2024-07-11

Nebenkostenabrechnung …

gestern erhalten. Erstaunliche 225 Euro Guthaben erwirtschaftet. Beziehungsweise erfroren.

Ich habe eh nix davon – aber Robert Habeck kann sehr stolz auf mich sein.

2024-07-10

Heute …

… noch einmal Katzenfutter im Angebot einkaufen gewesen.

Aber nicht bei dem Kaufland in dem ich sonst kaufe. Dort, wo ich die Dosen jetzt gekauft habe, stehen sie nicht gegenüber dem Waschmittel wie sonst, sondern irgendwelcher Getränke.

Euch ist klar, was das heißt?

2024-07-09

Streetfood Apuliens

Die Küche Apuliens ist pur, frisch und sehr konzentriert auf die guten Produkte, die hier im meist roten Boden gut wachsen. Frühe Artischocken, tiefrote Tomaten, seltene historische Mehlsorten, aromatische Paprika. Aus den Käsereien kommen aus aktueller Tagesproduktion Ricotta, Mozzarella und sahnige Stracciatella oder Burrata. Das Meer schenkt Fisch und Meeresfrüchte, von den Weiden kommt das Fleisch der Schweine, Rinder und auch Pferde.

Obendrauf frisches Olivenöl, gerne – aber in kleinen Mengen getrunken – Wein. Die perfekte mediterrane Küche!

Apulien hat aber auch eine großartige Leckereien anzubieten, die es zumindest in die großen Städte Deutschlands auf die Hand geschafft haben. Dort, wo die italienische Community groß und lebenslustig ist – und man fern der Heimat an die großartige Küche der Nonna glaubt. Die meisten dieser Köstlichkeiten machen mindestens satt und meistens irgendwie sehr glücklich. Ich stelle euch einige dieser typischen apulischen Köstlichkeiten vor, okay?

Panzerotto

Meine große Liebe! Eine fluffige, heiße Köstlichkeit aus dem Frittierfett (es gibt sie auch gebacken – aber das ist kein Vergleich zum frittierten Panzerotto.) Der Teig dieser zu einem sehr großen Raviolo geformten Köstlichkeit, wird zu gleichen Teilen mit Farina Tipo 00 und Manitoba Mehl (auch Kichererbsen- oder -kartoffelmehl) zubereitet. Keine Hefe (auch wenn sie in den deutschen Rezepten gerne genannt wird), Backpulver sind die Zauberzutaten – und sehr viel Zeit.

Ein Panzerotto, so schnell man es auch essen mag, braucht in der Entstehung viel Geduld. Ich empfehle dringend es nirgendwo zu kaufen, wo es schon seit einiger Zeit in der Auslage liegt und erst noch einmal warm gemacht wird. Es sollte erst nach der Bestellung zubereitet werden. Ausgerollt, gefüllt, übereinander geschlagen, festgedrückt und dann mindestens 10 Minuten frittiert. Das braucht seine Zeit – aber lohnt sich immer sehr zu warten.
Ein Grund, warum man in Süditalien am Abend vor dem Panificio gelegentlich lange Menschenschlangen stehen sieht. Ein Bäcker, der etwas auf sich hält, der räumt am Abend die Dolce aus der Auslage und macht Platz für frisch frittierte Panzerotti. Besonders lange Schlangen verheißen besonders gute Panzerotti! Die Liebe der Pugliesi ist für das delikate Teigteilchen sehr groß.

In den Bäckereien ist die Auswahl nicht sehr groß, die klassische Variante mit Passata aus Tomaten und Mozzarellawürfeln ist hier doch eher üblich. Vielleicht gibt es sie mit Mortadella oder Prosciutto und mit geschmorten Zwiebeln (Cipolle) und Oliven. Nun machen in den größeren Städten Apuliens immer mehr Läden auf, die eine größer werdende Auswahl anbieten: Vegane Panzerotti, glutenfreie Panzerotti, Panzerotti mit Meeresfrüchten oder mit Gemüse aller Art. In jedem Fall vermengen sich die Zutaten in der Tomatensauce mit dem Käse zu einem heißen, flüssigen aromatischen Schmelz – und drumherum schützt heißer knuspriger fluffiger Teig.

Panzerotti sind genauso schwierig zu essen, wie Döner. Man verbrennt sich leicht den Mund – und weiße Kleidung zu tragen, während man ein Panzerotto genießt, ich empfehle es nicht. Man kann sich von ihnen den gesamten Apulien-Urlaub ganz wunderbar ernähren – sollte aber täglich ein gutes Sportprogramm in den Tag einbauen.

