2013-06-25

Ansonsten …

… nach guten fünf Wochen Klinik kann ich berichten, dass ich froh bin hier zu sein. Nicht weil ich etwa großartige Fortschritte vermelden könnte. Aber es hilft ungemein professionelle Ansprechpartner zu haben, wenn das Jobcenter in Berlin Mitte sich alle Mühe gibt, mich im vierzehntägigen Abständen in eine Lebenskrise, die gleichfalls mit einer existenziellen einhergehen, nach der anderen Lebenskrise zu schicken.

Das fing damit an, dass ich, als ich zum ALG I den Antrag auf Bezuschussung stellte, mitgeteilt bekam, nunmehr sei ausschließlich das Jobcenter für meine Verwaltung zuständig – auch wenn die Arbeitsagentur den größten Teil der Leistung mir bezahlte. Somit reichte ich alle Krankschreibungen bei diesem Jobcenter ein im guten Glauben so richtig zu handeln. Natürlich, hinterher ist man immer klüger, war es äußerst naiv von mir zu glauben, das Jobcenter würde hinsichtlich der Folgekrankschreibung über die sechste Woche hinaus die Arbeitsagentur informieren, denn meinem Verständnis nach, würde diese doch ein verstärktes Interesse daran haben mich nicht über den notwendigen Zeitpunkt hinaus finanzieren zu müssen. Ist halt blöd, hat man bei einer psychischen Erkrankung nicht alle Eventualitäten im Kopf, gebe ich zu.

Ich wartete also auf die abschließende Abrechnung der Arbeitsagentur, die laut Krankenkasse automatisch kommen würde, während der Mitarbeiter der Leistungsabteilung im Jobcenter schlicht seinen Job nicht tat. Er informierte weder die Arbeitsagentur, noch korrigierte er seinen Bescheid mit dem er mir für den letzten Monat im Leistungsbezug die komplette Summe zahlen wollte (ALG I-Bezug hatte ich ja nur sechs Monate). Irgendwann bekam ich die von mir erwartete Schlussabrechnung der Arbeitsagentur, die die Krankenkasse jedoch nicht annahm, weil es die falsche war. Denn diese lief über den gesamten Bezugszeitraum, Anspruch auf Krankengeld hatte ich jedoch bereits einen Monat früher.

In der Zwischenzeit überwies die Arbeitsagentur Ende April die letzte Monatsleistung im Nachhinein für April, die mir nicht zustand – weil ich ja schon im Krankengeldbezug stand. Diesen Eingang nahm ich zur Kenntnis. Ich klärte mit der Krankenkasse die interne Verrechnung mit der Arbeitsagentur. Was üblicherweise kein Problem ist, denn so eine Überzahlung passiert schnell mal, weil eine der beteiligten Parteien nicht sooo flexibel ist. Und führte von dem Geld auf dem Konto die üblichen Überweisungen aus; besuchte mein Konto folgend auch nicht mehr, denn ich weiß ja, wie wenig ich im Monat zur Verfügung habe.

Als ich die Kontoauszüge für den Folgeantrag ausdruckte, bekam ich somit erst 20 Tage später mit, dass – da der Mitarbeiter diesen Bezug von Krankengeld weder für die Arbeitsagentur noch für sein Budget peilen wollte – das Jobcenter eine ähnlich hohe Summe zuzüglich Mietkostenzuschuss für den Monat Mai im voraus auch auf mein Konto überwies.

Aus Euch bekannten Gründen liegt natürlich eine Kontopfändung auf meinem Konto. Ich beauftragte die Bank das Geld umgehend zurückgehen zu lassen, was sie nicht tat, wegen der Pfändung – mich aber auch nicht zu informieren für nötig hielt. Also stand ich eine Woche in meiner ersten akuten Krise, trotz klinischer Betreuung. Das Geld war weg, schlicht weil diese und die vorangegangene Zahlung innerhalb von 30 Tagen auf meinem Konto eingingen. Dem Finanzamt, dem die Sozialarbeiterin der Klinik – nach meinem ersten kompletten Zusammenbruch – die Situation schilderte, war meine Mittellosigkeit im Monat Juni egal, und gab diese soziale Leistung nicht für die Rücküberweisung an das Jobcenter wieder frei.

