Das schöne Hinterland von Misano Adriatico – Ausflug nach Montefiore Conca
Von der blauen Schönheit, die die Küste von Misano Adriatico umgibt, abgesehen, ist da noch die satt grüne Kulisse des hügeligen Hinterlandes der Emilia Romagna. Dort, wo die fantastischen Lebensmittel der Region produziert werden. Wo tiefgründige Sangiovese aber auch leichte weiße Albana di Romagna angebaut werden, in großer Vielfalt geschmackvolle Käse geschöpft werden, würzige Schinken und Salami in den Trockenräumen hängen. Und dann ist da noch die lange Geschichte der Burgen, die überall in der Struktur auf den Bergen verteilt stehen voller Geschichte und Kunstwerke. Langweilig wird’s hier nicht.
Tourenvielfalt
Wandern, Rad fahren – oder mit dem Auto fahren. Es gibt vielfältige Möglichkeiten diese Landschaft zu erleben. Eine Wanderung entlang der Mündung des Conca ab Misano Adriatico in Richtung Süden bis nach Cattolica ist ein leichtes Wandervergnügen. Man ist ca. 4 Stunden unterwegs auf der knapp 16 Kilometer langen Strecke mit vergleichsweise geringen Höhenunterschieden (70 m).
Radfahrer, die anspruchsvolle Touren suchen, sind in den Steilwänden des Conca im Marecchia Tal mit vier kurzen aber anspruchsvollen Aufstiegen gut unterhalten. Ein besonders intensiver aber auch landschaftlich wunderschöner Abschnitt liegt zwischen Mercatino Conca und Monte Grillo: sieben Kilometer aufwärts mit 10 % Steigungen – das muss man mögen! Diese Strecke ist fast 94 Kilometer lang und man überwindet 1870 m Höhenunterschiede.
Anbaden in Misano Adriatico
Tatsächlich ist am zweiten Tag meines Aufenthalts in Misano Adriatico das Wetter perfekt für die Landwirtschaft, ich habe den vermutlich einzigen Regentag in diesem Juni abgegriffen. Die Wetter-App verspricht Regen ab acht Uhr. Also stelle ich mir meinen Wecker auf sechs Uhr und gönne ich mir einen schönen Moment am Meer und schwimme ein paar Runden in der Adria. Wenn schon am Meer, dann auch einmal im Meer sein. Es ist herrlich, ich bin fast alleine, nur hinten auf See schaukeln die kleinen Fischerboote.
Nach dem köstlichen Frühstück im Hotel machen wir uns auf und fahren hoch auf den Rocca di Montefiore Conca um das gleichnamige Castello zu besichtigen. Der Ort gehört zur Provinz Rimini und liegt davon 18,5 Kilometer südöstlich entfernt. 2240 Einwohner leben hier fest.
Zu Fuß könnte man diese Strecke von 16 Kilometern in vier Stunden bewältigen, dank der Serpentinen sind es immerhin auch mit dem Auto ca. 30 Minuten. Die Landschaft im Conca-Tal ist wirklich herrlich grün. Wann immer der Conca gekreuzt wird, zeigt er sich in diesem Frühsommer eher wasserarm.
Zu Hause bei den Malatestas
Die Befestigungsanlage der Familie Malatesta (ihr erinnert euch an sie als Namensgeber edler Weine) steht hoch über dem gesamten Tal, uneinnehmbar. Heute sind noch Teile der Stadtmauer erhalten und das Dorf drum herum scheint – zumindest bei bedecktem Himmel – erstaunlich mittelalterlich. Ist hier die Zeit stehen geblieben? Montefiore gilt tatsächlich als die intakteste architektonische Hinterlassenschaft des Malatesta-Imperiums. Die Festung wirkt aufgrund ihrer klaren Geometrie als Quader erstaunlich … modern.
Das gesamte Dorf – das zu seinen Glanzseiten quasi als die Hauptstadt der Region galt – ist heute als eines der schönsten Dörfer in Italien ausgezeichnet. (I Borghi più belli d’Italia.)
Erste Ursprünge der Festung führen zurück ins 11. Jahrhundert. Malatesta Gustafamiglia (1299-1364) hatte den Bau der Festung im heutigen Stil im Jahr 1337 ersonnen und es ist überliefert, dass der Bau 1347 bereits abgeschlossene Sache war. Über die Jahrhunderte wurde von seinen mächtigen Nachkommen natürlich viel angebaut, das imposante Gebäude neu strukturiert und aufgestockt. So stand früher sogar eine Windmühle oben auf dem Dach der Festung!
