2006-09-03

Wunderschön…



Der einzige Tag in einer für die Jahreszeit viel zu nasskalten Woche, an dem die Sonne strahlend scheint, die Luft wärmt, den Tag zu einem besonders schönen Tag macht. Als ich das realisiert habe, habe ich über das Glück vor Freude zum ersten Mal geweint an dem Tag.

Vier ihrer für sie 'wichtigsten' Freundinnen war sie nicht einmal die telefonische Absage wert. Als ich das realisiert habe, habe ich vor Scham um sie für meine Mama geweint. DAS muss ich erst einmal verdauen.

Die Urne bei mir zu haben, hat die Sicht auf das Tragische und Schlimme an ihrem Tod verändert. Der Bestatter hatte uns an einem Tag die Kette meiner Mum überreicht, die sie zum Zeitpunkt ihres Todes getragen hatte. Eine goldene Kette mit einer Eule als Anhänger. Sie liebte Eulen. Diese Kette zu besitzen, konnte ich überhaupt nicht ertragen. In der Trauer sind es sind die ganz kleinen Dinge, die einen plötzlich aus der Bahn werfen. Meine Freundin hat sie für mich in Verwahrung genommen, musste sie aber auch für sich ganz weit verstecken. Wir beide waren mit dieser Kette nicht im Reinen. Sie lag uns im Magen und auf der Seele. Ich wollte sie mit dieser Kette unbedingt schmücken, sie war nun mal unzertrennbar mit ihr verbunden. Mit dem kurzzeitigen Einzug der Urne war aller Schrecken vor dieser Kette weg. Es war problemlos möglich, sie aus der Zellophantüte zu nehmen, anzufassen, umzulegen. Ich mag sie wieder. Sehr viele Dinge haben mit der Anwesenheit ihrer Asche den Schrecken verloren.

Die Feier war wunderschön – glaube ich. Ich war zwar über weite Strecken die Hauptaktive, habe aber erschreckend viel nur durch einen Schleier mitbekommen – die meisten Dinge habe ich hinterher erst erfragen müssen. Ich habe keine Ahnung von wem die ganzen Blumen sind oder die lieben Karten. Viele haben die Karten an meine Mum geschrieben, nicht an mich. Das finde ich besonders schön. Sie haben es verstanden!

Marylin Monroe war da und hat für sie 'I wanna Be Loved By You!' gesungen, sie hatte sich das gewünscht. Beide, die Begrüssungs- und ihre persönliche Rede habe ich gehalten. Der Plan sah vor erst bei dem Abschnitt in dem ich auf sie als meinem Mama eingehe mit absoluter Sicherheit unter Tränen und mit gebrochener Stimme zu stammeln. Pläne sind in solchen Momenten relativ sinnlos, ich habe schon viel früher zu meinen Gefühlen und meiner Verzweiflung stehen müssen. Also waren Pausen in meinen Gedanken zu ihr in denen mir Freunde sofort Taschentücher reichten und mir auf die schönste Weise alle Zeit gaben, um mich zu sammeln: sie weinten einfach mit mir mit. Dafür habe ich sie zum Dank dennoch an ein, zwei Stellen zum Lachen bringen können. Das war mir so wichtig. Es muss gewesen sein, als ich damit angab wohl als einzige Anwesende Nacktfotos von meiner Oma zu besitzen. Oder der Stelle, als meine Mum meinen Vater* (*miesester Beifahrer der Welt ohne Führerschein) einmal aus dem Auto geworfen hatte. Mitten auf der Landstraße. In Österreich. (Er kam dann zwei Tage später per Bahn zurück nach Berlin.) Aber ich weiß es nicht genau, ich war nicht anwesend. Nicht wirklich.

Ich hätte nie von mir gedacht, jemals eine Rede für einen Verstorbenen halten zu können. Schon gar nicht für meine Mum. Niemals. Ich wußte immer, ich würde es für meine Mama eines Tages unbedingt tun wollen, weil niemand das sagen könnte, was ich für sie zu sagen hätte – nur war mir klar, ich würde das niemals durchstehen können. Ich habe es durchstanden. Ich weiß nicht, ob und wie gut. Ich behaupte auch nicht, ich bin stolz auf mich. Ich bin nur wirklich unendlich froh darüber, es selber und alleine geschafft zu haben. Für sie.