Mein bestes Panzerotto hatte ich übrigens im Salento (Via St. Giovanni, Melendugno) bei Danieles. Bei diesem Bäcker gibt es sie nur am Abend frisch aus der Fritteuse – und meist stehen Menschen vor dem kleinen Laden schon Schlange.
Kürzlich hat in Monopoli das Restaurant Madia ein Panzerotto-SpinOff aufgemacht. Madia, so heißt das Brett auf dem Pasta- und Pizzateig ausgerollt wird, Mit ihrer riesigen Auswahl treiben sie es ein wenig auf die Spitze. Abends steht man hier sehr lange, bekommt aber frischestes leckeres Panzerotto. Wer will auch in einer glutenfreien, veganen Variante. Oder mit Cannabis. Tagsüber kommt man schneller zu seinem heißen Glück! Probiert es aus, es lohnt sich!


Rustico leccese

Auch so ein heißes Etwas, das direkt den Hüften Glück verheißt. Ein Rustico leccese ist ein rundes, heißes, im Teig doppelt gelegtes Blätterteig-Gebäck. Gefüllt mit Béchamelsauce, Käse und Prosciutto.

Rustico von einem guten Bäcker, der es heiß serviert, ist ein Traum. Meist liegt es vorgebacken in der Auslage – sie brauchen zu lange im Ofen, um ganz frisch gebacken zu werden und wird dann noch einmal heiß gemacht. Unbedingt Finger weg davon in den Bars am Flughafen oder den größeren Bahnhöfen. Oft packen die Verkäufer sie dort direkt ein – ohne sie noch einmal einzupacken. Niemals ein kaltes Rusticco annehmen! An Tankstellen auf der Autostrada und auch ab und an in den kleinen Bars an den kleineren Bahnhöfen kann man gelegentlich aber durchaus auch vorzügliche Rustici bekommen.
Der Panificio macht einfach die besten Rustici. Sieht es blass, trocken und lieblos aus? Finger weg. Dann ist es zum Abgewöhnen – bevor man überhaupt seiner leckeren Großartigkeit begegnen durfte. Ein gutes Rustico, wie z. B. im altehrwürdigen Caffè Oriente,
dem sieht man glänzende Butter an und ein Ei-Strich vor dem Backen deutet auf jegliche Abwesenheit von Geiz beim Bäcker oder Bäckerin hin – und dann macht es sehr glücklich!


Friselle

Nichts, was sich je unfallfrei essen ließe. Friselle ist die apulische Bruschetta.
Aus dem Teig des Pane Pugliese (mit Lievito madre) wird das Brot zweifach gebacken, damit es hart und haltbar wird.
Friselle bekommt man inzwischen in allen möglichen Formen – aber historisch ist der runde Kringel mit dem Loch in der Mitte die logische Form. Friselle ist das Brot aus Hartweizen, das die Fischer auf ihre tagelangen Bootstouren hinaus mit auf das Meer genommen hatten. Die Kringel wurden auf ein Seil gezogen – und einmal kurz durch das Meer gezogen. So waren sie sehr kurz angefeuchtet, etwas weicher und gleich gesalzen.
In keinem apulischen Haushalt fehlt heute die Sponzafrisa, eine Keramikschüssel (meist mit einem aufgemalten Hahn, dem apulischen Wappen), mit einem durchlöcherten Sieb als Aufsatz. So legt man die Friselle kurz in das Wasser und lässt sie oben auf der nächsten Etage gut abtropfen. Sponzatura nennt man diesen Vorgang da unten im schönen Italien. Wichtig ist: Der Kontakt mit dem Wasser muss sehr kurz sein, sonst verfällt das Friselle und das Essen wird noch unmöglicher, als es so schon unmöglich ist.
Auf die Friselle kommt nun ein guter Faden Olivenöl extra Vergine und dann pure rote Tomate. Tatsächlich sind diese Produkte (gutes Olivenöl und aromatische reife Tomate) so gut in Apulien, dass man im Grunde auf weitere Zutaten verzichten könnte. Aber natürlich gibt es auch sehr viele Varianten, einfache und luxuriöse, die eine Friselle noch feiner schmecken lassen. Die einfache Variante wird schon mit frischem klein gehacktem Basilikum oder Oregano und frisch gemahlenem Pfeffer geschmacklich aufgewertet.

Die Tomaten lassen sich auch mit saftigen, süßen roten Zwiebeln anmachen oder mit Kapern – denn sie gibt es hier vor Ort. Fantastisch ist die Variante mit Rucola, Tomate und einer geöffneten Burrata aus der die Sahne fließt – oder man nimmt gleich Stracciatella – darauf frisches Olivenöl und frisch gemahlener Pfeffer. Einfach, dafür göttlich. Oder sie wird mit Tartar di Tonno, Gamberetti (natürlich frisch aus dem Meer) oder Oktopus belegt. Oder dem Mix Insalata Frutti di Mare. Besonders köstliche Friselle mit Meeresfrüchten und fantastischer Aussicht auf die Bucht von Otranto gibt es in der La Polperia im Centro Storico (Via de ferraris 38).

