Nun ist die fünfte Folge „Geschickt eingefädelt”, der deutschen Variante des britischen – dort sehr erfolgreichen Formats - „The Great British Seweing Bee” gelaufen und ich bin's eben: enttäuscht.
VOX hat es vorgezogen sich in allen Änderungen konträr zum Original falsch zu entscheiden. Das fängt damit an, dass die Person, die sicherlich vom Handwerk und Kreativität mehr versteht, gleichzeitig den Moderator und Betreuer der Kandidaten geben muss. Eine Aufgabe, der Guido Maria Kretschmer leider nicht gerecht wird. Beziehungsweise er sie leider in einer Art und Weise bedient, wie sie sicherlich in seinem sonstigen Hausformat „Shopping Queen” beim gleichen Sender nachgefragt war und ihn auch für das TV empfahl. Hier aber wäre weniger der Clown, dafür der in der Materie steckende Fachmann die angenehmere Begleitung gewesen.
Denn bei „Geschickt eingefädelt” geht es nicht darum anzumerken, dass die eine Kandidaten sich wie eine Marktfrau kleiden würde oder er sich nicht ausmalen möge, wenn Kandidatin X (größere Konfektionsgröße) vom Tisch fallen würde auf Kandidaten Y (kleinere Konfektionsgröße). (Es stand nie zur Debatte, dass Kandidatin X von irgendeinem Tisch in diesem Format fallen würde.) Guido Maria Kretscher hat allzu offensichtlich ein Problem mit Frauen, die nicht in seine übliche Kollektion passen würden und deswegen meint er, sei es legitim, sich an dieser einen Kandidatin abzuarbeiten. Dabei hilft ihm die Redaktion im Schnittraum allzu übereifrig. Wenn eine Aufgabe „Schlankmacherkleid” lautet – und der erste Schnitt nach Nennung des Wortes auf das Gesicht der einzigen Kandidatin fällt, die größer als Konfektionsgröße 42 trägt, ist das fantasielos, geschmacklos und im Grunde bloß dumm. Es berührt mich allenfalls peinlich. Unterhaltend ist es nicht.
Das – vorneweg – hat bei mir im übrigen die allergrößte Störung ausgelöst. Denn es ist der ganz besondere Flair von „The Great British Sewing Bee”, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit ihrem Talent mit großem Respekt präsentiert und dabei nie vorgeführt werden. Alleine wie dort in der zweiten Staffel eine Teilnehmerin mit Hör- und Sprachbehinderung mit völliger Selbstverständlichkeit in dem Format ihren Platz findet – und später zum Weihnachtsspecial erneut eingeladen wird, zeigt die humane Souveränität des Formates. Das genau macht – vom inhaltlichen Thema Nähen abgesehen – diesen besonderen Reiz aus beim Zusehen. Teilnehmer einer Show im Wettbewerb dürfen sein ohne vorgeführt zu werden. Sie dürfen kreativ sein, ihre Arbeit demonstrieren, Sorgen und Ängste in einem Wettkampf zeigen, ohne dass in der Regie das Material so zusammen geführt wird, dass sie hinterher blöd da stehen. VOX hat es einfach gar nicht verstanden!
Jetzt möchte ich sehen, wie VOX an gleicher Stelle eine Person mit Behinderung überreden wollte bei diesem Format mitzumachen, nachdem man schon keine Chance ausgelassen hatte, die einzige Teilnehmerin mit Übergröße in jeder Folge vorzuführen. Ist das eine Empfehlung? Für was?
Die Sicherheit, dass sich die Teilnehmer wohl fühlen können, alleine auf ihr Talent und Können hin bewertet und präsentiert werden, das macht die hohe Kunst von „The Great British Sewing Bee” aus. Vox hat sich leider nicht sehr viel Mühe gegeben, dieses Niveau der Vorlage auch nur annähernd zu erreichen.
Gesucht wird der „talentierteste Hobbynäher Deutschlands”, weswegen VOX zwei (reizende und sicher talentierte) Teilnehmer ins Rennen zu schicken, die bereits auf Steuernummer nähen, somit also professionell nähen. Mir ist herzlich egal, wie VOX hier im Format eine ordentliche Männerquote hinbekommt. Aber bitte doch nicht in dem man mich Zuschauererin für so blöd hält!
Dann, das muss man auch sagen, wird erstaunlich schlecht genäht! Wer sich so einem Wettbewerb stellt, sollte in der Lage sein auf Nähaufgaben erfüllen zu können und wenigstens normale Nähte sehr sauber nähen. Ich verlange nicht, dass jemand aus dem Eff Eff Schnitte entwickeln kann – aber ein Reißverschluss sollte sitzen bzw. ordentliche Nähte an den Nähmaschinen genäht, sollten nun wirklich keine Herausforderung für die Teilnehmer sein bzw. ein Grund sein dürfen, das jemand gehen muss. Und ich bin sehr sicher, dass alle Kandidaten das Original kannten und in etwa eine Ahnung haben sollten, wie sie handwerklich sauber nähen können sollten, um bestehen zu können in diesem Wettbewerb. Das spricht leider dafür, dass vom Sender unter ganz merkwürdigen Maßstäben bzw. mit vom Formatthema losgelösten Zielvorstellungen gecastet wurde.