Die buddhistische Zeremonie war sehr friedlich und Kraft gebend. Meine Freunde, die die Songs von Elvis so kurzfristig einstudiert haben, waren beide so großartig. Mir haben viele Menschen in diesen Tagen unerwartete schöne Geschenke gemacht mit ihren Gesten und Worten und Taten. Das die beiden meiner Mum eine so schöne Feier ermöglicht haben, das wird mir immer das Herz erhellen. Ich weiß, das hat meine Mum so glücklich wie kaum etwas zuvor gemacht. Wie schön, wie professionell, wie einmalig sie gespielt und gesungen haben. 'Suspicios Minds' von Elvis – ich hatte gehofft, alle singen beim Chorus mit. Sie haben das ganze Lied gesungen. Ich soll in meiner Rede Menschen zum Weinen gebracht haben, die andere Freunde in den 30 Jahren, die sie sie kennen, niemals haben weinen sehen. Bin mir nicht sicher, ob das positiv ist. Zum Schluß haben wir alle mit ihr und auf sie mit einem Glas Prosecco (den Mama besonders mochte) angestoßen. Alle schienen nach der offiziellen Feier fröhlich zu sein. Was will ich mehr?

Die Tatsache, dass dann wirklich die Urne in einem privaten Haus stand, hat doch alle erstaunt. Vielen hatte ich es ja im Vorfeld gesagt, glauben konnte es wohl keiner. Ich habe ihnen von meiner Erfahrung mit der Urne erzählt, von meiner Angst (von unserer, Katrin) wie schön ich (wir) es nun wirklich finden, sie haben zu können. Die meisten haben meine Mum noch einmal in die Arme genommen, gestreichelt, ihr einen Kuss gegeben, ein stilles Gespräch mit ihr gehalten. Ich schätze 80% ihrer Freunde, haben wir nebenbei ein wenig den Schrecken vor dem Tod, die Angst vor diesem Gefäss nehmen können. Viele haben mir gesagt, wie wunderschön sie es fanden,
– wie gut es ihnen getan hat – sie noch einmal so nahe dabei zu haben.

Die schärfste Frau der Ex-DDR, der Welt, also Katrin hat sie jedes Mal, wenn sie an ihr in etwas Ruhe vorbei kam, zärtlich gestreichelt und mit ihr gesprochen. Mama, wir haben zwar irgendwann unterwegs Deinen Sohn verloren, aber Du hast eine zweite Tochter geschenkt bekommen. Irgendwie.

Nach einem viel zu üppigen – ich habe von meiner Mum in die Gene mitbekommen, ja nie Menschen hungrig gehen zu lassen – von uns selbst in tagelanger Vorbereitungszeit erstelltem Buffet, von dem alle sehr begeistert waren, einem Bad im Pool vom harten Kern, tanzen und nochmals zusammen singen, haben wir mit der kleinen übrig gebliebenen Runde spät nachts noch draussen bei der einen von den vielen Flaschen Prosecco im Garten gesessen und wir haben sie mit zu uns auf den Tisch gestellt. Das wird auch einer der wichtigen sehr schönen Momente sein, den mir keiner mehr nehmen kann. Einer an den ich mich erinnern kann. Und erst dann fing es an wieder zu regnen.

Wir haben aufgeräumt und zum Schluß war ich so fertig und kaputt, wie ich es wirklich noch nie in meinem Leben gewesen bin. Ich war mir sicher nicht mehr zum Bett ins Dachgeschoss hochgehen zu können. Ich fürchte, ich bin weinend eingeschlafen.

Die Hauptsache aber: meine Mama sah so wunderschön aus!

2006-09-01

Wat mut, dat mut.



Wir wollen ja nicht, dass noch jemand dabei umkommt.

Okay, der war jetzt von der ganz schwarzen Sorte. Sei es drum, heute nachmittag haben wir sie abgeholt: die Urne mit der Asche meiner Mum. Ich hatte wirklich sehr viel Angst vor diesem Moment. Davor Angst wie sich das anfühlen würde, ob ich die Urne in meiner Nähe überhaupt ertragen würde. Ob ich dann überhaupt noch schlafen könnte in meiner Wohnung, vor den Nächten hatte ich noch mehr Angst als vor den Tagen.

Dann hat der Bestatter sie auf den Tisch gestellt und in mir haben sich Dimensionen verschoben. Da ist ein ganzes Leben, im Verhältnis zu dem Leben anderer ein langes und zu anderen Leben wiederum ein kurzes Leben. Ein Leben mit viel Kampf, viel Freude, viel Leid, viel Leistung, viel Herz, viel Humor und viel Schmerz gelebt. Und dann ist da Asche. Es ist schnurzpiepsegal, wie reich und wichtig und toll Du vielleicht denkst, dass Du es bist. Oder wie arm, unwichtig und unschön Deine Existenz Dir scheint. Am Ende seid Ihr beide nichts anderes als Asche.

