2016-07-12

Mache ich morgen …

Hier und da ließ ich schon durchscheinen, Orthopäden sind nicht so mein Ding. Wenn ich zum Orthopäden gehe, dann ist der Status „kurz vor Kopf ab” oder so ähnlich. Wenn ich in einem Wartezimmer eines Knochendoktors sitze, dann habe ich es wirklich wirklich nötig, höchstwahrscheinlich schon alles ausprobiert (sofern kein akutes Traumageschehen).

Meine Abneigung fängt schon damit an, weil jede orthopädische Praxis wie ein Mastbetrieb aufgebaut ist. Im Wartezimmer sitzen Massen von Menschen, am Thresen stehen Schlangen von Menschen. Wenn Orthopäden könnten, würde es ihrem Image nicht schaden, hätten die schon längst Wartezimmermarkenautomaten verteilt. Sitzplatzzuordnung per Nummer. Mit Leitsystem, weitere Verwendung der Nummern in der Vorsprechzimmerwartezone und im Röntgenbereich, später auch für die Physio verwendbar. Degradierung zur Nummer. Namen und Persönlichkeit sind in jeder orthopädischen Praxis nur noch notwendiges Übel.

Die orthopädische Praxis, die ich mir neulich bei meinem Schulteraussetzer (also neulich, 2013) aussuchte, ist eine Durchgangsarztpraxis. Die spielen in der Königsliga dessen, was ich oben beschrieben habe. Die haben aber den unbedingten Vorteil, dass ich da morgens hingehen kann, mich anmelden kann – ganz ohne Termin – und mir sagen lasse, bis wann ich zu Hause meinen Kaffee trinken kann, um wiederzukommen. Unschätzbarer Vorteil (wenn man laufen kann), der alles überwiegt. Deren Wartezimmer ist eine einzige Schlachtbank. Zum Glück wird dort recht wenig Deutsch gesprochen, der Oberdoc ist türkischer Herkunft, so also auch alle medizinischen Fachangestellten, um die zumeist türkisch sprechenden Patienten in deren Landessprache bedienen zu können.

Mein persönlicher Eindruck: Nein, Deutschland ist nicht gut zu seinen Migranten. Ich sehe dort Menschen, die sich einfach kaputt gearbeitet haben. Ausgebrannt. Am Ende.

Für mich hat das den Vorteil, dass ich das Leid sehe es mir aber nicht anhören muss, denn ich verstehe kein türkisch. Ich wertschätze diesen Sachverhalt sehr. Kommt man dann dran, wird man in ein Sprechzimmer geführt, in dem man eine weitere Zeit X wartet (denn wie in jedem ordentlichen Schlachtbetrieb werden mehrere Sprechzimmer bedient und zwischendurch das Spritzenzimmer abgefeiert.) Im Spritzenzimmer ist generell Hochsaison. Es wird sehr gerne genutzt, um eine flinke Zwischensprechstunde abzuhalten, auf Privatsphäre wird prima gepfiffen. Haben ja eh fast alle das Gleiche.

Aber bevor man bei der Erstkonsultation vom Sprechzimmer, wo man knappe einskommafünf Minuten dem Schlächter vom Fach einen Hauch von Beschwerdebeschreibung servieren durfte über die Röntgenschleuse zurück ins Sprechzimmer geleitet wird, wo es in knappen zwei Minuten gerne eine pragmatische Diagnose gibt, ein Rezept, eine prima OP-Vision und dann abgeschoben wird ins Nebengelass, dem schon beschriebenen Spritzenzimmer.

Als ich „Schulter hatte”, habe ich in dieser Praxis die meiste Zeit damit verbracht zu argumentieren, warum ich keine Spritze haben wollte. Das war irgendwie ganz lustig, wenn auch im Nachhinein echt blöd von mir, denn die nur eine Spritze hatte mir doch erstaunlich viel meiner Qualen genommen – und die Schmerzen waren gut heftig. (Schmerzen vom Orthopäden gesetzt bekommen, sind noch ein ganz anderes Thema bei mir.)

Ich laufe seit einigen Wochen, realistisch betrachtet sind es nun schon auch Monate – mit eleganter Betonung auf den Plural – mit einer Sehnenscheidentzündung in der rechten Hand, vor allem Daumenbereich rum. Ich habe schon viel geschmiert, den Bereich mit einer etwas ausgenudelten Orthese ruhig gestellt (das Schmerzphänomen ist mir bekannt noch aus „Autotürzuklapp”-Zeiten und wurde bis dato immer wieder von mir eigenständig prima wegtherapiert), die am Computer verwendete Maus wieder mal gegen den Wacom-Stift getauscht. Und festgestellt, der Schmerz kommt blöderweise vom Fahrradlenker. Es ist dieser Griff in Kombination mit Gerüttel, der den Schmerz immer wieder hoch poppen lässt, der erstaunlich interessant mittlerweile durch die ganze Hand wandert.

Ich habe Muskelschwammaufbau in Wasserbädern mit essigsaurer Tonerde probiert, ein sehr aprobates Mittel mir als Teenager von einem Orthopäden empfohlen, der in Berlin als Koryphäe und Schlächter gleichzeitig galt. Als Schlächter übrigens gar nicht, weil er so brutal operierte, sondern weil er einen ziemlich derben Ton seinen Patienten gegenüber am Laib hatte, wenn die nicht so richtig spuren wollten.

