2023-03-22

Tage wie dieser …

Gestern war so ein Tag, so ein Mix an Emotionen. Tsja, wie soll ich das erklären? Gründe meiner chronischen Erkrankung sind sicherlich ur-anerzogene Überlebensmechanismen, bestimmte Themen nicht an mich heranzulassen, um zu überleben. Und in der therapeutischen Übung ist es meine Hauptübung zu erkennen, wann mich Themen absolut betreffen und etwas in und an mir anrichten. Und zwar ohne, dass ich es abwehre mit einem „nicht so schlimm”, „passiert jedem einmal” oder „musste halt durch”. Im wirklichen Sinne: Augen zu und durch, keine Selbstfürsorge. Das kann man eine relativ lange Zeit machen – bis dann halt auch mal Schluss ist. Und man die Konsequenzen dafür auf anderer Ebene ertragen muss.

Ich bin da bisher in den letzten Jahren ein gutes Stück vorwärts gekommen. Aber dieser Krieg gegen die Ukraine hat bei mir diese alten Mechanismen erneut richtig gut in Stellung gebracht. Da geschehen so viele Dinge, die mir so nahe gehen, dass ich sie ausblenden muss und doch schleppe ich das Leid meiner Mitmenschen, dieses Landes in mein Dasein, denn dazu brauche ich naturgegeben keinen direkten Kontakt zu Menschen. Das ist Talent wie auch Pain in the as gleichzeitg!

Und ich muss so sehr aufpassen gerade, dass ich nicht in diese alten mir alle Kraft raubenden Mechanismen zurück falle. Vermeintlich, weil für mich dann alles einfacher ist. Dass ich auf dem besten Weg dahin bin, fiel mir gerade auf als ich dieses Blogpost mit einem Satz beginnen wollte indem ich behaupten wollte, mir wären gestern so viele emotionale Kicks begegnet, die mich alle tangiert hätten ohne, dass sie mich eigentlich beträfen. Und dann ist mir aufgefallen, dass natürlich alle Momente absolut subjektiv so etwas von mich betroffen und berührt haben, dass der Versuch dagegen anzuschreiben geradezu lächerlich wäre. Was ich als ganz schönes Zeichen deute, denn offensichtlich ist meine Wahrnehmung im positiven Sinne mir gegenüber doch noch etwas aktiv.

Gestern hatte ich einen OP-Vorgesprächstermin. Die nächsten zwölf Monate gönne ich mir je einen Eingriff an den Beinen, rechts und links, das liebe Krampfadern-Erbe von Oma und Papa. Mit der Oma, die diese fantastischen Tänzerinnenbeine bis in ihr hohes Alter hatte, bin ich ja nun leider nicht blutsverwandt. Den ersten kleineren Eingriff im Juni kann ich tatsächlich bei Bewusstsein mit örtlicher Betäubung erleben, was ich ganz interessant finde. Ich habe doch so gerne Kontrolle bei diesen Dingen. Es wird „nur” verödet. Hier hat mein Plan, mir eine Praxis zu suchen bei der meine Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt, geklappt. Funktioniert wohl am anderen Bein dank der vorliegenden Diagnose nicht. Aber das ist später dran.

Nun liegt diese Praxis im Ullsteinhaus. Und dieses Wartezimmer kannte ich, weil ich seinerzeit dort mit meiner Freundin S. saß als ihr nach der ersten Krebsdiagnose der Shunt entnommen wurde. Damals als wir noch dachten, dieses Krebsunheil hätten wir von ihr abwenden können. Im Wartezimmer steht ein Flügel, den vergisst man nicht. Was waren wir voller Hoffnung und Freude damals. Irgendwie. Schön war das!

Und sowieso kenne ich diese Räume noch als Kind, denn dort war meine Ballettschule untergebracht. Und heute weist immer noch ein handschriftlicher Zettel im Treppenhaus auf die frühere Vermietung hin. Tatsächlich habe ich aus der Zeit aber keine wirkliche Erinnerung mehr an die Räume, die damals wohl anders aufgeteilt waren – und sehr viel kleiner mir in Erinnerung sind als die heutige Aufteilung. Aber emotional war der Besuch auf zweifacher Ebene ein ganz schöner Ritt durch mein Leben gestern. Wie also kann man so etwas für sich überhaupt abtun wollen?

Auf jeden Fall hat diese Facharztpraxis richtig gute medizinische Fachangestelltinnen – wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe. Sehr den Patient*innen zugewandt, freundlich und offensichtlich mit viel Spaß im Job. Meine Hauärztin hat vorne eine Dame sitzen, die ist das genaue Gegenteil. Scheint nur überfordert und ich frage mich ob sie nicht tatsächlich eine Autismusdiagnose hat, so fremd wirkt ihr Umgehen mit uns Patienten auf mich. Natürlich – wenn dem so wäre – fände ich gut, dass sie dennoch in dem Umfeld eine berufliche Aufgabe hat und sich das dann doch zutraut. Aber unter dem Strich gehe ich so oft aus der Praxis und denke bei mir, wie fehlbesetzt diese eine Frau an dieser besonderen Position ist, wo Mitgefühl und menschliche Zugewandheit nicht das schlechteste Mitbringsel im Job wäre.