So eine Friselle mittags am Strand im Lido, dazu ein Glas kühler Malvasia oder ein Rosato aus Negroamaro. Das ist … einfach ein wunderschönes Mittagessen – und ein ebensolcher Moment im Leben.


Puccia Salentina

Das Puccia ist ein bisschen der Youngster unter den apulischen Auf-die-Hand-Gerichten. Sie stammt aus dem letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts. Irgendein cleverer Pizzaiollo hatte übrig gebliebenen Pizzateig flach gedrückt und gebacken, dann in der Mitte (nicht ganz) aufgeschnitten und gefüllt mit leckeren Resten.
Es ist das apulische Sandwich. In den Fladen kommt alles hinein, was die gute apulische Küche hergibt. Knackiger scharfer Ruccola, frische oder die besonders aromatischen getrockneten Tomaten, Zwiebeln, Mortadella, Prosciutto, Käse – Toscanello, Caciocavallo, würziger Cacioricotta salentino oder sahnige Straccitella – oder Fisch, meist Tonno. Auch heiß geliebt mit Polpette in Sugo. Jede Salumeria bereitet auf Wunsch eine Puccia ganz nach eigenem Gusto mit allem aus der Kühltheke zu, was man sich aussucht. Ein guter Sattmacher, der irgendwie auch sehr glücklich macht. Denn das Gute an diesen Zutaten ist, man weiß einfach: Das sind sind gute Zutaten, frisch und mediterran gesund.


Foccacia barese

Wohl auch hierzulande das bekannteste Street Food aus Italien oder? Die Foccacia wird historisch aus Gersten, Hirse- oder Grießmehl zubereitet, nur ein klein wenig Hefe, Wasser und Salz und sehr lange Gare (bis zu 48 Stunden, gerne auch mehr.) Die Besonderheit der Focaccia barese (von Bari natürlich) sind die gekochten Kartoffeln, die zu dem Teig gegeben werden und ihn besonders fluffig und saftig innen machen. Heraus kommt ein hoher, saftiger Teigfladen. Nach der letzten Gare bohrt man mit den Fingern tiefe Löcher ins Gewölbe, begießt sie reichhaltig mit Olio di Olivi (extra vergine) und drückt kleine Kirschtomaten in den Teig, Oliven, krümmelt frischen Rosmarin oder Thymian darüber. Ab in den Ofen.

Wer keinen Holzbrotbackofen hat, wie ihn der heutige apulische Bäcker von seinem Urgroßvater geerbt hat, der backt die Foccacia in zwei Schritten. Erst auf der untersten Schiene im Ofen, gute zehn Minuten, damit der Boden krachend knusprig wird. Dann noch einmal auf der mittleren Schiene für ca. 40 Minuten. Alles bei mindestens 250 Grad. Dann wird sie perfekt wie das Original.
Frisch gebacken und heiß gegessen ist die Foccacia ein Traum, vorgebacken aus der Auslage … naja. Es gibt leider unfassbar viele schreckliche Foccacie, dass ich mittlerweile etwas auf Kriegsfuß mit ihr stehe. Auf jeden Fall ist die apulische sehr hoch im Teig gebacken, sehr fluffig und unten mit perfektem Knuspereffekt. Ist der Teig perfekt, ist mein persönlicher Liebling die einfachste Variante: Olio, frischer Rosmarin (reichhaltig) und Meersalzflocken. Mehr braucht's doch gar nicht!

Ich empfehle Foccia wirklich selber zu machen. Mit ihrem Teig zu arbeiten … er ist so sehr göttlich anzufassen, ist er ausreichend lange gegangen! Und wenn sie heiß und frisch aus dem eigenen Ofen kommt – ist schon ein bisschen, wie Urlaub haben!

2024-07-04

Mit dem Rad entlang des Sile bis nach Jesolo

Von Treviso hatte ich euch schon vorgeschwärmt. Wer gerne Rad fährt oder wandert, der wird in Venetiens Marca Trevigiana traumhaft schöne Touren machen können in einer flachen, dennoch abwechslungsreichen schönen Landschaft, die den Augen viel Weite gönnt!

Woher ich das weiß? Tsja. Tatsächlich wurde ich gar nicht nach Treviso eingeladen, um Tiramisù zu verkosten oder in traumhaften Castelli zu schlafen. Ich wurde eingeladen, um Fahrrad zu fahren. Genauer, ich sollte hier die Erfahrungg machen mit dem neuen Angebot von Treviso.bike „Bike & Boat” – wir wollten vom Castello auf ein Hausboot wechseln. Der Plan war zwei Nächte auf dem Boot zu schlafen und mit diesem die pittoresken Inseln in Venedigs Lagunen anzusteuern und sie dort mittels Rad zu erleben. Der Plan war klasse, das extreme Regenwetter der vorangegangenen Woche indes nicht.

