2014-11-05

Mauerdingens

Na gut, Euch kann ich es ja sagen. Ich heule ständig derzeit bei Blicken auf Schlagbäume, die endlich hochgehen.

Diese Mauerzeit, die war so scheiße! (pardon my french aber anders kann man es wirklich nicht nennen.) Was hat sie für und wie viel Leid hat sie über die Menschen gebracht. Wie sehr hat meine Oma, hat meine Familie unter der Trennung von ihrer Familie gelitten.

Ich bin sehr sehr froh, dass wir uns nun alle haben können!

Allerallerärmste Shiina der Welt



Shiina erhält seit gestern Diätfutter. Auf den Verpackungen steht irgendetwas von Adipositas, übergewichtige Katzen, kastrierte Katzen. Katzendiätfutter funktioniert so: die erste Hälfte der Packung wird noch gegessen, die zweite Hälfte wird sehr verabscheut. Es wird schätzungsweise zehn Mal zum Teller hingegangen, geschnüffelt. Dann wird zu mir hoch geguckt.



Erst fragend.
Dann noch einmal fragend.
Dann etwas zweifelnd.
Dann anklagend.
Dann vorwurfsvoll.
Dann anklagend und vorwurfsvoll.
Dann vorwurfsvoll und anklagend.
Dann anklagend, vorwurfsvoll und vorwurfsvoll, anklagend.
Dann verächtlich.
Dann verzweifelt verächtlich.



Dann wird gefressen. Shiina bat mich, ihr Leiden für Euch fotografisch zu dokumentieren. Sie bat mich auch, sie dabei fotografisch perspektivisch besonders schlank in Szene zu setzen. Sie bat mich bei zooplus einen Wunschzettel einzurichten und Euch ihre Kontonummer mitzuteilen, ihre Lieferadresse und darüber hinaus sucht sie ein neues Zuhause und eine neue Futtermittelbeauftragte (gerne mit Mäuse-Flatrate etc.). Sie wünscht sich einen Lottogewinn, möchte sich einen Katzenfuttersupermarkt kaufen und wünscht sich viel mehr Unabhängigkeit in Bezug auf das Thema Fressen.



Vor allem aber: MÖCHTE SIE ZUR ZEIT NICHT VON DER SEITE ANGESPROCHEN WERDEN!

Vom Sex. Mit Freiern.

«Die Qualitäten, die ich in der Erziehung zur Tochter aus gutem Hause gelernt habe, sind die Qualitäten, dank derer ich mich im Bordell heimisch gefühlt habe. Weil ich genau wusste: Du bedienst das, was die Welt von außen an Erwartungen an dich stellt. Und die Welt ist im Patriarchat erst mal eine männliche. Was wir an Hörigkeit den Erwartungen der Welt gegenüber lernen, als Kinder in diesem Schulsystem und später in der Welt aus Studium und Ausbildung, bereitet dich perfekt auf den Puff vor.»

Wir verschießen ständig Potential” Theresa Bäuerlein im Gespräch mit einer Prostituierten bei den Krautreportern. Beim Lesen dachte ich: „Wie spannend, diesen Text sollten vor allem Eltern lesen. Eltern von Jungen und von Mädchen.”

2014-11-04

Jalapeños-Stulle



Am Südstern gibt es seit einiger Zeit Samstag einen Bio-Markt. Der ist klein und übersichtlich aber man bekommt Obst, Gemüse, Blumen, Fisch, Fleisch, Käse, Wurst und Brot regionaler Güteklasse. Auch steht dort der Wurst-Grill mit den feinen Bambergern, die meiner Meinung nach zu den besseren Rostbratwürste in dieser Stadt gehören. Auf diesem Markt gibt es keine Hektik, die Verkäufer sind freundlich, man kennt sich – es ist halt Markt. An einem Stand gibt es die üblichen türkischen Käsepasten. Ich habe dort noch nie ein Stückchen Brot mit einer der Crémes hingereicht bekommen, ohne diese dann nicht auch kaufen zu müssen. Müssen, weil es mir der Geschmack befiehlt, nicht der Verkäufer. Die Rote Beete-Créme mit Meerrettich ist legendär. Und neulich gab es eine Frischkäsepaste mit Jalapeños. Mit der schmiert man sich gutes mexikanisches Feuer auf die Berliner Graubrotstulle, sie ist wirklich scharf! Aber es ist eine gute Schärfe, die beim Essen vorherrscht, später aber wieder schnell abflacht.