Es klingt jetzt komisch: Aber es fühlt sich gut an, die Urne in den Armen zu halten. Ich habe meine Mum in die Arme genommen und es war gut. Ich habe keine Angst mehr. Es ist schön, sie anzufassen und mit reden zu können. Wir haben unsere Witze mit ihr vorhin gemacht. Wir haben gelacht. Auf der Rückfahrt zu mir habe ich ihr die ganz wichtigen Sachen, die mir auf der Seele lagen und die ich die letzten fünf Wochen schon so oft in die Luft oder im Geiste gesprochen hatte, IHR sagen können. Es ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Aber im Moment fühlt es sich gut an. Wirklich. Friedlich.

Ich bin froh, es so gemacht zu haben.

2006-08-31

Dialoge, die das Leben reicher machen

Ich am Telefon im Gespräch mit der Mutter, sie führt simultan im Hintergrund folgenden Dialog:

Sohn (ca. 6 Jahre alt): 'Du, warum heißt der dann Lederball?'
Mutter: 'Die hießen früher alle so, weil sie aus Leder waren. Aber jetzt sind sie eben alle aus Plastik.'
Sohn: 'Und warum heißen sie dann Lederball?'
Mutter: 'Die sind einfach nicht umbenannt worden.'
Sohn: 'Und warum sie die nicht mehr aus Leder?'
Mutter: 'Damit sie schneller und leichter sind.'
Sohn: 'Und warum heißt der dann Lederball, wen der nicht aus Leder ist?'

2006-08-30

Dialoge, die das Leben reicher machen

Vater (ca. ? Jahre) und Sohn (ca. 5 Jahre) laufen über den Hinterhof vom Parkplatz von Karstadt am Hermannplatz.

Vater: 'Lauf mal schneller, die fahren hier doch alle wie doof!'
Sohn: 'Du fährst viel döfer!'
Vater: 'Ja klar, ich bin DER Doofe!'

Seien wir mal ehrlich!

Nein, ich bastle selber gar keine Homepages und so. Ich habe doch gar keine Ahnung von dem Thema. Ich kann das gar nicht. Ich gebe nur meinen Namen dafür her.



Sie hatte Probleme eine Steuernummer zu erhalten.

2006-08-29

Kinder wie die Zeit vergeht,

ist es wirklich schon so spät?



Dachte, ich passe mein Blog heute mal dem Wetter an. Ok, ganz so weit sind wir in Berlin dann doch noch nicht, das Foto ist vom letzten Jahr. Dieses Jahr sind die Kastanien so Rosskastanienminiermotten geschädigt, dass wirklich kaum noch Blätter an den Bäumen hängen, geschweige denn Früchte. Aber lange dauert das nicht mehr. Ich habe die ersten Blätter schon liegen sehen.

Gestern lief im ersten (wie immer später bei ausnahmsweise gutem Programm) die Dokumentation 'Der Hölle so nahe …', die den Alltag des Kriegsfotografen Ziv Koren, in Tel Aviv lebend, zeigt. Danach habe ich schlecht geschlafen. Wir realisieren viel zu selten, wie das Leben an diesen Kriegschauplätzen wirklich ist. Wie gefährlich die Arbeit für die Reporter, Kameraleute, Fotografen für ihr eigenes Leben ist. Wie gefährlich ihr täglicher Blick auf Tod und Zerstörung für ihre Seele sein muß.

Wir sehen in den Nachrichten täglich diese klitzekleinen Schnipsel an bebilderten Informationen. Die Menschen, die uns dieses Sehen ermöglichen, gehen täglich den Weg Richtung Tod dafür. Ich liebe die Fotografie und bekomme den Sucher selten vom Auge. Das aber könnte ich nie. Ich bin zu feige. Ich bin zu egoistisch, denn ich hätte viel zu viel Angst um mein eigenes lächerliches Leben. Und dann in dieser Angst auch noch fehlerfrei arbeiten können?

Mir fällt auf, dass viele Arbeiten von Ziv Koren – obwohl sie ganz klar zur dokumentarischen Fotografie zählen – künstlerisch schön sind. Dürfen Fotos aus Kriegsgebieten das sein?

Ziv Korens Homepage.

2006-08-28

Dialoge, die das Leben reicher machen

Neulich in irgendeinem RTL-Magazin zum Thema 'billig fröhlich poppen auf Malle.' Die Kamera hält in irgendeiner Discothek auf ein junges Pärchen. Beide stellen sich gegenseitig ihre Zungen vor und versuchen diese durch die orale Öffnung des anderen hineingesteckt, sie an einem Ohr des anderen wieder austreten zu lassen.

Interviewer: 'Wie lange kennt Ihr Euch?'
Er: 'Ne halbe Stunde.'
Interviewer: 'Ach, und schon am knutschen?'
Er: 'Na, Spaß muss sein.'
Interviewer: 'Weißt Du denn, wie sie heißt?'
Er: 'Tanja. Glaube ich.'
Sie: 'Christine.'
Interviewer: 'Und wie alt ist sie?'
Er: 'So 20. Glaube ich.'
Sie: '19.'