Die Lagunen waren durch die aufgestellten Schutzwälle vom Hochwasser geschützt – kein Durchkommen mit dem Boot. Also sind wir Strecken gefahren, die befahrbar waren – und haben uns trotzdem köstlich amüsiert, hatten Spaß und sind mit wunderschönen Momenten in der Natur belohnt worden!

Treviso.bike

Treviso.bike ist ein Bike Store in Treviso, der sich als Full-Service-Spot rund um das Fahrrad sieht in Treviso. Vier gestandene Männer haben ihre früheren Jobs u.a. im sozialen Management oder als Architekt an den Nagel gehängt und ihre eigene Leidenschaft, das Radfahren, zum Beruf gemacht. Die Jungs kennen nur einen Gott – und der heißt Fahrrad!
Giovanni, Andrea, Riccardo, Filippo und noch einmal Andrea erfüllen ihren Kunden jeden Radwunsch und verkaufen in ihrem extrem nett designten Shop, Fahrräder in der Preisklasse von 1.000-11.000 Euro. Der Shop liegt übrigens keine 100 Meter vom Sile entfernt, hat im Prinzip eine eigene Bootsanlegestelle – und bietet sofortigen Zugang in die reichhaltige Natur.
Nebenbei vermieten sie Fahrräder an Touristen. Filippo repariert zusammen mit Andrea in der peinlichst sauber geführten (so etwas habe ich noch nicht gesehen!) Werkstatt alles, was zwei Räder hat. Wirklich, in dieser Werkstatt kann man vom Boden essen!
Sie organisieren Verkehrserziehungs- und Reparaturkurse für Schulkinder, machen mit ihnen Radtouren. Sie begleiten Radtouren, entwickeln individuellen Touren je nach Kunden-Gusto und -Fitness und bieten einen Abholservice an. Das alles mit einer unglaublichen Freude, Begeisterung und Professionalität.

Und sie leben ihren sozialen Anspruch. Wenn man sieht, wie sie alle mit Freude mit ihrem Kollegen Andrea umgehen, den sie aus einer Behinderteneinrichtung abgeworben haben und wie sie von ihm sprechen – ihm übrigens „Boss of it all” auf die Visitenkarte gedruckt haben – sich einfach darüber freuen, ihn in ihrem Team zu haben, mein Herz hat's berührt. Auch die Hingabe, mit der sie Kinder in respektabler Gruppengröße in allem rund um das Fahrrad schulen und auch Touren mit ihnen fahren, es beeindruckt. Sie sind mit Freude sozial aktiv und leben es motivierend vor. Ich mag die! Im Foto übrigens Andrea oder Andreone „The Boss”, Giovanni, ich, Riccardo und – whatelse? – ‘nen Bike.
Unser erstes Date mit Tourguide Riccardo war ein Online-Date. Früh wurde eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, Riccardo erkundigte sich nach unseren persönliche Radvorlieben und Fitnessstand, um uns die besten Bikes für unsere längeren Touren zu empfehlen. Jorge, der seit Jahren erst Mountain-Bike-Rennen und nun Gravel-Bike-Rennen fährt, bekam sein Gravelbike umgebaut für seine professionelleren Ansprüche. Hester und mir hatte Riccardo e-Bikes empfohlen; wir hatten nichts dagegen einzuwenden.

Mieten kann man bei Treviso.bike alles, was man sich für seine Touren persönlich wünscht: Mountainbike, Tourenrad, e-Bike, Gravelbike – für Familien gibt es natürlich auch Lastenräder für die Kinder (oder Hundebesitzer) und für die Kids, die selber fahren können, natürlich auch kleinere Fahrradmodelle. Solange es ums Fahrrad geht, erfüll dir Treviso.bike jeden Wunsch!

Let’s get the Party startet!

Tag 1. Riccardo fährt mit dem großen Treviso-Van im Castello di Roncade vor und sammelt uns gutgelaunt ein, damit wir den Shop kennenlernen und unsere Räder in Empfang nehmen können. Als Erstes werden wir im Shop zum Caffè eingeladen (Dankeschön @Andrea!), dürfen unsere gesattelten neuwertigen Ponys bewundern, auf unsere Größe einrichten. Wir bekommen Helm, Radtasche und Wasserflasche – Ricardo erklärt uns die Tour. Und ab geht der Spaß.

