.


Mondaino – ein Spaziergang mit Dante

Nächster Besuchspunkt ist Mondaino, knappe 5 Kilometer von Montegridolfo entfernt. Ein Stündchen Fußweg – mit dem Auto eingestiegen und gleich wieder ausgestiegen. Im Prinzip gibt es zwei Mondainos: Uptown und Downtown. Uptown ist wieder Romagna, Downtown die Marken.
Eine Klassifizierung, wie der in roten Samt gewandete Dante Alighieri erzählt, während er durch Mondaino führt, die wohl heute noch Bestand hat und an den Kaufpreisen der Häuser zu spüren ist. Der frühere Geschichtsprofessor, Angelo Chiaretti, der nach seiner Pensionierung nun Touristen durch diese kleine Ortschaft führt, macht das sehr charmant und humorvoll – und sucht sich aus der Truppe auch zielsicher seine Beatrice aus mit der ihn eine große, leider viel zu kurze Liebe verbunden hatte. Ein frühes Ende mit seiner neuen Beatrice ist aber auch hier leider sehr absehbar.
Dante (1256-1321) ist den Italienern ungefähr das, was uns Goethe ist vom Stellenwert. Er hat Italien in der Sprachkultur weg vom Latein hin zu dem heute gesprochenen lebendigen Italienisch geführt. Ansonsten war er streitbarer Politiker, Philosoph und Schreiberling. Italien verehrt ihn. Als über Dante in seiner Heimatstadt Florenz die Todesstrafe verhängt worden ist, ist er in die Romagna ins Exil gegangen und durch diese gereist. Gelebt hatte er vor allem in Ravenna, wo heute auch sein Grab liegt. Ich weiß nicht, wie es in anderen Provinzen Italien ist – aber die Romagna vergöttert ihn.

In Mondaino haben die Familien Malatesta und Da Montefeltro übrigens dann irgendwann einmal ihren Friedensvertrag unterschrieben – womit sich im Rahmen meiner Reise durch diese drei Dörfer der Romagna ein friedlicher Kreis schließt. Dennoch, die Streitigkeiten, die vor dieser Einigung hier viel Schaden angerichtet haben, haben den Ort schlussendlich entzweit – was man heute sogar noch an unterschiedlichen Dialekten hören kann. Und wir reden von einem Dorf mit nur knapp 1355 Einwohnern auf nicht ganz 20 Quadratkilometerfläche. Mit einer Ampel. Und einem Verkehrszeichen, das extra darauf hinweist, dann demnächst eine Ampel kommt!
Ausgangspunkt unserer Führung mit dem wiederbelebten Dante ist die Piazza Maggiore auf der Via Roma, die uns zur Stadtmauer auf der Seite der Marken führt. Es lohnt sich die Häuser entlang der Straße genau zu betrachten, sie weisen teilweise noch uralte Schmuckwerke auf. Als Berlinerin, die sehr nah dem Mauerstreifen wohnt, bekomme ich etwas Magendrücken als Dante uns an der Kirche San Michele Arcangelo die dort befindliche Grenze durch den Ort im Terroir zeigt Die Kirche selbst wirkt von außen unscheinbar ist aber in ihrem Innern ist sie ein helles, jüngst renoviertes Juwel. Sie wirkt erstaunlich modern und ist wenig opulent ausgestattet. Bemerkenswert ist ein Gemälde eines italienischen Malers namens Pomarancio. Da sich zwischen 1530-1626 aber drei Maler Italiens so selbst bezeichneten, ist die Bestimmung des tatsächlichen Schöpfers der Gemälde immer ein Stück weit fragwürdig.