Zwischenzeitlich erfolgte auch die die Teilerstattung der Krankenkasse, die die eine Überzahlung bereits – nicht mit der Agentur sondern mit dem Jobcenter – denn der Mitarbeiter war nämlich zwischenzeitlich aufgewacht und hatte die Überzahlung prompt bei der Krankenkasse wieder abgefordert (das konnte er dann ganz schnell) – verrechnet hatte, auf meinem Konto. Auch binnen dieser 30 Tage. Damit gingen die nächsten 340 Euro, von mir als Miete für den Juni bestimmt, auch an das Finanzamt. Und die Überzahlung der Arbeitsagentur galt somit als noch nicht wieder abgegolten.

So gingen wir, die Sozialarbeiterin und ich zum Jobcenter zu dem Sacharbeiter der Leistungsabteilung, um ihm seinen Fehler aufzuzeigen und ihm meine dadurch unverschuldete Mittellosigkeit mitzuteilen. Nicht die Miete zahlen zu können, ist nämlich in meiner Situation zufällig gerade der allergrößte und psychisch überhaupt nicht von mir zu händelnde Albtraum. Das – entschuldigt bitte meine kommende Ausdrucksweise – kleine dumme arrogante Arschloch zuckte die Schultern, meinte bei ihm sei doch alles in Ordnung, die Überzahlung hätte er ja zurück und gezahlt hätte er doch auch für Juni, was ich eigentlich von ihm wolle. Es sei doch meine Schuld, wenn ich ihm mit der Folgekrankschreibungen (!) nach sechs Wochen (!) ALG I-Bezug nicht den künftigen Bezug von Krankengeld angezeigt hätte. So einfach ist das nämlich.

Mit dem Folgeantrag legte ich dieses Mal erstmals ein Schreiben meiner Ärztin bei, die – das Jobcenter befindet ja auch meine Wohnung sei zu teuer – klar begutachtete, dass ich aufgrund meines Gesundheitszustandes momentan nicht umziehen könne. Gleichfalls nahm der Sachbearbeiter aufgrund der Klinikunterlagen zur Kenntnis, dass ich mich momentan aus genau diesem Krankheitsgrund, der ja nun zwangsläufig sehr transparent auch auf aufgrund meines Zustandes deutlich dargelegt war, wenn auch in teilstationärer, dennoch eben in stationärer Behandlung befinde. Wie gesagt, die Sozialarbeitern war bei diesem Termin anwesend, denn alleine hätte ich den Weg gar nicht machen können.

Was macht er in der Folge? Er schickt mich zur Begutachtung zum sozialpsychiatrischen Dienst, der nun begutachten soll, ob ich denn wirklich zu krank sei, um aktuell umziehen zu können. (Wohlbemerkt, ich bin vermutlich noch die nächsten zwei Monate in der Klinik, keine Ahnung, was im Anschluss kommt.) Das war dann mein zweiter kompletter Zusammenbruch, nach dem ich so fertig war, dass ich trotz sofortiger Klinikarztkonsultation – um anderen finalen Konsequenzen zu entgehen, die einem dann natürlich in meinem Zustand im Kopf umherschwirren – am Abend drauf und daran war mich in die Krisenintervention zu begeben.

Zum Glück bin ich ein sehr gesegneter Mensch, der in solchen Momenten Freunde anrufen kann und bitten kann, auf mich aufzupassen, was diese Freunde auch umgehend und liebevoll tun. Und ich habe Freunde, die mir anderweitig in einer solchen Situation helfen und Hilfe anbieten. (Die hier mitlesen: Danke! Das wäre ohne Euch nicht auszuhalten momentan.)

Die Vermittlerin des Jobcenters schickt mir übrigens trotz der Krankschreibung und Information über den aktuellen Klinikaufenthalt Einladungstermine, die ich doppelt – postalisch und per E-Mail absage, die sie negiert, um mir dann mit Anhörungen und Leistungskürzung zu drohen. Merkwürdigerweise bekommen andere Patienten in der Klinik, auch „Jobcenterkunden” mit gleichen Diagnosen von ihren Sachbearbeitern sieben Monate Ruhe zugesprochen. Nein, ich weiß nicht, trotz meiner – irgendwann knallt es auch mal bei mir – sehr aggressiven Antwort, ob sie die Leistungskürzung nun nicht auch noch durchziehen wird.

Übrigens, die nächste Teilzahlung Krankengeld von der Krankenkasse ist direkt mit der Arbeitsagentur verrechnet worden. Wovon ich gerade lebe? Mittagessen gibt es in der Klinik, Anfahrt erfolgt mit dem Rad, Katzenfutterreserven sind noch begrenzt verfügbar, Miete im Juli? Keine Ahnung.