Dabei begreifen sich die Jungs wirklich als extrem gute Gastgeber. Auch wenn die Tour nicht von ihnen persönlich begleitet wird, man erhält von ihnen grandiose Tipps zu Sehenswürdigkeiten, Food-Stops, ob Agriturismo oder Gelateria. Und sie sind extrem professionell organisiert. Panne unterwegs? Anruf, einer wird kommen. Ihre Touren sind in Komoot eingepflegt, alternativ haben sie Tourenflyer. Der Wohlfühlfaktor hier ist groß, die lieben einfach so sehr, was sie tun.
Wir, das sind Hester aus den Niederlanden und Jorge aus Spanien (hier nach den ersten 20 Kilometern im Schatten), fahren kleine Testrunden mit den Bikes auf dem großen Parkplatz neben dem Laden. Vor dem Shop links abgebogen, fahren wir direkt auf den Sile zu. Unsere erste Tour von den drei geplanten Tagestouren führt von Treviso nach Jesolo an den Strand. Die Strecke verläuft flach ohne nennenswerte Steigungen; sie ist ca. 63 Kilometer lang und in fünf Stunden zu schaffen. Pausen, Genussmomente und ständige „Fotostopp!“-Zwischenrufe nicht eingerechnet.

Riccardo von Treviso Bike begleitet uns mit seiner personifizierten guten Laune auf zwei Beinen bzw. Rädern. Er erklärt uns die Umgebung, löst kleine Pannen und serviert uns eine schöne Aussicht nach der anderen. Er bringt uns in das perfekte Lokal, wo wir ein fantastisches ursprüngliches Mittagessen serviert bekommen – und eine kleine Siesta in den Liegestühlen im Garten halten dürfen.
Tatsächlich verläuft unsere Tour etwas länger. Knappe 70 Kilometer fahren wir am ersten Tag, denn aufgrund der Regenfälle in der Vorwoche sind noch nicht alle Wege wieder passierbar. Daher müssen wir einen Bereich komplett auf der Straße umfahren, weil dieser noch gesperrt ist.

Hier liegt Venedigs Historie vor Anker: Cimitero dei Burci

Den ersten Höhepunkt haben wir knapp vier Kilometer hinter dem Shop. Im kleinen Vorort Silea wartet der Cimitero dei Burci. Auf dem Sile wurden früher die abgeholzten Baumstämme auf großen Holzkähnen, Burci, nach Venedig transportiert. Stämme, aus denen die Pfähle gearbeitet wurden, auf denen heute Venedig immer noch steht. Erst als der Transport über die Straße mit Motorkraft einfacher und schneller vonstattenging, stellte man den Wassertransport ein.

Wir befinden uns hier im Naturpark des Sile (Parco Naturale Regionale del Fume Sile) und müssen über eine kurze Strecke mit Holzbohlen die Räder schieben. Dafür erleben wir hier echte Historie Venedigs – den Friedhof der Burci. Auf dem Gelände eines ehemaligen Steinbruchs, heute geflutet, wurden von 1968 bis 1975 insgesamt 13 dieser traditionellen Transportboote aufgegeben und den Gezeiten überlassen. Von ihnen sind heute noch neun Boote vorhanden – Mitte der 90er Jahre sind vier Boote verschwunden. Niemand weiß, wohin.
Nicht weit von der Stadt befinden wir uns in einer völligen Stille und blicken auf den Untergang einer Geschichte, die schon im 13. Jahrhundert begonnen hatte. Die Boote sind – aufgrund des Unwetters in der Vorwoche –, als wir vor ihnen stehen, beinahe komplett vom Wasser bedeckt. Alles ist friedlich, Schwäne schwimmen im Wasser bzw. brüten, Schildkröten liegen auf der aus dem Wasser schauenden Bootreling und sonnen sich. Hierher möchte ich zu gerne noch einmal im Herbst kommen. Wenn der Sommer den Wasserstand des Sile verringert haben wird, das kann man auf den Fotos im Internet sehen, ragen die Boote beinahe komplett aus dem Wasser. Zusammen mit etwas Herbstnebel muss ihr Anblick in dieser reichhaltigen Natur mit den Tieren und der besonderen Stimmung grandios sein.

Ich, die ich eh so ein Ding mit Schiffswracks am Laufen habe, bin hin und weg von diesem Ort!

