Get a real life!
Wir kennen alle diese Aufforderung derer, die nicht verstehen können/wollen/dürfen, warum man den Tatort nur gemeinsam mit seiner Twitter-Timeline gucken möchte. Warum man sich überhaupt mit all diesen Gestalten in diesem Internet abgeben muss, hat doch das Leben da draußen viel mehr zu bieten und und und …
Ich habe schon in der Vergangenheit und könnte es auch weiterhin in der Zukunft so viele Gründe aufzählen, warum das alles, was wir hier so treiben auch sinnvoll ist und und was uns diese Online-Freuden und -Freunde alles geben. Eben – bleiben wir doch beim Geben:
Ich folge auf Facebook einer jungen Dame C. aus Wien. Wenn ich es richtig erinnere, lernten wir uns über den üblichen Premiumcontent (hier: irgendwas mit einem zugelaufenen Kater) kennen, der einen unvermutet zusammen treibt. Diese junge Dame schreibt gelegentlich über ihre Arbeit in einem Sozialheim. Einem Ort, wo Menschen untergebracht sind, die … nun, nennen wir es anders sind als andere Andere. Die sich eine eigene kleine Welt gebaut haben, dieser Gesellschaft auf ihre eigene Art viel geben auch wenn diese Gesellschaft das nicht immer so verstehen will. Manchmal, wenn C. ein wenig Überlast hat im Job, nach stundenlangen Schichten mit Überstunden und kaum einer Pause, dann kompensiert sie diese Überlast in dem sie ihren Alltag in Facebook für einen kleinen Freundeskreis herunter schreibt. Mit wenig Punkten und kaum Absätzen. Alles einfach raus! Das liest sich natürlich oft sehr lustig, dann bedrückend, manchmal nachvollziehbar und am Ende bin ich tief beeindruck davon, dass C. diesen Job offensichtlich mit viel Hingabe betreibt und tatsächlich sehr liebt. Sie schreibt voller Hochachtung von den vielen Gestalten um sie herum, die ganz besonders ticken. Sie liebt ihre Patienten, so anstrengend die sicherlich sind. Und das tut gut zu lesen.
Einmal berichtete C. von Herrn k. Sie erzählte sehr liebevoll von Herrn k. Ein feiner, sehr stiller Mensch, dem das Leben keine schönen Bälle zuspielte. Nur solche Bälle, die ihn auf der Straße leben ließen; die ihm wenig Glück brachten. Herr k., so schien es den Erzählungen nach, war keiner, der es je gelernt hatte mit dem Finger auf sich zu zeigen und etwas Glück auch einmal für sich einzufordern.
Nun war Herr k. sterbenskrank, sein Ende absehbar. Und C. beklagte in FB ihre Traurigkeit darüber, dass sie in Wien im Sommer keine Mandarinen bekommen konnte. Diese, so hatte Herr k. ausnahmsweise einen Wunsch für sich geäußert, wollte er so gerne noch einmal essen wollen. Die Möglichkeit, dass Herr k. noch den Beginn der neuen Mandarinensaison erleben würde, schien eher nicht gegeben. Und C., die in ihrer Freizeit versucht hatte, die Frucht in Wien zu bekommen, bekam sie nicht und es wollte sie ihr auch niemand bestellen. Diesen Frust ließ C. nun in FB raus.
So meldeten Frau C. (ais Norwegen) und ich uns gleichzeitig in den Kommentaren. Frau C. aus N. schrieb, sie wüsste wohl, wo es in Norwegen Mandarinen auch im Hochsommer gäbe. Ich wiederum schrieb, dass ich sicher sei, ich würde diese in Berlin – allerspätestens im Kaufhaus des Westens – besorgen können. Frau C. aus N. und ich einigten uns, dass ich erst einmal gucken würde, denn ein Päckchen nach Austria ist von Deutschland aus zwar immer noch im Porto unverschämt teuer, womöglich aber günstiger als von N. nach A.
Tatsächlich wurde ich hier schnell fündig, schon in Neukölln. Zwei Säckchen der begehrten Früchte wurden eingekauft, und in einem Päckchen mit etwas Schokolade an die Leitung des Heimes (Herr k. blieb für uns die ganze Zeit korrekt anonym) mit einer Karte verschickt. Und C. (aus A) kündigte unser Paket bei der Heimleitung an, damit nichts schief ging. Frau C. aus N. und ich teilten uns die Kosten.
Kurze Zeit später setzte uns C. in Kenntnis, dass das Päckchen angekommen sei und Herrn k. froh gestimmt hatte. Etwas peinlich berührt wohl auch, weil es um ihn ging; was er nicht gut aushalten mochte in seiner zurückhaltenden Art. Herr k. hatte seine Mandarinen.
Ich muss dieser Tage oft an Herrn k. denken. Jetzt, da es wieder überall Zitrusfrüchte aller Arten zu kaufen gibt, vermute ich Herr k. ist seinen Weg mittlerweile zu Ende gegangen. Dass wir ihm seinen Wunsch erfüllen konnten, macht mich froh, war es doch auch überhaupt nicht schwer. Wir mussten nur von seinem Wunsch und den Schwierigkeiten von C. ihm diesen zu erfüllen, erfahren.
Und das haben wir. Das konnten wir. Weil es eben dieses Internet gibt.
Und damit mein herzliches Dankeschön an alle Menschen, die dieses Internet benutzen, um gute und schöne Dinge für andere Menschen zu tun!
3 comments:
danke für diese worte, und dieses beispiel.
und: auch ich habe mehrfach an herrn k. gedacht, in der letzten zeit.
@kelef
Gerne. Ja das kommt hinzu, Herr k. ist jetzt für uns ein klein wenig unsterblich geworden. Was ich auch schön finde. ,-)
Diesen Text werde ich Leuten unter die Nase halten die das mit dem Internet nicht verstehen (wollen). Danke. Dafür und für die Mandarinen.
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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