Aber hey, die Pillen machen so schön schläfrig, dass ich um 19 Uhr gerne schon mal im Bett liege. Und nein, ich habe nicht die Hoffnung, noch die Kraft zu glauben, dass irgendwann noch mal etwas besser wird.

Ich bin einfach nur fassungslos.

Ich denke, Ihr versteht meine Pause nun besser.

22 Kommentare:

Lorelei hat gesagt…

Ach Scheiße, Mensch. Scheiße, Scheiße, Scheiße. (Sorry, was eloquenteres fällt mir dazu grade nicht ein)
Ich würde Dich nächste Woche, wenn ich in Berlin bin, gern mal ordentlich knuddeln. Nur wenn Du magst natürlich …
Alles Liebe!

Anonym hat gesagt…

Ich glaube ich muss dass bestimmt noch 100 mal lesen, um das alles zu verstehen:-( Wie muss es dir da erst ergehen.

LG Doreen
Kopp hoch oder so

Sammelmappe hat gesagt…

Das klingt so verwirrend und frustrierend, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll.
Trotzdem Wünsche ich dir von Herzen gute Besserung bzw. eine heilende Zeit! Nach dem Tief kommt auch wieder ein Hoch. Ganz sicher, sagt mir mein Gefühl in deinem Fall.

Alles Liebe!

kelef hat gesagt…

das ist so - ach herrjeh. frau creezy, wenn ich ihnen nur irgendwie helfen könnt' ...

creezy hat gesagt…

@Lorelei
Gerne natürlich, aber ich muss es derzeit leider immer von der Tagesform abhängig machen. Schön, dass Du kommst.

@all
Danke. Es ist auch völlig irre und verwirrend, hier haben im akuten Moment vier (gesunde) studierte, besonnene Menschen das auch nicht ad hoc verstehen können, noch begreifen können. Es war auch nicht leicht, es halbwegs verständlich aufzuschreiben, vielleicht ist mir das nicht gelungen.

Anonym hat gesagt…

das jobcenter kann man nicht verstehen. und manchmal glaube ich, dass dieser "wirrwar" System hat und dazu dienen soll einen so weit zu treiben JEDEN, aber auch wirklich JEDEN dämlichen job anzunehmen. meine Erfahrungen mit dem jobcenter Neukölln sind jedenfalls ähnlich. es hilft dir nicht wirklich, dennoch: nicht klein kriegen lassen!

Ramona hat gesagt…

Es kann nicht angehen, dass obwohl Du der Meldepflicht nachgekommen und Du trotz Deines gesundheitlichen Zustands aktiv geworden bist, der Mitarbeiter des Jobcenters ohne Konsequenzen so einen Mist verbockt. Durch seine Ignoranz, Faulheit und Desinteresse wirst Du in die Armut getrieben. Das Jobcenter hat die gottverdammte Pflicht mit seine 'Kunden' zu arbeiten und nicht gegen sie! Was hier abläuft, darf man sich nicht gefallen lassen.
Ich kann Dir nur raten, mach eine schriftliche Beschwerde an die zuständige Team-Leiterin. Schon um die weitere Verfahrensweise abzuklären und eine finanzielle Lösung für Dich herbei zu führen. Die Sozialarbeiterin der Klinik hilft bestimmt.

Anonym hat gesagt…

Die Sache mit der Kontopfändung ist eine ganz gefährliche Falle, wenn man abhängig ist von Sozialleistungen. Wenig Geld haben ist eine Sache, aber die Wohnung (ein zweites Mal) verlieren, kann ein Genickbruch werden, der auch die Künstlerexistenz beendet. Was einen psychisch immer stärkt, ist Strategien entwickeln, wie man aus der Falle rauskommen kann. Ganz unabhängig was andere von einem wollen. Das wäre auch eine kreative Leistung. Ich denke, dass es hart ist, aber nicht unmöglich, aus der Falle sich "freizuspielen". Falls Du Lust hast, zu lesen, empfehle ich "Poor Economics", das ist gerade ins Deutsche übersetzt worden und steht in der Bücherei...

Peter Schulz hat gesagt…

Nur wer selbst einmal eine Depression erleben musste, kann auch halbwegs verstehen, was es heisst, im Kontext dieser Krankheit Entscheidungen treffen zu müssen. Man will, aber man kann es nicht, diese Erfahrung ist sehr schmerzvoll.

Ich kann das Wort "Tagesform/Tageszeit" sehr gut nachvollziehen. Weil es tatsächlich so ist, wie ein Vogel kommen die schönen Momente daherhergeflogen, um im nächsten Augenblick wieder den Boden unter den Füssen zu verlieren.