Friedlicher Sile, friedliche Strecke

Tatsächlich erleben wir, wie die italienische Polizei auf dem Weg die Absperrungen aufhebt und die Bänder entfernt. Wir haben doch etwas Glück mit unserer Tour. Zwei Tage früher hätten wir diese Strecke größtenteils wohl auch nicht fahren können. Auf der Höhe von Casier überqueren wir den still fließenden grün leuchtenden Sile (was wir auf der Strecke immer wieder tun werden) und reisen nun auf der anderen Uferseite entlang.
Die uns begleitenden Reisfelder haben natürlich nasse Böden, auf Brachen leuchten Kolonien von rotem Klatschmohn.
Auf der gegenüberliegenden Seite von Casier ist ein malerischer Fotostopp fällig. Immer wieder sehen wir hübsche historische Villen an den Ufern des Sile, da und dort verlassene Fabriken. „Lost Places”-Fans sind auf der Strecke gut bedient. Und was ich auch immer wieder spannend finde, sind die industriellen Brüche in der Landschaft. Es gibt definitiv viel zu sehen!
Es folgen kleine charmante Ortschaften wie Casale sul Sile und Musestre
wirkt sehr charmant mit der kleinen Kirche und dem Turmspeicher. Quarto d’Altino und Portegrandi – jetzt kommen wir in die Gegend der Lagunen und die Landschaft ändert sich langsam. Zwischendurch mussten wir die üblichen Strecken mit ca. sechs Kilometern Umweg fahren. Die zogen sich etwas, wir rollten aber auf perfekter Straßenqualität mit erstaunlich wenig Autoverkehr. Dafür begleiteten uns Weinreben, Reis- und Getreidefelder im frischen Grün des Frühlings. Wunderschön!


Il Pranzo in der Osteria Alle Vigne Ca Tron di Roncade

Mittagessen gibt es in der Osteria Alle Vigne Ca Tron di Roncade. In dem für uns von Riccardo ausgesuchten Restaurant, gibt es eine authentische venezianische Küche zu mehr als akzeptablen Preisen, einen sehr schnellen und freundlichen Service. Riccardo musste uns ein wenig drängen, denn wie so oft auf dem Land, wird hier das Essen bis zu einer bestimmten Uhrzeit nur serviert – danach ist bis zum Abendessen auch dieses Restaurant erst einmal geschlossen.
Die Mittagskarte bietet pro Gang vier Gerichte zur Auswahl. Wir genießen Mozzarella Caprese, ich ein feines Rinder-Carpaccio und Penne all’Arrabbiata, einen sehr guten Hauswein. Ich konnte hier meine allerersten Trippa alla parmigiana essen.
Endlich fand ich sie auf einer Karte. Riccardo orderte eine kleine Portion für mich zum Probieren. Denn ich traute mich nicht, sie als meinen Hauptgang zu bestellen. Das war eine weise Entscheidung; die Jungs, die Trippa schon kannten, bezeichneten sie als sehr gut. Ich fand sie geschmacklich schon sehr nahe am … Stall. Noch einmal würde sie wohl eher nicht bestellen (probieren aber immer wieder.) Für Kinder gibt es hier einen Spielplatz im Garten. Für uns standen einige Liegestühle draußen bereit für eine kurze Siesta.

In den Lagunen von Venedig

Ab Caposile beginnt die Lagunenlandschaft Venedigs. Jesolo, wo der Sile in die Adria mündet, ist nun nicht mehr weit. Wir bestaunen die „Ponte di barche a Caposile sul fiume Sile.”
Eine Stahlbrücke, die auf flachen Metallbooten (Barken) ruht. In der Saison sitzt übrigens jemand in einem Wärterhäuschen und man entkommt dann dem „Don’t pay the ferryman!” nicht. Einen Euro kostet die Überfahrt für Autos.

Kurz vor Jesolo erblicken wir die ersten Bilance da pesca, die hier sogenannten Fischerwaagen, Fischerhäuschen, von denen aus die Besitzer die Reusen an hohen Holzstativen ins Wasser lassen, um Fisch zu fangen. Diese hübschen Häuser findet man überall entlang der Adriaküste. Im Süden Italiens kenne ich sie als Trabucco, das Letzte von ihnen steht dort wohl in Barletta. Ihr Charme ist unbeschreiblich. Ihre Sinnhaftigkeit unbestechlich. Noch sind wir am Ufer des Sile – aber jetzt schnuppern wir auch etwas Meeresluft. Wir fahren auf einer wunderschönen ruhigen Strecke mit seltenem Autoverkehr, der Besitzer der Bilance da pesca, die hier nur fahren dürfen.
Links der Fluss, rechts viel Grün. Die Räder rollen auf befestigtem Schotterboden, dem aber der Regen beeindruckende Schlaglöcher verpasst hat. Diese Strecke ist wunderschön – aber verlangt unbedingte Aufmerksamkeit für den Untergrund ab. Und gutes Radmaterial.