Nicht richtig spuren wollten hieß dabei, nicht die von ihm verordneten Turnübungen (er kam mehr aus der Ecke Pilates, denn Chemie) machen wollen, um die ein Leben lang vernachlässigten Muskeln aufzubauen, um den Bewegungsapparat aus seiner falschen Methodik abzuholen. Im Grunde eines der approbateren, womöglich sogar einzig sinnvollen Mittel in der Orthopädie, welches nicht gerne von beiden beteiligten Seiten propagandiert wird, weil die betroffene eine Hälfte leider einfach nicht gerne Sport macht und somit nur ungerne den eigenen, dummerweise zwingend notwendigen Teil zur Genesung beitragen möchte. Die behandelnde andere Hälfte daran leider auch nicht so viel verdient. Dieser Orthopäde wäre in der heutigen Zeit immer noch ein Geschenk des Himmels, leider in diesem verkorksten Gesundheitssystem auch pleite.

Mich hatte der Mann damals geknackt, denn nachdem ich bei einem anderen Orthopäden monatelang mit Vollgips (im Hochsommer) und Ruhigstellung, Cortisonspritzen en masse (und ich war erst 13) erfolglos behandelt hatte, kam der Schmerz immer wieder, weil ich nämlich immer schon eine sehr merkwürdige Haltung beim Handschreiben habe und solange man dort nicht ansetzte, konnte das Problem im Rahmen meiner schulischen Karriere gar nicht gelöst werden.

Der Schlächter also erklärte mir, ich solle meine Muskeln in dem Arm trainieren. Schlug mir vor, warmes Wasser einzulassen im Handbecken mit einer höher dosierten essigsauren Tonerde versetzt, den Ellenbogen dort hineinzulegen und immer wieder mit der Hand einen Schwamm zusammen zu drücken. Das mehrmals am Tag einige Minuten lang.

Ich tat das und war ziemlich bald beschwerdefrei. Bis eben halt jetzt. Und jetzt funktioniert diese Methode leider nicht so richtig, was dummerweise eher auf Arthrose tippen lässt. Was quasi eine altersentsprechende Diagnose wäre, die ich persönlich aber ablehne, den so ist es eben mit dem Altern: mein Kopf möchte nicht mit meinen Knochen gemeinsam altern.

Neulich probierte ich sogar die Elektrostimulanzmethode. Ich musste ein paar Löcher bohren. Löcher bohren mit der Hand, das war mir klar, würde weh tun. Aber irgendwann machte ich es und siehe da: es tat weh. Es tat sogar am gleichen Tag höllisch weh. So richtig mit Schmackes. Nur auszublenden über die Freude über die endlich gebohrten Löcher. Am nächsten Tag: Stille, kein Schmerz. So gar kein Schmerz.

Dummerweise gestern wieder Tätigkeiten ausgeübt, die den Schmerz blitzschnell erneut um die Ecke biegen ließen. Also entweder fange ich irgendwo als Bohrermamsell vom Dienst an oder aber …

… eigentlich also brauche ich einen anderen Fahrradlenker, eine bessere Orthese für einen Moment und dann etwas Muskeltraining. Für die bessere Orthese wäre ein orthopädischer Gang aus finanziellen Gründen anzuraten. Wäre da nicht all das, was ich oben lang und breit beschrieben habe, was mich davon abhält.

Und so geht es seit Tagen, wenn am Abend die Hand besonders schmerzt, weil kaum ruhig gestellt, ich so:

„Morgen gehe ich zum Orthopäden. Gleich früh gehe ich hin!”

Ich war heute wieder nicht da und weiß auch schon, dass ich morgen und übermorgen nicht gehen werde, weil dann andere therapeutische Maßnahmen anstehen und überhaupt … vielleicht ist Freitag ja wieder das Wetter schön. Samstag und Sonntag ist zum Glück die Praxis eh geschlossen. Und Montag ist ein prima Tag zum Orthopäden zu gehen, aber vielleicht regnet es Montag lustige Hunde, Dienstag ist eh nie schön beim Orthopäden, der Mittwoch ist vergeben, der Donnerstag auch …

3 Kommentare:

ms. hü hat gesagt…

was für einen fahrradlenker hast du denn? evtl. hätte ich hier möglichkeiten zum herumprobieren für einen besser passenden. mein gg (grandioser gatte) schraubt sehrsehr viel an unseren (mountain)bikes und hat ein gut sortiertes teilelager ...
bei interesse mail? (meta tiefstrich morfoss bei gmx punkt net)

viele grüße und gute besserung!!

Tilla hat gesagt…

Liebes, lass uns einen Deal machen.
Ich war beim Zahnarzt und habe Ende des Monats eine fiese Drei-Tages-Aktion bei eben diesem vor mir. Ich gehe hin und Du gehst zum Onkel Knochenbrecher? Ja? Jaaaaaa?

Katja hat gesagt…

Ich hab's jetzt endlich zum Orthopäden geschafft, nächste Woche einen Termin zur Krebsvorsorge, da bin ich schon soo stolz auf mich, dass ich den Zahnarzt und Frauenarzt, die ich vor dem Urlaub noch heimsuchen sollte kurzerhand prokrastiniert habe.
Ach ja, zum Venendoktor sollte ich auch mal, und zum Optiker, das mit dem Gucken ...
Wir haben es nicht leicht, ich höre mich an wie meine eigene Großmutter ;-)

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