Käse aus der Grube – Formaggio delle Fosse della Porta di Sotto
Am Ende der Via Roma, genauer der Porta Montanara, beschützt diese Stadtmauer das Castello der – wer soll es anderes sein – Malatesta. Hier liegt in einem Eckhaus die Il Mulino della Porta di Sotto. Diese Mühle hat mit ihrem kulinarisch Geschichte geschrieben. In all den Jahren der Kriege haben die Menschen von Mondaino angefangen, ihre Lebensmittel in die Tufsteinfelsen gegrabene Gruben zu verstecken und sie so vor Plünderungen zu schützen. Als man in friedlicheren Zeiten sich wieder der versteckten Lebensmittel erinnerte, stellte man fest, dass sich nicht nur einige Lebensmittel erstaunlich gut gehalten hatten. Man bemerkte auch, dass sich einige Lebensmittel – wie der Käse – in Eigenschaft und Geschmack angenehm verändert und sogar verbessert hatten.
Der Formaggio delle Fosse della Porta di Sotto D.O.P. wird heute in einem Ritual mit beinahe minutiös einzuhaltenden drei goldenen Regeln produziert, dem die Besitzer nun in der vierten Familiengeneration befolgen. Die Schafe werden im April und Mai gemolken, wenn sie nach dem langen Winter wieder auf herrlich grünen Wiesen in 420 Meter Höhe weiden können. Ihre Milch gilt nun als besonders aromatisch und wird mit natürlichem Lab eingedickt. Der daraus produzierte Käse reift in kleine Quader geformt nun drei Monate im Raum. Im August kommen dann 7-8.000 Käselaibe in jeweils eine der drei historischen Gruben. Auf denen sitze ich im übrigen gerade als uns die Historie des Käses erklärt wird.

Sie haben einen doppelten Holzboden. Boden und die Wände sind mit Stroh ausgekleidet, das die Wärme gut speichert. 30 Grad Celsius herrschen in dieser Grube und der Käse verliert in nur drei Tagen ordentlich Masse an Salz, Wasser und Fett und bildet ein eigenes schützendes Vakuum. Drei Monate Fermentation, genauer: 81 Tage, wird der Käse nun hier reifen und am 18. November eines jeden Jahres um genau 5:00 Uhr morgens aus den Gruben befreit. Dabei sind die Käseberge um einen ganzen Meter im Volumen geschrumpft!

Gerne wird hier wieder Dante aus seinem bekannten Werk „Göttliche Komödie” – dem ersten nicht in Latein verfassten literarischen Werk, das die italienische Sprachrevolution auslöste – zitiert, dass der Käse mit der Entnahme der Grube wie aus dem Fegefeuer befreit wird, um schöner, gereifter und leckerer empor zu fahren! Nun ja. Habe ich also auf dem Fegefeuer gesessen, verdammt nahe dran und nix gemerkt.

Es gibt den Formaggio delle Fossa in drei Variationen: Natur, mit Weizenkorn fermentiert und mit Trüffel. Er ist fettarm, enzymreich und wird hier natürlich fast als eine Art Heilmittel beschrieben. Natürlich dürfen wir ihn verkosten – zusammen mit den anderen wirklich guten Spezialitäten der Region, andere Käsesorten, Salami, Schinken und Pasta, die hier in der Mühle auch verkauft werden – denn sie ist auch ein wundervolles Delikatessengeschäft. Hier sollte man unbedingt vorbei schauen, wenn man in Mondaino weilt. Nun ratet, wo ich also das Sale Docle di Cervia gefunden und eingekauft habe?
Ein Stück Käse habe ich natürlich auch mitgenommen und in Berlin mit dem Bespaßungspersonal von Shiina redlich geteilt. Naturale fand ich etwas blass, Trüffel mag ich eh nicht aber die Variante mit der Weizenekörnern fand ich durchaus angenehm, da würziger im Geschmack. Hier in der Region wird dieser Käse im Grund wie ein Parmigiano verwendet. Warm als Käsesauce, ich mochte ihn zu den Gnocchi sehr gerne, weil er gar nicht bissig käsig daher kam – und tatsächlich auch nicht so gehaltvoll, wie anderen Käsesaucen es gerne vermitteln. Oder man legt ihn kalt auf die Piadina, reicht ihn aufgeschnitten als Antipasti. Sehr lecker mit dem intensiven Il miele aceto

Es war ein schöner Abschluss dieses – gelegentlich sehr feuchten – Tagesausfluges in das historisch und kulinarisch so reich beschenkte Hinterland von Misano Adriatico!

Osteria Dell’Accademia
Via Roma 14
47837 Montegridolfo Rimini
Tel.: +39 378 303 4411

Formaggio di Fossa di Sotto
Via Roma 134
47836 Mondaino Tel.: + 39 (0) 541 981 550
Mail: info@portadisotto.it

Misano Adriatico
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