Interessant hierbei wie die Stimmen zum Format, die man in den sozialen Netzwerken zur Kenntnis nimmt, sich besonders gerne an der einzigen Jurorin abarbeiten, die dem Format den einen Hauch von fachlicher Kompetenz und somit dem am Thema Nähen interessierten Zuschauer etwas Mehrwert über das Zusehen hinaus vermittelt. Inge Szoltysik-Sparrer ist Schneidermeisterin und die Bundesvorsitzende des Maßschneiderhandwerks. Da hat man wirklich DIE Fachkompetenz im Land eingekauft und sie hätte dem Format – hätte man sich hier an das Original gehalten, das in den Folgen immer Ausflüge in die Nähtechnik, ins Stoffwesen oder in die Näh-Historie offerierte – so viel mehr geben können als die gesund kritische Jurorin. Also uns das hätte geben können, weswegen wir nähbegeisterte Menschen dieses Format auch gucken wollen: lernen beim Zusehen. Das durfte aber nicht sein. Warum? Weiß der Himmel! Das Original kann das, das kann auch mehr Aufgaben. Es kann überhaupt überall mehr.
Die zweite Jurorin, Anke Müller, mit irgendeiner DaWanda-Qualifikation, kleidet sich wenigstens bunt. Sonst auch bliebe sie äußerlich so wie sie inhaltlich bewertet: blass. Ihre Kommentare beschränken sich auf „toll”, „super”, „schöner Stoff”. Konversation auf Stoffmarkt-Niveau. „Total” kann sie oft sagen.
Und zum Schluss bleibt anzumerken, wie ganz bitter es ist ansehen zu müssen, wie der Handel – hier die Sponsoren der Sendung – so gar nichts aus ihrem Sponsoring für sich herausschlagen. Das ist wirklich unfassbar! Während der Stoffsponsor wenigstens noch vor dem Start der Sendung im Blog die Kandidaten vorstellte, interviewte und wenigstens etwas emotional für sich am Rad drehte, hat der Nähmaschinenproduzent Pfaff das Studio komplett mit der Technik ausgetauscht.
Aber sonst? Still ruht der Online-Marketing-See bei Pfaff. Fragen nach den Nähmaschinen werden in den jeweiligen Facebook-Gruppen nicht und schon mal gar nicht in Echtzeit beantwortet. Sorry, wenn ich als Unternehmen so ein Format unterstütze, stelle ich einen Mitarbeiter doch für die Nachtschicht in den sozialen Kanälen ab. Wenn dann von Paff (nach Hinweisen) Fragen nach Modellen beantwortet werden, dann nicht etwa direkt die Fragen in den Gruppen sondern weit entfernt und nur auf der eigenen Facebook-Seite, die einmal in der Woche mit Posts gefüllt wird. Dann aber auch gleich drei direkt hintereinander. Komplett losgelöst von der Sendung. Wenn es hoch kommt von immerhin sechs Figuren geliket, zwei Mal geteilt. Auf Twitter (wo sicherlich bei Ausstrahlung zum Format am meisten diskutiert wird) existiert Pfaff zwar mit einem Pfaff Deutschland-Account, der aber schweigt seit 2010. Dann gibt es noch einen internationalen Account, der brav und still vor sich hin twittert. Interaktion in den Sozialen Netzwerken mit Followern oder Freunden (aka potentiellen Käufern)? Die geht allerhöchstens soweit, dass kritische Kommentare auf Facebook gelöscht werden. Also solche, auf die andere Firmen kompetent mit einem „Danke für das konstruktive Feedback!” reagieren würden.
Pfaff, das muss man sich erst einmal vorstellen, hat es als Hauptsponsor des Formates sogar hinbekommen, dass eine von den zwei bloggenden Kandidatinnen, die nun sogar im Finale steht, als Kooperationspartner mit dem Nähmaschinenproduzenten Bernina in ihrem Blog arbeitet. DAS muss man erst einmal schaffen! (Sorry, ich habe Omas Pfaff hier stehen. Mir tut soviel Inkompetenz in den neuen Medien dieses Unternehmens wirklich im Herzen weh!)
Beschließt aber schlussendlich die Quadratur des Kreises von „Geschickt eingefädelt – Wer näht am besten?” in der Gänze. Ich bin froh, dass ich mir die dritte Staffel des Originals der BBC noch aufgehoben habe. Ich werde sie mir jetzt in den Weihnachtstagen gönnen, die deutsche Variante werde ich dabei schnellst möglich vergessen. Sie hat sich das verdient! Einschließlich ihrer drölfmillionsten „Upcycling”-Aufgabe. Da wurde ein Hype so etwas von tot genäht.
Wie gesagt, ich bin enttäuscht.