Im allerjüngsten gelungenen Restaurierungsvorhaben wurden infolge der archäologischen Ausgraben tiefere Ebenen der Burg freigelegt, dabei wurden viele Artefakte der einzelnen Besiedlungsphasen entdeckt und freigelegt, die heute Teile der liebevollen Ausstellung sind.
Leider sind die Beschreibungen in der Ausstellung nur auf Italienisch verfasst, das passt nicht mehr so ganz zur modernen Methodik der Präsentation innerhalb der EU. Der Kaisersaal mit den weltlichen Fresken (Jacopo Avanzi) ist seit der Fertigstellung zugänglich (angenehm spartanisch gehalten), ebenso das ursprüngliche Satteldach des Schlosses – man muss aber hier und dort enge und steile Treppen steigen wollen. Diese übliche italienische Spezialität macht diese beeindruckende Sehenswürdigkeit leider nicht barrierefrei.
Unglückliche Donna Constanza
Um die ganze interessante Geschichte der durchaus den Intrigen und Morden in zugewandten Malatesta-Dynastie zu erfahren, lohnt sich eine Führung absolut. So erfährt man aus fast erster Hand vom traurigen Schicksal der von ihrem geldgierigen Onkel (leider auch späteren Ehemann) ermordeten und deswegen verständlicherweise heute noch im Schloss wandelnden Constanza Malatesta.
Donna Constanza wurde sehr früh verheiratet, verwitwete ebenso früh und verliebte sich unter ihren Stand in den Bogenschützen Ormanno. Trotz dieser Liebe musste sie sich von ihrem Onkel freien lassen, der sie und ihren Geliebten mit einer Hinterlist sehr kurz nach der Eheschließung 1378 offiziell ins Jenseits befehlen durfte und in der Folge, intrigant geplant, Erbe dieser attraktiven Liegenschaft wurde.
Die hohe Qualität dieser Ausstellung bemerkt man an der liebevollen Art, wie hier die früheren Wohnräume nachgestellt wurden. Im Schlafzimmer der unseligen Constanza fühlt man förmlich ihr Leiden, Gänsehaut ist da nicht fern.
Die gibt es gleich noch einmal in der Folterkammer. Hübsche verrostete Relikte, die in ihrer Funktion keinen Zweifel im Raum stehen lassen. Das tun die dazu gehörigen Zeichnungen auch nicht.
Es gruselt und fasziniert mich gleichzeitig.
Fasziniert bin ich ebenso von den Ausblicken vom Dach bzw. umliegenden Burgmauern ins Conca Tal, auf die Grenze der Romagna zu den Marken und weit hinten das Blau der Adria. Der Blick ist auch wolkenverhangen besonders schön.
Die Gastfreundlichkeit der Montefiorer
Ein kurzer Spaziergang durch Montefiore Conca vermittelt einen kleinen Eindruck von der Schönheit des Ortes, am Fuße des Castellos ist noch eine Kirche zu besichtigen. Sie wirkt aufgrund ihrer langjährigen Geschichte etwas renovierungsbedürftig aber gibt alles, was katholisches Kirchentum in farblicher Pracht bieten kann. Immerhin gibt es hier echte Kerzen und ich entzünde eine und bedanke mich irgendwo darüber, dass es meinen Lieben gut geht. Ich mag es echte Kerzen in Kirchen anzuzünden. Gibt es eh nicht mehr so oft.
Ein ordentliches Regengebiet erzwingt einen etwas längeren Aufenthalt als geplant und der Pfarrer, dessen Mutter aus Österreich stammt, nutzt seine Chance und erzählt sehr kurzweilig, engagiert und witzig auf deutsch die ganze Historie der Kirche. Der Mann ist toll, hat einen brillianten Humor – und ich wünsche ihm von Herzen, die Katholiken mögen ein bisschen Geld in die Hand nehmen, um dieser Kirche ein bisschen Restauration und Erhalt zu gönnen.
Es folgt ein umfangreicher Aperitivo im Locanda Il Grillo – ein Tisch voller regionaler Köstlichkeiten und Getränke.
Ich lebe … wie Gott in Italien, na auf jeden Fall wie in Montefiore Conca!
Rocca di Montefiore Conca
Via Cella di Bonora, IT-47834 Montefiore Conca
Tel.: +39 0541 980179
E-Mail: castellodimontefiore@gmail.com
Ristorante Locando Il Grillo
Piazza della Libertà, 12, IT-47834 Montefiore Conca RN
Tel.: +39 0541 161 2292
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