Lido di Jesolo und Lio Piccolo

Am Strand von Jesolo begrüßt uns dessen Leuchtturm – und die ruhige Adria sagt auch „Hallo!” Wenn am Ende einer Tour, mit was auch immer, „il Mare” steht – ist es dann nicht auch die schönste Belohnung vor dem Meer zu stehen?
Mit dem Umweg sind wir 67 Kilometer gefahren, das ist eine ordentliche Strecke. Ich glaube, nach einer längeren Pause am Strand und einem Getränk hätte ich zehn Kilometer noch gut durchgehalten. 20 Kilometer … da hätte ich etwas gelitten. Unsere echten Radprofis, Riccardo und Jorge ziehen durch, lassen uns zurück und fahren noch durch die Lagune, eine wunderschöne Strecke bis nach Lio Piccolo.
Hester und ich indes genießen einfach den Strand von Jesolo, der jetzt am frühen Abend fast leer ist. Wir gucken den Wellen zu und lassen Beine und Seele baumeln und sind einfach glücklich mit diesem Tag, der traumhaften schönen Tour und den vielen wundervollen Eindrücken! Später sammelt uns Giovanni mit dem Treviso Bike-Van und Trailer ein. Das ist auch deren Service auf Wunsch – am Abend gewisse Streckenpunkte abzufahren und die Kunden, deren Räder wieder einzusammeln. Die Räder sind schnell aufgeladen und gesichert und wir fahren den Jungs hinterher nach Lio Piccolo.
Lio Piccolo, ein sehr kleines Dorf mit vielleicht zwanzig Einwohnern und einer Kirche Santa Maria della Neve, gebaut 1791, liegt inmitten der Lagunen von Cavallino-Treporti und bezaubert am Abend mit seiner Stille und einem Blick auf die Vogelvielfalt, die sich hier zum gemeinsamen Abendessen zusammen findet. In der Römerzeit soll sich hier ein wichtiger Handelsposten befunden haben, wie Reste von Handelshäusern beweisen. Heute verhandeln hier weiße Flamingos, Kormorane, Stelzenläufer, Klatschvogel, Seeschwalben, Seeschwalben, Stockenten und Reiher unterschiedlicher Couleur und Größen im abendlichen Sonnenschein um die Fischbestände. Ein guter Ort! Wahnsinnig gerne wäre ich hier einmal mit dem Kajak unterwegs.
Das ist wirklich eine großartige Tour. Ich würde sie vermutlich mit etwas mehr Zeit und Muße auf zwei, drei Tage strecken, mit Übernachtungen auf der Strecke, um die Sehenswürdigkeiten in den kleinen Ortschaften, die wir durchfahren haben (bzw. haben rechts liegen lassen) zu besuchen. Da kann etwas mehr Zeit die Eindrücke intensivieren. Und: Auch wer nicht im Fahrradtraining ist, kann dann mit einem normalen Tourenbike entspannt die Strecke bewältigen. So oder so – ist die Landschaft traumhaft schön – und ihr intensives Erleben auf dem Fahrrad ist sie mehr als wert.


Treviso.bike
Stradella Interna A, 8a
31100 Treviso – Italien
phone: +39 0422 1783822
mail: rent@treviso.bike

Osteria Alle Vigne Ca Tron di Roncade
Via Nuova, 64, , Italien
31056 Ca' Tron di Roncade – Italien
phone: +39 392 248 4369

2024-07-02

Gerne gelesen: Das Gemüsekisten Kochbuch

Das Gemüsekisten Kochbuch (saisonal kochen das ganze Jahr) von Stefanie Hiekmann (DK Verlag Dorling Kindersley) ist für mich jetzt schon mein Lieblingskochbuch des Jahres! Ein grandioses Konzept-Kochbuch mit feinen Rezepten, das in meine Küche frischen Wind gebracht hat!

Zugegeben: Ich selber beziehe keine Gemüsekiste. Mit mittlerweile fünf Bio-Supermärkten in fußläufiger Umgebung, davon einem, der nur regionale Obst- und Gemüsesorten anbietet und auch als für eine Person kochend, erschien für mich das Gemüsekisten-Konzept nicht sinnvoll. Für mich. Für alle anderen auf jeden Fall sehr!

Aber ich kenne durchaus die verzweifelten Tweets oder Tröts in den sozialen Netzwerken, in denen Gemüsekistenbezieher nach der fünften Lieferung Rosenkohl in Folge, die Timeline um neue Rezeptideen anbetteln. Nichts ist online so sicher, wie die Verzweiflung von Gartenbesitzer*innen während der Zucchini-Ernte ab Juni. Die Antworten lesen sich immer sehr spannend – manch geniales Rezept wird offeriert, das mich dann veranlasst hatte, das Gemüse zu kaufen. Aber … Gemüsekisten können im dritten Zucchini-Monat irgendwann eine Herausforderung sein!
Stefanie Hiekmann ist Food-Journalistin und -Fotografin, schreibt für den Feinschmecker und das FAZ-Magazin, visuell kennen wir sie als Jurorin aus der (leider nicht mehr produzierten) ZDF-Sendung Stadt Land Lecker. Das Gemüsekisten Kochbuch ist ihr viertes Kochbuch, das Fünfte rechnet man noch eines hinzu, das sie als Ghostwriterin für eine prominente Dame geschrieben hat.