Derzeit lohnt sich generell ein Besuch zu den üblichen Werkzeiten im Ullsteinhaus, weil dort gerade eine drollige Robotnik-Pasta-Installation … Pasta kocht. Aitme heißt die vollautomatische Kochstation. Kann man so oder so finden. Aber den Roboterarmen und der Technik zuzugucken, das hatte mir gestern schon Vergnügen bereitet. Vielleicht probiere ich das Essen (also Pasta) doch einmal nächste Woche aus? Preise pro Portion sind zwischen 6-8 Euro. Kommt jemand mit? Ich habe so einen Automaten schon einmal als Kaffeeautomaten in Karlsruhe erlebt. War ganz lustig – aber schlussendlich die Kaffeemenge zu klein für das Geld und geschmacklich (für mich) weit entfernt von „ich würde dort regelmäßig meinen Kaffee (vor allem für das Geld) ziehen.”

Das ist auch der Punkt bei diesen Maschinen, das, was da rauskommt, benötigt relativ lange Zeit – da ist der Mensch definitiv schneller – und im Ergebnis sind die Produkte schlicht viel zu teuer, weil man die Anschaffungskosten kompensieren muss. Ach ja: Pappgeschirr ist auch so ein Ding. Aber ich glaube nicht, dass Menschen auf lange Sicht viel Geld dafür bezahlen, um das Ergebnis zu erhalten. Also: Beispiel am Aitme-Pasta-Automaten: Alle Zutaten werden von Anfang an in die Rührschüssel gegeben – und genauso sah der Brokkoli dann am Ende auch aus. Ein menschlicher Koch würde Brokkoliröschen frühestens in der Mitte des Kochprozesses hinzu geben. Also falls es euch interessiert – unten in der Eingangslobby im Ullsteinhaus. Kann dort jeder probieren.

Auf dem Weg zurück in der Dockingsstation in der U-Bahn von der unteren zur oberen Plattform von Blaulicht empfangen worden. Die Sanitäer räumten gerade alles weg, was zu einer Reanimation gehört. Der Patient wurde in dem Moment in den RTW verladen und es pressierte, den kaum hatte ich die letzte Treppenstufe auf der oberen Plattform erklommen, fuhr dieser schon mit Blaulicht und polizeilicher Begleitung gen Urban-Krankenhaus. Und ganz ehrlich: Ich war richtig froh, dass ich halt genau in diesem Moment vorbei kam und nicht in dem Moment in dem der Mann zum Patienten wurde. Ich kann ja nun mal Erste Hilfe leisten und würde es auch immer tun. Aber gestern hatte ich einfach die Idee von: „Ein Glück, ich hätte da heute gar keinen Nerv für gehabt.” (Gut, ist vielleicht auch so, wenn man sich mit der eigenen Gesundheit vorher beschäftigen musste.) Ich wünsche dem Mann nur das Allerbeste.

Es gehört zu meiner Entwicklung, dass ich mir solche Gefühle erlaube und eingestehe. Im Grunde habe ich sehr viel erreicht. Für mich.

Zu Hause am Abend stellte ich den Geschirrspüler an, der schon am Anfang der Inbetriebnahme Unlust äußerte, was ich als Salzmangel diagnostizierte. Weil ich schon seit Tagen dachte, der braucht bestimmt Salz und dann … man kennt das ja. Also bekam er Salz, lief eine ganze Weile und fing später panisch an zu piepen, weil seine Gummifüßlein im Wasser standen. Kann ich verstehen. Erschrickt man sich erst einmal ordentlich. Also habe ich gestern Abend noch das Sieb gereinigt. Jetzt pumpt er zwar wieder ab, aber zeigt immer noch seine Fehlermeldung. Aber ich hatte gestern keine Lust und vor allem auch kein gutes Licht um mich dem Thema mit Schraubendreher und Liebe zu nähern. Und Zuversicht. Licht sowieso.

Ihr lest hier also ein prima Prokrastinations-Post.

1 Kommentare:

southpark hat gesagt…

Die Erkenntnisse aus dem Ullsteinhaus finde ich hochspannend. Ich habe im Gebäude von 2014 bis 2022 gearbeitet - und habe den ganzen Wandel von Modezentrum und Bürohaus (mit Ballettschulenschild aber ohne Ballettschule) zum Start-Up-Techno-irgendwie-Standort mitbekommen. Gerade unten im Foyer haben sie über Jahre gebaut und gerade eine erste Kantine eingerichtet - und dann kam Corona und die Kantine hat es nicht überlebt. Dass nun eine technische Lösung kommt, ist echt passend. Insofern würde ich gerne zum Testen mitkommen - nur leider reicht meine Mittagspause nicht mehr, um dorthin zu kommen, zu essen und wieder zurück zu fahren :-)

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