Gegenüber vom Markt die Lillienthalstraße hinein, gegenüber dem Eingang zur Hasenheide, liegt eine kleine italienische Salumeria, wo es italienische Wurst, Käse, Antipasti an der Frischtheke gibt. Ansonsten italienischen Kaffee und frisch gemachte Ravioli. Dort kaufe ich immer das Mehl für meinen Nudelteig ein. Das Mehl kostet dort einen Euro weniger als bei den anderen Szene-Italienern im Bezirk. Außerdem glaube ich persönlich, agiert dort der reizendste italienische Verkäufer der Stadt. Schon wegen ihm kaufe ich mein Mehl dort und nirgendwo anders.

Wieder zurück zum Marktplatz und hoch gelaufen in die Gneisenaustraße liegt auf der rechten Seite kurz vor dem Soluna eine kleine französische Épicerie, wo man gute französische Fenchel-Salami bekommt, und den perfekten Kaffee nach einem Marktbesuch trinken kann. Und, bei Bedarf und Sonnenschein, einen sehr feinen französischen Birnen-Cidre. Dieser Laden ist eine kleine Apotheke aber wenn man hinein geht, glaubt man, man ist jetzt und in diesem Moment in Frankreich, so typisch riecht es dort nach Épicerie.

Und wer noch nicht genug hat, den zieht es weiter bis zur Marheinekehalle, da ist jetzt Samstags mindestens so der Teufel los wie in der Markthalle IX.

2014-11-03

Sherlockiges

Die liebe Melody spülte gestern diesen extraordinären Link zur britischen Elle in meinen Facebook-Account. Ein Interview mit Benedict Cumbertatch einschließlich einer wirklich hervorragenden Fotostrecke von Marc Horn fotografiert. Und weil heute Montag ist und überhaupt und so und wir auch mal schöne Dinge sehen möchten … enjoy it!

Krähenscouts

2014-11-02

Get a real life!



Wir kennen alle diese Aufforderung derer, die nicht verstehen können/wollen/dürfen, warum man den Tatort nur gemeinsam mit seiner Twitter-Timeline gucken möchte. Warum man sich überhaupt mit all diesen Gestalten in diesem Internet abgeben muss, hat doch das Leben da draußen viel mehr zu bieten und und und …

Ich habe schon in der Vergangenheit und könnte es auch weiterhin in der Zukunft so viele Gründe aufzählen, warum das alles, was wir hier so treiben auch sinnvoll ist und und was uns diese Online-Freuden und -Freunde alles geben. Eben – bleiben wir doch beim Geben:

Ich folge auf Facebook einer jungen Dame C. aus Wien. Wenn ich es richtig erinnere, lernten wir uns über den üblichen Premiumcontent (hier: irgendwas mit einem zugelaufenen Kater) kennen, der einen unvermutet zusammen treibt. Diese junge Dame schreibt gelegentlich über ihre Arbeit in einem Sozialheim. Einem Ort, wo Menschen untergebracht sind, die … nun, nennen wir es anders sind als andere Andere. Die sich eine eigene kleine Welt gebaut haben, dieser Gesellschaft auf ihre eigene Art viel geben auch wenn diese Gesellschaft das nicht immer so verstehen will. Manchmal, wenn C. ein wenig Überlast hat im Job, nach stundenlangen Schichten mit Überstunden und kaum einer Pause, dann kompensiert sie diese Überlast in dem sie ihren Alltag in Facebook für einen kleinen Freundeskreis herunter schreibt. Mit wenig Punkten und kaum Absätzen. Alles einfach raus! Das liest sich natürlich oft sehr lustig, dann bedrückend, manchmal nachvollziehbar und am Ende bin ich tief beeindruck davon, dass C. diesen Job offensichtlich mit viel Hingabe betreibt und tatsächlich sehr liebt. Sie schreibt voller Hochachtung von den vielen Gestalten um sie herum, die ganz besonders ticken. Sie liebt ihre Patienten, so anstrengend die sicherlich sind. Und das tut gut zu lesen.