Auch wenn es Gemüsekisten Kochbuch heißt. Hiekmann ist da nicht doktrinär. Hier und dort legt sich auch ein Stück Hähnchen oder Kabeljau auf die von oben, meist in der Totalen, fotografierten Teller. Und dass sich in den Rezepten auch Gemüse finden, die in Deutschland nicht unbedingt in den regionalen Gemüsekisten sich finden lassen, auch das passiert. Warum auch nicht? Längst haben auch internationale Gemüsestände auf heimischen Märkten Einzug gefunden. Insofern hilft dieses Buch auch dabei, zu erfahren, dass man aus dem passiven Modus „Ich sehe das immer am Marktstand – was ist das eigentlich? Was mache ich damit?” in die Aktion gehen kann. Herrlich!
Stefanie Hiekmann will ihre Leser*innen nicht überfordern. So hat sie sich für jeden Monat lediglich fünf Gemüsesorten aus der Saison herausgegriffen. Die Flexibilität ist in den Rezepten gegeben, denn kein Gemüse gibt es nur einen einzigen Monat lang. Auch Spargel hält länger durch. Den Saisonalen-Kalender hat sie zwischen Gemüse, Obst, Salate und Kräuter praktisch aufgeteilt. Sie bezieht sie dabei auf die echte Saison in deutschen Gärten – wie Gemüsekisten sie nur anbieten können.
Wer will, kann natürlich jederzeit Rezepte auch mit Produkten zubereiten, die außerhalb der Saison aus Gewächshäusern stammen und anderen Ländern. Keep ist simple: Lediglich fünf Gewürze benennt sie als must have: Ras el Hanout, Kreuzkümmel, Curry, Baharat und geräuchertes Paprikapulver – und schreibt auch gleich die Gemüse hinzu, für die sich die Aromen am besten eignen. Salz und Pfeffer hat man eh im Haus. Die eine und andere Zutat ebenfalls, z. B. Sojasauce, Ahornsirup und Balsamico. Sie schleichten sich in den Kapiteln wie von selbst ein.

Vor diesem Kochbuch müssen auch Kochanfänger genau gar keine Angst haben! Die meisten Rezepte sind wirklich sehr einfach, einige vielleicht herausfordernder – aber da tasten sich auch Kochlehrlinge dann heran. Und sie sind durchaus auch spannend international.

Zwischendurch bereichern kleine Features wie »Mit Toppings durchs Jahr«, z  B. Panko-Crunch oder Gewürznüsse, feine kleine Begleiter eines Gerichts, die man, einmal gemacht, auch in Gläsern etwas vorhalten kann für andere Rezepte. Hier hat jemand einfach sehr viel Spaß an dem, was sie tut!
Simple Ideen werten alte Rezepte auf. Bulgur z. B. bringt Stefanie Hiekmann mit einem Pesto einfach in kräftigem Grün auf den Tisch; erklärt, wie man aus Wurzeln der Gemüserest selber ein Gemüse neu ziehen kann. Es sind diese kleinen liebevollen Ideen, die in dem Buch viel Spaß machen! Und von denen auch erfahrene Köch*innen lernen können.
Zu jedem Rezept gibt es zum Abschluss eine »Tausch mal«-Empfehlung. wie es passt, immer aus der gleichen Saison vorgeschlagen. Also kann man beim Lieblingsgericht die Austernpilze weglassen, stattdessen auf Paprikastreifen zurückgreifen – wer für den Austernpilz Döner mit würziger Kebab-Marinade (eines meiner Lieblingsrezepte) als Pilzhasser die Alternative braucht. Spargel kann Rhabarber ersetzen, Fenchel den grünen Spargel – das macht die im Buch enthaltenen Rezepte unendlich groß in ihrer Vielfalt. Und selber muss man nicht kreativ sein!
Das sind dann ihre Rezepte sowieso. Hier und begegnen die Gemüse sehr traditionell in den Rezepten, Grünkohl mit allem drum und dann, oft machen sie aber auch einen Ausflug in anderen Länder, z. B. der Ofen-Rosenkohl mit Cranberrys und Feta. Und richtig gute Ideen, wie man tierische Produkte perfekt durch Gemüse ersetzt, finden Leser*innen auch. Ich mochte das Stiele als eingeschnittene Jakobsmuscheln – hier aber aus Kräutersaitlingen – präsentieren sehr.

Ein Buch, das ich nicht mehr hergeben möchte!

„Das Gemüsekisten Kochbuch”
Autorinnen: Stefanie Hiekmann
Verlag: DK Verlag
ISBN: 978-3-8310-4853-3