Es braucht sehr viel Zeit (die muss man sich
nehmen - das muss man lernen) für die eigene Seele.

Viel Geduld mit sich selbst, wünsche ich vom Herzen.

multikulinaria hat gesagt…

Sprachlos! Es ist schon schwierig genug, wenn man gute Sachbearbeiter und einigermaßen reibungslose Abläufe beim AA hat. Bloß gut, dass Du diesen ganzen Müll nicht alleine durchstehen musst...
Eine klitzekleine Unterstützung in Sachen Katzenstreu und -futter könnte vllt. das hier sein: http://www.tiertafel.de/ausgabestelle_berlin.php

Ist die Miete für Juli durch diesen Schlamassel ebenfalls futsch? Ich las nur was von Miete Juni.

Würde es ggf. helfen, die Sache publik zu machen? Kenne Jemanden beim Tagesspiegel.

Lass Dich nicht unterkriegen meine Große!!!

Melody hat gesagt…

Machst du mal bitte auf deinen Amazon-Wunschzettel ein paar Lebensmittel, die du auch essen würdest und Katzenfutter (muss ja nicht immer ein 20kg Sack sein), den die Katzen vertragen? Nervennahrung, Suppe, whatever gut täte. Mach einfach mal ein paar Sachen auf deinen Wunschzettel da bitte (und guck am Freitag oder Samstag in die echte Post).

Anonym hat gesagt…

Stimmt genau was Melody sagt. Und schau dir die eMail aus Norwegen an! Wirklich wichtiger Inhalt :-) Auch echte Nervennahrung.

Viele liebe Grüsse von C.

Ute hat gesagt…

Auf den Wunschzettel passt doch bestimmt noch mehr, oder? ;-)

Unknown hat gesagt…

Wie ist das denn mit der Lieferadresse? Hast du trotz Klinik die Möglichkeit, an die Päckchen zu kommen?
LG!

Melody hat gesagt…

Creezy, in Amazonien gibt es auch Grundnahrungsmittel. Wenn du nicht willst, dass ich dir 18kg Schweinskopfsülze liefern lasse, und zwar regelmäßig, dann springst du bitte mal über den Schatten da und packst ein bisschen was mehr auf den Wunschzettel.

Es ist eh wenig genug, was wir tun können: Bisschen helfen und Voodoo-Puppen gegen die Beamtenzombies.

Rebecca hat gesagt…

Hey...
sonst bin ich immer eher nur stille Mitleserin, aber gerade bin ich so fassungslos, dass ich das jetzt schreiben möchte.
Was dir da in dieser Maschinerie passiert, ist so schlimm, dass man es als Außenstehender, der das noch nie erlebt hat (noch nie erleben musste) sich gar nicht vorstellen kann.
Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, um mit den Hilfen, Sozialarbeiterin, ..., durch diese Krise zu kommen, so dass Du danach die Möglichkeit hast, Dich auf Dich zu konzentrieren, und wieder auf die Beine zu kommen!!!
Alles Gute!

Melody hat gesagt…

Sülze ist unterwegs - ich gewinne Bockigkeitswettbewerbe ganz gerne.

:D

(muss man es heute dazuschreiben, wenn man einen Scherz macht? ja, vermutlich)

trippmadam hat gesagt…

Creezy, das tut mir so Leid. Mein Ex erlebt gerade Ähnliches, mir wird ganz übel, wenn ich daran denke.

Lily hat gesagt…

Ein Staat verlangt verdammt viel dafür, dass er seine Leute im besten Fall knapp am Verhungern hindert. Mein Mitgefühl wird dir nicht helfen, aber du hast es. Und auch mir ist in Zeiten von langen Klinikaufenthalten schon ähnliches passiert, wenn auch nicht mit dem Jobcenter. Das eine üble Sache für sich selbst ist- ich bin auch in dem Bereich tätig (andere Behörde) aber jeder Kontakt lässt mich sprachlos zurück.

GSt hat gesagt…

F32 is leider fies ... Platz im Abendgebet ist für dich gebucht!!

Sunlion hat gesagt…

Kleiner Tip vom sonnigen Flauschikätzchen: http://www.t-online.de/wirtschaft/jobs/id_64429126/urteil-hartz-iv-empfaenger-mit-depression-muessen-nicht-umziehen.html
Und gute Besserung! =o)

Anette hat gesagt…

Ich möchte dir gern eine Zuwendung zukommen lassen. Darf ich?

Liebe Grüße von Anette

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