Einmal berichtete C. von Herrn k. Sie erzählte sehr liebevoll von Herrn k. Ein feiner, sehr stiller Mensch, dem das Leben keine schönen Bälle zuspielte. Nur solche Bälle, die ihn auf der Straße leben ließen; die ihm wenig Glück brachten. Herr k., so schien es den Erzählungen nach, war keiner, der es je gelernt hatte mit dem Finger auf sich zu zeigen und etwas Glück auch einmal für sich einzufordern.

Nun war Herr k. sterbenskrank, sein Ende absehbar. Und C. beklagte in FB ihre Traurigkeit darüber, dass sie in Wien im Sommer keine Mandarinen bekommen konnte. Diese, so hatte Herr k. ausnahmsweise einen Wunsch für sich geäußert, wollte er so gerne noch einmal essen wollen. Die Möglichkeit, dass Herr k. noch den Beginn der neuen Mandarinensaison erleben würde, schien eher nicht gegeben. Und C., die in ihrer Freizeit versucht hatte, die Frucht in Wien zu bekommen, bekam sie nicht und es wollte sie ihr auch niemand bestellen. Diesen Frust ließ C. nun in FB raus.

So meldeten Frau C. (ais Norwegen) und ich uns gleichzeitig in den Kommentaren. Frau C. aus N. schrieb, sie wüsste wohl, wo es in Norwegen Mandarinen auch im Hochsommer gäbe. Ich wiederum schrieb, dass ich sicher sei, ich würde diese in Berlin – allerspätestens im Kaufhaus des Westens – besorgen können. Frau C. aus N. und ich einigten uns, dass ich erst einmal gucken würde, denn ein Päckchen nach Austria ist von Deutschland aus zwar immer noch im Porto unverschämt teuer, womöglich aber günstiger als von N. nach A.

Tatsächlich wurde ich hier schnell fündig, schon in Neukölln. Zwei Säckchen der begehrten Früchte wurden eingekauft, und in einem Päckchen mit etwas Schokolade an die Leitung des Heimes (Herr k. blieb für uns die ganze Zeit korrekt anonym) mit einer Karte verschickt. Und C. (aus A) kündigte unser Paket bei der Heimleitung an, damit nichts schief ging. Frau C. aus N. und ich teilten uns die Kosten.

Kurze Zeit später setzte uns C. in Kenntnis, dass das Päckchen angekommen sei und Herrn k. froh gestimmt hatte. Etwas peinlich berührt wohl auch, weil es um ihn ging; was er nicht gut aushalten mochte in seiner zurückhaltenden Art. Herr k. hatte seine Mandarinen.

Ich muss dieser Tage oft an Herrn k. denken. Jetzt, da es wieder überall Zitrusfrüchte aller Arten zu kaufen gibt, vermute ich Herr k. ist seinen Weg mittlerweile zu Ende gegangen. Dass wir ihm seinen Wunsch erfüllen konnten, macht mich froh, war es doch auch überhaupt nicht schwer. Wir mussten nur von seinem Wunsch und den Schwierigkeiten von C. ihm diesen zu erfüllen, erfahren.

Und das haben wir. Das konnten wir. Weil es eben dieses Internet gibt.

Und damit mein herzliches Dankeschön an alle Menschen, die dieses Internet benutzen, um gute und schöne Dinge für andere Menschen zu tun!